Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 11.03.2011 | |
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Aktenzeichen | L 10 SF 295/10 B PKH | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 172 Abs 3 Nr 1 SGG, § 197 Abs 2 SGG, § 127 Abs 2 ZPO |
Der Antrag dem Kläger für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt E, T, B, beizuordnen, wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
1. Der Senat legt die Beschwerdeschrift vom 03. November 2010 dahin aus, dass der Kläger (des abgeschlossenen Ausgangsverfahrens) zunächst beantragt hat, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt E für die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin zu bewilligen. Dieser Antrag kann keinen Erfolg haben. Vielmehr ist Gewährung von PKH für die PHK-Beschwerde ausgeschlossen, weil das PKH-Verfahren schon keine „Prozessführung“ iS des § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) darstellt <vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, RdNr 2b zu § 73a mwN>, auf den § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verweist, so dass nichts anderes für das hierauf bezogene Beschwerdeverfahren gelten kann. Da die Gewährung von PKH für das PKH-Beschwerdeverfahren nicht in Betracht kommt, scheidet auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts für dieses Verfahren aus, da die Beiordnung nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 2 1. Alt ZPO die Gewährung von PKH voraussetzt.
2. Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des SG Berlin, mit dem der Antrag des Klägers abgelehnt worden ist, ihm für die Erinnerung gegen den auf der Grundlage von § 197 Abs 1 SGG erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 12. Februar 2010 PKH unter Beiordnung des benannten Rechtsanwalts zu gewähren, ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass das SG über die Erinnerung nach § 197 Abs 2 SGG endgültig entscheidet und damit eine Beschwerdemöglichkeit zum Landessozialgericht (LSG) nicht eröffnet ist. Aus diesem Umstand kann nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass auch die Beschwerde gegen den Beschluss nicht eröffnet ist, mit dem das SG die Gewährung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das Erinnerungsverfahren abgelehnt hat. Denn es gibt keinen Grundsatz, wonach im Nebenverfahren der PKH der Rechtszug nicht weiter reichen dürfe als im dazugehörigen „Hauptsacheverfahren“. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Gesetzgeber die Beschwerde ausdrücklich ausgeschlossen hat. Dies ist nicht der Fall, da § 172 Abs 3 Nrn 1 bis 4 SGG keinen entsprechenden Ausschlussgrund enthalten, so dass es bei der durch § 172 Abs 1 SGG grundsätzlich eröffneten Statthaftigkeit der Beschwerde bleibt (vgl auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2010 – 18 SF 172/10 B PKH, juris). Soweit die (entsprechende) Anwendung des Beschwerdeausschlusses aus § 127 Abs 2 ZPO für die vorliegende Konstellation teilweise befürwortet wird (Hessisches LSG, Beschluss vom 06. Juli 2009 – L 9 B 274708 AS, juris, worauf das SG in seiner Rechtsmittelbelehrung Bezug genommen hat), überzeugt dies aus den Erwägungen nicht, die einer Anwendung des § 127 Abs 2 ZPO im Geltungsbereich des § 172 Abs 1 SGG aus systematischen Erwägungen (auch und gerade nach der Änderung des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG mit Wirkung vom 11. August 2010 durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05. August 2010; BGBl I 1127) entgegen stehen (vgl ausführlich: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Oktober 2010 – L 25 B 2246/08 AS PKH, juris; aA aber weiterhin LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. September 2010 – L 20 AS 16662/10 B PKH und 22. Dezember 2010 – L 34 AS 2182/10 B PKH, jeweils juris).
Die Beschwerde ist aber nicht begründet; die Bewilligung von PKH kommt jedenfalls in Ansehung des „Streitwertes“ (9,00 EUR <14,75 EUR abzüglich bereit festgesetzter 5,75 EUR> nebst 5 vH Zinsen) nicht in Betracht. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO kann PKH nur bewilligt werden, wenn neben dem Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ein Rechtsanwalt kann nach Maßgabe des § 121 Abs 2 1. Alt ZPO nur beigeordnet werden, wenn und soweit PKH bewilligt worden ist. In der Beiordnung eines Rechtsanwalts und der damit verbundenen Freistellung des Unbemittelten von dessen Vergütungsansprüchen (§ 122 Abs 1 Nr 2 ZPO) liegt in einem gerichtskostenfreien und ohne Anwaltszwang ausgestalteten sozialgerichtlichen Verfahren – wie dem vorliegenden - die praktische Bedeutung der Bewilligung von PKH (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 18. Dezember 2001 - 1 BvR 391/01, NZS 2002, 420, 420). Durch die Bewilligung von PKH soll ein Unbemittelter hinsichtlich der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend einem Bemittelten gleichgestellt werden. Die Gewährung der staatlichen Hilfe soll indessen nicht dazu führen, dass ein Unbemittelter Rechtsschutz in einer Form oder einem Umfang in Anspruch nimmt, die der Bemittelte sich bei Abwägung von Kosten und Nutzen versagen müsste oder würde. Zu berücksichtigen ist daher auch, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 1997 - 1 BvR 1440/96, NJW 1997, 2103f).
In Anlegung dieses Maßstabs ist die Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, denn die wirtschaftliche Bedeutung des beim SG anhängigen Erinnerungsverfahrens liegt im Bagatellbereich. Zur Überzeugung des Senats – wie auch des SG in der angefochtenen Entscheidung - würde ein bemittelter Kläger bei vernunftgeleiteter Abwägung angesichts des Wertes des von ihm behaupteten Anspruchs mit dem Kostenrisiko – allein die Betragsrahmengebühr für die Erinnerung nach Nr 3501 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) beträgt zwischen 15,00 EUR und 160,00 EUR, hinzukommen Post- und Telekommunikationspauschale (10,40 EUR) sowie Umsatzsteuer – von der Beauftragung eines Rechtsanwalts Abstand nehmen. Keineswegs ist es Absicht der Regelungen zur PKH, einen Unbemittelten in den Stand zu versetzen, einen Rechtsanwalt unter Außerachtlassung naheliegendster wirtschaftlicher Erwägungen zu beauftragen, und ihn damit gegenüber einem Bemittelten deutlich zu bevorzugen (so ausdrücklich für einen streitigen Betrag vom 14,90 EUR nebst Zinsen für ein Erinnerungsverfahren: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2010 – 18 SF 172/10 B PKH, juris; vgl allgemein: ua Beschluss des Senats vom 19. Mai 2008 - L 10 B 184/08 AS PKH, unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2006, 1 BvR 2673/05, info also 2006, 297 ff und mwN; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Februar 2008 - L 13 B 40/07 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Februar 2009 - L 5 B 1956/08 AS PKH <Annahme einer Bagatelle bei einem erhobenen Anspruch von 85,44 EUR>, allesamt juris und Beschluss des Senats vom 11. Januar 2010 – L 10 B 1479/08 AS PKH <Annahme einer Bagatelle bei einem erhobenen Anspruch von 42,00 EUR>, unveröffentlicht, hiergegen Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anhängig unter 1 BvR 2493/10). Deswegen scheidet auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts für dieses Verfahren aus, da die Beiordnung nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 2 1. Alt ZPO die Gewährung von PKH voraussetzt.
Damit kann offen bleiben, ob Erinnerungsverfahren der vorliegenden Art überhaupt in den sachlichen Anwendungsbereich des § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO fallen. Dazu müsste es sich um ein selbstständiges Nebenverfahren handeln (vgl dazu Neumann in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Auflage 2010, RdNr 57 zu § 160) und nicht nur um ein unselbstständiges Nachverfahren zum Hauptsacheverfahren (den sachlichen Anwendungsbereich in einem obiter dictum bejahend: Hessisches LSG, aaO, RdNr 24; ebenso – allerdings tragend - für die Rechtsverteidigung in einem Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09. Juni 2008 – 15 W 2/08, juris). Zur hinreichenden Erfolgsaussicht (Bewilligungsvoraussetzung nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO) sei nur angemerkt, dass die Erinnerung nicht innerhalb der Monatsfrist des § 197 Abs 2 SGG erhoben wurde und Wiedereinsetzungsgründe (§ 67 Abs 1 SGG) bisher jedenfalls nicht ersichtlich sind.
Im PKH-Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).