Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 29.05.2017 | |
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Aktenzeichen | 1 Ws 46/17 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2017:0529.1WS46.17.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Neuruppin vom 29. Dezember 2016 wird als unbegründet verworfen.
Der Verurteilte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die ihm darin entstandenen notwendigen Auslagen.
I.
Der Verurteilte und Beschwerdeführer wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Neuruppin vom 29. Dezember 2016, durch den seine Einwendungen gegen die Anordnung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitstrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts ... vom 5. Oktober 2015 (4 Ds 37/15) verworfen worden sind.
Das Amtsgericht ... hat mit Urteil vom 13. April 2015 (4 Ds 37/15), rechtskräftig seit demselben Tag, gegen den Beschwerdeführer wegen Diebstahls auf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt. Mit Strafbefehl vom 6. Juli 2015 (4 Cs 278 Js 11717/115 218/15), rechtskräftig seit dem 24. Juli 2015, hat das Amtsgericht ... des Weiteren wegen Computerbetruges in 3 Fällen auf eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60,00 € erkannt, die Einzelstrafen lauteten auf jeweils 50 Tagessätze. Durch Gesamtstrafenbeschluss vom 5. Oktober 2015 (4 Ds 37/15), rechtskräftig seit dem 21. Oktober 2015, hat das Amtsgericht ... die erkannten Strafen aus den vorgenannten Entscheidungen vom 13. April 2015 und vom 6. Juli 2015, nach Auflösung der im Strafbefehl ausgesprochenen Gesamtstrafe, nachträglich auf eine Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 25,00 Euro zurückgeführt. Der Beschluss wurde dem Verurteilten am 8. Oktober 2015 zugestellt und ist seit dem 21. Oktober 2015 rechtskräftig.
Am 12. November 2015 wurde durch die Vollstreckungsbehörde die Kostenrechnung über 3.250 € Geldstrafe, 143,50 € Gebühren und 3,50 € Auslagen (Gesamt: 3.397,00 €) erstellt. Da der Verurteilte keine Zahlungen leistete, erging am 13. Januar 2016 eine Mahnung. Hierbei wurde der Verurteilte auf die Möglichkeit einer Ratenzahlung hingewiesen. Für den Fall Nichtzahlung wurde der Betroffene darüber belehrt, dass die Beitreibung der Forderung oder die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet werden könne. Da Zahlungen durch den Verurteilten weiterhin ausgeblieben sind, hat die Rechtspflegerin bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) am 21. März 2016 und nochmals am 27. Mai 2016 die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet und die Ladung zum Strafantritt unter Beifügung des Merkblatts R 42.1a „Freie Arbeit“ verfügt. Die Ladung zu Strafantritt mit einer Frist von 2 Wochen wurde dem Verurteilten am 18. Juni 2016 zugestellt. Da der Verurteilte auch hierauf nicht reagierte, weder Zahlungen leistete noch zum Strafantritt erschien, erließ die Rechtspflegerin am 9. August 2016 einen Vollstreckungshaftbefehl. Die Rechtspflegerin bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) vermerkte am 26. Oktober 2016 in der Akte, dass der Verurteilte angerufen habe und ihm der Sacherhalt und die Rechtslage telefonisch erörtert wurde. Ferner ist vermerkt, dass der Verurteilte „Freie Arbeit“ leisten wolle, was jedoch „in Anbetracht des Vollstreckungsstandes“ abgelehnt wurde.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 27. Oktober 2016 beantragte der Verurteilte den Haftbefehl aufzuheben. Der Verteidiger trug dazu vor, dass der Verurteilte bereit sei, zur Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe freie Arbeit leisten und hierzu bereits mit der ... gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft mbH sowie mit der …Kirche Kontakt aufgenommen habe; eine mündliche Zusage zur Ableistung freier Arbeit durch die ... GmbH sei bereits erteilt worden.
Infolge des Vollstreckungshaftbefehls wurde der Verurteilte am 02. November 2016 festgenommen und verbüßte bis zum 5. März 2017 die Ersatzfreiheitsstrafe zunächst in der JVA Neuruppin-Wulkow, ab dem 16. Januar 2017 in der JVA Spremberg.
Der Verteidiger des Verurteilten wies mit Schriftsatz vom 3. November 2016 nochmals auf den Wunsch des Verurteilten hin, „freie Arbeit“ zu leisten, und legte überdies dar, dass er über Wohnraum verfüge, der im Falle einer Inhaftierung gefährdet sei. Auch habe der Vermieter des Verurteilten ihm, dem Verteidiger, mitgeteilt, dass eine Betreuung des Verurteilten für Behördenangelegenheiten infolge Überforderung erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 9. November 2016 hat die Vollstreckungsbehörde dem Verteidiger des Verurteilten mitgeteilt, dass sein „Antrag auf Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe“ abgelehnt werde und „im jetzigen Stadium der Vollstreckung“ nur die Zahlung der Forderung zur Abwendung der Vollstreckung der (weiteren) Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht komme. Hiergegen hat der Verurteilte durch Anwaltsschriftsatz vom 12. Dezember 2016 „Beschwerde eingelegt mit dem weiter verfolgten Antrag des Verurteilten, die Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden.“
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Neuruppin hat die Beschwerde als Einwendung gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde zur Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 459 h StPO ausgelegt und mit Beschluss vom 29. Dezember 2016 die Einwendungen des Verurteilten gegen die Anordnung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts ... vom 5. Oktober 2015 (4 Ds 37/15) als unbegründet verworfen. Gegen diese, dem Verteidiger des Verurteilten am 10. Januar 2017 zugestellte Entscheidung hat dieser mit dem bei Gericht am 17. Januar 2017 angebrachten Anwaltsschriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit Stellungnahme vom 7. März 2017 beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen, dem ist der Verurteilte mit Anwaltsschriftsatz vom 21. März 2017 entgegengetreten.
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft. Nach dieser Regelung sind u.a. gerichtliche Entscheidungen nach § 459h StPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar und nicht im Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG zu überprüfen. Das Rechtsmittel ist formgerecht (§ 306 Abs. 1 StPO) und innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingegangen (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegt worden.
Der Verurteilte wurde zwar am 05. März 2017 aus der Haft entlassen, so dass die sofortige Beschwerde prozessual überholt ist, jedoch gebietet die von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Effektivität des Rechtsschutzes in Fällen von tiefgreifenden Grundrechtseingriffen eine Sachentscheidung auch für tatsächlich nicht mehr fortwirkende Eingriffe staatlicher Gewalt (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2163; BVerfG, NJW 1998, 2131; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., vor § 296 StPO, Rdnr. 18a m.w.N.). Der grundrechtsrelevante Bereich ist jedenfalls betroffen, wenn es um die Vollziehung von (Ersatz-) Freiheitsstrafe geht.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg, die sofortige Beschwerde erweist sich als unbegründet.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat – wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 7. März 2017 zutreffend ausführt – zu Recht die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet (§ 459e Abs. 1, 2 StPO), da weder die Geldstrafe eingebracht werden konnte noch innerhalb der gesetzten Frist ein Antrag auf Ratenzahlung oder auf die Erbringung freier Arbeit gestellt worden ist.
Nach § 2 StVollstrO Bbg ist die Geldstrafe im Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege zügig und mit Nachdruck zu vollstrecken. Der Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts ... ist bereits seit dem 21. Oktober 2015 rechtskräftig.
Auf die Zahlungsaufforderung der Vollstreckungsbehörde vom 12. November 2015 sowie auf die Mahnung vom 13. Januar 2016 hat der Verurteilte nicht reagiert und auch keinen Antrag auf die ihm angebotene Ratenzahlung gestellt. Auf die Ladung zum Haftantritt hat der Verurteilte ebenfalls nicht reagiert, einen Antrag auf Tilgung der Geldstrafe durch freie Arbeit hat er nicht einmal zeitnah nach Erlass des Vollstreckungshaftbefehls gestellt. Erst als die Vollstreckung des Haftbefehls drohte, mit Anwaltsschriftsatz vom 27. Oktober 2016 und über 1 Jahr nach Rechtskraft der zu vollstreckenden Entscheidung, hat der Verurteilte beantragt, zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe „freie Arbeit“ zu leisten. Das hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) mit Verfügung vom 9. November 2016 zu Recht abgelehnt.
Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit vom 19. Juni 2000 (GVBl. II, 226, zuletzt geändert durch VO vom 9. Februar 2016), die im Land Brandenburg aufgrund des Art. 293 EGStGB eingeführt worden ist, „kann“ die Vollstreckungsbehörde einem Verurteilten auf Antrag gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. § 2 Abs. 1 der Verordnung regelt das Antragsverfahren. Danach ist der Verurteilte mit der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auf die Möglichkeit der Abwendungsbefugnis durch „freie Arbeit“ unter Fristsetzung hinzuweisen. Dem ist die Vollstreckungsbehörde mit der Übersendung des Merkblattes „Freie Arbeit“ und der Setzung einer 2-Wochen-Frist nachgekommen. Vorliegend wurde dem Verurteilten mit Schreiben vom 27. Mai 2016 eine zweiwöchige Frist gesetzt, innerhalb der er zur Abwendung der Ersatzfreiheitsstrafe einen Antrag auf freie Arbeit hätte stellen können. Diese Frist war am 27. Oktober 2016 jedoch bereits lange abgelaufen, so dass die Staatsanwaltschaft den Antrag zu Recht abgelehnt hat.
Zwar ist in § 1 der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit von „uneinbringlicher Geldstrafe“ die Rede, auch setzt die Anordnung der der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 459e Abs. 2 StPO voraus, dass die Geldstrafe nicht „eingebracht“ werden kann, ein solcher Fall ist jedoch dann anzunehmen, wenn der Betroffene ein Jahr lang auf Zahlungsaufforderungen, Mahnungen und Ladungen zum Strafantritt nicht reagiert (vgl. KG, Beschluss vom 9. Januar 2001, 5 Ws 842/00, zit. n. juris, dort Rdnr. 4).
Ungeachtet der Tatsache, dass der Verurteilte einen solchen Antrag nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist gestellt und ein Jahr lang auf Zahlungsaufforderungen nicht reagiert hat, zudem den Nachweis über eine Beschäftigungsstelle für freie Arbeit bis zum Haftantritt nicht zur Akte gereicht hat, liegt die Gewährung freier Arbeit zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafe im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft. Denn die Zuweisung der freien Arbeit anstelle der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ist nicht bindend vorgeschrieben. Die Vollstreckungsbehörde „kann“ von dieser Möglichkeit Gebrauch machen (§ 1 Abs. 1 Verordnung Abwendung Ersatzfreiheitsstrafe). Die Staatsanwaltschaft hat ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Denn angesichts des ein Jahr andauernden Schweigens des Verurteilten dazu, wie er seine Geldstrafen zu tilgen beabsichtigte, ließ nicht erwarten, dass der Beschwerdeführer die Arbeit zügig und problemlos erbringen werde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von dem Verteidiger übersandten Schreiben der …. Kirchengemeinde ….. vom 17. Januar 2017. Diesem ist vielmehr zu entnehmen, dass sich der Verurteilte erst im November 2016 erkundigt hat, ob er dort Sozialstunden leisten könnte, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Antragsfrist längst abgelaufen war.
Der von dem Verteidiger erwähnte Hinweis des Vermieters des Verurteilten, wonach er, der Vermieter, eine „begrenzte Betreuung“ des Verurteilten für Behördenangelegenheiten für erforderlich erachte, da der Verurteilte „überfordert“ sei, ist nicht nachvollziehbar. Worin diese Überforderung liegen soll, wird nicht dargelegt. Den vorliegenden Akten, insbesondere der letzten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ... vom 13. April 2015, sind keine Hinweis für eine beschränkte Geschäftsfähigkeit des Verurteilten zu entnehmen.
Schließlich hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht auch das Vorliegen einer unbilligen Härte nach § 459f StPO verneint. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Verurteilte durch den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe seine Wohnung tatsächlich hätte verlieren können, waren und sind nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.