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Entscheidung 3 WF 126/12


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 14.11.2012
Aktenzeichen 3 WF 126/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 1603 BGB

Leitsatz

Geht der Unterhaltsschuldner einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach, die ihn nicht in den Stand setzt, den Mindestunterhalt zu zahlen, ist ihm hinsichtlich der Aufgabe der Tätigkeit und der Aufnahme einer nicht selbstständigen Tätigkeit eine Überlegungsfrist zuzubilligen, wenn er erst auf Grund eines Obhutswechsels des Kindes barunterhaltspflichtig wurde.

Tenor

Der angefochtene Beschluss in der Gestalt der teilweise abhelfenden Entscheidung vom 23. Oktober 2012 wird teilweise abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin … in F… auch insoweit bewilligt, als sie sich für die Zeit von März bis August 2011 gegen die Zahlung von Unterhalt überhaupt wendet.

Der weitergehende Antrag und die weitergehende sofortige Beschwerde werden zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Dies folgt aus der Verweisung in § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO und damit auch auf § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Soweit das Amtsgericht in der Abhilfeentscheidung vom 23.10.2012 die Vorschrift des § 76 FamFG herangezogen hat, ist dies unrichtig. Nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG sind in Ehesachen und Familienstreitsachen, zu denen die Unterhaltssachen wie vorliegend zählen, insbesondere §§ 76 bis 96 FamFG nicht anzuwenden. Das bedeutet, dass auch hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe die §§ 114 ff. ZPO nicht aufgrund der Verweisung in § 76 Abs. 1 FamFG, sondern aufgrund der Verweisung § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG heranzuziehen sind.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zum Teil begründet. Die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Rechtsverteidigung bietet über die Feststellung des Amtsgerichts in seiner teilweise abhelfenden Entscheidung vom 23.10.2012 hinaus in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 ZPO.

1.

Im Wege der teilweisen Abhilfe hat das Amtsgericht auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt, soweit sie sich gegen die Zahlung höheren Kindesunterhalts als den Mindestunterhalt wendet. Dem weitergehenden Begehren der Antragsgegnerin, nämlich überhaupt keinen Unterhalt zahlen zu müssen, fehlt die hinreichende Erfolgsaussicht nicht etwa bereits deshalb, weil das Amtsgericht am 25.10.2011 eine einstweilige Anordnung zur Zahlung des Mindestunterhalts erlassen und diese durch Beschluss vom 22.2.2012 aufrechterhalten hat (10 F 840/11). Denn der Antragsteller hat zugleich mit dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das vorliegende Hauptsacheverfahren eingeleitet. Bei Wirksamwerden der Entscheidung im Hauptsacheverfahren tritt die einstweilige Anordnung außer Kraft, § 56 Abs. 1 FamFG.

Andererseits berührt die Frage, inwieweit die Antragsgegnerin aufgrund der erlassenen einstweiligen Anordnung den Mindestunterhalt gezahlt hat bzw. noch zahlt, die Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverteidigung nicht. Denn mangels anderweitiger Anhaltspunkte muss davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin etwaige Zahlungen lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet hat, so dass Erfüllungswirkung nicht angenommen werden kann (vgl. OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, Urteil vom 19.04.2011 - 10 UF 89/10 BeckRS 2011, 13113; s.a.BGHZ 86, 267).

2.

Die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin bietet für die Zeit von März bis August 2011 hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei der im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 114 Rn. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen – FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 167) kann angenommen werden, dass die Antragsgegnerin in diesem Zeitraum zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht verpflichtet ist.

a)

Auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Einkünfte ist die Antragsgegnerin in der Zeit von März bis August 2011 nicht leistungsfähig. Ihr bereinigtes Einkommen übersteigt in diesem Zeitraum den notwendigen Selbstbehalt von 950 € (vgl. Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.1.2011) nicht.

aa)

Bis einschließlich August 2011 war die Antragsgegnerin ausschließlich selbständig als Kosmetikerin tätig. Zur Ermittlung der Einkünfte eines selbständigen oder freiberuflich tätigen Unterhaltsschuldners ist wegen der meist schwankenden Einkünfte von dem Gewinn dreier aufeinanderfolgender Geschäftsjahre auszugehen (vgl. Nr. 1.5 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.1.2008). Selbst wenn man insoweit auf die Geschäftsjahre von 2008 bis 2010 abstellt und den deutlich rückläufigen Gewinn im Jahr 2011 – dem Jahr, in dem die Antragsgegnerin ab September 2011 zusätzlich eine abhängige Beschäftigung aufgenommen hat – außer Betracht lässt, ergibt sich – wie noch zu zeigen ist – ein über dem notwendigen Selbstbehalt liegendes bereinigtes Einkommen nicht.

Die Antragsgegnerin hat in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 1.12.2011 die Gewinne der Jahre 2008 bis 2010 dargelegt. Gleiches gilt für etwaige Steuererstattungen bzw. Steuernachzahlungen. Auch diese sind wegen der ebenfalls regelmäßig gegebenen Schwankungen auf den Dreijahreszeitraum zu beziehen, wobei nach dem sogenannten In-Prinzip von dem Steuerfluss innerhalb dieses Zeitraums auszugehen ist, es also nicht darauf ankommt, für welches Jahr Steuern erstattet bzw. nachgezahlt worden sind (vgl. BGH, FamRZ 2003, 741, 744).

Eine Steuererstattung hat es im Jahr 2008 in Höhe von 195 € gegeben, während in den Jahren 2009 und 2010 nach den Darlegungen der Antragsgegnerin Steuern keine Auswirkungen auf ihr Einkommen hatten. Für den Dreijahreszeitraum von 2008 bis 2010 ergeben sich danach Einkünfte von insgesamt 38.914 € (= 10.299 € Gewinn 2008 + 195 Steuerstattung 2008 + 13.895,03 € Gewinn 2009 + 14.524,97 € Gewinn 2010). Dies bedeutet ein monatliches Durchschnittseinkommen von 1.081 € (= 38.914 € : 36 Monate).

bb)

Abzusetzen sind die Vorsorgeaufwendungen. Insoweit kommt es nicht auf den Dreijahreszeitraum an, sondern grundsätzlich auf die Vorsorgeaufwendungen in dem konkreten Unterhaltszeitraum. Bei summarischer Betrachtung kann hier auf die Aufwendungen im Jahr 2010 abgestellt werden. Nach dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 1.12.2011 hat die Antragsgegnerin im Jahr 2010 für die Altersvorsorge 3.446 €, das sind monatlich rund 287 €, und für die Kranken- bzw. Pflegeversicherung 4.824 €, das sind monatlich rund 402 €, geleistet.

Die Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung sind in vollem Umfang abzugsfähig. Gleiches gilt für die Altersvorsorge. Der selbständige Unterhaltsschuldner darf grundsätzlich Altersvorsorge bis zur Höhe von 24 % des Bruttoeinkommens betreiben (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rn. 1037). Darin sind 4 % für die zusätzliche Altersvorsorge enthalten. Ob eine solche auch dann zu berücksichtigen ist, wenn – wie vorliegend – der Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind nicht gezahlt werden kann, ist streitig (vgl. OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, Urteil vom 9.11.2010 – 10 UF 173/09; Beschluss vom 17.01.2012 – 10 UF 167/10). Diese Frage darf im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe nicht zu Lasten des bedürftigen Antragstellers beantwortet werden (vgl. OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, NJOZ 2009, 47, 49). Mithin ist von einer höchstens zulässigen Altersvorsorge in Höhe von 24 % des Bruttoeinkommens auszugehen.

Für die Bemessung der zulässigen Höhe der Altersvorsorge ist grundsätzlich das Bruttoeinkommen des Vorjahres heranzuziehen. Im Jahr 2010 belief sich der Gewinn der Antragsgegnerin auf 14.524,97 €. 24 % hiervon ergeben rund 3.486 €. Mithin kann der tatsächlich geleistete Beitrag zur Rentenversicherung von 3.446 € in vollem Umfang abgesetzt werden.

Nach alledem ergibt sich nach Abzug der Vorsorgeaufwendungen ein Einkommen der Antragsgegnerin von 392 € (= 1.081 € - 287 € Altersvorsorge – 402 € Kranken- und Pflegeversicherung).

cc)

Als weiteres Einkommen der Antragsgegnerin ist das mietfreie Wohnen im eigenen Haus zu berücksichtigen (vgl. Nr. 5 der zuletzt genannten Unterhaltsleitlinien).

Die Antragsgegnerin bewohnt das Dachgeschoss des in ihrem Eigentum befindlichen Hauses, wobei ihren Eltern, die ihnen das Eigentum übertragen haben, ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt worden ist. Zur Bemessung des Wohnvorteils allein maßgeblich ist daher das von der Antragsgegnerin selbst bewohnte Dachgeschoss.

Die Wohnfläche beläuft sich unstreitig auf 59 m². Geht man im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe zu Gunsten der Antragsgegnerin entsprechend ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 8.10.2012 von einem Mietzins von 4 € je m² aus, errechnet sich ein Wohnwert von 236 € (= 59 m² x 4 €/m²). Abzusetzen sind diejenigen Hauslasten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird. Das ist im vorliegenden Fall allein der Hauskredit. Da der Tilgungsanteil an der Kreditrate Vermögensbildung darstellt (vgl. Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1 Rn. 510), kann, wie die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 8.10.2012 selbst einräumt, nur der Zinsanteil mit 35 € monatlich abgezogen werden. Es ergibt sich ein Wohnvorteil von 201 € (= 236 € Wohnwert – 35 € Zinsanteil).

dd)

Nach alledem errechnet sich ein bereinigtes Einkommen der Antragsgegnerin von 593 € (= 392 € Erwerbseinkommen abzüglich Vorsorgeaufwendungen + 201 € Wohnvorteil).

b)

Im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe ist zu Gunsten der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass ihr für die Zeit von März bis August 2011 kein höheres fiktives Einkommen aus abhängiger Beschäftigung zuzurechnen ist.

Allerdings ist der Unterhaltsschuldner gerade im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB, wenn Einkünfte aus selbständiger Beschäftigung kein Einkommen abwerfen, das ihn in die Lage versetzen würde, den Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind zu zahlen, unterhaltsrechtlich gehalten, die selbständige Tätigkeit aufzugeben und eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. auch OLG Brandenburg, 2. Familiensenat Urteil vom 14.07.2009 - 10 UF 192/08, BeckRS 2009, 20721). Vorliegend ist der Antragsgegnerin aber eine Übergangszeit zuzubilligen (vgl. hierzuOLG Hamm, FamRZ 2003, 177).

Bis zum 10.2.2011 lebte der minderjährige Antragsteller im Haushalt der Antragsgegnerin. Bis zu diesem Zeitpunkt bestand für die Antragsgegnerin unterhaltsrechtlich mit Rücksicht darauf, dass sie ihre Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllte, § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, keine Notwendigkeit, Überlegungen anzustellen, ob sie ihre Arbeitskraft in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzt. Vom Antragsteller ist sie erst für die Zeit ab März 2011 zur Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen worden. Mit Schriftsatz vom 6.6.2012 hat die Antragsgegnerin vorgetragen, sie könne ihr Geschäft im Hinblick auf Verträge, an die sie gebunden sei, erst zum März 2013 kündigen. Vor diesem Hintergrund kann im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe zu ihren Gunsten angenommen werden, dass jedenfalls eine vollständige Aufgabe der selbständigen Tätigkeit frühestens ab März 2013 in Betracht kommt.

Die Antragsgegnerin hat insoweit Konsequenzen aus der Inanspruchnahme auf Unterhalt gezogen, als sie für die Zeit ab September 2011 eine abhängige Beschäftigung als Arzthelferin mit einem wöchentlichen Stundenumfang von 30 Stunden aufgenommen hat. Ihre selbständige Tätigkeit betreibt sie daneben – wohl in eingeschränktem Umfang – weiter. Vom Zeitpunkt der Inanspruchnahme auf Unterhalt an im März 2011 sind bis zur Aufnahme dieser Beschäftigung nicht einmal sechs Monate vergangen. Da eine Übergangszeit regelmäßig zwischen drei und sechs Monaten beträgt, kann zumindest im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe angenommen werden, dass die Antragsgegnerin frühestens ab September 2011 – wie geschehen – zur Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit verpflichtet war.

Nach alledem besteht eine Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin bei summarischer Betrachtung zumindest bis einschließlich August 2011 nicht.

3.

Für die Zeit ab September 2011 bietet die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Nach den vorgelegten Verdienstabrechnungen beläuft sich das Nettoeinkommen der Antragsgegnerin aus abhängiger Beschäftigung auf monatlich 635 €. Setzt man den Wohnvorteil mit 201 € hinzu, ergeben sich 836 €. Damit fehlen der Antragsgegnerin bis zum notwendigen Selbstbehalt von 950 € noch 114 €. Der Mindestunterhalt für den Antragsteller als Zahlbetrag beläuft sich auf 272 € (vgl. die Zahlbetragstabelle als Anlage II der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.1.2011). Mithin ergibt sich auf der Grundlage der Einkünfte der Antragsgegnerin aus abhängiger Beschäftigung und Wohnvorteil ein Fehlbetrag von insgesamt 386 € (= 114 € + 272 €). Dass die Antragsgegnerin diesen Fehlbetrag aus ihrer selbständigen Tätigkeit nicht erzielen kann, hat sie nicht substanziiert dargelegt.

Da die Antragsgegnerin nicht im Einzelnen vorgetragen hat, inwieweit sich ihre selbständige Tätigkeit aufgrund der Aufnahme der abhängigen Beschäftigung vermindert hat, insbesondere kein substanziierter Vortrag dazu erfolgt ist, welchen zeitlichen Umfang die selbständige Tätigkeit bis einschließlich August 2011 einerseits und für die Zeit ab September 2011 andererseits eingenommen hat, kann – ungeachtet des Umstands, dass vorläufige Gewinnermittlungen, wie sie für die Zeit von Januar bis März 2012 vorgelegt sind, grundsätzlich unzureichend sind – nicht allein auf die aktuellen Einkünfte abgestellt werden. Vielmehr ist bei vorläufiger Betrachtung davon auszugehen, dass auch insoweit ein Dreijahreszeitraum heranzuziehen ist. Wählt man zu Gunsten die Antragsgegnerin insoweit den aktuellsten Dreijahreszeitraum von 2009 bis 2011 unter Einschluss des rückläufigen Gewinns im Jahr 2011, ergibt sich ein Gesamteinkommen von 33.862,58 € (= 13.895,03 € + 14.524,97 € + 5.442,58 €). Dass in diesem Zeitraum auch Steuern geflossen sind, ist nicht dargelegt. Mithin ist von einem monatlichen Durchschnittseinkommen von rund 941 € (= 33.862,85 € : 36 Monate) auszugehen. Setzt man hiervon die Rentenversicherung mit 287 € ab, verbleiben 654 €.

Ein Abzug für die private Kranken- und Pflegeversicherung scheidet aus, da die Antragsgegnerin mit Aufnahme der abhängigen Beschäftigung unstreitig sozialversicherungspflichtig ist. Allerdings kommt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht in Betracht, das Einkommen noch um die ersparten Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung zu erhöhen. Denn ein tatsächliches Einkommen ist insoweit nicht gegeben.

Wenn nach alledem eine vorläufige Berechnung ein Einkommen aus selbstständiger Beschäftigung von 654 € ergibt, ist mangels gegenteiligen Vortrags der Antragsgegnerin anzunehmen, dass jedenfalls der genannte Fehlbetrag von 386 € ausgeglichen werden kann. Die Antragsgegnerin ist zur Zahlung des Mindestunterhalts mithin verpflichtet.

4.

Dass der Antragsteller wegen des Barunterhalts an seinen Vater, bei dem er seit dem 10.02.2011 lebt, verwiesen werden kann, §§ 1606 Abs. 3 Satz 1, 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB, ist bislang nicht substanziiert dargelegt.

Die Antragsgegnerin trägt für ihre mangelnde Leistungsfähigkeit die Darlegungs- und Beweislast (Wendl/Dose, a.a.O., § 6 Rn. 721). Auch soweit sich der Unterhaltsverpflichtete auf den Wegfall der verschärften Unterhaltspflicht für minderjährige und privilegierte volljährige Kinder wegen vorrangiger Haftung eines anderen leistungsfähigen Verwandten nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB beruft, muss er die dafür maßgeblichen Tatsachen darlegen und beweisen (Wendl/Dose, a.a.O., § 6 Rn. 731).

Die Antragsgegnerin hat das Einkommen des Vaters des Antragstellers nicht dargelegt. Es lässt sich daher nicht feststellen, dass ihre Inanspruchnahme auf Barunterhalt zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führt (vgl. BGH, FamRZ 2008, 137; FamRZ 2002, 742).

5.

Auf die Frage, ob die Antragsgegnerin auch im Jahr 2011 Kapitaleinkünfte erzielt hat, kommt es nicht an. Diese haben sich im Jahr 2010 ohnehin nur auf monatlich rund 26 € (= 310,46 € : 12 Monate) belaufen. Eine Leistungsfähigkeit für die Zeit bis einschließlich August 2011 ergibt sich insoweit auch unter Berücksichtigung dieses Betrages nicht. Für die Zeit ab September 2011 ist – wie ausgeführt – ohnehin mangels substanziierter Darlegung der Antragsgegnerin von hinreichender Leistungsfähigkeit auszugehen.

6.

Von der Antragsgegnerin bezogene Trinkgelder beeinflussen die Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe nicht. Trinkgelder stellen grundsätzlich unterhaltspflichtige Einnahmen dar. Besteht Streit über die Höhe der Trinkgelder, darf nicht einfach eine Schätzung nach § 287 ZPO erfolgen, wenn konkrete Beweisangebote vorliegen (vgl. Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rn. 74). Substanziierter Vortrag ist insoweit nicht erfolgt. Es kann aber im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe zu Gunsten der Antragsgegnerin davon ausgegangen werden, dass die Trinkgelder jedenfalls nicht solche Höhe erreichen, dass bis einschließlich August 2011 nur aufgrund der Trinkgelder (teilweise) Leistungsfähigkeit gegeben wäre. Für die Zeit ab September 2011 kommt es darauf wegen der anzunehmenden Leistungsfähigkeit nicht an.

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf KV FamGKG Nr. 1912, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.