Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 19.07.2011 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 20/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 15. Dezember 2010 und das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10. Mai 2010, das im Übrigen aufgehoben wird, unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, monatlichen Kindesunterhalt, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum Dritten eines jeden Monats, wie folgt zu zahlen:
an die Klägerin zu 1. zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin
- 137 € vom 20. Januar bis zum 30. September 2010,
abzüglich gezahlter 219 € für Januar 2010 und 150 € für Mai 2010,
- 200 € vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2010 und
- 219 € ab 1. Januar 2011,
mit der Maßgabe, dass der Unterhalt in Höhe von
- 126,46 € für Februar 2010,
- 129,49 € für März 2010,
- 106,09 € für April 2010,
- jeweils 74,72 € für Juni und Juli 2010,
- 137 € für August 2010,
- jeweils 172,55 € für Januar bis März 2011 und
- 25,03 € für April 2011
an das Amt für Grundsicherung des Landkreises … zum Aktenzeichen 4 55 9100/398871 zu leisten ist;
an die Klägerin zu 2. zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin
- 112 € vom 20. Januar bis zum 30. September 2010,
abzüglich gezahlter 181 € für Januar 2010 und 150 € für Mai 2010,
- 162 € vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2010 und
- 181 € ab 1. Januar 2011,
mit der Maßgabe, dass der Unterhalt in Höhe von
- 8,60 € für Februar 2010,
- 19,96 € für März 2010,
- 16,35 € für April 2010,
- jeweils 11,52 € für Juni und Juli 2010,
- 112 € für August 2010,
- jeweils 146,16 € für Januar bis März 2011 und
- 0,23 € für April 2011
an das Amt für Grundsicherung des Landkreises … zum Aktenzeichen 4 55 9100/398871 zu leisten ist.
Die weitergehenden Klagen der Klägerinnen werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz fallen dem Beklagten zu 60 % und den Klägerinnen zu 40 % zur Last.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten zu 91 % und den Klägerinnen zu 9 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf [4.800 € (Kindesunterhalt) + 337 € (Titelherausgabe) =] 5.137 € festgesetzt.
A.
Die Parteien streiten um Kindesunterhalt ab 20.1.2010 und Herausgabe eines Vollstreckungstitels.
Die im Jahr 1976 geborene gesetzliche Vertreterin der beiden Klägerinnen und der 1972 geborene Beklagte waren Eheleute. Ihre im Jahr 1999 geschlossene Ehe wurde durch Urteil vom 20.1.2010 – hinsichtlich des Scheidungsausspruchs seit diesem Tag rechtskräftig – geschieden. Aus der Ehe sind die beiden Töchter
- T…, geboren am ….12.1995 (Klägerin zu 1.) und
- G…, geboren am ….5.2001 (Klägerin zu 2.)
hervorgegangen.
Nach der in 5/2007 erfolgten Trennung der Eheleute lebte G… bei der Mutter und T… zunächst beim Vater. Er erwirkte nach Einleitung des Scheidungsverfahrens im Rahmen der Folgesache Kindesunterhalt am 9.6.2008 eine einstweilige Anordnung. Danach ist die Mutter ab dem 22.4.2008 zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts für T… in Höhe von 281 € verpflichtet. In 1/2009 wechselte T… in den Haushalt der Mutter, in dem sie bis heute zusammen mit der Schwester G… lebt. Beide Kinder gehen zur Schule.
Der Beklagte, der von Beruf Zimmermann ist, hat am 9.4.2010 wieder geheiratet. Er bezieht zusammen mit seiner neuen Ehefrau und deren Sohn ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Das zunächst als Folgesache des Scheidungsverfahrens von der Mutter eingeleitete Verfahren über den Kindesunterhalt wurde im Verhandlungstermin vom 2.12.2009 abgetrennt und als selbständiges Verfahren fortgeführt. Mit Versäumnisurteil vom 10.5.2010, auf das Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt.
Auf seinen dagegen eingelegten Einspruch hin hat das Amtsgericht den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Versäumnisurteils zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts für T… in Höhe von 219 € und für G… in Höhe von 181 € ab dem 20.1.2010 verurteilt, außerdem zur Herausgabe des einstweiligen Anordnungsbeschlusses vom 9.6.2008. Im Übrigen hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten, der sich auf seine fehlende Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Kindesunterhalt beruft. Zur Begründung macht er insbesondere geltend:
- Das Amtsgericht habe ihm für die Monate 1 und 2/2010 fehlerhaft fiktive Einkünfte zugerechnet. Es sei zu berücksichtigen, dass er im Baugewerbe tätig sei und - wie alle Mitarbeiter - in dieser Zeit nur Kurzarbeitergeld bezogen habe.
- Es sei nicht berücksichtigt worden, dass der notwendige Selbstbehalt ab 1/2011 von 900 € auf 950 € gestiegen sei.
- Die in 2010 geleistete Steuererstattung sei nur in Höhe von monatlich 170 € (und nicht, wie vom Amtsgericht rechnerisch falsch festgestellt, mit 200 €) einkommenserhöhend zu berücksichtigen.
- Zu Unrecht habe das Amtsgericht seine berufsbedingten Aufwendungen lediglich in Höhe von 5 % in Abzug gebracht. Er müsse jeden Tag mit dem eigenen PKW unterschiedliche Baustellen seines Arbeitgebers in Berlin und Brandenburg aufsuchen. Er habe in 2009 arbeitstäglich 85 km pro Fahrstrecke zurückgelegt. Unter Zugrundelegung der Kilometerpauschale seien bei 175 (durch die Kurzarbeit verringerten) Arbeitstagen seine monatlichen Fahrtkosten mit 620 € ab Beginn des Unterhaltszeitraumes abzusetzen.
- Damit belaufe sich sein unterhaltsrelevantes Einkommen lediglich auf (1.370 € Monatsnetto – 620 € Fahrtkosten + 170 € Steuererstattung =) 920 € im Monat, sodass er in 2010 allenfalls in Höhe von 20 € und ab 1/2011 nicht mehr leistungsfähig sei.
- Der vom Amtsgericht zuerkannte Herausgabeanspruch der Klägerinnen bzw. ihrer Mutter bezüglich der einstweiligen Anordnung vom 9.6.2008 bestehe nicht. Nach dem Obhutswechsel von T… seien zu keiner Zeit Vollstreckungsversuche erfolgt, auch habe er die Erklärung abgegeben, aus dem Titel keine Vollstreckung zu betreiben.
Der Beklagte beantragt,
in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 15.12.2010 das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 10.5.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen die Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe,
dass der Unterhalt für die Zeit vom 20. Januar 2010 bis Juni 2011 einschließlich im Umfang der für die beiden Klägerinnen monatlich erbrachten Leistungen des JobCenters als an dieses zu zahlen zu titulieren seien, sowie mit der weiteren Maßgabe, dass der Unterhalt für Januar 2010 abzüglich gezahlter 219 € für die Klägerin zu 1. und 181 € für die Klägerin zu 2., außerdem abzüglich gezahlter 150 € je Klägerin für Mai 2010 auszuurteilen sei.
Die Klägerinnen verteidigen die angefochtene Entscheidung. Sie bestreiten die geltend gemachten Fahrtkosten dem Grund und der Höhe nach. Der Beklagte unterhalte mit seinen Arbeitskollegen Fahrgemeinschaften. Ferner habe das Amtsgericht zu Unrecht den vom Beklagten erst nach der Trennung aufgenommenen Kredit einkommensmindernd berücksichtigt. Der Anspruch auf Titelherausgabe sei berechtigt, denn der Beklagte habe trotz Aufforderung und ohne rechtfertigenden Grund die vollstreckbare Ausfertigung des Unterhaltsbeschlusses vom 9.6.2008 bis heute nicht herausgegeben.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Für das Verfahren ist gemäß Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. hierzu z. B. BGH, FamRZ 2011, 100).
Die zulässige Berufung des Beklagten führt hinsichtlich seiner Unterhaltsverpflichtung nur für den in 2010 liegenden Unterhaltszeitraum und insoweit auch nur teilweise zum Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet. Das Rechtsmittel des Beklagten hat dagegen Erfolg, soweit er sich gegen die Verpflichtung zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 9.6.2008 wendet.
I.
Der Beklagte schuldet seinen Töchtern gemäß § 1601 BGB ab 20.1.2010 Kindesunterhalt in dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang.
1.
Die Einkommensverhältnisse des Beklagten im Unterhaltszeitraum stellen sich wie folgt dar:
2010
a)
Das Amtsgericht hat dem Beklagten zu Recht für Januar und Februar 2010 ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.400 € zugerechnet. Ein durchschnittliches Nettoeinkommen in dieser Höhe ist auch für die übrigen Monate und damit im Jahresdurchschnitt 2010 zugrunde zu legen.
Ausweislich der vorgelegten Verdienstabrechnungen hat der Beklagte von März bis einschließlich August 2010 kein Kurzarbeitergeld bezogen. In dieser Zeit hat er ein Nettoeinkommen in Höhe von insgesamt rd. 8.764 € erzielt. Darin enthalten sind Verpflegungszuschüsse in Höhe von 256 €. Sie sind nur in Höhe von 1/3 unterhaltspflichtiges Einkommen, also mit 2/3 (rd. 171 €) herauszurechnen. Das verbleibende Einkommen von 8.593 € umgelegt auf sechs Monate ergibt rund 1.432 € im Monatsdurchschnitt.
In den übrigen Monaten des Jahres 2010, in denen der Beklagte Kurzarbeitergeld bezogen hat, liegt sein tatsächliches monatliches Nettoeinkommen zwischen rd. 914 € und 1.302 €. Wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB muss der Unterhaltspflichtige sich mindestens an der Höchstgrenze der regelmäßigen Arbeitszeit orientieren, die gegenwärtig 40 Stunden wöchentlich beträgt. Übt der Unterhaltspflichtige eine Berufstätigkeit aus, die 40 Stunden wöchentlich unterschreitet, kann grundsätzlich von ihm eine Nebentätigkeit (am Wochenende oder abends) verlangt werden (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2011, 1041).
Angesichts der im Baugewerbe üblichen und jährlich wiederkehrenden witterungsbedingten Kurzarbeit und mit Blick auf seine gegenüber den minderjährigen Töchtern gesteigerte Unterhaltspflicht muss sich der Beklagte für die Zeiten seiner Kurzarbeit neben seinen tatsächlichen Einkünften ein weiteres fiktives Einkommen aus einer zumutbaren Nebentätigkeit zurechnen lassen. Ausweislich der Arbeitgebernachweise über die Einsatzorte des Beklagten im Kalenderjahr 2010 war er nur an (23 + 42 + 44 =) 109 Tagen auf Baustellen eingesetzt. Der Umfang der auszuübenden Nebentätigkeit ist so zu bemessen, als ob der Beklagte sein tatsächliches Einkommen durch den Nebenverdienst auf ein Nettoeinkommen von 1.400 € im Monatsdurchschnitt des Jahres 2010 aufstockt hätte. Unterhaltsrechtlich ist damit von monatlich erzielbaren Gesamteinkünften des Beklagten in dieser Höhe im Kalenderjahr 2010 auszugehen.
b)
Die vom Beklagten geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 620 € monatlich - also rund 44 % seiner zurechenbaren Nettoeinkünfte - sind auch unter Berücksichtigung der darauf beruhenden Steuererstattung unterhaltsrechtlich nicht zu akzeptieren.
Der Beklagte hat die Notwendigkeit der Nutzung seines eigenen PKW zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nicht dargetan. Auch aus den vorgelegten Arbeitgeberbescheinigungen (für 2009 und 2010) ergibt sich hierzu nichts. Sie enthalten nur Angaben zu den verschiedenen Einsatzorten des Beklagten. Danach ist der Beklagte im Jahr 2010 auf drei Baustellen für 23, 42 und 44 Tage eingesetzt worden. Daraus lässt sich jedoch nicht herleiten, dass der Beklagte bei seinen Fahrten zwischen Wohnung und jeweiligem Einsatzort auf die Nutzung des eigenen PKW angewiesen war. Darauf haben ihn die Klägerinnen wiederholt hingewiesen, ohne dass der Beklagte seinen Sachvortrag hierzu ergänzt hätte. Folglich können die vom Beklagten auf der Grundlage der Kilometerpauschale geltend gemachten Fahrtkosten unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigt werden.
Mit Blick auf seine auswärtigen Einsatzorte sind die mit seiner Erwerbstätigkeit verbundenen berufsbedingten Aufwendungen des Beklagten (nur) mit den Kosten einer VBB-Umweltkarte in Abzug zu bringen. Sie belaufen sich bei einem Jahresabonnement auf 100 € im Monatsdurchschnitt.
c)
Die Steuererstattung, die der Beklagte in 2010 erhalten hat, ist unterhaltsrechtlich (nur) in Höhe von rund 67 € monatlich in Ansatz zu bringen.
Ausweislich der Einkommensteuerbescheide vom 21.1.2010 (für die Jahre 2007 und 2008) beruht die nach Verrechnung in Höhe von 2.036 € geleistete Steuererstattung ganz überwiegend auf den Aufwendungen des Beklagten für die Fahrten mit dem eigenen PKW zu den jeweiligen auswärtigen Arbeitsstätten. Da diese unterhaltsrechtlich nicht zu akzeptieren sind, muss auch die darauf beruhende Steuererstattung außer Ansatz gelassen werden.
In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach der seit dem 1.1.2001 geltenden Rechtslage an die Stelle des Abzugs der tatsächlichen Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Kfz gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale getreten ist. Sie gilt für jeden Arbeitstag und unabhängig davon, ob die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu Fuß, mit dem eigenen Kfz oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden und ob dem Arbeitnehmer überhaupt Kosten für diese Wege entstanden sind. Hierdurch sollen gerade auch Fahrgemeinschaften gefördert werden, da jedem Mitglied der Fahrgemeinschaft die Entfernungspauschale (obwohl die Kosten nur einmal anfallen) zusteht (vgl. zu den Einzelheiten Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 9, Rn. 109). Seit dem Jahr 2004 beträgt die Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer 0,30 €. Die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden jedoch im Grundsatz nur in Höhe von höchstens 4.500 € jährlich zum Werbungskostenabzug zugelassen. Eine Ausnahme gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG gilt nur für sogenannte Fernpendler, die ein Kfz benutzen (vgl. hierzu Schmidt, a.a.O., § 9, Rn. 130).
Angesichts der in der Arbeitgeberbescheinigung ausgewiesenen Entfernungen zwischen der Wohnung des Beklagten in Fürstenwalde und seinen jeweiligen auswärtigen Einsatzorten ist hier durch die unterhaltsrechtliche Verweisung des Beklagten auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel die steuerrechtliche Entfernungspauschale auf den Höchstbetrag von 4.500 € begrenzt. Demgegenüber ist in den Einkommensteuerbescheiden vom 21.1.2010 für 2007 und 2008 jeweils ein Werbungskostenabzug von über 9.000 € zugelassen worden. Unter Zugrundelegung der sogenannten Kostendeckelung durch den auch in 2007/2008 geltenden Jahresgrenzwert von 4.500 € und der vom Finanzamt vorgenommenen Verrechnung ist bei einer fiktiven Steuerberechnung nur von einer unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Steuererstattung im Jahr 2010 in Höhe von rd. 804 € auszugehen. Das entspricht 67 € im Monatsdurchschnitt.
Der fehlende und mit Blick auf die Wiederheirat des Beklagten am 9.4.2010 unterhaltsrechtlich an sich gebotene Steuerklassenwechsel (von I nach III) wird durch die im Jahr 2011 zu erwartende und entsprechend höhere Steuererstattung hinreichend ausgeglichen.
d)
Der aus der Zeit des Zusammenlebens der Eltern der beiden Klägerinnen stammende PKW-Kredit ist nur in der im Jahr 2005 (bis 3/2012) vereinbarten monatlichen Kreditraten in Höhe von rund 218 € einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Der Beklagte hat die Notwendigkeit einer Kreditaufstockung im Jahr 2007 (um einen Auszahlungsbetrag von 4.000 €) nicht dargetan. Er durfte den bestehenden Kredit angesichts seiner ohnehin eingeschränkten Leistungsfähigkeit und seiner Barunterhaltspflicht gegenüber zwei minderjährigen Kindern nach der Trennung insbesondere nicht zur Finanzierung einer neuen Wohnungseinrichtung erhöhen. Beispielsweise hätte er ein Hausratsteilungsverfahren durchführen oder sich um preiswerte gebrauchte Möbel kümmern können.
e)
Das für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende Einkommen des Beklagten im Kalenderjahr 2010 beläuft sich danach auf monatlich
(1.400 € - 100 € + 67 € - 218 € =) 1.149 €.
2011
Für die Zeit ab 1/2011 ist mit dem Amtsgericht von einem auf 1.450 € gestiegenen monatsdurchschnittlichen Einkommen des Beklagten auszugehen. Sein Stundenlohn hat sich zum 1.1.2011 von 12,19 € auf 12,75 € erhöht. Sein steuerpflichtiges Einkommen lag am 30.4.2011 bei rund 5.942 €, während es sich am 30.4.2010 auf rund 4.577 € belief. Unter Berücksichtigung der in den Zeiten der Kurzarbeit - hier bereits von 10/2010 bis 2/2011 - bestehenden Verpflichtung zur Ausübung einer Nebentätigkeit ist dem Beklagten ab 1/2011 jedenfalls ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.450 € zuzurechnen.
Nach der Berechnung des Lohnsteuerhilfevereins … vom 1.6.2011 für das Jahr 2010 wird der Beklagte auf der Grundlage der Splittingtabelle und bei einem Werbungskostenabzug seiner gesamten Fahrtkosten in 2011 voraussichtlich eine Steuererstattung in Höhe von rd. 1.942 € erhalten.
Diese ist unterhaltsrechtlich in voller Höhe zu berücksichtigen, ohne dass es für 2011 einer fiktiven Steuerberechnung bedarf. Selbst bei einem geringeren Werbungskostenabzug für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von bis zu 4.500 € liegt das zu versteuernde Einkommen des Beklagten unter 16.000 €. Unter Zugrundelegung der Splittingtabelle setzt eine Steuerpflicht aber erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 16.000 € ein. Die Ehefrau des Beklagten hat in 2010 kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt. Folglich ist die zu erwartende Steuererstattung in Höhe von monatsanteilig rund 162 € in voller Höhe dem Einkommen des Beklagten zuzurechnen.
Bei im Übrigen gleicher Berechnung wie im Vorjahr errechnet sich für die Zeit ab 1/2011 ein für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehendes Einkommen des Beklagten in Höhe von monatlich
(1.450 € - 100 € + 162 € - 218 € =) 1.294 €.
2.
Der monatliche Unterhaltsbedarf für die am …12.1995 geborene Klägerin zu 1 (3. Altersstufe) beläuft sich nach Abzug des halben Kindergeldes auf 334 €. Derjenige für die am ….5.2001 geborene Klägerin zu 2 (2. Altersstufe) auf 272 €. Der monatliche Gesamtbedarf beider Kinder beträgt 606 €.
3.
Der dem Beklagten zu belassende notwendige Selbstbehalt beläuft sich in 2010 auf monatlich 900 € und ab 1.1.2011 auf 950 €. Im Hinblick auf die Aufnahme einer Geringverdienertätigkeit durch seine neue Ehefrau und den ergänzenden Bezug von SGB II-Leistungen ist der notwendige Selbstbehalt des Beklagten für die Zeit ab 10/2010 wegen der sich aus dem Zusammenleben ergebenden Synergieeffekte um 12,5 % zu kürzen. Der notwendige Selbstbehalt beträgt danach
von 1 bis 9/2010 | 900 € | ||
von 10 bis 12/2010 | rund 787 € | und | |
ab 1/2011 | rund 831 € |
4.
Die vorzunehmende Mangelverteilung führt zu folgenden gekürzten Unterhaltsansprüchen der beiden Klägerinnen:
von 1 bis 9/2010
Gesamtbedarf: | 606 € | |
Verteilungsmasse: | 1.149 € - 900 € = 249 € | |
Kürzungsquote: | (249 : 606 =) | 41,09 % |
Unterhaltsanspruch T…: | 334 € x 41,09 % = | rund 137 € |
Unterhaltsanspruch G…: | 272 € x 41,09 % = | rund 112 € |
von 10 bis 12/2010
Gesamtbedarf: | 606 € | |
Verteilungsmasse: | 1.149 € - 787 € = 362 € | |
Kürzungsquote: | 59,74 % | |
Unterhaltsanspruch T…: | 334 € x 59,74 % = | rund 200 € |
Unterhaltsanspruch G…: | 272 € x 59,74 % = | rund 162 € |
ab 1/2011
Gesamtbedarf: | 606 € |
Verteilungsmasse: | 1.294 € - 831 € = 463 € |
Kürzungsquote: | 76,40 % |
Da der gekürzte Unterhaltsanspruch beider Kinder mit 255 € (= 334 € x 76,40 %) und 208 € (= 272 € x 76,40 %) rechnerisch über den vom Amtsgericht zuerkannten Beträgen liegt und die Klägerinnen keine Berufung oder Anschlussberufung eingelegt haben, bleibt es bei dem zuerkannten monatlichen Unterhaltsanspruch
für T… in Höhe von 219 € und
für G… in Höhe von 181 €.
Soweit der Beklagte gezahlt hat und die Klägerinnen dies bei ihrer Antragstellung berücksichtigt haben, ist dem in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Rechnung zu tragen. In Höhe der vom Amt für Grundsicherung des Landkreises … in den Monaten Februar bis April 2010 sowie Juni bis August 2010 und Januar bis April 2011 für die Klägerinnen erbrachten Leistungen ist zu erkennen, dass der Unterhalt an das Amt für Grundsicherung zu leisten ist.
II.
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 9.6.2008 - 10 F 119/08 - an die Klägerin zu 1., zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin, herauszugeben. Der Klägerin zu 1. steht jedoch insoweit ein eigener Anspruch gegen den Beklagten nicht zu.
Der Beklagte ist im Besitz des genannten Beschlusses des Amtsgerichts vom 9.6.2008, durch den die gesetzliche Vertreterin der Klägerin zu 1. ab dem 22.4.2008 verpflichtet wurde, einstweiligen Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 281 € für die seinerzeit im Haushalt des Beklagten lebende Tochter T… zu zahlen. Es kann dahinstehen, ob der Herausgabeklage nicht bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil eine Vollstreckung aus dem Unterhaltstitel nach dem Umzug der Tochter in den Haushalt der Mutter (mit Blick auf die ausdrückliche Erklärung des Beklagten, aus dem Beschluss vom 9.6.2008 keine Vollstreckung zu betreiben) nicht mehr droht und die abstrakte Vollstreckbarkeit insoweit nicht ausreicht. Inhaberin eines etwaigen materiell-rechtlichen Anspruchs auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses vom 9.6.2008 ist die Mutter der Klägerin zu 1. und nicht die Tochter, denn nur der Mutter als seinerzeit barunterhaltspflichtigen Elternteil könnte eine etwaige Zwangsvollstreckung aus dem Titel drohen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Wertfestsetzung betreffend die Herausgabeklage knüpft an die seinerzeit maßgebliche Streitwertfestsetzung nach dem sechsmonatigen Bezug der damaligen Unterhaltsforderung der Klägerin an. Ein Fünftel dieser Streitwertfestsetzung ist gemäß § 3 ZPO als Wert der auf Titelherausgabe gerichteten Klage anzusetzen, sodass der Streitwert insoweit vorliegend 1.686 € x 1/5 = rund 337 € beträgt.