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Erschließungsbeitrag; Nacherhebungsbescheide; Mehrfacherschließung; "durchlaufendes Grundstück"; beplanter Bereich; Festsetzungen im Bebauungsplan; keine begrenzte Erschließungwirkung; keine ernstlichen Zweifel; keine Divergenz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 12.12.2014
Aktenzeichen OVG 5 N 5.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. November 2011 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 37.998,63 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist Eigentümer zweier im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1 b ... der Gemeinde S... gelegener Flurstücke (Flurstücke 4... und 4... der Flur 5... der Gemarkung S...). Beide Flurstücke werden gemeinsam genutzt, wobei das unbebaute Flurstück 4... an die K... Straße und das bebaute Flurstück 4... an den E... grenzt. Mit Bescheid vom 20. Juni 2008 zog der Beklagte den Kläger für den Ausbau der K... Straße zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 38 530,98 EUR heran. Für die Ermittlung der Beitragsfläche reduzierte der Beklagte die Gesamtfläche der Flurstücke von 3 939 qm um 818 qm wegen der darauf entfallenden Bindungen für die Bepflanzung und Erhaltung von Bäumen und Sträuchern und vervielfältigte diese Fläche mit einem Faktor von 1,3 wegen der im Bebauungsplan festgesetzten Bebaubarkeit mit zwei Vollgeschossen. Der Widerspruch des Klägers hatte nur insoweit Erfolg, als der Beklagte den Erschließungsbeitrag in dem Widerspruchsbescheid vom 19. März 2009 auf 37 998,63 EUR herabsetzte.

Am 3. Februar 2011 erließ der Beklagte einen Nacherhebungsbescheid, in dem auf Grund einer Neuberechnung des Artzuschlages für die gewerbliche Nutzung aller Grundstücke einschließlich der Flurstücke des Klägers ein neuer Beitrag in Höhe von 47 962,97 EUR festgesetzt wurde. Mit weiterem Nacherhebungsbescheid vom 14. Juli 2011 bezog der Beklagte auch die Fläche mit Bindungen für die Bepflanzung und Erhaltung von Bäumen und Sträuchern in die Aufwandsverteilung ein, wodurch sich der Beitrag auf 60 041,09 EUR erhöhte. Der Kläger hat gegen beide Bescheide Widersprüche erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Die gegen den Erschließungsbescheid vom 20. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2009 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. November 2011 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und werde durch die Nacherhebungsbescheide nicht berührt. Letztere seien nicht Klagegegenstand, weil sie von dem Kläger nicht in das Verfahren einbezogen, sondern mit dem Widerspruch angegriffen worden seien. Entscheidend sei lediglich, ob der Beklagte einen Erschließungsbeitrag in der angefochtenen Höhe von 37 998, 63 EUR rechtmäßig festgesetzt habe. Das sei der Fall.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 4 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Maßgebend sind dabei allein die innerhalb der gesetzlichen Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründe.

1. Gemessen an den Einwendungen des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Vorbringen ist nicht geeignet, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.

Der Vorhalt des Klägers, das Verwaltungsgericht habe entgegen seines ausdrücklichen Hinweises in dem Urteil, die streitigen Ergebnisse der Nacherhebungsbescheide der Entscheidung nicht zu Grunde zu legen, einen Gewerbezuschlag wegen überwiegender gewerblicher Nutzung der klägerischen Flurstücke berücksichtigt und zudem die Auffassung vertreten, dass die mit Bindungen für die Bepflanzung und Erhaltung von Bäumen und Sträuchern versehene Fläche zu Unrecht nicht in die Aufwandsverteilung einbezogen worden sei, greift nicht durch.

Das Verwaltungsgericht hat zwar eingeräumt, dass die Verteilung des beitragspflichtigen Aufwandes, so wie sie der Ermittlung des Beitragssatzes für den angefochtenen Bescheid vom 20. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2009 zu Grunde liege, nicht gänzlich der maßgeblichen Erschließungsbeitragssatzung entspreche. Dieser Umstand könne der Klage aber nicht zum Erfolg verhelfen, weil der Kläger dadurch im Ergebnis nicht belastet werde. Vielmehr wäre der Erschließungsbeitrag bei richtiger Ermittlung der Verteilungsflächen, wie sich auch aus den Nacherhebungsbescheiden ergebe, erheblich höher. Dies gelte selbst, wenn man mit dem Kläger davon ausgehen wollte, dass für die beitragspflichtige Fläche seiner Flurstücke mangels überwiegender gewerblicher Nutzung kein Artzuschlag anzuwenden wäre, weil dann auf diese Fläche ein Beitrag von mehr als 43 000,00 EUR entfiele, der den hier streitigen Erschließungsbeitrag von 37 998,63 EUR überstiege. Das Verwaltungsgericht hat danach die im Rahmen der Nacherhebung streitigen Bemessungsgrundlagen ausdrücklich nicht der Berechnung des hier in Rede stehenden Erschließungsbeitrages zu Grunde gelegt, sondern im Wege einer Vergleichsrechnung verdeutlicht, dass diese seine Rechtmäßigkeit der Höhe nach nicht berühren. Angesichts dessen vermag der Kläger mit seinem Vorbringen nicht schlüssig aufzuzeigen, inwieweit er durch die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Berücksichtigung der „Ergebnisse der Nacherhebungsbescheide“ belastet sein soll.

Soweit der Kläger einwendet, er habe einen Anspruch auf Erteilung eines Bescheides, „aus dem sich nachvollziehbar die exakte Höhe seines Beitrags erkennen lässt“, ist ihm entgegenzuhalten, dass der streitgegenständliche Bescheid den Erschließungsbeitrag unter Angabe der Berechnungsgrundlagen ziffernmäßig festlegt und selbst eine geänderte Begründung die Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht berührt, solange dieser dadurch - wie hier - keine Wesensänderung erfährt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Juni 1985 - BVerwG 8 C 30.84 -, juris Rn. 16).

2. Die Divergenzrüge des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Eine die Berufung eröffnende Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat. Hieran fehlt es, wenn in der angegriffenen Entscheidung ein in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgeführten Gerichte aufgestellter Grundsatz lediglich übersehen, übergangen oder in sonstiger Weise nicht richtig angewandt worden ist (vgl. zum Revisionsrecht etwa Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Dezember 2010 - BVerwG 8 B 38.10 -, juris Rn. 15 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, mit dem der Kläger eine Abweichung des Urteils des Verwaltungsgerichts von dem in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 1985, a.a.O., juris Rn. 14, enthaltenen Rechtssatz rügt, wonach einer Erschließungsanlage im Fall einer Mehrfacherschließung eines Grundstücks im Bereich eines Bebauungsplanes lediglich eine eingeschränkte Erschließungswirkung zukomme, wenn sich die von einer oder mehreren Anbaustraßen ausgehende Erschließungswirkung erkennbar eindeutig nur auf eine Teilfläche des Grundstücks erstrecke, nicht gerecht. Denn es ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht von diesem Grundsatz abgewichen ist, indem es eine auf eine Teilfläche der klägerischen Flurstücke beschränkte Erschließungswirkung der K... Straße verneint hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich eine solche nicht eindeutig erkennbar aus den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 1 b ... ergebe. Vielmehr setze der Bebauungsplan für die Grundstücke Mischgebiet fest. Zur K... Straße oder zum E... gerichtete Baufenster enthalte der Bebauungsplan nicht. Auch seien keine darüber hinausgehenden planerischen Entscheidungen vorhanden, die eine Zuordnung von Flächen ausschließlich zu einer der betroffenen Erschließungsanlagen erkennen ließen. Baugrenzen bestünden nur zu den Erschließungsstraßen K... Straße und E... . Etwas anderes folge auch nicht aus dem Umstand, dass bei der Ermittlung des maßgeblichen Baugrundstücks die an der K... Straße festgesetzte Fläche mit einer Bindung für Erhaltung und Bepflanzung zuzuordnen sei, weil diese Zuordnung nach den Festsetzungen des Bebauungsplans die gesamte zwischen beiden Erschließungsstraßen liegende Fläche betreffe. Da tatsächlich keine den beiden Erschließungsstraßen zuzuordnende unterscheidbare Nutzung von Teilflächen der aus beiden Flurstücken gebildeten Gesamtfläche stattfinde und eine Zugangsmöglichkeit von beiden Straßen bestehe und tatsächlich genutzt werde, könnten die übrigen Eigentümer der anliegenden Grundstücke der K... Straße auch schutzwürdig erwarten, dass die gesamte durchlaufende Fläche der Beitragspflicht zu beiden Erschließungsstraßen unterliege.

Diese an den bauplanerischen Entscheidungen ausgerichteten Erwägungen des Verwaltungsgerichts stehen im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge es für eine begrenzte Erschließungswirkung einer Erschließungsanlage in beplanten Gebieten allein darauf ankommt, ob sich aus den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans erkennbar eindeutig ergibt, dass sich die von einer Erschließungsanlage (Anbaustraße) ausgehende Erschließungswirkung auf eine Teilfläche des Grundstücks beschränkt (vgl. nur Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Juni 1985, a.a.O., juris Leitsatz 1 und Rn. 14, sowie Beschluss vom 21. Juli 2009 - BVerwG 9 B 71.08 -, juris Leitsatz und Rn. 11). Nicht in Übereinstimmung mit dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist hingegen die Sichtweise des Klägers zu bringen, die sich nicht an den bauplanerischen Vorgaben orientiert, sondern davon losgelöst eine begrenzte Erschließungswirkung der Erschließungsanlage im Wesentlichen daraus herzuleiten versucht, dass einzig die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke (Flurstücke 4... und 5... ) als so genannte „durchlaufende“ Grundstücke sowohl durch die K... Straße als auch durch den E... erschlossen seien und die Eigentümer der übrigen lediglich durch die K... Straße erschlossenen Grundstücke daher nicht schutzwürdig erwarten könnten, dass die gesamte Fläche der klägerischen Flurstücke in die Verteilung des Erschließungsaufwandes einbezogen würden, weil das im Ergebnis eine nahezu unerträgliche Ungleichbehandlung und Mehrbelastung des Klägers zur Folge hätte. Dass eine eingeschränkte Erschließungswirkung nicht bereits deshalb angenommen werden kann, weil ein Grundstück zwischen zwei Straßen „durchläuft“, vielmehr sich eine solche, etwa mit Blick auf eine „spiegelbildliche“ Bebaubarkeit, nur aus den Festsetzungen im Bebauungsplan ergeben kann, hat indes schon das Bundesverwaltungsgericht in der vom Kläger herangezogenen Entscheidung vom 27. Juni 1985, a.a.O. Rn. 14, klargestellt. Hierzu verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).