Gericht | VerfG Potsdam | Entscheidungsdatum | 24.01.2011 | |
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Aktenzeichen | 25/10 EA | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1696 BGB, § 166 FamFG, Art 27 Verf BB, § 30 VerfGG BB, § 48 VerfGG BB |
1. Dem Beschwerdeführer wird für das einstweilige Anordnungsverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. gewährt.
2. Der Äußerungsberechtigten wird für das einstweilige Anordnungsverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. gewährt.
3. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
A.
Der Beschwerdeführer ist der Vater des am ... nichtehelich geborenen O. L. A.. Die elterliche Sorge obliegt der Mutter. Bis zur Trennung der Eltern im Oktober 2008 lebte das Kind im gemeinsamen Haushalt, sodann teils bei der Mutter, teils – infolge einer Erkrankung der Mutter – beim Beschwerdeführer. Seit dem 15. Mai 2010 hält sich das Kind ständig bei der Mutter auf. Am 18. Juni 2010 schlossen die Eltern eine familiengerichtlich genehmigte Umgangsvereinbarung, danach ist der Beschwerdeführer an jedem zweiten Wochenende sowie 14tätig an einem Wochentag zum Umgang berechtigt. Darüber hinaus enthält die Vereinbarung eine Feiertags- sowie eine Urlaubsregelung.
Die Eltern führen mehrere familienrechtliche Verfahren, vorrangig um das Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Mit Beschluss vom 12. August 2010 – 10 UF 109/10 – wies der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts den Antrag des Beschwerdeführers, ihm die elterliche Sorge allein zu übertragen, zurück. Dieses Verfahren ist Gegenstand der vom Beschwerdeführer zum Aktenzeichen VfGBbg 56/10 erhobenen Verfassungsbeschwerde.
Der Beschwerdeführer begehrt vorliegend im Wege einstweiliger Anordnung eine Abänderung der Umgangsvereinbarung. Er hält einen entsprechenden Antrag bei den Fachgerichten für offensichtlich aussichtslos, da sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage zum Umgangsrecht nicht im Sinne von § 1696 BGB geändert habe. Nur das Verfassungsgericht könne über den Antrag auf einstweilige Anordnung entscheiden, die Verfassungsbeschwerde sei auch nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet. Er ist der Auffassung, der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 – 1 BvR 420/09 - habe die rechtliche Grundlage für einen Wechsel des Kindes zum Vater geschaffen. Allerdings komme der Kontinuitätsgrundsatz, der für ihn als bisherige Hauptbetreuungsperson des Kindes streite, mit fortschreitender Zeit in einem künftigen fachgerichtlichen Verfahren nicht mehr zum Tragen, vielmehr werde sich die durch den Wechsel des Kindes zur Mutter herbeigeführte Situation verfestigen. Deshalb bestehe ein dringendes Bedürfnis, irreversible Nachteile dadurch abzuschwächen bzw. auszugleichen, dass er seinen Umgang mit dem Kind einstweilen ausweite. Die Folgen, die durch die Anwendbarkeit des Kontinuitätsgrundsatzes im Falle eines Obsiegens mit seiner Verfassungsbeschwerde einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen werde, seien schwerwiegender als diejenigen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit der Hauptsache ergäben.
Der Beschwerdeführer beantragt, eine einstweilige Anordnung, insbesondere folgenden Inhalts zu erlassen:
1. In Abänderung von Ziffer 1.a), b) der vor dem Familiengericht Fürstenwalde am 18. Juni 2010 (10 F 111/10) geschlossenen, familiengerichtlich genehmigten Umgangsvereinbarung der Eltern hat der Beschwerdeführer das Recht, sein Kind O. L. A., geboren am ..., alle zwei Wochen von Freitag 17.30 Uhr bis zum folgenden Freitag 17.30 Uhr zu sich zu nehmen,
2. hilfsweise,
in Abänderung von Ziffer 1. a), b) der vor dem Familiengericht vor dem Familiengericht Fürstenwalde am 18. Juni 2010 (10 F 111/10) geschlossenen familiengerichtlich genehmigten Umgangsvereinbarung der Eltern hat der Beschwerdeführer das Recht, sein Kind O. L. A., geboren am ..., an jeden Freitag von 15.30 Uhr bis zum unmittelbar darauf folgenden Montag 08.00 Uhr zu sich zu nehmen.
3. weiterhin hilfsweise,
in Abänderung von Ziffer 1. a), b) der vor dem Familiengericht vor dem Familiengericht Fürstenwalde am 18. Juni 2010 (10 F 111/10) geschlossenen familiengerichtlich genehmigten Umgangsvereinbarung der Eltern hat der Beschwerdeführer das Recht, sein Kind O. L. A., geboren am ..., in jeder geraden Woche von dienstags 16.30 Uhr bis zum unmittelbar darauf folgenden Freitag 17.30 Uhr zu sich zu nehmen,
4. äußerst hilfsweise,
dem Jugendamt des Landkreises... wird aufgegeben, unter den Eltern hinsichtlich der Erweiterung der vor dem Familiengericht Fürstenwalde am 18. Juni 2010 (10 F 111/10) geschlossenen, familiengerichtlich genehmigten Umgangsvereinbarung der Eltern zu Ziffer 1.a) , b) zu vermitteln.
5. dem Beschwerdeführer Verfahrenskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. aus ... zu bewilligen.
Die Äußerungsberechtigte hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Sie beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen sowie, ihr Verfahrenskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. aus ... zu bewilligen.
B.
Im Hinblick auf die streiterheblichen verfassungsrechtlichen Rechtsfragen ist sowohl dem Beschwerdeführer gem. § 48 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg), § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) als auch der Äußerungsberechtigten gem. § 48 VerfGGBbg analog, § 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
C.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zurückzuweisen, weil es an den Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) fehlt. Nach dieser Vorschrift kann das Landesverfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Insoweit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ein strenger Maßstab anzulegen.
Hiernach bleibt dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung der Erfolg versagt. Aus Gründen der Subsidiarität des verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes ist bei der Frage der Gewährung von Umgangskontakten dem fachgerichtlichen Rechtsschutzverfahren der Vorrang einzuräumen. Hier sind die Umstände des Einzelfalls, Möglichkeiten und Umfang etwaiger Umgangskontakte unter Berücksichtigung des Kindeswohls vorrangig zu klären (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. April 2006 - 1 BvR 547/06 – zitiert nach juris). Mit dem Verfahren nach § 166 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) stellt der Gesetzgeber einen Weg zur Verfügung, auf dem ein Umgangsberechtigter die Abänderung eines gerichtlich genehmigten Vergleichs begehren kann. Dieses Verfahren unterliegt dem familienrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz (§ 155 FamFG) und beinhaltet unter anderem eine Anhörung der Eltern und des Kindes (§§ 159, 160 FamFG). Eine Abänderung der Umgangsregelung setzt zwar nach § 1696 BGB triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe voraus. Solche Gründe können allerdings auch in der Änderung einer Rechtsprechung bestehen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. April 2005 – 1 BvR 1664/04 – NJW 2005, 1765, 1766), wie sie mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (Az.: 1 BvR 420/09, NJW 2010, 3008) vorliegt. Die dort unter C. III getroffenen Übergangsregelung enthält zwar keine Ausführungen zum Umgangsrecht, sondern ergänzende Regelungen zur Übertragung der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam bzw. auf den Vater eines nichtehelichen Kindes allein, ohne dass die Zustimmung der Mutter erforderlich wäre. Die auf diesem Wege nunmehr dem Beschwerdeführer eröffnete Möglichkeit, die Weigerung der Kindesmutter, einer Übertagung des Sorgerechts auf beide bzw. auf ihn allein zuzustimmen, gerichtlich überprüfen zu lassen, hat allerdings auch zumindest mittelbar Einfluss auf eine Entscheidung nach § 1696 BGB. Denn auch diese einfachrechtliche Vorschrift ist im Lichte der Verfassung auszulegen (Bundesverfassungsgericht, a.a.O.). Bereits vom Fachgericht sind deshalb neben dem Kindeswohl auch das durch Art. 27 Abs. 2 Verfassung des Landes Brandenburg geschützte Elternrecht des Beschwerdeführers sowie sein Recht auf effektiven Rechtsschutz zu berücksichtigen. Beide können beeinträchtigt werden, wenn, ohne dass triftige Gründe des Kindeswohls dafür anzuführen sind (Coester, in: Staudinger, BGB, Bearbeitung 2006, § 1696 RZ 96), die Abänderung einer Umgangsregelung abgelehnt wird, wenn der Beschwerdeführer dadurch Gefahr läuft, im Sorgerechtsstreit zu unterliegen. Denn dem Kontinuitätsgrundsatz wird in der Rechtsprechung der Familiengerichte maßgebliche Bedeutung dann zugemessen, wenn die persönlichen Voraussetzungen beider Elternteile, die Verantwortung für die Erziehung und Versorgung des Kindes zu tragen, gleichwertig sind (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Februar 2007 – 10 UF 200/06).
D.
Der Beschluss wurde mangels Beschlussfähigkeit des Verfassungsgerichts gem. § 30 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg unter Mitwirkung von nur drei Richtern einstimmig gefasst. Eine besondere Dringlichkeit der Angelegenheit besteht, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu erhalten, unverzüglich sachgerechte Anträge bei dem zuständigen Familiengericht zu stellen.