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Tatbestandsberichtigungsanträge (erfolglos); Normenkontrollurteil; Tatbestandsergänzung; Unrichtigkeit; (keine) Auslassung wesentlicher Punkte; Sachaufklärungspflicht; Sachverhaltswertung; nebensächliche Punkte; Bezugnahme auf Schriftsätze; Protokolle und andere Unterlagen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 28.01.2011
Aktenzeichen 2 A 15.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 86 Abs 1 VwGO, § 105 VwGO, § 117 Abs 3 VwGO, § 118 VwGO, § 119 VwGO, § 160 Abs 4 ZPO

Tenor

Die Anträge des Antragsgegners und der Beigeladenen auf Berichtigung des Tatbestandes des Urteils vom 19. Oktober 2010 werden abgelehnt.

Gründe

1. Der im Schriftsatz vom 22. Dezember 2010 sinngemäß gestellte Antrag des Antragsgegners auf Tatbestandsberichtigung ist unzulässig. Der Senat wertet die Ausführungen des Antragsgegners als selbstständigen Tatbestandsberichtigungsantrag, soweit sie über die (befürwortende) Stellungnahme zu dem Tatbestandsberichtigungsantrag der Beigeladenen hinausgehen und im Rahmen der Tatbestandsberichtigung zusätzlich die Klarstellung fordern, dass sich „die Abweichung vom Erstreckungsverbot (…) auf eine kleine Fläche von 4,2 m² an der rückwärtigen Grundstücksgrenze der Antragsteller unmittelbar an deren Gartenzaun“ beschränke und „die Fläche (…) zudem weit außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche“ liege; ferner enthält der Schriftsatz des Antragsgegners vom 22. Dezember 2010 unter Nr. 5 eine „Auflistung der Nutzungsmaße der Umgebungsbebauung“, die veranschaulichen soll, dass die im Urteil insoweit zitierte Planbegründung „allenfalls Durchschnittswerte“ wiedergebe. Der in diesen Ausführungen zum Ausdruck kommende selbstständige Tatbestandsberichtigungsantrag des Antragsgegners ist indes unzulässig, da er nicht innerhalb der in § 119 Abs. 1 VwGO bestimmten Frist von zwei Wochen nach der – ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 25. November 2010 erfolgten – Zustellung des Urteils gestellt worden ist.

2. Der Antrag der Beigeladenen auf Tatbestandsberichtigung ist ebenfalls unzulässig, soweit diese im Schriftsatz vom 6. Januar 2011 im Anschluss an die Ausführungen des Antragsgegners unter Nr. 5 seines Schriftsatzes vom 22. Dezember 2010 geltend macht, es bedürfe „einer zutreffenden Sachverhaltsdarstellung hinsichtlich der baulichen Dichte im Umfeld des Gelltungsbereichs des streitgegenständlichen Bebauungsplans“; denn insoweit hat die Beigeladene den Tatbestandsberichtigungsantrag nicht innerhalb der in § 119 Abs. 1 VwGO bestimmten Frist von zwei Wochen nach der – ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 23. November 2010 erfolgten – Zustellung des Urteils gestellt.

3. Im Übrigen hat der nach § 119 Abs. 1 VwGO statthafte und mit am 7. Dezember 2010 eingegangenem Schriftsatz fristgerecht gestellte Antrag der Beigeladenen auf Tatbestandsberichtigung in der Sache keinen Erfolg.

§ 119 VwGO erlaubt die Berichtigung von Unrichtigkeiten oder Unklarheiten in den tatsächlichen Feststellungen, für die der einfache Weg der Berichtigung nach § 118 VwGO nicht zur Verfügung steht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 119 Rn. 2; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 119 Rn. 4). Die Unrichtigkeit des Tatbestandes im Sinne des § 119 VwGO, zu dem auch in den Entscheidungsgründen des Urteils enthaltene Feststellungen tatsächlicher Art gehören, kann sich aus der unzutreffenden oder widersprüchlichen Darstellung des Sachverhalts, aber auch aus der Auslassung wesentlicher Punkte ergeben (vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 119 Rn. 4, m.w.N.). Die Berichtigung setzt jedoch berichtigungsfähige tatsächliche Feststellungen voraus; § 119 VwGO vermittelt keinen Anspruch darauf, dass solche Feststellungen erstmals aufgenommen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2007 - 5 B 143.07 -, juris; Rennert, a.a.O.). Verstöße gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO können nicht im Wege eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung geltend gemacht werden. Auf den Sachverhalt bezogene Wertungen des Gerichts sind ebenfalls nicht im Sinne des § 119 Abs. 1 VwGO berichtigungsfähig (vgl. Clausing, a.a.O.). Da nach § 117 Abs. 3 VwGO im Tatbestand der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen ist (Satz 1) und wegen der Einzelheiten auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden soll, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt (Satz 2), liegt eine berichtigungsfähige Auslassung ferner nicht vor, soweit es sich um nebensächliche Punkte handelt oder die Wiedergabe von Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in zulässiger Weise durch eine Bezugnahme nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO ersetzt ist (vgl. Clausing, a.a.O.). Nicht protokollierte Äußerungen eines Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung müssen jedenfalls dann nicht im Urteilstatbestand wiedergegeben werden, wenn ihre Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll nicht gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO beantragt worden ist oder das Gericht von ihrer Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 2 und 3 ZPO absehen konnte, weil es - nach der Rechtsaufassung des Gerichts - auf die Äußerung nicht ankommt; denn ein Verfahrensbeteiligter kann nicht im Wege der Tatbestandsberichtigung die Beurkundung eines mündlichen Vorbringens erzwingen, dessen Nichtbeurkundung im Verhandlungsprotokoll er hinzunehmen gehabt hätte (vgl. KG, Beschluss vom 22. Januar 2002 – 23 U 6712/99 -, juris).

Von diesen Maßstäben ausgehend hat der Senat keinen Anlass, den Tatbestand des Urteils vom 19. Oktober 2010 hinsichtlich der von der Beigeladenen im Schriftsatz vom 7. Dezember 2010 genannten Punkte zu ändern oder zu ergänzen.

a) Die von der Beigeladenen beantragte Tatbestandsergänzung dahingehend, dass „die mit einem Wegerecht zugunsten der Allgemeinheit für einen 5 m breiten Weg zu belastende nicht überbaubare Grundstücksfläche ABCDEFA weder öffentlich gewidmet, noch öffentlich unterhalten oder einer öffentlichen Verkehrssicherungspflicht unterstellt wird und keine Erschließungsfunktion erfüllt“, ist nicht geboten, da der Tatbestand insoweit keine wesentliche Auslassung enthält. Da der Senat hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ausdrücklich auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen hat (UA S. 16), war hiervon u.a. auch das Vorbringen im Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 umfasst, in dem die Beigeladene auf den Gesichtspunkt der fehlenden Erschließungsfunktion hingewiesen hat. Darüber hinaus bedurfte es einer Erwähnung der fehlenden Erschließungsfunktion im Tatbestand ebenso wenig wie des von der Beigeladenen geforderten – letztlich eine Prognose zukünftigen Verwaltungshandelns beinhaltenden - Hinweises darauf, dass die betreffende Fläche weder öffentlich gewidmet noch öffentlich unterhalten oder einer öffentlichen Verkehrssicherungspflicht unterstellt „wird“. Denn hierzu hat der Senat in seinem Urteil keine Feststellungen getroffen, weil es hierauf aus seiner Sicht nicht ankam. Für die Annahme, dass die Anrechnung der betreffenden Fläche auf die für die Ermittlung der zulässigen Geschosszahl nach § 19 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 BauNVO maßgebende Fläche des Baugrundstücks im vorliegenden Fall nicht in Betracht komme, hat es der Senat als ausreichend angesehen, dass sich aus den textlichen Festsetzungen Nr. 6 und Nr. 11 in Verbindung mit der Begründung des Bebauungsplans das Planungsziel der Ermöglichung und dauerhaften Sicherung einer „öffentlich zugänglichen Grünfläche“ ergebe (vgl. UA S. 28 ff.).

b) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Antrag, den Tatbestand dahingehend zu ergänzen, dass „die textliche Festsetzung Nr. 6 sich nicht auf den im Tatbestand (UA., S. 5) wiedergegebenen Inhalt beschränkt, sondern von der für die nicht überbaubare Grundstücksfläche vorgesehenen Verpflichtung zur gärtnerischen Anlage und Unterhaltung ausdrücklich Wege und Zufahrten, untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO ausnimmt“. Da der Senat gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts u.a. auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen hat (UA S. 16), bedurfte es im Tatbestand des Urteils keiner lückenlosen Wiedergabe aller Festsetzungen des angefochtenen Bebauungsplans, sondern nur seines wesentlichen Inhalts, soweit es hierauf für die Entscheidung ankam. Insoweit hielt der Senat im Zusammenhang mit der in erster Linie auf die Ausführungen in der Planbegründung gestützten Wertung, dass der betreffende Fläche dauerhaft die Funktion einer öffentlich zugänglichen Grünfläche zukommen solle (vgl. UA S. 30 f.), lediglich die Hervorhebung von Satz 1 der textlichen Festsetzung Nr. 6 im Tatbestand für angezeigt, dem zufolge die nicht überbaubaren Grundstücksflächen gärtnerisch anzulegen und zu unterhalten sind. Mit ihrem Tatbestandsberichtigungsantrag macht die Beigeladene in der Sache geltend, dass der Senat Satz 5 der textlichen Festsetzung Nr. 6, wonach die Verpflichtung zum Anpflanzen nicht für Wege und Zufahrten, untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gilt, bei seiner rechtlichen Würdigung nicht ausreichend berücksichtigt habe. Hierbei handelt es sich jedoch um eine auf den Sachverhalt bezogene Wertung des Senats, die nicht im Sinne des § 119 Abs. 1 VwGO berichtigungsfähig ist.

c) Die von der Beigeladenen unter Nr. 3 beantragte Ergänzung des Tatbestandes dahingehend, dass „die planungsrechtlich festgesetzten Abweichungen vom Abstandsflächenrecht im angegriffenen Bebauungsplan ausschließlich Abweichungen vom Erstreckungsverbot (§ 6 Abs. 2 S. 1 BauO Bln), nicht hingegen Abweichungen vom Überdeckungsverbot (§ 6 Abs. 3 BauO Bln) bezogen auf den Bestand und auf die zulässige bauliche Nutzung der benachbarten Grundstücke ermöglichen“, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die diesbezüglichen Rechtsausführungen des Vertreters der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, für deren Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll schon mangels eines entsprechenden Antrags gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO kein Anlass bestand, hat der Senat letztlich nicht für entscheidungserheblich gehalten und deshalb nicht im Urteilstatbestand wiedergegeben. Die Frage, ob der Plangeber bei der Abwägungsentscheidung nach § 17 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BauNVO die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse ausreichend berücksichtigt hat, obwohl die durch den Bebauungsplan zugelassene Bebauung zur Nichteinhaltung des bauordnungsrechtlich erforderlichen Mindestabstands u.a. im Verhältnis zu dem Grundstück der Antragsteller führt, konnte letztlich offen bleiben, da der Senat davon ausgegangen ist, dass die konkrete Überschreitung der Obergrenze des § 17 Abs. 1 BauNVO jedenfalls nicht aus städtebaulichen Gründen erforderlich sei (vgl. UA S. 32, 34).

d) Der Tatbestand des Urteils vom 19. Oktober 2010 ist schließlich nicht - wie von der Beigeladenen beantragt - um die Formulierung zu ergänzen, dass „die Anbindung des Plangebietes an den öffentlichen Personennahverkehr durch den S-Bahnhof Savignyplatz, die U-Bahnhöfe Adenauerplatz (U7), Uhlandstraße (U1), Spichernstraße (U9), Hohenzollernplatz (U3) und Konstanzer Straße (U7) sichergestellt wird, die sich in einem Radius von 600-800 m ausgehend vom Plangebiet befinden, das darüber hinaus durch die Express-Buslinie X10 sowie die Metrobuslinien M19 und M29 (jeweils im 3-10-Minuten-Takt), die Buslinien 101, 109 und 110 sowie die Nachtbuslinie N10 mit Haltestellen im Radius von 200-400 m versorgt wird.“ Die beantragte Ergänzung kommt nicht in Betracht, weil der Tatbestand des Urteils insoweit keine Auslassung enthält, sondern der Senat die Feststellung, um die die Beigeladene den Tatbestand nunmehr ergänzt sehen will, nicht getroffen hat. In der Sache rügt die Beigeladene auch in diesem Zusammenhang lediglich Fehler bei der Sachverhaltsermittlung und der Tatsachenwertung, die indes nicht im Sinne des § 119 Abs. 1 VwGO berichtigungsfähig sind. Für eine Ermittlung weiterer vom Plangebiet aus möglicherweise noch fußläufig erreichbarer Haltepunkte des öffentlichen Personennahverkehrs hat der Senat im Übrigen keinen Anlass gesehen, weil er es im Zusammenhang mit der Feststellung, dass die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr für Berliner Innenstadtverhältnisse kaum - wie in der Planbegründung wiederholt hervorgehoben (vgl. S. 28, 31) - als „hervorragend“, sondern eher als durchschnittlich anzusehen sei (vgl. UA S. 40), für ausreichend gehalten hat, auf die Entfernung von ca. 650 m zwischen dem Plangebiet und dem U-Bahnhof Adenauerplatz als dem am nächsten gelegenen Schienenverkehrshaltepunkt hinzuweisen, zumal selbst in der Planbegründung (S. 28) in diesem Zusammenhang außer dem - weiter entfernten - U-Bahnhof Konstanzer Straße keine weiteren U- oder S-Bahnhöfe, sondern lediglich Busverbindungen erwähnt werden, denen der Senat indes geringere Bedeutung zugemessen hat.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da durch die gestellten Anträge keine gesonderten Kosten anfallen (vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 119 Rn. 7, m.w.N.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 119 Abs. 2 Satz 2 VwGO)