Gericht | VG Potsdam 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.08.2017 | |
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Aktenzeichen | VG 1 K 460/13 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2017:0809.1K460.13.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 10a KAG BB |
Der Bescheid des Beklagten vom 19. März 2012 über einen Kostenersatz für das Grundstück K... in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2013 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 1.521,49 € überschreitet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks K..., Flurstück der Flur der Gemarkung F... . Er wendet sich gegen einen Kostenersatz für die Herstellung einer Zufahrt zu seinem Grundstück.
Aufgrund eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 26. November 2009 ließ der Beklagte die K... im Bereich des klägerischen Grundstücks grundhaft ausbauen. Die Fahrbahn wurde erstmals in neuzeitlicher Bauweise mit einer Decke aus Asphalt und einer Entwässerung über offene Mulden hergestellt. Vor dem klägerischen Grundstück wurde ein 1,50 m breiter einseitiger Gehweg errichtet (siehe dazu Urteil des VG Potsdam vom 22. April 2016 - VG 12 K 3937/13 -). Die Bauabnahme fand am 13. Oktober 2010 statt. In diesem Zusammenhang wurden in Abstimmung mit den Anliegern Grundstückszufahrten und Zugänge in Betonsteinpflaster hergestellt. So auch zu dem Grundstück K... . Dabei war ein Gefälle von der höher liegenden Fahrbahn zum Niveau des Gehwegs zu überwinden.
Mit Bescheid vom 19. März 2012 setzte der Beklagte für die Herstellung der Zufahrt und der Überfahrt über den Gehweg einen Kostenersatz von 1.573,19 € fest. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2013 zurück.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass er nicht zum Kostenersatz verpflichtet sei, weil die Zufahrt nicht entsprechend den technischen Richtlinien hergestellt worden sei. Statt der vorgeschriebenen max. 6 % habe sie ein Gefälle von 10 %. Deswegen könne die Zufahrt von tieferliegenden Fahrzeugen nicht genutzt werden.
Im Übrigen sei die Forderung des Beklagten auch der Höhe nach nicht berechtigt. Im Bereich des Tores sei die Zufahrt widerrechtlich auf seinem Grundstück gebaut worden. Dafür könne kein Ersatz gefordert werden. Seit den 1970er Jahren sei das Grundstück durch einen Maschendrahtzaun begrenzt gewesen, der auf der Grundstücksgrenze gestanden habe. Im Jahr 2008 habe er nach Erwerb des Grundstücks im Jahr 2004 eine neue Zaunanlage errichten lassen, die aus ästhetischen Gründen im Anschluss an die Begrenzung des Nachbargrundstücks etwas zurück gesetzt worden sei. An diesem Zaun habe sich der Ausbau der Zufahrt fälschlicherweise orientiert.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 19.03.2012 zum Kostenersatz für die Herstellung von Grundstückszufahrten und Grundstückszugängen mit Geh- und Radwegüberfahrten für das Grundstück K..., Gemarkung F..., Flur, Flurstück,... in der Form des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2013, zugestellt am 04.01.2013, aufzuheben, sowie
die Hinzuziehung seiner Verfahrensbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig. Die Zufahrt sei benutzbar. Zur Gewährleistung der Regenentwässerung sei eine Teilfläche mit einem Gefälle von bis zu 10 %, hergestellt worden. Diese befinde sich aber außerhalb des Gehwegs. Dort sei ein größeres Gefälle als 6 % zulässig. Die Zufahrt liege auch vollständig im öffentlichen Straßenland.
Selbst wenn ein Teil auf dem Grundstück des Klägers errichtet worden sei, handele es sich um eine Fläche von lediglich 0,7 m². Dies habe eine Nachmessung ergeben. Wenn man die Kosten für diese Fläche anteilig aus den Gesamtkosten herausrechne, ergebe sich ein Abzug von 51,70 €.
Die zu diesem Zeitpunkt zuständige 12. Kammer hat mit Beschluss vom 18. April 2016 den Rechtstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Beteiligten haben im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 22. April 2016 auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Hefter) Bezug genommen.
Die Klage, über die gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch den Einzelrichter und im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren zu entscheiden ist, ist zulässig und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). In dem darüber hinausgehenden Umfang erweist sich der Bescheid als rechtmäßig.
Nach § 10 a Abs. 1 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) können die Gemeinden bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung zu den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen ersetzt wird. Wird eine Überfahrt über einen Geh- oder Radweg aufwändiger hergestellt, erneuert oder verändert, als es den regelmäßigen Verkehrsbedürfnissen für einen solchen Geh- oder Radweg entspricht, kann die Gemeinde den Ersatz der Mehrkosten für den Bau und die Unterhaltung verlangen (§ 10 a Abs. 2 KAG). Kostenersatzpflichtig sind nach § 10 a Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 2 KAG die Grundstückseigentümer, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Zufahrt oder der Überfahrt wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Mit der Satzung über die Erhebung von Kostenersatz für Grundstückszufahrten mit Geh- und Radwegüberfahrten vom 31. Januar 2007 hat die Stadt F... diese gesetzliche Ermächtigung umgesetzt.
Mit der Herstellung, Erneuerung, Veränderung oder Beseitigung der Zufahrt oder Überfahrt wird die Gemeinde im Rahmen ihrer Straßenbaulast im Sonderinteresse des Anliegers tätig, der nach dem ihm zustehenden Anliegergebrauch (§ 14 Brandenburgisches Straßengesetz) grundsätzlich berechtigt ist, Zugang und Zufahrt zu der öffentlichen Straße zu nehmen und für die Nutzung seines Grundstücks auch darauf angewiesen ist. Deswegen ist im Grundsatz davon auszugehen, dass der Grundstückseigentümer ein Interesse an der Schaffung und dem Erhalt seiner Zufahrtsmöglichkeit besitzt (BVerwG, Urteil vom 28. August 1987 - 4 C 54 und 55. 83, juris). Da die Gemeinde bei der Ausbaumaßnahme für den Anlieger tätig wird, hat sie jedoch in besonderem Maße die Erforderlichkeit der Maßnahme zu prüfen. Eine Kostenersatzpflicht besteht nur dann, wenn die Maßnahme überhaupt und in der gewählten Weise erforderlich war, um die Zufahrt oder den Zugang zu dem Grundstück zu ermöglichen oder aufrechtzuerhalten und die dabei aufgewandten Kosten unter Berücksichtigung der Interessen des Grundstückseigentümers angemessen waren. Allerdings steht der Gemeinde dabei ein weiter Entscheidungsspielraum zu (vgl. VG Potsdam, Urteil vom 21. Oktober 2011 - 12 K 670/08 - und Urteil vom 27. Mai 2013 - VG 12 K 2213/11, juris; Becker u.a., Kommentar zum Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg, § 10 a Rn. 58 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger zu einem Kostenersatz herangezogen hat.
Vor dem Ausbau der K... im Jahr 2010 verfügte das Grundstück über keine neuzeitlich befestigte Zufahrt. Eine solche ist in diesem Zusammenhang erstmals angelegt worden. Dabei waren die Besonderheiten der Örtlichkeit zu berücksichtigen. Dazu gehört, dass das Niveau der erstmals hergestellten Fahrbahn über dem Niveau des vor der Grundstücksgrenze neu errichteten Gehwegs liegt. Zusätzlich war die Entwässerung der Fahrbahn, des Gehwegs und der Zufahrt zu berücksichtigen. Außerdem musste ein links der Zufahrt stehender Baum mit Wurzelwerk einbezogen werden. Das für den Beklagten tätige Ingenieurbüro K... hat in einer Stellungnahme vom 31. Mai 2012 ausgeführt, dass die Zufahrt deswegen auf einer Fläche von 0,35 m² mit einer Neigung von 10 % habe angelegt werden müssen.
Im Gegensatz zur Ansicht des Klägers ist die Rechtmäßigkeit eines Kostenersatzes gemäß § 10 a KAG nicht davon abhängig, dass beim Ausbau der Zufahrt technische Regelwerke eingehalten wurden. Deswegen bedarf es auch keiner Prüfung, welche technischen Regeln hier gegebenenfalls anzuwenden wären. Nach § 10 a Abs. 3 KAG entsteht der Anspruch auf Kostenersatz mit der Herstellung der Benutzbarkeit der Zufahrt. Es kommt also auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Ein straßenbautechnisches Regelwerk kann zwar Anhaltspunkte für die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse bieten. Sie sind aber für die Entstehung der Kostenersatzpflicht nicht maßgeblich.
Die Ausgestaltung der Zufahrt soll unter Berücksichtigung der Ausbaumaßnahmen an den übrigen Bestandteilen der Straße, wie Fahrbahn und Gehweg, den Anliegergebrauch weiterhin bzw. erstmals ermöglichen und somit dem Sonderinteresse des Grundstückseigentümers an der Schaffung bzw. dem Erhalt seiner Zufahrt Rechnung tragen. Dabei muss die Ausgestaltung der Zufahrt notwendigerweise die Bedingungen der Örtlichkeit berücksichtigen und sich daran anpassen.
Deswegen muss die Zufahrt nicht jegliche Nutzung des Grundstücks ermöglichen, d.h. der Grundstückseigentümer kann nicht verlangen, dass er mit allen Fahrzeugen, insbesondere tiefer gelegten, sein Grundstück erreichen kann, wenn die örtlichen Verhältnisse dies erschweren. Aus dem Recht auf Anliegergebrauch folgt kein Anspruch auf eine optimale Zufahrt (VG Potsdam, Urteil vom 26. August 2015 - VG 12 K 961/14 -).
Die Benutzbarkeit der streitgegenständlichen Zufahrt ist hier aber zweifellos gewährleistet. Es ist von den Beteiligten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Grundstück K... von der öffentlichen Straße für normale Kraftfahrzeuge nicht zu erreichen wäre.
Der Kostenersatz ist aber nicht in voller Höhe gerechtfertigt.
Die Zufahrt gemäß § 10 a KAG ist Bestandteil der öffentlichen Straße. Es handelt sich um eine technisch-bauliche Anlage, die die Verbindung von der Außengrenze des Straßenkörpers, gegebenenfalls über einen Geh- oder Radweg verlaufend, bis zur Grenze des Anliegergrundstücks bildet (Becker u.a., a.a.O., § 10 a Rn. 23). Setzt sich die von der Gemeinde hergestellte Zufahrt auf dem Anliegergrundstück fort, ist sie nicht mehr Bestandteil der öffentlichen Straße und wird damit von der Regelung des § 10 a KAG nicht erfasst.
Etwas anderes könnte sich dann ergeben, wenn die maßgebliche Teilfläche des Anliegergrundstücks, auf der sich die Zufahrt fortsetzt, von einer straßenrechtlichen Widmung umfasst wäre. Dies könnte der Fall sein, wenn die Teilfläche durch die Übergangsvorschrift in § 48 Abs. 7 Brandenburgisches Straßengesetz i.V.m. dem Straßengesetz der DDR Bestandteil der öffentlichen Straße geworden wäre, weil sie vor dem 3. Oktober 1990 öffentlich genutzt worden wäre. Das kann hier aber nicht angenommen werden. Der Kläger hat dazu ausgeführt, dass die maßgebliche Teilfläche bis 2008 durch einen Zaun zur öffentlichen Straße abgegrenzt gewesen sei. Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Damit muss davon ausgegangen werden, dass sie Zufahrt teilweise außerhalb der öffentlichen Straße errichtet wurde.
Der Beklagte hat auf eine Auflage des Gerichts durch ein Vermessungsbüro die Abweichung zwischen der Grenze des Flurstücks (K...) und der Zaunanlage bzw. dem Tor zu dem Grundstück ermitteln lassen. Überbaut ist danach eine dreieckige Fläche von 4,12 m Breite und einer Tiefe von links 0,20 m und rechts 0,14 m, insgesamt 0,7 m² (Anl. 5 zum Schriftsatz des Beklagten vom 25. August 2016).
Diese Ermittlung ist für das Gericht plausibel und nachvollziehbar. Die Flurstücksgrenze ist danach den aktuellen Katasternachweisen entnommen. Für die Richtigkeit der Ermittlungen spricht weiter, dass die Grenze des Flurstücks nach der Feststellung des Vermessungsbüros an der Vorderseite des Sockels der Zaunanlage zum Nachbargrundstück verläuft, welche auch nach dem Vorbringen des Klägers die richtige Grenze des Grundstücks markiert.
Der Beklagte hat durch das Ingenieurbüro K... aus den Aufmaßen und Rechnungen der bauausführenden Firma dem Gesamtpreis ermitteln lassen, der sich aus der rechnerischen Verringerung der Fläche ergibt. Diese pauschalierende Vorgehensweise ist geeignet und hinreichend, um den Anteil des geltend gemachten Kostenersatzes zu beziffern, der ohne Rechtsgrund erhoben wurde. Dies ergibt eine Reduzierung um 51,70 €. Die Berechnung ist im Detail nachvollziehbar und auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen worden.
Der angefochtene Bescheid war nach alldem in Höhe von 51,70 € aufzuheben, so dass ein Kostenersatzanspruch des Beklagten in Höhe von 1.521,49 € verbleibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Die Kosten des Verfahrens waren dem Kläger insgesamt aufzuerlegen, da er nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Einer Entscheidung über die Zuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren bedarf es angesichts der Kostenentscheidung nicht.
Beschluss
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf 1.573,19 Euro festgesetzt.