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Gewerbesteuer; BGB-Gesellschaft; Haftungsbescheid; Verjährung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 29.10.2010
Aktenzeichen OVG 9 B 18.09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 191 AO, § 195 BGB, § 159 HGB

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 9. Januar 2009 teilweise geändert: Der Haftungsbescheid des Beklagten vom 16. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2005 und der Änderungserklärung vom 9. Januar 2009 wird aufgehoben, soweit die zum Abrechnungsstichtag 22. Februar 2005 insgesamt festgesetzte Haftungssumme für Säumniszuschläge einen Betrag von 3.949,50 Euro übersteigt.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Haftungsbescheid.

Sie war 1996 Gesellschafterin der L… GbR. Einziger weiterer Gesellschafter war Herr J…. In einer Gesellschafterversammlung am 6. Januar 1997 schlossen die Klägerin, Herr L…und Herr P… folgenden Vertrag:

"Mit Datum tritt Herr L… aus der Gesellschaft aus. An seine Stelle tritt mit gleichen Rechten und Pflichten Herr M…."

Unter dem Briefkopf M… GbR schlossen die Klägerin und Herr M… am 27. Oktober 1999 folgende "Vereinbarung":

Frau […] und Herr [ …] M… […] beenden ihre Zusammenarbeit in o.g. Firma zum 31. Dezember 1999 in beiderseitigem Einverständnis.
Die Abmeldung beim Gewerbeamt erfolgt zu eben diesem Datum."

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt Kyritz gegenüber der L… GbR unter dem 16. Oktober 2001 einen neuen Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 1996. Auf dessen Grundlage erließ der Beklagte gegenüber der L…GbR unter dem 23. Oktober 2001 einen Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1996, in dem eine Gewerbesteuernachzahlung 19.998,00 DM festgesetzt wurde, sowie einen Bescheid über 4.179,00 DM Nachzahlungszinsen in Bezug auf die Gewerbesteuer 1996.

Die Klägerin erhob gegen den Gewerbesteuermessbescheid Einspruch und nachfolgend Klage, die das Finanzgericht des Landes Brandenburg mit Urteil vom 10. August 2004 (3 K 1972/02) zurückwies. Als Klägerin sah das Finanzgericht die M…GbR, vormals L… GbR an; die L… GbR sei durch die M… GbR fortgesetzt worden. Das Urteil ist rechtskräftig geworden; es ist den Beteiligten bekannt.

Unter dem 22. September 2004 nahm die Klägerin ihren Einspruch gegen den Gewerbesteuerbescheid vom 23. Oktober 2001 zurück. Unter dem gleichen Datum teilte sie dem Beklagten mit, dass sie sich die offene Gewerbesteuer mit Herrn L… teilen werde, die Summe nicht auf einmal zahlen könne und bereits einen Dauerauftrag für eine Ratenzahlung eingerichtet habe. Beginnend ab diesem Tag zahlte sie bis einschließlich zum 22. August 2005 monatliche Raten in Höhe von insgesamt 1.500 Euro an den Beklagten (2 x 250 Euro, 10 x 100 Euro).

Bereits am 16. August 2005 brachte der Beklagte gegen die Klägerin und gegen Herrn L… jeweils einen Haftungsbescheid auf den Weg. Beide Bescheide enthielten einen Hinweis auf den jeweils anderen Bescheid. Die Haftungssummen setzten sich wie folgt zusammen:

        

fällig

Betrag in Euro

Gewerbesteuer 1996

26. November 2001

10.224,82

Nachzahlungszinsen darauf

26. November 2001

2.136.69

Säumniszuschlag

11. Dezember 2002

1.325,50

Mahngebühren

11. Dezember 2002

73,40 

Säumniszuschlag

22. Februar 2005

2.718,50

Vollstreckungskosten

22. Februar 2005

162,30

Summe 

        

16.641,21

Der an die Klägerin gerichtete Haftungsbescheid wurde durch den Zusteller am 17. August 2005 niedergelegt; die Benachrichtigung über die Niederlegung legte der Zusteller in den Briefkasten der Klägerin ein. Am 17. November 2005 wurde der bis dahin niedergelegte Haftungsbescheid der Klägerin an ihrer Wohnadresse überbracht.

 Die Klägerin erhob am 25. November 2005 Widerspruch gegen den Haftungsbescheid, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Dezember 2005 zurückwies.

Über die am 6. Januar 2006 gegen den Haftungsbescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Potsdam am 9. Januar 2009 mündlich verhandelt. Nachdem der Beklagte die Haftungssumme um 1.500 Euro verringert hatte, haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Urteil vom 9. Januar 2009 hat das Verwaltungsgericht die Klage im Übrigen abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Urteil ist der Klägerin am 23. Januar 2009 zugegangen.

Sie hat am 13. Februar 2009 Berufung einlegen lassen. Ihr Prozessbevoll-mächtigter hat am 18. März 2009 Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. April 2009 beantragt, die ihm auch gewährt worden ist. Mit ihrer sodann erstmalig am 17. April 2009 begründeten Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass der Erlass des Haftungsbescheides verspätet erfolgt sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 9. Januar 2009 teilweise abzuändern und den Haftungsbescheid des Beklagten vom 16. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2005 und der Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2009 (Reduzierung der Haftungssumme um 1.500 Euro) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Erlass des Haftungsbescheides nicht für verspätet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang (1 Heft) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen unbegründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage nur in geringem Umfang stattgeben müssen; im Übrigen hat es die Klage zu Recht abgewiesen.

A) Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat die Widerspruchsfrist (§ 70 Abs. 1 VwGO) gewahrt. Soweit den Gemeinden die Verwaltung der Gewerbesteuer übertragen ist, gilt schon wegen § 1 Abs. 2 AO weitgehend die Abgabenordnung entsprechend. Nach § 122 Abs. 5 Satz 2 AO in Verbindung mit § 9 VwZG in der bis zum 31. Januar 2006 geltenden Fassung hat die Widerspruchsfrist hier erst am 17. November 2005 zu laufen begonnen, als die Klägerin den angegriffenen Haftungsbescheid tatsächlich erhalten hat. Der am 17. August 2005 unternommene Versuch, eine Ersatzzustellung durch Niederlegung zu bewirken, ist unwirksam gewesen, nachdem eine Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten möglich und daher vorrangig durchzuführen gewesen wäre (vgl. § 122 Abs. 5 Satz 2 AO, § 3 Abs. 3 VwZG, §§ 180, 181 ZPO in der für 2005 geltenden Fassung).

B) Die Klage ist nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Wesentlichen unbegründet. Der Haftungsbescheid vom 16. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2005 und der Änderungserklärung vom 9. Januar 2009 ist weitgehend rechtsmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; lediglich hinsichtlich der Säumniszuschläge ist die Haftungssumme geringfügig zu hoch angesetzt.

Rechtsgrundlage für den Haftungsbescheid ist § 191 Abs. 1 Satz 1 AO. Nach dieser Bestimmung kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet.

I. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO liegen vor.

1. Die für den Erlass eines Haftungsbescheides erforderliche Erstschuld ist gegeben gewesen, und zwar in Gestalt von Gewerbesteuernachforderungen und Steuernebenforderungen, die gegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichtet und nicht verjährt waren.

a) § 191 Abs. 1 Satz 1 AO ermöglicht ungeachtet der Worte "für eine Steuer haftet" den Erlass eines Haftungsbescheides nicht nur in Bezug auf Steuern, sondern auch in Bezug auf Steuernebenforderungen (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, AO und FGO, Rdnr. 14 zu § 191 AO m.w.N.).

b) Steuern und Steuernebenforderungen wurden hier von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geschuldet.

Das gilt zunächst, wenn mit dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg davon ausgegangen wird, dass die L…GbR zum Jahreswechsel 1996/1997 zivilrechtlich als M…GbR fortgesetzt worden ist. In diesem Fall waren die Schulden in Bezug auf die Gewerbesteuernachforderung für 1996 und die diesbezüglichen Nebenforderungen ab dem Jahreswechsel 1996/1997 Schulden der M…GbR und sind auch nicht untergegangen oder kraft Gesamtrechtsnachfolge auf die Klägerin als Erstschuldnerin übergegangen, als die M…GbR zum 31. Dezember 1999 zivilrechtlich einvernehmlich aufgelöst worden ist; vielmehr ist die M…GbR in diesem Fall (eben wegen der gegen sie bestehen-den Steuer- und Steuernebenforderungen) steuerrechtlich als fortbestehend anzusehen (vgl. hierzu: BFH, Beschluss vom 12. April 2007 - IV B 69/05 - juris, m.w.N.).

Am Bestehen der Erstschuld einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ändert sich auch nichts, wenn mit der Klägerin davon auszugehen sein sollte, dass die L…GbR zum Jahreswechsel 1996/1997 zivilrechtlich aufgelöst worden und die M…GbR eine davon verschiedene Neu-gründung sein sollte: Dann würde die L…GbR wegen der gegen sie bestehenden Gewerbesteuernachforderungen und Steuernebenforderungen steuerrechtlich als fortbestehend anzusehen sein.

Vom Fehlen einer Erstschuld einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wäre demgegenüber (nur) dann auszugehen, wenn die Klägerin die L…GbR - d.h. deren Aktiva und Passiva - als Gesamtrechtsnachfolgerin übernommen hätte, als Herr L…die Gesellschaft zum Jahreswechsel 1996/1997 verlassen hat. Eine solche Übernahme kann ad hoc zwischen dem ausscheidenden und dem übernehmenden Gesellschafter vereinbart werden oder kommt zu Stande, wenn der Gesellschaftsvertrag sie entweder als automatische Rechtsfolge des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters vorsieht oder wenn der Gesellschaftsvertrag für den Fall des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters ein Übernahmerecht des verbleibenden Gesellschafters vorsieht und dieser von seinem Übernahmerecht Gebrauch macht (vgl. Ulmer/Schäfer, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5. Auflage, Rdnr. 63 ff. zu § 730 BGB). Für all dies gibt es hier indessen keinen Anhaltspunkt. Insbesondere reicht es insoweit nicht aus, dass der Gesellschaftsvertrag der L… GbR für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters eine sogenannte Fortsetzungsklausel enthalten hat und dass eine solche Klausel als "Übernahmeklausel" auszulegen sein kann (vgl. Ulmer/Schäfer, a.a.O., Rdnr. 69). Das Geschäftsmodell der L… GbR hat erkennbar darauf beruht, dass neben der Klägerin ein Gesellschafter vorhanden gewesen ist, der intern für die praktische Erledigung der Handwerkstätigkeit verantwortlich zeichnete. Angesichts dessen kann die Fortsetzungsklausel nicht dahin ausgelegt werden, dass die Klägerin das Geschäft der Gesellschaft mit allen Aktiva und Passiva automatisch alleine übernehmen sollte, wenn Herr L… oder ein etwaiger anderer vorletzter Gesellschafter ausschied. Denkbar wäre bestenfalls eine Auslegung als Regelung eines Übernahmerechts der Klägerin. Dessen Bestehen und insbesondere dessen Ausübung hat die Klägerin indessen selbst nie behauptet. Vielmehr hat sie sich stets auf die Auflösung der L… GbR berufen und eine Einbeziehung des Herrn L… in die Tilgung der Gesellschaftsschulden verlangt, was sich gerade nicht mit der Annahme verträgt, sie habe die "Gesellschaft" mit allen Aktiva und Passiva beim Ausscheiden des Herrn L…alleine übernommen.

c) Die Erstschuld der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat allerdings nicht ganz in der Höhe bestanden, für die die Klägerin im Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden ist. Die Klägerin hat beginnend ab dem 22. September 2004 in zwei Monatsraten 250 Euro und zehn Monatsraten von 100 Euro insgesamt 1.500 Euro an den Beklagten entrichtet, und zwar noch vor Wirksamwerden des Haftungsbescheides. Dem hat der Beklagte - auf Grund eines offensichtlichen Versehens - noch nicht ganz Rechnung getragen, als er die Haftungssumme in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung um 1.500 Euro verringert hat. Die Zahlungen der Klägerin waren wegen § 225 Abs. 2 Satz 1 AO als Zahlungen auf die Gewerbesteuerschuld anzusehen mit der Folge, dass mit jeder Rate nicht nur die Gewerbesteuerschuld, sondern auch die Berechnungsgrundlage für die Säumniszuschläge gesunken ist. Bezogen auf den letzten Abrechnungsstichtag des Haftungsbescheides für die Säumniszuschläge (22. Februar 2005) führt dies zu folgender Berechnung der Säumniszuschläge insgesamt (alle Werte in Euro; die bis zum 11. Dezember 2002 schon fälligen Säumniszuschläge sind einbezogen):

Datum 

Gewerbe-
steuer-
schuld
(ungerundet)

Gewerbe-
steuer-
schuld
(gerundet)

Rate   

offener
Rest

Säumnis
monate
bis zur
Zahlung

Säumnis-
zuschläge

Betrag

26.11.2001

10.224,82

10.200

                                        

22.09.2004

                

250     

9950   

34    

34 * 102 €

3468   

22.10.2004

                

250     

9700   

1       

 1 * 99,5 €

99,5   

22.11.2005

                

100     

9600   

1       

 1 * 97 €

97    

22.12.2004

                

100     

9500   

1       

 1 * 96 €

96    

24.01.2005

                

100     

9400   

1       

 1 * 95 €

95    

22.02.2005

                

100     

9300   

1       

 1 * 94 €

94    

(letzter Ab
rechnungsstichtag)

                                

39    

        

3949,5

Die Haftungssumme für die zum 22. Februar 2005 insgesamt fälligen Säumniszuschläge (laut Haftungsbescheid 1.325,50 Euro + 2.718,50 Euro = 4.044 Euro) ist danach geringfügig zu kürzen, und zwar um 94,50 Euro.

 d) Die Erstschuld der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Gewerbesteuernachforderung und die Steuernebenforderungen) ist auch nicht verjährt.

 Hinsichtlich der Gewerbesteuerschuld und der Nachzahlungszinsen ist insoweit zum einen die Festsetzungsverjährungsfrist beachtlich (§ 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO). Sie hat hier nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Gewerbesteuermessbescheides geendet (§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO) und ist mithin durch den Erlass des Gewerbesteuerbescheides und des Zinsbescheides noch im Jahr 2001 gewahrt worden. Insoweit kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass die Bescheide gegenüber der falschen Gesellschaft erlassen worden seien. Hat die L… GbR ab dem Jahreswechsel 1996/1997 als M… GbR zivilrechtlich fortbestanden, wie es das Finanzgericht Berlin-Brandenburg angenommen hat, und ist diese Gesellschaft wegen der offenen Steuer- und Steuernebenforderungen auch nach der zivilrechtlichen Auflösung zum 31. Dezember 1999 steuerrechtlich noch als fortbestehend anzusehen, dann hat die Adressierung der Bescheides an die L… GbR lediglich eine Falschbezeichnung dargestellt, die mangels Verwechslungsgefahr unerheblich ist (vgl. wiederum das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg). Ist indessen die L… GbR, wie die Klägerin meint, zum Jahreswechsel 1996/1997 zivilrechtlich aufgelöst worden und greift deshalb die steuerrechtliche Fortbestehensfiktion für sie, ist die Adressierung des Gewerbesteuerbescheides an sie ohnehin richtig gewesen.

Hinsichtlich der Gewerbesteuerschuld und der Nachzahlungszinsen ist weiter die Zahlungsverjährungsfrist beachtlich (§ 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie hat fünf Jahre betragen (§ 228 Satz 2 AO) und hier erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres zu laufen begonnen, in dem der Gewerbesteuerbescheid und der Zinsbescheid erlassen worden sind (§ 229 Abs. 1 Satz 2 AO); sie war demzufolge bei Erlass des Haftungsbescheides ebenfalls noch nicht abgelaufen.

Hinsichtlich der Säumniszuschläge ist nur die fünfjährige Zahlungsverjährungsfrist des § 228 Satz 2 AO beachtlich; sie war bei Erlass des Haftungsbescheides noch nicht verstrichen.

Hinsichtlich der Mahngebühren und der Vollstreckungskosten besteht lediglich die Maßgabe, diese zusammen mit dem Anspruch beizutreiben (§ 11 Abs. 1 VwVG Bbg); sie verjähren danach nicht, bevor die beizutreibende Forderung verjährt.

2. Die Klägerin haftet im Sinne des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kraft Gesetzes für die Erstschuld der Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

a) § 191 Abs. 1 Satz 1 AO umfasst auch die Haftungsansprüche nach zivilem Recht. Unterliegt eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts - wie hier - als solche der Gewerbesteuer, ergibt sich die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Steuerschulden und die steuerlichen Nebenleistungen der Gesellschaft aus dem insoweit entsprechend anwendbaren § 128 Satz 1 HGB. Danach haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich.

b) Die Klägerin kann gegen den Erlass des Haftungsbescheides nicht einwenden, dass ihre persönliche Haftung bereits verjährt sei. Ergibt sich eine Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid nach § 191 Abs. 4 AO zwar nur ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind. Das ist hier indessen noch nicht der Fall gewesen.

aa) Die Klägerin irrt, wenn sie meint, dass die Haftungsansprüche, die entsprechend § 128 HGB gegen die Gesellschafter von Außengesellschaften bürgerlichen Rechts bestehen, seit In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes grundsätzlich der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB unterfielen. Richtig ist vielmehr, dass diese Haftungsansprüche grundsätzlich gerade keiner eigenständigen Verjährung unterfallen (vgl. Schmidt, in: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 6. Auflage, Rdnr. 3 zu § 128 HGB; Habersack, in: Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 5. Auflage, Rdnr. 6 zu § 129; Hillmann, in: Ebenroth u.a., Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, Rdnr. 4 zu § 129; Koller, in: Koller u.a., Handelsgesetzbuch, 6. Auflage, Rdnr. 4 zu §§ 128, 129; Hofmeister, NZG 2002, 851, 854; siehe zum alten Recht schon: BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 - IX ZR 272/96 - BGHZ 139, 214, 218, juris).

bb) Auch die fünfjährige Sonderverjährungsfrist gemäß § 159 Abs. 1 HGB hilft der Klägerin nicht. Zwar gilt § 159 HGB im Falle der (zivilrechtlichen) Auflösung einer Außengesellschaft bürgerlichen Rechts entsprechend (vgl. BFH, Beschluss vom 24. Juni 2004 - VII B 156/03 - juris m.w.N.; grundlegend schon BGH, Urteil vom 10. Februar 1992 - II ZR 54/91 - BGHZ 117, 168, juris). Indessen haben die insoweit geltenden Verjährungsvoraussetzungen nicht vorgelegen, als der Haftungsbescheid erlassen wurde. Die fünfjährige Sonderverjährungsfrist des § 159 Abs. 1 HGB beginnt im Falle der (zivilrechtlichen) Auflösung einer Außengesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich mit dem Ende des Tages, an welchem der Gläubiger Kenntnis von der Auflösung der Gesellschaft erlangt hat (§ 159 Abs. 2 HGB entsprechend). Wird der Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschaft erst nach der Kenntnis von der Auflösung fällig, so beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit (§ 159 Abs. 3 HGB entsprechend). Die Fälligkeit markiert (auch) im zivilrechtlichen Sprachgebrauch den Zeitpunkt, ab dem der Gläubiger die Leistung frühestens verlangen kann (vgl. Krüger, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5. Auflage, Rdnr. 2 zu § 271 BGB; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 69. Auflage, Rdnr. 1 zu § 271 BGB). Die Fälligkeit eines Anspruchs fällt zivilrechtlich nicht, wie die Klägerin zu meinen scheint, stets mit der Entstehung des Anspruchs zusammen, sondern kann, wie § 271 BGB zeigt, auf Grund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmung oder auf Grund der Umstände erst nach diesem Zeitpunkt eintreten (vgl. Krüger, a.a.O., Rdnr. 5 ff.; Grüneberg, a.a.O., Rdnr. 4 ff.). § 159 Abs. 3 HGB hat den erkennbaren Zweck, auch für diese Fälle sicherzustellen, dass den Gläubigern einer aufgelösten Gesellschaft für die Geltendmachung der Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB jedenfalls volle fünf Jahre zur Verfügung stehen. Geht es um die Haftung für steuerrechtliche Schulden der Gesellschaft, kann mit Blick auf Wortlaut und Zweck des § 159 Abs. 3 HGB nichts anderes gelten. Auch in Bezug auf die Haftung für steuerrechtliche Schulden beginnt die fünfjährige Sonderverjährung danach frühestens zu laufen, wenn die Schulden gegenüber der Gesellschaft fällig geworden sind; insoweit sind die steuerrechtlichen Fälligkeitsregelungen auch bei der Anwendung des § 159 Abs. 3 HGB bedeutsam (vgl. BFH, Beschluss vom 24. Juni 2004 - VII B 156/03 - juris). Soweit zu § 159 Abs. 4 HGB vertreten wird, dass die Bestimmung sich nur auf verjährungshindernde Tatbestände nach dem BGB bezieht und beispielsweise nicht auf die §§ 228 ff. AO (vgl. Schmidt, a.a.O., Rdnr. 34 zu § 159 HGB), ist diese Ansicht auf § 159 Abs. 3 HGB nicht übertragbar. Denn anders als § 159 Abs. 4 HGB enthält § 159 Abs. 3 HGB keinen ausdrücklichen Bezug auf das Bürgerliche Gesetzbuch, sondern spricht nur allgemein von Fälligkeit, womit - wie bereits ausgeführt - nach Wortlaut und Zweck auch die steuerrechtliche Fälligkeit gemeint ist.

Bei Erlass des Haftungsbescheides ist die fünfjährige Sonderverjährungsfrist danach selbst dann noch nicht abgelaufen gewesen, wenn mit der Klägerin angenommen wird, die L… GbR sei zivilrechtlich zum 31. Dezember 1996 aufgelöst worden und der Beklagte habe noch im Januar 1997 Kenntnis von der Auflösung erlangt. Denn alle hier in Rede stehenden Ansprüche des Beklagten gegen die Gesellschaft sind erst später fällig geworden. Wie gezeigt, kann insoweit auch die von der Klägerin geforderte zivilrechtliche Betrachtungsweise nicht daran vorbeigehen, dass der Beklagte die Gewerbesteuernachzahlung und die Nachzahlungszinsen zeitlich erst nach deren Festsetzung im Jahr 2001 von der Gesellschaft verlangen konnte (vgl. § 20 Abs. 2 GewStG, § 220 Abs. 2 Satz 2 AO), und dass die Säumniszuschläge, die Mahngebühren und die Vollstreckungskosten sogar überhaupt erst nach der Festsetzung der Gewerbesteuernachzahlung und der Nachzahlungszinsen entstehen konnten.

cc) Auf § 736 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 160 HGB kann sich die Klägerin ebenfalls nicht berufen. § 160 HGB schützt den ausgeschiedenen Gesellschafter; die Klägerin ist indessen keine ausgeschiedene Gesellschafterin.

II. Der Erlass eines Haftungsbescheides steht nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO im Ermessen der Behörde. Diesbezügliche Fehler sind hier nicht ersichtlich. Der Hinweis in dem Haftungsbescheid, wonach ein gleichlautender Bescheid auch gegenüber Herrn L… ergehe, lässt erkennen, dass der Beklagte sich seines Ermessens bewusst gewesen ist und die Interessenlage der Klägerin bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt hat; die Klägerin hat im Übrigen vor Versendung des Haftungsbescheides zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt, zusammen mit Herrn L…für die Steuerschulden der L… GbR einstehen zu müssen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

D. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) bestehen nicht.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 16.641,21 € - 1.500 € = 15.141,21 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 2 Satz 6, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).