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Insolvenzgeld; Bindungswirkung arbeitsgerichtlicher Urteile; Prüfungspflicht für Kündigungsgründe im sozialgerichtlichen Verfahren


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 02.05.2011
Aktenzeichen L 18 AL 176/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 183 Abs 1 SGB 3

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. April 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1. September 2005 bis 19. November 2005 anstelle des gewährten Insg für die Zeit vom 1. November 2005 bis 31. Januar 2006.

Der 1964 geborene Kläger war ausweislich des Arbeitsvertrages vom 1. Juli 2004 befristet bis zum 31. März 2005 als Platzmeister und Lagerwart bei der S S GmbH B versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde am 31. März 2005 über den 31. März 2005 hinaus verlängert und bis zum 31. Januar 2006 befristet. Arbeitsvertraglich war ein Bruttoarbeitsentgelt von 1.800,- € vereinbart, was im September 2005 zu einem Nettoarbeitsentgelt von 1.390,94 € führte. Am 15. Dezember 2005 stellte die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) B bei dem Amtsgericht (AG) C ( - -) einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S GmbH. Mit Beschluss vom 10. Januar 2006 bestellte das AG C den Rechtsanwalt K, B, zum vorläufigen Insolvenzverwalter und bestimmte u.a., dass Verfügungen des Schuldners nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien. Mit Beschluss vom 10. Mai 2006 eröffnete das AG C das Insolvenzverfahren.

Bereits mit Schreiben vom 9. November 2005 kündigte die S GmbH das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos zum 10. November 2005, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 19. November 2005 zu.

Am 30. November 2005 erhob der Kläger bei dem Arbeitsgericht (ArbG) Berlin ( - -) Kündigungsschutzklage gegen die S GmbH. Mit Versäumnisurteil vom 10. Januar 2006 stellte das ArbG B fest, dass das Kündigungsschreiben der S GmbH vom 9. November 2005, zugegangen am 19. November 2005, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht wirksam beendet habe. Überdies verurteilte es die Beklagte zur Zahlung von 3.600,- € brutto nebst Zinsen an den Kläger. Dabei handelte es sich um rückständiges Arbeitsentgelt für die Monate September und Oktober 2005. Gegen dieses Versäumnisurteil legte die S GmbH keinen Einspruch ein.

Auf den Antrag des Klägers bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 ab dem 1. Dezember 2005 Arbeitslosengeld (Alg) für die Dauer von 231 Kalendertagen in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 43,21 €.

Am 25. Januar 2006 beantragte der Kläger Insg für das ausgefallene Arbeitsentgelt in dem Zeitraum vom 1. September 2005 bis 19. November 2005 und machte ausgefallenes Arbeitsentgelt iHv je 1.800,- € brutto für die Monate September und Oktober 2005 sowie iHv 1.140,- € brutto anteilig für den Monat November 2005 geltend. Ausweislich der von dem Insolvenzverwalter überreichten Insolvenzgeldbescheinigung vom 29. Juni 2006 waren für die Monate November 2005 bis Januar 2006 noch Nettoarbeitsentgelte iHv monatlich 1.390,94 € nicht ausgezahlt.

Mit Bescheid vom 25. September 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Insolvenzgeldzeitraum vom 1. November 2005 bis 31. Januar 2006 Insg in Höhe von insgesamt 4.172,82 € (dreimal 1.390,94 €). Unter Absetzung des für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Januar 2006 geleisteten Alg von 2.592,60 € ergebe sich ein Auszahlungsbetrag von 1.580,22 €.

Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger Insg für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 19. November 2005 und verwies darauf, dass die Verrechnung mit dem gewährten Alg rechtswidrig sei, denn der Kläger müsse sich gegenüber der Beklagten nicht an einem gegen die ehemalige Arbeitgeberin erstrittenen Urteil festhalten lassen. Von der Rechtskraftwirkung des arbeitsgerichtlichen Urteils werde die Beklagte nicht erfasst. Der Kläger könne daher verlangen so gestellt zu werden, als sei das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet worden. Er werde schlechter gestellt, als wenn er nicht gegen die ehemalige Arbeitgeberin geklagt hätte. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Mit seiner Klage bei dem Sozialgericht (SG) Berlin hat der Kläger geltend gemacht, bereits die Beendigung der Geschäftstätigkeit der Arbeitgeberin sei das maßgebliche Insolvenzereignis, hingegen nicht der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Bereits im November 2005 sei die S GmbH nicht mehr als Arbeitgebergesellschaft am Markt aufgetreten, Aufträge, Maschinen und Fahrzeuge seien bereits an eine neue GmbH übertragen worden. Arbeitsgerichtlich sei im Rahmen eines geschlossenen Vergleiches zwischen dem Kläger und der neuen GmbH geklärt worden, dass zwar ein Betriebsübergang nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht vorliege, jedoch die neue GmbH als Funktionsnachfolgerin der S GmbH fungiere, was im Umkehrschluss bedeute, dass die S GmbH ihre Geschäftstätigkeit aufgegeben haben müsse. Insbesondere sei die S GmbH ohne Personal, Maschinen, Aufträge und Fahrzeuge nicht mehr zur Geschäftstätigkeit in der Lage gewesen. Überdies habe die Beklagte das Ende des Arbeitsverhältnisses falsch bestimmt und gelange daher zu einem fehlerhaften Insolvenzgeldzeitraum. Zudem werde die Beklagte nicht von der Rechtskraftwirkung des arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteils erfasst. Der Kläger werde auch gegenüber denjenigen Arbeitnehmern der S GmbH, die gegen ihre Kündigung nicht geklagt hätten, schlechter gestellt. Mit Urteil vom 20. April 2010 hat das SG Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Zu Recht sei die Beklagte davon ausgegangen, dass maßgebliches Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S GmbH am 10. Mai 2006 gewesen sei. Anhaltspunkte für eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit würden nicht vorliegen. Insbesondere ergäbe sich aus den Berichten des vorläufigen Insolvenzverwalters, dass noch im November 2005 nennenswerte Umsätze in Höhe von 154.406,20 € erzielt worden seien und der Geschäftsbetrieb erst zum Jahreswechsel 2005/2006 eingestellt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe aber bereits der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der AOK B vom 15. Dezember 2005 vorgelegen. Die Beklagte habe auch das Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem 31. Januar 2006 zutreffend bestimmt, da die Kündigung vom 9. November 2005 unwirksam gewesen sei. Auf die aus dem arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteil abzuleitenden Rechte könne der Kläger auch nicht im Verhältnis zur Beklagten verzichten.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Die S GmbH habe die Betriebstätigkeit bereits im November 2005 vollständig eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt gewesen. Aus damaliger Sicht wäre auch ein Insolvenzantrag mangels Masse nicht in Betracht gekommen. Dafür spreche, dass sich die S GmbH bereits seit Monaten im Lohnzahlungsverzug befunden habe. Durch die Aufgabe der Betriebstätigkeit seien auch keine Gewinne mehr zu erwirtschaften gewesen. Der spätere Insolvenzverwalter habe unter dem 18. Mai 2006 auch die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Diese müsse in Ermangelung irgendwelcher Geschäftstätigkeit seitdem bereits im November 2005 vorgelegen haben. Der Insolvenzverwalter habe die Beendigung des Geschäftsbetriebs nur vage mit dem „Jahreswechsel 2005/2006“ angegeben, ohne dass sich dies konkretisieren lasse. Überdies könne die Beklagte keinerlei Rechte aus dem arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteil ableiten. Er - der Kläger - müsse im sozialgerichtlichen Verfahren Kündigungsgründe weder vortragen noch unter Beweis stellen. Es könne in Ermangelung irgendwelcher Angaben der S GmbH im Kündigungsschreiben und im Kündigungsschutzprozess nicht festgestellt werden, ob für die Kündigung nicht doch ein wichtiger Grund vorgelegen habe. Zu seinen Gunsten sei daher davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis schon am 19. November 2005 geendet habe. Überdies komme es auf das Ende des Beschäftigungsverhältnisses an, denn arbeitsrechtliche Kriterien würden nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im Hintergrund stehen. Überdies verletze die Entscheidung der Beklagten das Gleichbehandlungsgebot.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. April 2010 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm anstelle des Zeitraums vom 1. November 2005 bis 31. Januar 2006 Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. September 2005 bis 19. November 2005 unter Zugrundelegung eines monatlichen Bruttoentgelts von 1.800,- € zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, dass unklar sei, weshalb der Kläger nunmehr scheinbar für sich in Anspruch nehme, dass die Kündigung vom 9. November 2005 wirksam gewesen sei, wenn er sie denn vor dem ArbG B erfolgreich angefochten habe. Offensichtliche Masselosigkeit der S GmbH könne bei Betriebseinstellung nicht vorgelegen haben, wie sich aus dem Beschluss des AG C vom 10. Mai 2006 ergebe. Im Übrigen habe der Kläger nicht nachweisen können, dass und wann eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der S GmbH vorgelegen habe.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Leistungsakte der Beklagten, Auszüge aus der Gerichtsakte des ArbG Berlin - 41 Ca 25471/05 -, Auszüge aus der Akte des AG Charlottenburg (- 36s IN 6276/05 -) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger hat für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 31. Oktober 2005 keinen Anspruch auf Insg. Die Beklagte hat den Insolvenzgeldzeitraum zutreffend auf die Zeit vom 1. November 2005 bis 31. Januar 2006 bestimmt. Die Beklagte hat zudem Insg für die Zeit vom 1. November 2005 bis 19. November 2005 bereits geleistet, weshalb dem Kläger ein (weiterer) Anspruch insoweit nicht zustehen kann.

Nach § 183 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der hier anzuwendenden, vom 01. Januar 2002 bis zum 11. Dezember 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10. Dezember 2001 (BGBl I S 3443) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Insolvenzereignis), für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Da ein Insolvenzereignis im Sinne des § 183 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGB III (Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland) nicht vorliegt, ist maßgeblicher Insolvenzzeitpunkt im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III der 10. Mai 2006 gewesen, der Tag, an dem das AG Charlottenburg durch Beschluss vom selben Tage das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S GmbH eröffnet hat. Das hier entgegen der Auffassung des Klägers nicht einschlägige Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III beinhaltet als Auffangtatbestand drei Merkmale, die kumulativ vorliegen müssen: die vollständige Aufgabe der Betriebstätigkeit im Inland, das Fehlen eines Eröffnungsantrages und den Umstand, dass ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass Arbeitnehmer gezwungen werden, aussichtslose Anträge zu stellen und Vorschüsse zu leisten – jedenfalls dann, wenn die insolvenzrechtlich relevante Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers offensichtlich ist (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. Dezember 2005 - L 28 AL 75/04 – juris -). Bereits unabhängig davon, ob die vollständige Aufgabe der Betriebstätigkeit im Inland vor Stellung des Insolvenzantrages durch die AOK am 15. Dezember 2005 erfolgte, ist das Insolvenzereignis des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vorliegend schon deshalb nicht einschlägig, weil eine offensichtliche Masselosigkeit seinerzeit nicht vorlag. Dies folgt bereits aus der späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das AG Charlottenburg. Wird bei unveränderter Sachlage – wie hier - das Insolvenzverfahren eröffnet, zeigt sich damit, dass ein Anschein für Masseunzulänglichkeit objektiv nicht bestand (Krodel in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 183 Rdnr 47; Urteil des Senats vom 14. November 2007 - L 16 AL 541/06 – juris -). Dies ergibt sich auch aus dem Ermittlungsbericht des Insolvenzverwalters vom 9. Mai 2006. Insoweit ist es unerheblich, dass die S GmbH nach dem Vortrag des Klägers seit September 2005 mit der Zahlung des Arbeitsentgelts in Verzug war, denn dies spricht zunächst für Zahlungsunwilligkeit und nicht für Zahlungsunfähigkeit oder gar Masseunzulänglichkeit. Zudem erhellt aus dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 20. Juni 2006, dass die S GmbH bis zum Ende des Jahres 2005 ein umfangreiches Geschäft im Bereich des Schwerlast- und Transportgewerbes betrieben und noch im November Umsätze iHv 154.406,20 € getätigt hatte, für die Zahlungen iHv 134.023,75 € erfolgt waren. Es sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens daher auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass bis zum Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages (15. Dezember 2005) die Betriebstätigkeit der S GmbH bereits vollständig beendet gewesen war.

Ausgehend vom Insolvenzereignis am 10. Mai 2006 bildet die Zeit vom 1. November 2005 bis 31. Januar 2006 den von § 183 Abs. 1 SGB III umschriebenen Insolvenzgeldzeitraum. Hiernach besteht nämlich Anspruch auf Insg für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses, in denen der Kläger noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Der Insolvenzgeldzeitraum umfasst die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Januar 2006, da das befristete Arbeitsverhältnis des Klägers bis zum 31. Januar 2006 (Ende der Befristung) fortbestanden hat. Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der S GmbH war durch die Kündigung mit Schreiben vom 9. November 2005 zum 10. November 2005, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils des ArbG Berlin vom 10. Januar 2006 nicht beendet worden. Soweit der Kläger dagegen einwendet, die Beklagte könne keinerlei Rechte aus dem rechtskräftigen Versäumnisurteil vom 10. Januar 2006 herleiten, da sie an dem Prozess nicht beteiligt war, verkennt er, dass Insg für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses geleistet wird, wobei der Begriff des Arbeitsverhältnisses unabhängig von dem Begriff des Beschäftigungsverhältnisses iSd § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III zu beurteilen ist. Darüber hinaus hat das Bundessozialgericht (BSG), dessen Rechtsprechung der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, über den Umfang der Bindungswirkung arbeitsgerichtlicher Urteile in der vergleichbaren Fallgestaltung des Konkursausfallgeldverfahrens bereits in unterschiedlichen Fallgestaltungen entschieden. In dem Urteil vom 30. Juli 1981 ( - 10/8b RAr 4/80 – juris -) hat das BSG einem arbeitsgerichtlichen (Versäumnis-)Urteil über den Arbeitsentgeltanspruch eine Tatbestandswirkung beigemessen, jedoch angenommen, dass bei einem Verfahren über die Höhe des Konkursausfallgeldes (Kaug) auch solche Umstände zu berücksichtigen seien, die in dem vorausgegangenen arbeitsgerichtlichen Urteil keine Rolle gespielt haben; insofern sei den unterschiedlichen Regeln Rechnung zu tragen, nach denen arbeitsgerichtliche Verfahren auf der einen und sozialgerichtliche Verfahren auf der anderen Seite abgewickelt werden. Das arbeitsgerichtliche Verfahren ist nicht vom Amtsermittlungsprinzip beherrscht; deshalb kann insbesondere ein Versäumnisurteil, das lediglich auf den vom Kläger vorgetragenen Tatsachen beruht, nur hierüber entscheiden, nicht jedoch über solche Tatsachen, die das rechtskräftige arbeitsgerichtliche Urteil mangels eines entsprechenden Vortrags nicht berücksichtigen konnte und nicht berücksichtigt hat. Demgegenüber hat das BSG in seinem Urteil vom 8. April 1992 (- 10 RAr 4/91 – juris -) darauf abgestellt, dass nach den Vorschriften der §§ 141a ff Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ein Anspruch auf Kaug einen (noch) durchsetzbaren Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt voraussetzt. Ein solcher stehe ihm aber nicht zu, wenn ein ArbG - wenn auch im Rahmen eines Prozessurteils - rechtskräftig festgestellt hat, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kaug-Antragsteller und seinem angeblichen Arbeitgeber nicht bestanden hat. Hier steht die Frage, ob dem Kläger Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsverhältnis überhaupt zusteht, nicht im Streit. Andererseits kann die Beklagte an die rechtliche Beurteilung durch das ArbG dann nicht gebunden sein, wenn dem geltend gemachten Arbeitsentgeltanspruch im dortigen Verfahren nicht vorgebrachte Umstände entgegenstehen. Dies wird insbesondere bei einem Versäumnisurteil gegen den Arbeitgeber deutlich, gilt jedoch - aus den im Urteil des BSG vom 30. Juli 1981 (aaO) aufgeführten Gründen - ebenso bei einem kontradiktorischen Urteil. Andernfalls wäre auch Möglichkeiten einer Manipulation zu Ungunsten der Konkursausfallversicherung Tür und Tor geöffnet (vgl BSG, Urteil vom 9. Mai 1995 - 10 RAr 5/94 – juris -). Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Beklagte grundsätzlich an der Rechtskraftwirkung des arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteils im Hinblick auf die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 9. November 2005 nicht aufgelöst worden ist, nicht teilnimmt, da sie an dem arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt war. Eine Bindung der Beklagten an diese Feststellung kommt allerdings in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Respektierung von Hoheitsakten anderer Staatsorgane durch die Verwaltung in Betracht. Ihr steht, soweit das rechtskräftige Urteil über den Sachverhalt entschieden hat, eine Nachprüfung des Urteils regelmäßig nicht zu (vgl BSG, Urteil vom 30. Juli 1981 - 10/8b RAr 4/80 -). Dieser Grundsatz erfährt indes dadurch eine Einschränkung, dass das arbeitsgerichtliche - wie das zivilgerichtliche - Verfahren nicht vom Amtsermittlungsprinzip beherrscht wird. Die Verwaltung ist daher nicht gehindert, ihr zusätzlich mitgeteilte oder bei Ermittlungen bekannt gewordene Tatsachen zu berücksichtigen, die das rechtskräftige Urteil mangels eines entsprechenden Vortrags nicht berücksichtigen konnte und nicht berücksichtigt hat (vgl. BSG aaO). Daraus folgt jedoch für den Kläger kein günstiges Ergebnis, denn der Beklagten wie auch dem Senat sind weder Umstände bekannt geworden noch sind solche vom Kläger vorgetragen, die darauf schließen lassen, dass die fristlose Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses durch das Kündigungsschreiben vom 9. November 2005 rechtmäßig war und das Arbeitsverhältnis tatsächlich zum 19. November 2005 beendet haben könnte. Das befristete Arbeitsverhältnis war vielmehr ordentlich nicht kündbar.Nach § 15 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist die ordentliche Kündigung für beide Parteien des Arbeitsvertrags ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt in den Fällen eines anwendbaren Tarifvertrags, der eine frühere Kündigung zulässt, oder wenn eine einzelvertragliche Regelung vereinbart wurde. Beides trifft nicht zu. In § 2 des Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und der S GmbH ist unter Vertragsgrundlagen ausdrücklich „keine Tarifbindung“ vereinbart. Gründe, die eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (vgl. § 626 BGB) rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen; derartige Gründe sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Der Kläger hat demgegenüber im arbeitsgerichtlichen Verfahren in der Klageschrift vom 30. November 2005 bekräftigt, dass ein wichtiger Grund iSv § 626 BGB nicht vorliege.

Selbst wenn der Senat mit dem Kläger davon ausginge, dass in Ermangelung irgendwelcher Angaben der S GmbH im Kündigungsschreiben und im Kündigungsschutzprozess nicht festgestellt werden könne, ob für die Kündigung nicht doch ein wichtiger Grund vorgelegen habe, so ändert dies das gefundene Ergebnis nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit die Frage, welcher Beteiligte die Folgen der Nichterweislichkeit einer rechtserheblichen Tatsache zu tragen hat, nur aus dem anzuwendenden materiellen Rechtssatz zu beantworten, und zwar mit der Folge, dass die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der daraus ihm günstige Rechtsfolgen herleitet (vgl. BSGE 35, 216, 218 mwN). Diese Regelung der objektiven Beweislast oder der objektiven Beweislosigkeit (Feststellungslast) ist ein Ausfluss des das sozialgerichtliche Verfahren beherrschenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG). Der Entscheidung dürfen nur die vom Gericht als bewiesen festgestellten Tatsachen zugrunde gelegt werden. Nur sie sind geeignet, die daran geknüpften Rechtsfolgen auszulösen. Nimmt ein Beteiligter eine Rechtsfolge für sich in Anspruch, deren Voraussetzung eine Tatsache ist, die nicht als bewiesen festgestellt werden kann, so ist es dem Gericht verwehrt, die sich daraus ergebende - für den betreffenden Beteiligten günstige und somit für seinen Gegner ungünstige - Rechtsfolge auszusprechen (vgl BSG, Urteil vom 30. Juli 1981 - 10/8b RAr 4/80 -).

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auch auf die tragenden Gründe der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 30. November 2001 (L 10 AL 116/00 – juris-). Denn der dortigen Fallgestaltung lagen zusätzlich mitgeteilte oder bei Ermittlungen bekannt gewordene Tatsachen zugrunde, die zu berücksichtigen waren und die das rechtskräftige Urteil des ArbG mangels eines entsprechenden Vortrags nicht berücksichtigen konnte und nicht berücksichtigt hat. Vorliegend fehlt es jedoch an derartigen Tatsachen.

Auf seine aus dem Versäumnisurteil des ArbG Berlin abzuleitenden Rechte kann der Kläger auch nicht wirksam verzichten. Der Kläger hat mit der Erhebung und Verfolgung einer Kündigungsschutz- und Lohnzahlungsklage gegen die S GmbH unter Abwägung der Erfolgsaussichten und der zu erwartenden Nachteile die höchstpersönliche Entscheidung getroffen, mit gerichtlicher Hilfe seine Ansprüche gegen seine ehemalige Arbeitgeberin durchzusetzen. An dieser Entscheidung muss er sich auch dann festhalten lassen, wenn sie sich trotz eines zunächst vermeintlichen positiven Ergebnisses letztlich für ihn nachteilig erweist, dh er kann sich hiervon nicht zum Nachteil der Versichertengemeinschaft wieder lossagen (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. Juli 2009, L 29 AL 275/08 – juris -).

Soweit der Kläger zur Begründung seines Antrags insbesondere unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH darauf abstellt, dass nicht erst das Ende des Arbeitsverhältnisses, sondern vielmehr das Ende des Beschäftigungsverhältnisses für die Bestimmung des Insolvenzgeldzeitraumes maßgebend sei, so ist dem nicht zu folgen. Der Insg-Anspruch sichert rückständige Arbeitsentgeltansprüche nur für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Dauert das Arbeitsverhältnis an, wird dieser Arbeitsentgeltausfall nach dem Ende der Beschäftigung einbezogen. War das Arbeitsverhältnis bereits vor Eintritt des Insolvenzereignisses beendet, endet die Dreimonatsfrist mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses. Für das Ende des Arbeitsverhältnisses ist nicht das faktische, sondern das rechtliche Ende maßgebend (vgl BSG, Beschluss vom 26. Juli 1999 – B 11/10 AL 5/98 B – juris).

Auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Grundgesetz ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat gegen seine ehemalige Arbeitgeberin einen titulierten Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Monate September und Oktober 2005 erstritten. Soweit er den Vergleich mit ehemaligen Kollegen zieht, die nicht gegen die Kündigung vorgegangen seien, muss der Senat der Frage, ob diese auch nur über einen bis 31. Januar 2006 befristeten Arbeitsvertrag verfügten, nicht nachgehen. Unterstellt, für die ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen hätte ein wichtiger Grund iSd § 626 BGB vorgelegen, übersieht der Kläger, dass dies uU zum Ruhen des Anspruches auf Alg mit entsprechender Minderung der Anspruchsdauer nach §§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III geführt hätte. Eine Ungleichbehandlung kann der Senat schon deshalb nicht erkennen.

Die Beklagte hat das dem Kläger zustehende Insg auch zutreffend berechnet. Ausgehend von einem Bruttoarbeitsentgeltanspruch im Insolvenzgeldzeitraum von monatlich 1.800,- € und einem sich daraus ergebenden Nettoarbeitsentgelt (vgl § 185 Abs. 1 SGB III) von monatlich 1.390,94 € ergibt sich ein Gesamtbetrag iHv 4.172,82 € (3 x 1.390,94). Die Minderung des Insg um das im Wege der Gleichwohlgewährung im Insolvenzgeldzeitraum für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Januar 2006 bereits gezahlte Alg (= 2.592,60 €) wegen des insoweit kraft Gesetzes angeordneten Übergangs des Arbeitsentgeltanspruchs auf die Beklagte folgt aus § 115 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) iVm § 143 Abs. 1 und 3 SGB III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.