Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 23.09.2014 | |
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Aktenzeichen | L 1 KR 260/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 143 SGG, § 144 SGG, § 44 SGB 10 |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Juni 2013 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Die Klägerin begehrt in einem Überprüfungsverfahren die Erstattung von Kosten für das von ihr in den Jahren von 2004 bis 2007 selbst beschaffte Arzneimittel Tromcardin forte.
Die 1972 geborene Klägerin war bis zum 31. Dezember 2007 bei einer der Rechtsvorgänger der Beklagten (im Folgenden: die Beklagte) Mitglied. Sie leidet an einer Herzerkrankung und ist mit einem Herzschrittmacher versorgt worden. Unter Vorlage mehrerer Privatrezepte der Ärztin S beantragte sie im Jahre 2004 die Übernahme der Kosten für ihre Versorgung mit dem Medikament Tromcardin forte. Die Einnahme dieses Medikamentes sei für sie lebensnotwendig.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19. Januar 2005 ab. Bei Tromcardin forte handele es sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament. Es sei von der Versorgung der gesetzlich Versicherten ausgeschlossen.
Im anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Potsdam (S 45 KR 28/05) hat die Klägerin ihr Ziel, die Erstattung von Kosten für das Medikament Tromcardin forte für die Zeit vom1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 470,70 €, weiter verfolgt. Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 5. März 2009). Die hiergegen gerichtete Berufung, die das Sozialgericht zugelassen hatte, hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 28. Januar 2010 (L 1 KR 29/10) zurückgewiesen. Im Berufungsschriftsatz vom 30. Juni 2009 hatte die Klägerin noch die für den streitbefangenen Zeitraum aufgewendeten Kosten mit 470,70 € beziffert.
Ihre gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts gerichtete Beschwerde hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 29. Juli 2010 (B 1 KR 29/10 B) zurückgewiesen.
Zum 1. Januar 2008 hat die Klägerin die Krankenkasse gewechselt. Insoweit ist noch ein weiteres Verfahren bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg anhängig (L 9 KR 259/13). Das Sozialgericht Potsdam hatte diese Klage der Klägerin, gerichtet auf die Erstattung von 865,50 € für die von ihr für die Zeit vom 1. Januar 2008 an verauslagten Kosten für das streitbefangene Medikament, mit Urteil vom 27. Juni 2013 abgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2010 hat die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 27. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19. Januar 2005 beantragt. Die Beklagte hat an ihrem Bescheid festgehalten und mit Bescheid vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides 26. Mai 2011 eine Aufhebung des Ausgangsbescheides abgelehnt.
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht die Klägerin aufgefordert, „einen konkreten Klageantrag auch zur Höhe des Anspruchs zu stellen“ (Richterbrief vom 30. Mai 2013). Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 6. Juni 2013 den geltend gemachten Anspruch mit „863,40 €“ beziffert, ohne hierzu substantiiert vorzutragen.
Mit Urteil vom 27. Juni 2013 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Ausgangsbescheide der Beklagten rechtmäßig seien. Die Beklagte habe die Kostenerstattung nicht zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin habe keinen Naturalleistungsanspruch auf die Versorgung mit dem begehrten Medikament.
Das Sozialgericht hat die Berufung gegen dieses Urteil weder im Tenor zugelassen noch hat es sich in den Entscheidungsgründen mit der Frage der Zulässigkeit der Berufung auseinandergesetzt. Es hat dem Urteil aber eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, nach der das Urteil mit der Berufung angefochten werden könne.
Gegen das ihr am 7. August 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. September 2013 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, dass sie einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Medikament Tromcardin forte habe. Dies ergebe sich bereits aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit. Die Berufung sei zulässig, weil der Beschwerdewert mehr als 750,00 € betrage und es im Übrigen hierauf nicht ankomme, weil sie wiederkehrende bzw. laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Juni 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides 26. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 27. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19. Januar 2005 zurückzunehmen und ihr 863,40 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat am 14. August 2014 einen Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt und die Beteiligten darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen, weil der geltend gemachte Anspruch nicht nachvollziehbar ist und der Senat deshalb erwägt, die Berufung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen hat.
II.
Die Berufung ist nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. Juni 2013 ist nicht statthaft.
Nach § 143 SGG findet gegen die Urteile der Sozialgerichte die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den weiteren Vorschriften nicht etwas anderes ergibt. Etwas anderes ergibt sich aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Danach bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt, es sei denn, dass die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Im vorliegenden Fall ist der Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 750,00 € nicht erreicht. Erstinstanzlich hat die Klägerin im Überprüfungswege (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) in der Sache einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 863,40 € geltend gemacht. Dieser Betrag kann jedoch nicht als hier maßgeblicher Beschwerdewert berücksichtigt werden. Maßgeblich für die Ermittlung des Beschwerdewerts ist zunächst der Geldbetrag, um den unmittelbar gestritten wird, der sich aus dem schriftsätzlichen Vorbringen und dem Klageantrag ergibt. Ein entsprechendes Begehren kann jedoch keine Berücksichtigung finden, wenn ein willkürlich zu hoch bezifferter Antrag gestellt wird, um die Zulässigkeit der Berufung zu erreichen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, Vor § 143 RdNr. 10c und § 144 RdNr. 14a m. w. Nachw.).
Ein derartiger Fall ist hier gegeben. In dem ersten sozialgerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht Potsdam (S 45 KR 28/05) und dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (L 1 KR 161/09) hat die Klägerin, die bereits in diesem Verfahren von dem jetzigen Bevollmächtigten vertreten worden ist, ihren Anspruch mit 470,70 € beziffert. Noch mit Schriftsatz vom 30. Juni 2009 hat der Bevollmächtigte vorgetragen, dass die Klägerin „in der Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007 auf eigene Rechnung wiederholt das Medikament Tromcardin“ erworben habe, und dass die „dafür erbrachten Kosten bei 470,00 € lagen.“
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin nunmehr die Überprüfung des Ausgangsbescheides, der in jenem Verfahren streitgegenständlich war. Selbst bei Addition sämtlicher Beträge, der die hier streitbefangene Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007 betreffenden und sich sowohl in der Verwaltungsakte und in der vormaligen Gerichtsakte befindlichen Kopien der größtenteils privatärztlichen Verordnungen, ergibt sich lediglich ein Betrag in Höhe von 594,60 €. Addiert man hierzu noch einen Betrag von 17,90, der sich handschriftlich und ohne Datum auf einem Notizzettel der von der Klägerin in Anspruch genommenen Apotheke findet, ergibt dies lediglich einen Betrag in Höhe von 612,50 €, mit dem der Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 750,00 € jedenfalls auch nicht erreicht wird.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16. September 2014 vorgetragen, dass sich „der Überprüfungsantrag auf den Zeitraum der Jahre 2004 bis 2008 richte,“ und „quittierte Verordnungen allein über einen Betrag von 772,11 €“ vorlägen. Abgesehen davon, dass dieser Betrag auch nicht dem erstinstanzlich eingeklagten Betrag in Höhe von 863,40 € entspricht, begehrt die Klägerin im vorliegenden Verfahren die Erstattung von Kosten, die bis zum 31. Dezember 2007 angefallen sind. Zum 1. Januar 2008 hat die Klägerin die Krankenkasse gewechselt. Die entsprechenden Ansprüche für diese Zeit sind in dem Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen L 9 KR 259/13 streitgegenständlich.
Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Wiederkehrende und laufende Leistungen sind gleichartige, sich wiederholende Leistungen in Geld oder in anderer Form, die ihren Ursprung in demselben Rechtsverhältnis haben (Knittel in Hennig, SGG, Std.: 28. EL. Mai 2014, § 144 RdNr. 31 und Leitherer, a. a. O., § 144 RdNr. 21b ff.). Um eine derartige Leistung streiten die Beteiligten in diesem Rechtsstreit nicht. Streitgegenständlich ist ein Kostenerstattungsanspruch. Hierbei handelt es sich um eine einmalige Leistung. Der Kostenerstattungsanspruch hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zum Gegenstand und muss deshalb, auch wenn er sich auf laufende Maßnahmen bezieht, für die Zeit bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beziffert werden (Knittel, a. a. O., § 144 RdNr. 35). Soweit das Bundessozialgericht zum Begriff der „laufenden Geldleistung“ im Sinne von § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) eine differenzierte Auffassung vertreten hat (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 10 und SozR 4-2500 § 31 Nr. 5), ist dies mit dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge begründet worden. Der Schutzzweck des § 56 SGB I ist für die Auslegung von § 144 SGG jedoch nicht entscheidend. Maßgeblich ist der prozessuale Streitgegenstand, der auch bei dem Kostenerstattungsanspruch nur ein bestimmter Geldbetrag ist (Knittel a. a. O.).
Schließlich kommt auch eine Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein Beteiligter, zumal wenn er wie im vorliegenden Fall rechtskundig vertreten ist, das Rechtsmittel einlegen will, dass er eingelegt hat (Leitherer a. a. O., Vor § 143 RdNr. 15b), hat die Klägerin auch nach dem Hinweis des Berichterstatters in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 14. August 2014 ausdrücklich an ihrer Berufung festgehalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.