Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen | Entscheidungsdatum | 12.12.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 62 PV 23.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2012 geändert.
Es wird festgestellt, dass der Beteiligte durch die Einstellung der Beschäftigten Frau D... zum 14. März 2011 auf der Stellenkennziffer 748/2010 und die mit der Einstellung vorgenommene Eingruppierung, jeweils ohne Beteiligung des Antragstellers, dessen Beteiligungsrechte verletzt hat.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Im Streit ist das Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung und Eingruppierung der Beschäftigten D....
Der Beteiligte gab dem Antragsteller die Stellenausschreibung 748/2010 vom 8. Juli 2010 für eine/n Biotechnologen/in in der Fachgruppe 73 (Experimentelle Forschung) der Abteilung 7 (Sicherheit von verbrauchernahen Produkten), bewertet nach E10 TVöD, mit dem Hinweis bekannt, dass die Stellenbesetzung nicht mitbestimmungspflichtig sei, weil es sich um eine/n Beschäftigte/n (im Folgenden erfassen Berufsbezeichnungen etc., die nur in der weiblichen oder in der männlichen Form verwendet werden, zugleich die jeweils andere Form) mit überwiegend wissenschaftlicher Tätigkeit handele. Nach der Ausschreibung sollte die Tätigkeit folgende Aufgaben umfassen: 1. Aufbau, Pflege und Betreuung von Zellkultursystemen, 2. Mitarbeit bei der Entwicklung und Optimierung zellbasierter in vitro Methoden zur Untersuchung endokriner und epigenetischer Effekte von Substanzen, die in verbrauchernahen Produkten enthalten sind, 3. selbständige Durchführung von zell- und molekularbiologischen Experimenten und in vitro Methoden im Bereich der Toxikologie (u.a. Embryotoxizitäts- und Zytotoxizitätstests) einschließlich der qualitätsgesicherten Dokumentation der Experimente und 4. Durchführung von molekularbiologischen Routinemethoden (vornehmlich DNA-, RNA- und Proteinaufarbeitung, PCRs und Western Blots) und 5. Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Qualitätssicherung.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2010 erbat der Antragsteller vom Beteiligten die Unterlagen zu der ausgeschriebenen Stelle, damit er seine Mitbestimmungsrechte wahrnehmen könne. Er sehe in den in der Stellenausschreibung beschriebenen Aufgaben keine wissenschaftliche Tätigkeit. Mit Schreiben vom 11. August 2010 entgegnete der Beteiligte, sämtliche auf dem Arbeitsplatz zu verrichtenden Tätigkeiten umfassten Denk- und Entscheidungsprozesse im Rahmen eines Ermessensspielraums, wie selbständige fachliche Experimente, Auslegungen und Bewertungen auf dem Gebiet der Toxikologie. Die Aufgaben seien Bestandteil der Forschung. Der Personalrat wirke daher nur mit, wenn die in Aussicht genommene Beschäftigte dies beantrage. Mit Wirkung vom 14. März 2011 stellte der Beteiligte Frau H... unter Eingruppierung in E10 TVöD ein.
Am 29. Mai 2012 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren bei dem Verwaltungsgericht Berlin eingeleitet und - soweit hier noch von Interesse - beantragt festzustellen, dass der Beteiligte durch die Einstellung und Eingruppierung von Frau D... seine Beteiligungsrechte verletzt hat. Er hat vorgetragen, die Bereichsausnahme nach § 77 Abs. 1 BPersVG greife nicht, weil es sich nicht um eine überwiegend wissenschaftliche Tätigkeit handele.
Der Beteiligte hat an seiner gegenteiligen Auffassung festgehalten und zur Begründung seines Zurückweisungsantrags auf die Angaben in der Arbeitsplatzbeschreibung Bezug genommen. Wegen deren Inhalts wird auf Bl. 31 bis 37 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2012 hat das Verwaltungsgericht den Antrag zurückgewiesen. In den Gründen hat die Kammer ausgeführt: Der Antragsteller sei nicht gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BPersVG zur Mitbestimmung über Einstellung und Eingruppierung der Beschäftigten H... berechtigt gewesen. Denn sie werde mit überwiegend wissenschaftlicher Tätigkeit beschäftigt im Sinne von § 77 Abs. 1 BPersVG. Sie müsse neben technischer Laborarbeit (z.B. Aufbau, Pflege und Betreuung von Zellkultursystemen) auch höherwertige Aufgaben (Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden und selbständige Durchführung von Experimenten) erledigen und dabei - denklogisch - neue Ursachenzusammenhänge beschreiben, erfassen und verstehen und hieraus neue Untersuchungsmethoden entwickeln. Ihre Tätigkeit beschränke sich mithin nicht auf die Ausführung von Anweisungen, sondern schließe vielmehr selbständige, auf der Anwendung wissenschaftlicher Methoden basierende Entscheidungen und Tätigkeiten ein. Sie reiche damit über die Sachbearbeitertätigkeit hinaus und rage (jedenfalls auch) in bedeutendem Umfang in wissenschaftliche Tätigkeitsfelder hinein. Die von der Beschäftigten wahrzunehmende Tätigkeit sei auch überwiegend wissenschaftlich. Denn der Schwerpunkt der von der Beschäftigten wahrzunehmenden Tätigkeiten stelle sich bei wertender Betrachtung als wissenschaftlich dar, präge also die Tätigkeit der Beschäftigten. Denn sowohl nach dem Ausschreibungstext als auch nach der Arbeitsplatzbeschreibung müsse sie vor allem neue Methoden entwickeln und dabei, gleichsam flankierend, natürlich auch Sachbearbeiter- und Hilfstätigkeiten verrichten. Dem entspreche es auch, dass der Beteiligte den selbständigeren Arbeitsanteilen „Gene/Proteinexpressionsanalysen“ sowie „Planung und selbständige Durchführung von in vitro Assays“ einen Arbeitszeitanteil von ca. 35 % zugewiesen habe. Damit nehme der selbständige Arbeitsanteil der Beschäftigten zwar keine überwiegende, wohl aber eine substantielle Menge ihrer gesamten Arbeitszeit ein. Zusammen mit dem Umstand, dass die selbständigen (Forschungs-)Anteile nach dem Ausschreibungstext und der Arbeitsplatzbeschreibung den Bedeutungskern ihrer Tätigkeit darstellten, genüge dies, um ihnen insgesamt für die Tätigkeit prägenden Charakter zu verleihen. Die auch für das Gericht offenkundige Diskrepanz zwischen verhältnismäßig niedriger Entlohnung und hochwertig beschriebenen Tätigkeitsfeldern wirke nicht in dem vom Antragsteller beschriebenen Sinne auf sein Beteiligungsrecht zurück, sondern spreche eher dafür, dass die Beschäftigte einer deutlich höheren Entgeltgruppe zuzuordnen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, zu deren Begründung er vorträgt: Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liege eine überwiegend wissenschaftliche Tätigkeit dann vor, wenn die nichtwissenschaftlichen Aufgaben im Verhältnis zu den wissenschaftlichen Tätigkeiten nur einen unbedeutenden Annex bildeten, der für das Beschäftigungsverhältnis nicht prägend sei. Da nach den eigenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die wissenschaftlichen Tätigkeiten nur 35% umfassten, könne der 65%ige Anteil an nichtwissenschaftlicher Tätigkeit nicht nur einen Annex bilden. Dem stehe auch der Wortlaut des Gesetzes („überwiegend“) entgegen. In seinem Beschluss vom 20. September 2012 - OVG 62 PV 6.11 - habe der erkennende Senat bei einem umgekehrten Verhältnis von 65% wissenschaftlicher zu 35% nichtwissenschaftlicher Tätigkeit eine überwiegende wissenschaftliche Tätigkeit angenommen. Sehe man mit dem Senat Tätigkeiten wie Aufbau, Pflege und Betreuung von Zellkultursystemen, Aufgaben im Rahmen der Qualitätssicherung des akkreditierten Labors und Erstellung von Vortragsabbildungen und Postern mit power point als labortechnisch an, verblieben bei dem hier fraglichen Arbeitsplatz sogar nur 15% wissenschaftliche Tätigkeit. Die Bewertung der nichtwissenschaftlichen Tätigkeit im Umfang von 85% als bloßer Annex zur wissenschaftlichen Tätigkeit sei aber nicht möglich. Der Hinweis auf neue Techniken und Verfahren widerspreche den Grundsätzen der Akkreditierung des Bundesinstituts gem. ISO 17025, weil die Tätigkeiten im Rahmen der Akkreditierung erfolgten, in der Techniken und Verfahren, die zur Anwendung kommen dürften, vorgegeben seien. Dabei dürften nur solche Verfahren angewandt werden, die hinreichend validiert und verifiziert seien. Bereits das schließe eine eigenständige Planung und Durchführung der Experimente im Sinne einer Wissenschaftsfreiheit von vornherein aus. Es bestünden enge Prüfvorgaben. Die einzelnen Schritte der Analyse seien dabei detailliert beschrieben und nur abzuarbeiten. In den Arbeitsvorgängen könnten daher lediglich auf experimentellem Weg Prüfergebnisse erzielt werden. Etwaige Änderungen in den Arbeitsaufgaben der Beschäftigten, wie z.B. die Übernahme der Aufgabe einer Prüfleiterin, seien für die Beurteilung des Eingreifens der Bereichsausnahme ohne Belang.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2012 zu ändern und festzustellen, dass der Beteiligte durch die Einstellung der Beschäftigten Frau D... zum 14. März 2011 auf der Stellenkennziffer 748/2010 und die mit der Einstellung vorgenommene Eingruppierung, jeweils ohne Beteiligung des Antragstellers, dessen Beteiligungsrechte verletzt hat.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt ergänzend vor: Allen von der Beschäftigten zu bewältigenden Aufgaben lägen wissenschaftliche Tätigkeiten zugrunde. Die Beschäftigte habe die verschiedenen Versuchsreihen selbst zu konzipieren, durchzuführen und auszuwerten. Demzufolge werde sie bei einer aktuell eingereichten Publikation als Co-Autorin aufgeführt. Bei einer rein technischen Tätigkeit wäre sie lediglich in der Danksagung erwähnt worden. Die Ausführungen des Antragstellers zur Zertifizierung träfen nicht zu. Die ISO 17025 enthalte insbesondere keine konkreten Vorgaben dazu, welche Experimenten in welcher Art und Weise durchzuführen, wie die Ergebnisse auszuwerten und welche Schlussfolgerungen zu ziehen seien. Ebenso wenig werde festgelegt, wie nach bestimmten Versuchsergebnissen weiter zu verfahren sei bzw. ob und ggf. in welcher Form die Versuchsreihen abzuändern seien. Die ISO 17025 schließe auch keine neuen Methoden aus. Vielmehr müssten diese dann wiederum nach ihrer Entwicklung akkreditiert werden. Auch die Annahme des Antragstellers, die Beschäftigte würde lediglich Arbeiten verrichten, die regelmäßig von technischen Mitarbeitern erbracht würden, treffe nicht zu. Die Beschäftigte H... sei vielmehr Prüfleiterin. Sie lege das Experiment und die Prüfbedingungen fest und bestimme die Anzahl der Wiederholungen, die Art der Kontrolle und die Methodik der Auswertung. Sie treffe auch die Entscheidung, ob und ggf. wie das Experiment infolge der bisherigen Ergebnisse abgeändert werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten einschließlich Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Unrecht zurückgewiesen.
Der Beteiligte hat das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt, indem er Frau H... eingestellt und eingruppiert hat, ohne zuvor das Mitbestimmungsverfahren durchzuführen.
Zu Recht besteht zwischen den Verfahrensbeteiligten Einigkeit darüber, dass die Einstellung und erstmalige Eingruppierung der Mitarbeiterin grundsätzlich der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BPersVG unterliegen, die Mitbestimmung jedoch entfällt, wenn sie zu den Beschäftigten zählt, für die § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG eine Mitbestimmung nur auf Antrag vorsieht. Nach der dritten Tatbestandsalternative der Vorschrift, die auch auf den Fall der Einstellung Anwendung findet (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2002 - BVerwG 6 P 6.01 -, juris Rn. 29), ist dies dann der Fall, wenn die Beschäftigte überwiegend wissenschaftlich tätig ist. Anders als die Fachkammer vermag der Senat nicht festzustellen, dass es sich bei Frau H... um eine solche Beschäftigte handelt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, beurteilt sich die Frage, ob eine Beschäftigte wissenschaftlich tätig ist, nicht danach, ob sie eine wissenschaftliche Ausbildung erhalten und damit grundsätzlich die Befähigung zu wissenschaftlicher Tätigkeit erworben hat. Entscheidend ist vielmehr die Qualität der ihr übertragenen Arbeit, wobei es unerheblich ist, ob ihre individuelle Leistung dem mit der Aufgabe verbundenen wissenschaftlichen Anspruch genügt. Als „wissenschaftlich“ ist eine Tätigkeit anzusehen, die nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt ist, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, die der Sicherung und Ausweitung des Erkenntnisstandes in einer wissenschaftlichen Disziplin dienen. Sie überwiegt die sonstigen Tätigkeiten der Beschäftigten dann, wenn ihre nichtwissenschaftlichen Aufgaben im Verhältnis zu ihr nur einen unbedeutenden Annex bilden, der für das Beschäftigungsverhältnis nicht prägend ist (vgl. Beschluss vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 6 P 31.85 -, juris Rn. 20).
Die für die Einstellung geforderte wissenschaftliche Ausbildung der Beschäftigten wie auch eine wissenschaftliche Zielsetzung der Dienststelle, in der sie tätig ist, ist grundsätzlich nicht maßgeblich, kann allenfalls ein Indiz für die Einschätzung der Tätigkeit als überwiegend wissenschaftlich sein (vgl. GKÖD Bd. V K § 77, Rn. 10a f.).
Die in der Stellenausschreibung geforderte abgeschlossene Berufsausbildung zum staatlich geprüften Biotechniker bzw. Dipl.-Ing. (FH)/B. Sc. Biotechnologe lässt keine Aussage über den Anteil wissenschaftlicher Tätigkeit zu. Den Abschlüssen ist gemeinsam, dass sie zum Eintritt in die Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes berechtigen (vgl. zur Tätigkeit staatlich geprüfter Biotechniker u.a. in Forschung und Entwicklung den Überblick in den Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit [Berufenet] und zur BA-Hochschulausbildung §§ 7 und 19 Abs. 1 und 2 HRG und § 23 Abs. 1 BerlHG).
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat unzweifelhaft eine wissenschaftliche Zielsetzung. Es erstellt wissenschaftliche Gutachten zu Fragen der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes, berät das zuständige Bundesministerium, arbeitet mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen und betreibt weisungsunabhängig wissenschaftliche Forschung (vgl. § 2 Abs. 1 und 3 des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesinstituts für Risikobewertung).
Die Eingruppierung einer Beschäftigten unterhalb der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1a zum BAT schließt eine überwiegend wissenschaftliche Tätigkeit nicht aus. Die Tarifbestimmungen knüpfen bei der Vergütungsgruppe II a und höher an eine „abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung“ an. Das sind nach der zugehörigen Protokollnotiz Studiengänge, für deren Abschluss eine Mindeststudienzeit von mehr als sechs Semestern vorgeschrieben ist. Die zugleich geforderte „entsprechende Tätigkeit“ muss aber nicht zwangsläufig wissenschaftlich sein. Ebenso wenig verhalten sich die Tarifvertragsbestimmungen bei den Vergütungsgruppen unterhalb von II a zur Art der Tätigkeit als „wissenschaftlich“. Abgesehen davon können Tarifverträge nicht verbindlich regeln, ob die Voraussetzungen eines gesetzlichen Mitbestimmungsrechts gegeben sind, wenn dieses nicht selbst an tarifvertragliche Regelungen anknüpft, was hier nicht der Fall ist (vgl. dazu Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 1994 - BVerwG 6 P 29.92 -, juris Rn. 22).
Die Arbeit von Frau H... ist unstreitig Teil eines wissenschaftlichen Forschungsvorhabens. Gleichwohl ist ihre Tätigkeit nach Überzeugung des Senats nicht als überwiegend wissenschaftlich anzusehen, weil sie nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode nicht überwiegend darauf angelegt ist, selbständig neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, die der Sicherung und Ausweitung des Erkenntnisstandes in einer wissenschaftlichen Disziplin dienen.
Zur Beurteilung der Art der Tätigkeit sind maßgeblich die Stellenausschreibung sowie die Tätigkeitsbeschreibung und Arbeitsplatzbewertung heranzuziehen, weil der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Prüfung, ob die Bereichsausnahme erfüllt ist, allein auf diese ihm vom Beteiligten vorgelegten Unterlagen angewiesen ist. Die Ausführungen in den Schriftsätzen des Beteiligten im Beschwerdeverfahren können allerdings zur Erläuterung mit herangezogen werden.
Betrachtet man zunächst die fünf Aufgabenbereiche in der Stellenausschreibung, die dort ohne Zeitanteile beschrieben werden, lässt sich ein Überwiegen der wissenschaftlichen Tätigkeit nicht feststellen. Aufbau, Pflege und Betreuung von Zellkultursystemen (Nr. 1), selbständige Durchführung von zell- und molekularbiologischen Experimenten und in vitro Methoden im Bereich der Toxikologie einschließlich der qualitätsgesicherten Dokumentation der Experimente (Nr. 3), Durchführung von molekularbiologischen Routinemethoden (Nr. 4) und Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen der Qualitätssicherung (Nr. 5) sind als labortechnische Arbeiten zu qualifizieren. So beschreibt die Bundesagentur für Arbeit in ihren Berufsinformationen (Berufenet) die Tätigkeit eines Biologielaboranten wie folgt: Biologielaboranten bereiten Untersuchungen an Tieren, Pflanzen, Mikroorganismen und Zellkulturen vor und führen sie durch. Sie beobachten, kontrollieren und protokollieren Versuchsabläufe und werten die Ergebnisse aus.
Auch wenn die Tätigkeiten letztlich der Gewinnung neuer Erkenntnisse über Risiken bestimmter Produkte für die Gesundheit der Verbraucher dienen, handelt es sich doch um technische Vor-, Zu- und Nacharbeiten zur Umsetzung der von den wissenschaftlichen Mitarbeitern der BfR vorgegebenen Testverfahren. Nur der Aufgabenbereich Nr. 2 der Stellenausschreibung enthält wissenschaftliche Arbeitsanteile, nämlich die Entwicklung und Optimierung zellbasierter in vitro Methoden, d.h. die eigenständige Erweiterung des Kenntnisstandes bei bestimmten Untersuchungsmethoden durch den Beschäftigten.
Nimmt man die - mit der Stellenausschreibung allerdings nicht in allen Punkten übereinstimmende - Arbeitsplatzbeschreibung hinzu, in der die anfallenden Arbeitsvorgänge (teilweise wiederholend) ausführlich und mit Zeitanteilen beschrieben werden, ergibt sich kein anderes Bild. Der Senat ordnet im Folgenden die Tätigkeiten entsprechend der vorgenannten Unterscheidung zwischen Labortechnik (=T) einerseits und wissenschaftlicher Tätigkeit (=W) andererseits jeweils einer der beiden Tätigkeitsebenen zu und bestimmt den Zeitanteil der wissenschaftlichen Tätigkeiten als Verhältnis der Zahl der Einzeltätigkeiten zum gesamten Zeitanteil des betreffenden Aufgabenbereichs.
1. 35% der Arbeitszeit machen folgende Tätigkeiten aus:
- Anzucht und Passagierung von Zellen in Kultur (T),
- Selbständige Planung und Auswertung bei Substanzexposition von kultivierten Zellen (W, 7%),
- Anlegung von Kryostocks verschiedener Zelllinien (T),
- Organisation des Verbrauchsmaterials (T),
- Zytotoxizitäts- und Proliferationstestung inkl. Auswertung (T).
2. Weitere 20% der Arbeitszeit entfallen auf folgende Arbeiten:
- Aufarbeitung von RNA aus Zellkulturproben (T),
- cDNA-Synthese (T),
- Agarose-Gelelektrophorese (T),
- Quantitative PCR und Auswertung (T),
- Aufarbeitung von Proteinen aus Zellkulturproben (T),
- SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese (T),
- selbständige Etablierung von Western-Blots und Co-Immunopräzipitation-Protokollen sowie eigenständige Auswertung der Versuchsergebnisse (W, 3%).
3. Weitere 20% betreffen folgende Arbeiten:
- Aufarbeitung von DNA aus Zellkulturproben (T),
- PCR und Agarose- und Polyacrylamid-Gelelektrophorese (T),
- Enzymatischer DNA-Verdau (T),
- HPLC-Analyse (T),
- Co-Immunopräzipitation (T).
4. 15% der Arbeitszeit machen aus:
- Mitarbeit bei der Entwicklung, Optimierung und Validierung zellbasierter in vitro-Methoden (W)
- selbständige Mitarbeit bei der Planung und Durchführung von Experimenten (W),
- Auswertung und Protokollierung der Ergebnisse (W),
- Anfertigung von Tabellen und Abbildungen (W).
Hier liegt aus Sicht des Senats insoweit der wissenschaftliche Anteil der Arbeit, als es um die Gewinnung neuer Erkenntnisse geht, an der die Beschäftigte mindestens teilweise selbständig arbeitet. Der Zeitanteil beträgt mithin 15%.
5. 10% der Arbeitszeit entfallen schließlich auf
- Pflege der PVs, AVs und SOPs für den Laborgebrauch (T),
- Pflege der Geräteunterlagen und Überprüfung bei zu wartenden Geräten (T).
Rechnerisch ergibt sich somit ein Anteil wissenschaftlicher Tätigkeit von 7% aus dem Aufgabenbereich 1 zuzüglich 3% aus dem Aufgabenbereich 2 zuzüglich 15% des Aufgabenbereichs 4, was einem Anteil von 25% an der Gesamttätigkeit entspricht.
Dieses Ergebnis stimmt mit der Bewertung des Arbeitsplatzes überein. In der Bewertung begründet der Beteiligte, weshalb es sich um eine nach VergGr IVb Fallgruppe 21 der Anlage 1a zum BAT, Teil I (jetzt E10 TVöD) zu bewertende Tätigkeit handelt. Die Fallgruppe 21 betrifft Technische Angestellte mit technischer Ausbildung (Befähigung zum Eintritt in die Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes), die u.a. besonders schwierige Analysen ausführen oder neuartige Versuche nach kurzer Weisung in Versuchslaboratorien oder Versuchsanstalten selbständig erledigen. Aus der Begründung ergibt sich, dass die Bewertung des Arbeitsplatzes vorrangig dem hohen Schwierigkeitsgrad der Analysetätigkeit geschuldet ist. Die genannten Tätigkeiten des Technischen Angestellten umfassten die Planung und Ausführung besonders schwieriger Analysen bzw. biochemischer sowie immunologischer und molekularbiologischer Methoden. So seien die SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese sowie PCR und Zytotoxizitäts- und Proliferationstestung inkl. Auswertung als besonders schwierig zu bewerten. Ein tieferer Sachverstand werde notwendig, wenn es um die Wahrnehmung von schwierigen Techniken und die Anwendung komplizierter Methoden, insbesondere bei der Etablierung von Western-Blots und Co-Immunopräzipitation, gehe, weil hier die positiven Interaktionen immer mit weiteren Techniken aus der Molekularbiologie verifiziert werden müssten. Bei der Lösung von vielfältigen und komplexen Fragestellungen auf dem breiten Gebiet der molekularbiologischen Methoden und der damit einhergehenden anspruchsvollen Analysen, wie z.B. die Proteinexpressionsanalysen sowie die DNA-Methylierungsanalysen, handele es sich um schwierige Aufgaben, die an das Fachwissen und Können hohe Anforderungen stellten und umfangreiche Erfahrungen bei der Durchführung komplizierter Forschungsaufgaben notwendig machten. Die Mitarbeit bei der Entwicklung, Optimierung und Validierung zellbasierter in vitro Methoden sowie die Planung und Durchführung von vorzunehmenden Untersuchungen hebe die wissenschaftlich-technische Assistenzarbeit aus der Tätigkeit einer Technischen Assistenz i.S. der Anl. 1a des BAT, Teil II L II, heraus.
Das entspricht dem oben gefundenen Ergebnis, wonach der wissenschaftliche Anteil schwerpunktmäßig in der Mitarbeit bei Entwicklung, Optimierung und Validierung zellbasierter in vitro-Methoden liegt und teilweise auch bei der selbständigen Planung und Auswertung bei Substanzexposition von kultivierten Zellen und der selbständigen Etablierung von Western-Blots und Co-Immunopräzipitation-Protokollen sowie bei der eigenständigen Auswertung der Versuchsergebnisse.
Das Beschwerdevorbringen des Beteiligten rechtfertigt keine andere Sichtweise. Soweit er meint, allen von der Beschäftigten zu bewältigenden Aufgaben lägen wissenschaftliche Tätigkeiten zugrunde, trifft dies ersichtlich nicht zu. Die hierfür gegebene Begründung, die Beschäftigte habe die verschiedenen Versuchsreihen selbst zu konzipieren, durchzuführen und auszuwerten, findet in den herangezogenen Unterlagen keine Entsprechung. Nach der Stellenausschreibung handelt es sich vielmehr um die „Durchführung von molekularbiologischen Routinemethoden“. Hierzu zählt die Stellenausschreibung vornehmlich DNA-, RNA- und Proteinaufarbeitung, PCRs und Western-Blots. Lediglich die Planung und Auswertung bei Substanzexpositionen von kultivierten Zellen sowie die selbständige Etablierung von Western-Blots und Co-Immunopräzipitation-Protokollen sowie die eigenständige Auswertung der Versuchsergebnisse sowie die Planung und selbständige Durchführung von in vitro Assays betreffen wissenschaftliche Tätigkeiten. Den Nachweis des wissenschaftlichen Anteils an den verbleibenden 75% der Gesamttätigkeit ist der Beteiligte schuldig geblieben.
Dass Frau H... bei einer aktuell eingereichten Publikation als Co-Autorin aufgeführt wird, ist für die Frage nach dem als wissenschaftlich zu bewertenden Anteil ihrer Tätigkeit ohne Belang. Der Senat verneint nicht einen wissenschaftlichen Anteil ihrer Tätigkeit dem Grunde nach, vielmehr verneint er nur ein Überwiegen dieser Tätigkeit. Die Fragen nach der Zertifizierung und der ISO 17025 sind dabei nicht entscheidungserheblich.
Die Behauptung, die Beschäftigte H... sei Prüfleiterin, mag zutreffen und eine Höhergruppierung rechtfertigen. In den dem Antragsteller vorgelegten Unterlagen findet sich diese Aufgabe nicht. Dass sie das Experiment und die Prüfbedingungen festlege und die Anzahl der Wiederholungen bestimme, die Art der Kontrolle und die Methodik der Auswertung, auch die Entscheidung treffe, ob und ggf. wie das Experiment infolge der bisherigen Ergebnisse abgeändert werde, hat im 15%-Zeitanteil für Planung und selbständige Durchführung von in vitro Assays Berücksichtigung gefunden.
Trotz derselben Eingruppierung (E10 TVöD) lag der Fall des Beschäftigten im Verfahren OVG 62 PV 6.11 anders. Nach dem Beschluss des Senats vom 20. September 2012 betrug der Anteil „Planung und Durchführung von molekularbiologischen Methoden“ dort 35% und nicht nur wie hier 15%. Zudem sollte der Beschäftigte dort bei den sich anschließenden Validierungsstudien ausdrücklich als „study director“, d.h. als Prüfungsleiter tätig werden, was weitere 20% seiner Tätigkeit ausmachte. Schließlich sollte der Beschäftigte den ersten Manuskriptentwurf für die Publizierung der Forschungsergebnisse im Rahmen der Mitarbeit an der Erstellung von Publikationen und Berichten erstellen, was noch einmal 10% der Tätigkeit entsprach. Die sich aus alledem ergebenden 65% der Tätigkeit erfüllten das Merkmal des Erkenntnisgewinns nach Aufgabenstellung und Arbeitsmethode, was die Annahme einer „überwiegend wissenschaftlichen Tätigkeit“ rechtfertigte. Die verbleibenden 35% der Tätigkeit, nämlich Aufbau, Pflege und Betreuung von Zellkultursystemen (20%) sowie die Aufgaben im Rahmen der Qualitätssicherung des akkreditierten Labors (10%) und die Erstellung von Vortragsabbildungen und Postern mit „Power Point“ (5%) bildeten zu der wissenschaftlichen Tätigkeit einen bloßen Annex. Im Fall der Beschäftigten H... aber ist es umgekehrt: Hier bildet die wissenschaftliche Tätigkeit einen Annex zur (besonders schwierigen) labortechnischen Tätigkeit.
Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.