Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 25.01.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 RS 5.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 103 Abs 1 GG, § 108 VwGO, § 152a VwGO, § 1 GlüStVtr BE, § 4 Abs 1 GlüStVtr BE, § 4 Abs 4 GlüStVtr BE, § 9 Abs 1 S 3 Nr 3 GlüStVtr BE, § 10 Abs 2 GlüStVtr BE, § 284 StGB |
Die Anhörungsrüge der Antragstellerin zu 1) gegen den Beschluss des Senats vom 19. November 2010 - OVG 1 S 204.10 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin zu 1) trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
Die Anhörungsrüge der Antragstellerin zu 1) ist unbegründet. Sie hat nicht dargelegt, dass der Senat durch den Beschluss vom 19. November 2010 ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (vgl. § 152 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Der Anspruch der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Beteiligten im Rahmen der prozessualen Vorgaben zu Wort kommen zu lassen, ihren Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und ihn bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn das Gericht prozessrechtswidrig keine Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt oder entscheidungserheblichen Vortrag übersieht. Die prozessuale Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs bietet hingegen keinen Schutz vor einer (vermeintlich) falschen Sachverhaltswertung oder Rechtsanwendung. Dahingehende Rügen betreffen die richterliche Rechtsfindung als solche, nicht aber den - unter anderem durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleisteten - äußeren Verfahrensgang. Ebenso wenig verpflichtet der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs die Gerichte, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. hierzu BVerfGE 96, 205, 216 f.).
Nach diesen Grundsätzen hat die Anhörungsrüge im Ergebnis keinen Erfolg. Es kann offenbleiben, ob der Senat vor Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme entscheiden durfte. Denn selbst wenn dies nicht anzunehmen wäre, fehlte es an der Entscheidungserheblichkeit des Gehörsverstoßes (vgl. § 152a Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Ein etwaiger Gehörsverstoß wäre nur entscheidungserheblich, wenn es als nicht ausgeschlossen angesehen werden könnte, dass bei einer vorherigen Berücksichtigung einer umfänglicheren Beschwerdeerwiderung anders über die Beschwerde entschieden worden wäre (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 165/09 - juris Rn. 35; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 152a Rn. 21). Der Zusammenhang insoweit muss bereits mit der Anhörungsrüge schlüssig dargelegt werden; das ist nicht der Fall. Unter Berücksichtigung der in der Sache gemachten Ausführungen der Antragstellerin im Rügeverfahren hält der Senat bei erneuter Überprüfung an dem angegriffenen Beschluss fest; das Vorbringen der Antragstellerin in der Rügeschrift und den späteren, im Übrigen außerhalb der Darlegungsfrist des § 152 a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingegangenen Schriftsätzen unter Einbeziehung des Verweises auf den – freilich durch Senatsbeschluss vom 14. Januar 2011 (OVG 1 S 221.10, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen) geänderten – Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. November 2010 (VG 35 L 395.10) rechtfertigt die beantragte Änderung des Beschlusses vom 19. November 2010 und die Zurückweisung der Beschwerde nicht.
Die Antragstellerin kann nicht ernsthaft annehmen, dass der Senat Ausführungen und Auffassungen in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts sowie die bindende Auslegung des Unionsrechts oder die - allerdings nur in Gestalt einer Presseerklärung des Bundesverwaltungsgerichts bekannten und in Vorabrezensionen (etwa von Sievers, www.isa-casinos.de/law/articles/31634, oder Pagenkopf, www.isa-casinos.de/law/articles/31573) erörterten - Revisionsurteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2011 nicht berücksichtigen und - soweit geboten - seiner Entscheidungsfindung zugrundelegen würde. Im Einzelnen:
Mit dem Vorbringen der Antragstellerin zur Frage des Erlaubnisvorbehalts (Seite 9 ff. der Rügeschrift) hat sich der Senat in dem angegriffenen Beschluss bereits eingehend auseinandergesetzt, wenn auch nicht mit dem von der Antragstellerin für richtig gehaltenen Ergebnis (vgl. Seite 5 ff. des Beschlussabdrucks). Ebenso wenig gibt die Rügeschrift Veranlassung, die Zulässigkeit des Sportwettenmonopols unter verfassungsrechtlichen sowie unter europarechtlichen Gesichtspunkten (vgl. Seite 5 ff. der Rügeschrift) anders als in dem angegriffenen Beschluss zu bewerten (vgl. Seite 7 ff. des Beschlussabdrucks). Das gilt auch in Ansehung der zwischenzeitlich ergangenen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 (BVerwG 8 C 13.09, 8 C 14.09 und 8 C 15.09, vgl. insoweit Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 110/2010 vom 24. November 2010, abrufbar unter www.bverwg.de).
Soweit die Antragstellerin zu 1) schließlich geltend machen will, sie sei nicht im bzw. nicht über das Internet tätig (vgl. S. 2 der Rügeschrift, S 5 f. des Schriftsatzes vom 10. Januar 2011), hat der Senat sich gerade mit dieser Problematik in der die Antragstellerin betreffenden Entscheidung befasst und vertiefende Ausführungen dazu gemacht, weshalb er diese Betrachtung nach dem Sachverhalt für eine gekünstelte Konstruktion hält. Danach verlieren Wettveranstaltungen, die (auch) im Internet durchgeführt werden, diesen Charakter nicht dadurch und im Bereich des Landes Berlin, dass ein Vermittler die Angebote hier ausdruckt und in seinem Büro getätigte Abschlüsse auf diese Angebote via Internet der Internetveranstaltung zuführt (vgl. zuletzt Senatsbeschlüsse vom 14. Januar 2011, a.a.O., und vom 13. Dezember 2010 - OVG 1 S 201.10 - Seite 7 des Beschlussabdrucks). Weshalb diese Auffassung „tatsächlich und rechtlich nicht haltbar“ sein sollte, legt die Rüge nicht dar; sie beruft sich zwar auf angeblich einhellige Rechtsprechung, vermag aber keine obergerichtlichen Entscheidungen als Belege anzuführen. Inwiefern die Verbotsnorm in § 4 Abs. 4 GlüStV dabei „exorbitant“ ausgeweitet wird, ist nicht erläutert und erschließt sich dem Senat nicht. Diese Vorschrift lautet bekanntlich: „Das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen im Internet ist verboten“; insofern will eher scheinen, dass die Antragstellerin die Norm einschränkend interpretieren möchte, was wohl ihrem Interesse, nicht aber Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechen dürfte, der angesichts von § 1 GlüStV über das allerdings im Vordergrund stehende Ziel der Bekämpfung der Wettsucht deutlich hinausreicht und auch etwa die Ziele des Verbraucherschutzes vor betrügerischen Machenschaften und der Kriminalitätsbekämpfung umfassen dürfte, was nicht im Widerspruch zu Unionsrecht zu stehen scheint (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2009 - Rs. C-42/07 – Liga Portuguesa, Rn. 69 ff., zur Eignung des Verbots nach dem GlüStV, Urteil vom 8. September 2010 – Rs. C-46/08 – Carmen Media, Rn. 100 ff). Nach den dem Senat bekannten Vertragsgestaltungen mit den Wettanbietern können die als Inhaber der Wettbüros fungierenden Personen keinen bestimmenden Einfluss auf das Wettangebot nehmen; sie sind – wenn nicht überhaupt nur Bereitsteller von Internetterminals und Kassenhalter - reine Vermittler zu den Internetveranstaltungen Dritter. Insoweit ist die Frage nach einer unionsrechtlich zulässigen und im Glücksspielstaatsvertrag grundsätzlich auch nicht-diskriminierend kodifizierten Erlaubnis einerseits des Vermittlers andererseits des Veranstalters berechtigt und stellt auch die Anwendung des umfassenden strafrechtlichen Verbots gemäß § 284 StGB unter Berufung auf Ausführungen des EuGH (Urteil vom 8. September 2010 – Rs C-316/07 u.a. - Stoß, Rn. 115; Urteil vom 6. März 2007 – Rs. C-338/04 u.a. – Placanica, Rn. 69) nicht in Frage. Denn danach setzt die Straflosigkeit bei Nichterfüllung einer Verwaltungsformalität voraus, dass der Mitgliedstaat die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hätte. Ein solcher Verstoß liegt nicht vor, wenn bei – unterstellter - Unanwendbarkeit der Bestimmungen zum staatlichen Veranstaltungsmonopol infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts das Erlaubniserfordernis bestehen bleibt. Davon ist in Ansehung der übrigen Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages und des dazu erlassenen Ausführungsgesetzes vor dem Hintergrund der Regelungsziele allerdings auszugehen, was handgreiflich dadurch belegt wird, dass das Erlaubniserfordernis ebenso wie die in den anwendbar bleibenden Bestimmungen enthaltenen materiellen Verbote auch den staatlichen Monopolveranstalter betreffen.
Die Form der Anhörungsrüge in einigen Wendungen gibt im Übrigen Veranlassung, den Bevollmächtigten der Antragstellerin um die gebotene Sachlichkeit zu bitten; der vor Obergerichten bestehende Vertretungszwang durch Bevollmächtigte dient auch dazu, etwa bestehendes Unverständnis, Missfallen oder Zorn eines unterlegenen Beteiligten in die gebotene Form eines sachlichen Vortrages zu kanalisieren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es im Hinblick auf die gesetzlich bestimmte Festgebühr nicht.