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Entscheidung 6a S 108/11


Metadaten

Gericht LG Frankfurt (Oder) 6. Zivilkammer Entscheidungsdatum 28.10.2011
Aktenzeichen 6a S 108/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 6.5.2011, Az. 2.2 C 844/10, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin jeden Schaden, der ihr daraus entsteht, dass sie nicht in Höhe von 18.972,88 € in das Schlussverzeichnis der Forderungen nach § 38 InsO des Verfahrens 3 IK 997/07 des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) aufgenommen wurde, zu ersetzen hat.

Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 489,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 28.01.2011 zu zahlen.

Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 4.599,02 €

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung als Treuhänder.

Die Klägerin ist Insolvenzgläubigerin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des … vor dem Amtsgericht Frankfurt(Oder) als Insolvenzgericht, Az. 3 IK 997/07.

Der Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 19.02.2008 zum Treuhänder bestellt.

Mit Schreiben vom 03. März 2008 forderte der Beklagte die Klägerin zur Forderungsanmeldung in dem o.g. Insolvenzverfahren auf.

Hierauf meldete die Klägerin mit Schreiben vom 01. April 2008 eine Forderung in Höhe von insgesamt 30.877,08 € aus einem Darlehen einschließlich Zinsen (Hauptforderung 29.467,40 € sowie 1.409,68 € Zinsen) im Rang des § 38 InsO unter gleichzeitiger Beanspruchung von abgesonderter Befriedigung aus einer Gehaltsabtretung vom 28.06.2001 gemäß § 114 InsO an. Gleichzeitig bat die Klägerin um Sicherstellung, dass sie aufgrund des Aussonderungsrechtes gemäß § 114 InsO vorrangig den vollen pfändbaren Teil der Bezüge bis zum 28. Februar 2010 erhält.

Mit Schreiben vom 09. Juni 2008 (Anlage K4, Bl. 18 d.A.) teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie ihre Ausfallforderung unter Berücksichtigung der bereits geleisteten und noch zu erwarteten Zahlungen des Insolvenzschuldners sowie der Bewertung des Adressausfallrisikos auf 16.793,88 € schätze. Sie bat darum diese Forderung endgültig festzustellen und in das Schlussverzeichnis aufzunehmen und verzichtete in Höhe dieses Betrages auf eine abgesonderte Befriedigung.

Mit Schreiben vom 08. August 2008 (Anlage K5, Bl. 21 d. A.) teilte der Beklagte Folgendes mit:

„[…] Das Insolvenzverfahren steht noch nicht vor dem Abschluss. Ihre Forderung wird abschließend geprüft, wenn Ihr Ausfall nachgewiesen ist. Hier verweise ich auf § 114 InsO.

Ihrer vorgenommenen Schätzung kann ich nicht folgen, da die Möglichkeit besteht, dass bei dem Schuldner in der nächsten Zeit wesentlich höhere pfändbare Beträge zu realisieren sind; ggf. können sie auch vollständig ausfallen.

Das Insolvenzverfahren wird erst zum Abschluss gelangen nach Ablauf der Frist des § 114 InsO. Erst dann wird dass Schlussverzeichnis, das Grundlage des Verteilungsverzeichnisses ist, erstellt. Ihr Ausfall ist dann genau zu beziffern. „

Daraufhin teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schriftsatz vom 15.08.2008 (Anlage K6, Bl. 22 d.A.) mit:

„[…] Ihren Ausführungen folgend, werden wir Ihnen dann per Februar 2010 unseren endgültigen Ausfall mitteilen.“

Aufgrund der Mitteilung des Beklagten nahm die Klägerin in der Zeit von August 2008 bis Februar 2010 keine Überwachung der Veröffentlichungen zum hiesigen Insolvenzverfahren vor.

Das Schlussverzeichnis wurde tatsächlich bereits am 29. April 2009 erstellt, welches mangels Kenntnis der Klägerin von seiner Aufstellung und mangels Nachweises eine Ausfallforderung der Klägerin im Sinne des § 190 InsO nicht enthielt.

Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 02. Juni 2009 aufgehoben und die Restschuldbefreiung zum 19. Februar 2014 angekündigt.

Erst mit Schreiben vom 09.02.2010 (Anlage K 7, Blatt 23 d.A.) teilte die Klägerin dem Beklagten ihre tatsächliche Ausfallforderung in Höhe von 18.972,88 € mit und bat um Übernahme dieser Forderung in das endgültige Verteilungsverzeichnis.

Mit Schreiben vom 11.2.2010 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass eine Aufnahme der Forderung in das Schlussverzeichnis nicht mehr möglich sei. Außergerichtlich erhobene Ansprüche der Klägerin auf Schadenersatz lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 3.5.2010 ab. Für die außergerichtliche Tätigkeit ihres Rechtsanwaltes fielen Gebühren in Höhe von 489,45 € an, deren Übernahme der Beklagte ablehnte.

Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, dass der Beklagte zum Schadenersatz dem Grunde nach in Höhe des Quotenschadens nach §§ 313 Abs. 1 S. 3 i.V.m. 60 InsO verpflichtet sei. Er habe sich mit seiner Erklärung vom 8. August 2008 gegenüber der Klägerin verpflichtet, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des … nicht abzuschließen, bevor nicht die Einkommensabtretung zugunsten der Klägerin gemäß § 114 InsO unwirksam geworden sei und die Klägerin ihren Ausfallanspruch nachweise.

Im Übrigen genüge die Bezifferung des Ausfalls der Klägerin mit ihrem Schreiben vom 09. Juni 2008 den Anforderungen. Sie habe ihren zu erwartenden Ausfall dargelegt, indem sie die bereits vereinnahmten Beträge auf die verbleibende Laufzeit der Abtretung hochgerechnet habe und so ein plausibles Ergebnis der erwarteten Verwertung dargelegt hat. Außerdem habe sie auf weitere Rechte verzichtet.

Die Klägerin nähme aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten, sie nicht in das Schlussverzeichnis aufgenommen zu haben, nicht an den Verteilungen der zu erwartenden Einnahmen teil. Er habe deshalb den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Die Klägerin treffe auch kein Mitverschulden, da der Beklagte sie in gutem Glauben gelassen habe, dass ihr durch das Abwarten der Frist des § 114 InsO kein Nachteil entsteht. Hierauf dürfe sie sich verlassen.

Der Anspruch zu 2. aus der Klageschrift vom 26. Oktober 2010, d.h., die angefallenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren, sei ebenfalls als Teil des entstandenen Schadens aus der Anspruchsgrundlage zur Hauptforderung zu ersetzen.

Bei einer zu erwartenden Verteilungsmasse von etwa 19.588,85 € und einer für die (hypothetische) Verteilung zugrunde zu legenden Gesamtsumme der Insolvenzforderungen sei mit einer Quote von 30,3% von einem noch zu erwartenden Schaden von rund 5.748,78 € auszugehen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin jeden Schaden, der ihr daraus entsteht, dass sie nicht in Höhe von 18.972,88 € in das Schlussverzeichnis der Forderungen nach § 38 InsO des Verfahrens 3 IK 997/07 des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) aufgenommen wurde, zu ersetzen hat und darüber hinaus 489,45€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Januar 2011 an die Klägerin zu zahlen hat.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Meinung gewesen, dass seine Äußerung, das Insolvenzverfahren erst nach Ablauf der Frist des § 114 InsO zum Abschluss zu bringen, gegenüber der Klägerin keinen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Die Klägerin müsse die gesetzlichen Vorgaben und die Ausschlussfristen der Insolvenzordnung beachten und die Bezifferung ihrer Ausfallforderung in der Fristenkontrolle halten sowie die Veröffentlichungen zu den jeweiligen Insolvenzverfahren verfolgen.

Ihr Mitverschulden nach § 254 BGB daran, dass ihre Forderung im Schlussverzeichnis nicht aufgenommen wurde, sei so erheblich, dass eine Schadenersatzpflicht des Beklagten entfalle.

Das Amtsgericht ist wegen eines Mitverschuldens der Klägerin von einer nur hälftigen Haftung des Beklagten ausgegangen. Der Beklagte habe durch die Mitteilung vom 8.8.2008 eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass das Schlussverzeichnis erst nach Februar 2010 aufgestellt werde. Auf diese Mitteilung habe sich die Klägerin verlassen dürfen. Der Beklagte habe seine Treuhänderpflichten verletzt, indem er nicht Sorge dafür getragen habe, dass die Klägerin ihre Forderung rechtzeitig anmeldet. Die Klägerin müsse sich ein 50%iges Mitverschulden anrechnen lassen; allein durch die Mitteilung des Beklagten vom 8.8.2008 sei sie nicht von der Obliegenheit entbunden, als Gläubiger die öffentlichen Bekanntmachungen in einem laufenden Insolvenzverfahren regelmäßig zu beobachten. Die Klägerin habe dem Beklagten auch nicht mitgeteilt, dass sie das Verfahren aus der Beobachtung nehmen werde.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter, soweit dieser erstinstanzlich abgewiesen wurde. Hierzu vertieft sie insbesondere ihre Rechtsauffassung, wonach sich derjenige, der eine unrichtige Auskunft gegeben habe, im Rahmen des § 254 BGB nicht auf Mitverschulden deshalb berufen könne, dass die andere Partei auf die Richtigkeit der Auskunft vertraut habe.

Der Beklagte hat Anschlussberufung eingelegt mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung. Seiner Ansicht nach sei schon eine Pflichtverletzung nicht gegeben. Denn eine Pflicht des Treuhänders, die Gläubiger auf die Fristen des § 189, 190 InsO hinzuweisen, bestehe nicht. Der Hinweis des Treuhänders vom 8.8.2008 befreie die mit der Rechtsmaterie vertraute Klägerin nicht von der Obliegenheit, selbst den Gang des Insolvenzverfahrens zu beobachten.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Anschlussberufung hat keinen Erfolg.

1.

Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten als Treuhänder zu. Dieser ist gemäß §§ 60 Abs. 1, 313 InsO als Treuhänder allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die ihm gemäß den Vorschriften der Insolvenzordnung obliegenden Pflichten verletzt. Gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 InsO hat der Beklagte für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.

a)

Die Klägerin ist absonderungsberechtigter Insolvenzgläubiger gemäß §§ 38, 52 InsO. Aus der Gehaltsabtretung des Insolvenzschuldners konnte die Klägerin für die in § 114 InsO bestimmte Zeit, d.h. bis Februar 2010, die abgesonderte Befriedigung aus den Gehaltszahlungen verlangen. Durch die laufenden Zahlungen aus der Gehaltsabtretung minderte sich die Forderung der Klägerin im Laufe des Insolvenzverfahrens kontinuierlich.

Die Forderung der Klägerin war zunächst in voller Höhe zur Tabelle gemäß §§ 174, 175 InsO angemeldet. Die Tabelle der angemeldeten Forderungen bildet die Grundlage für das Verteilungs- bzw. Schlussverzeichnis gemäß § 188 InsO, welches abschließend die Forderungen aufführt, die bei der Verteilung des verfügbaren Betrages berücksichtigt werden. Forderungen, die nicht in das Verteilungs- bzw. Schlussverzeichnis aufgenommen wurden, nehmen an der Schlussverteilung nicht teil.

Ist das Verteilungsverzeichnis erstellt, so hat das Insolvenzgericht gemäß § 188 S. 3 InsO die angezeigte Summe der Forderungen und der zur Verteilung verfügbaren Betrag öffentlich bekannt zu machen. Die Gläubiger haben dann die Möglichkeit, das Verteilungsverzeichnis bei dem Insolvenzgericht einzusehen, § 188 S. 2 InsO. Unberücksichtigt gebliebene Gläubiger können gemäß §§ 189 Abs. 1, 190 Abs. 1 InsO innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung ihre Aufnahme in das Vereilungsverzeichnis unter den Voraussetzungen der §§ 189, 190 InsO verlangen.

Für einen absonderungsberechtigten Gläubiger gilt die Sondervorschrift des § 190 InsO. Dieser hat innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist nachzuweisen, dass und für welchen Betrag er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet hat oder bei ihm ausgefallen ist. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt.

Über Einwendungen eines Gläubigers hinsichtlich des Verteilungs- bzw. Schlussverzeichnisses entscheidet gemäß §§ 197 Abs. 3, 194 Abs. 2, 3 InsO das Insolvenzgericht.

Zu den insolvenzspezifischen Pflichten eines Treuhänders gehört es, dafür Sorge zu tragen, dass die Forderungen der Gläubiger ordnungsgemäß zur Tabelle angemeldet, geprüft und festgestellt werden können (vgl. Uhlenbruck, § 60 InsO, Rdn. 19). Der Verwalter bzw. Treuhänder macht sich schadenersatzpflichtig, wenn er zu berücksichtigende Forderungen übergangen hat. Der Verwalter ist auch verpflichtet, bei Erstellung des Schlussverzeichnisses den Inhalt der Forderungstabelle mit den übrigen Unterlagen zu vergleichen und auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Die persönliche Haftung des Verwalters für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Schlussverzeichnisses wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gläubiger die Prüfung des Schlussverzeichnisses unterlassen hat und infolgedessen Einwendungen wegen der Nichtberücksichtigung seiner Forderung unterblieben sind. Den Gläubiger trifft in diesem Fall jedoch ein nach § 254 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden (OLG Hamm, ZIP 1983, 341).

Kommt es mangels ausreichender Masse nicht mehr zu einer Gleichstellung des übergangenen Gläubigers, haftet der Insolvenzverwalter bis zur Höhe der (hypothetischen) quotalen Befriedigung (Füchsl/Weishäupl, Müko InsO 2. Aufl., § 188 Rn. 8).

b)

Gemessen an diesen Grundsätzen steht fest, dass der Beklagte durch die Nichtberücksichtigung der Ausfallforderung der Klägerin jedenfalls in Höhe von 16.793,88 € im Verteilungsverzeichnis eine insolvenzspezifische Pflicht verletzt hat. Denn in dieser Höhe hatte die Klägerin bereits mit Schreiben vom 9.6.2008 ausdrücklich und endgültig auf eine gesonderte Befriedigung verzichtet. Insofern lagen bereits zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 190 Abs. 1 InsO vor, so dass der Beklagte diesen Teil der Forderung ohne weiteres in das Verteilungsverzeichnis hätte aufnehmen müssen. Soweit nämlich auf das Absonderungsrecht verzichtet wurde, ist die Insolvenzforderung wie jede andere Forderung in das Verteilungsverzeichnis aufzunehmen. Gemäß § 52 S. 2 InsO nimmt der Absonderungsberechtigte unbeschränkt an den Verteilungen der Masse teil, soweit er zuvor auf sein Absonderungsrecht verzichtet hat (vgl. HambKomm/Büchler, § 52, Rdn.7). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Schätzung der Klägerin im Schreiben vom 9.6.2008 hinreichend schlüssig war; denn der Verzicht der Klägerin auf das Absonderungsrecht hing nicht vom Umfang der später tatsächlich zu realisierenden Einnahmen der Klägerin aus dem Absonderungsrecht ab. Soweit die Klägerin mehr als erwartet eingenommen hätte, stünde ihr das Absonderungsrecht wegen des zuvor erklärten Verzichts nicht mehr zu, so dass diese Einnahmen zur Insolvenzmasse abzuführen wären.

c)

Darüber hinaus hat der Beklagte seine Treuhänderpflichten verletzt, indem er das Schlussverzeichnis aufstellte, ohne die Klägerin darüber zu informieren, dass die von ihm zuvor gegebene Auskunft vom 8.8.2008 jedenfalls nicht mehr der Sachlage entsprach. Denn unabhängig davon, ob die von ihm gegebene Auskunft am 8.8.2008 ex ante möglicherweise zutreffend war und ob zwischenzeitlich geänderte Umstände eine frühere Schlussverteilung erforderlich gemacht haben, entspricht es nicht mehr der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Treuhänders, seine frühere nunmehr objektiv unrichtig gewordene Auskunft unberichtigt zu lassen. Dem Beklagten fällt ein pflichtwidriges Unterlassen gegenüber der Klägerin zur Last. Denn es ist auch Zweck des Insolvenzverfahrens, eine geordnete Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zu ermöglichen. Der Treuhänder handelt pflichtwidrig, wenn er diesen Zweck durch eine falsche Auskunft gegenüber einem Gläubiger vereitelt.

Da unstreitig ist, dass die Klägerin das in Rede stehende Verfahren nur aufgrund der Auskunft vom 8.8.2008 aus der Beobachtung genommen hatte und sie zudem die Höhe der Forderung wie angekündigt im Februar 2010 nachgewiesen hatte, ist auch davon auszugehen, dass diese Auskunft bzw. das Unterlassen der Berichtigung kausal für die Nichtteilnahme am Verteilungsverfahren ist.

2.

Der Klägerin ist entgegen der Ansicht des Beklagten kein Mitverschulden anzulasten. Ein solches ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin auf die Richtigkeit der Auskunft des Beklagten vom 8.8.2008 vertraut und deshalb das Insolvenzverfahren zwischenzeitlich nicht weiter beobachtet hatte.

Erforderlich für die Annahme eines Mitverschuldens ist es, dass die Klägerin die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch in eigenem Interesse aufwendet, um sich vor Schaden zu bewahren (BGH NJW 2001, 149). Maßgeblich ist die vernünftige und allgemein übliche Verkehrsanschauung. Darüber hinausgehende Sicherungsmaßnahmen werden von der Klägerin selbst dann nicht erwartet, wenn sie den Schaden vermieden oder geringer gehalten hätten. (vgl. MüKo, § 254 BGB, Rdn. 30)

Grundsätzlich gilt, dass bei einem Schadenersatzanspruch wegen Erteilung einer unrichtigen Auskunft kein Mitverschulden darin liegt, dass der Geschädigte auf die Auskunft vertraut hat (BGH NJW-RR 1998, 16; BGH NJW 2000, 1263; BGH NJW-RR 1988, 855; BGH NJW 2004, 1868; Staudinger/Schiemann, § 254 Rn. 59; Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 14; MüKo, 5. Aufl., § 254 Rn. 58). Das gilt auch für die Auskunft einer Behörde (BGH NJW 1978, 1522), eines Rechtsanwalts (BGH NJW 1997, 1302) und eines Steuerberaters (BGH NJW 1997, 2238) und selbst dann, wenn von Dritter Seite Bedenken geäußert worden sind. Der Schädiger kann sich deshalb in der Regel nicht mit dem Einwand entlasten, der Geschädigte habe sich auf die Richtigkeit seiner Angaben nicht verlassen dürfen (BGH NJW 1998, 302). Ein Mitverschulden kann ausnahmsweise angenommen werden, wenn die Auskunft von einer erkennbar nicht kompetenten Person stammt oder äußere Umstände auf die Unrichtigkeit der Auskunft schließen lassen (BGH NJW 1980, 2576).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann sich der Beklagte hier nicht mit Erfolg auf Mitverschulden der Klägerin berufen. Sie durfte grundsätzlich auf die Richtigkeit der Auskunft vom 8.8.2008 vertrauen. Ein Ausnahmefall, der ein Mitverschulden der Klägerin begründen könnte, ist nicht gegeben. Weder stammt die Auskunft von einer nicht kompetenten Person noch deuteten äußere Umstände auf die Unrichtigkeit der Auskunft hin.

Darüber hinaus ist hier zu beachten, dass der Beklagte überhaupt nicht gehalten war, der Klägerin Angaben über den Zeitrahmen des Insolvenzverfahrens zu machen. Die Mitteilung vom 8.8.2008 diente ersichtlich allein dem Zweck, weiteren Schriftwechsel mit der Klägerin auf spätere Zeit zu verschieben. Es war also gerade das Ziel des Treuhänders, die Klägerin von weiteren Schreiben abzuhalten und sie auf spätere Zeit zu vertrösten.

Die Klägerin als Absonderungsberechtigte war vor diesem Hintergrund auch nicht verpflichtet vor März 2010 zur Einhaltung der Fristen der §§ 190 Abs. 1, 189 Abs. 1 eine Überwachung der Insolvenzverfahren sicherzustellen, da sie darauf vertrauen durfte, dass der Beklagte nicht ohne die Klägerin zu informieren, früher als angekündigt den Abschluss des Insolvenzverfahrens betreiben werde. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin als Bank in einer Vielzahl von Fällen mit der Abwicklung von Insolvenzverfahren vertraut ist, steht dem nicht entgegen. Zwar dürfte der Arbeitsaufwand der Verfahrenskontrolle bei der Klägerin aufgrund ihrer Professionalisierung im Vergleich zu anderen Gläubigern deutlich geringer sein. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass sie eigene Verhaltensdispositionen im Vertrauen auf Auskünfte des Treuhänders nicht mehr tätigen könnte. Der Beklagte musste auch davon ausgehen, dass die Klägerin auf seine Auskunft vertraut und bis auf Weiteres ihre Abrechnung – wie angekündigt – erst im Februar 2010 vorlegen würde.

Jedenfalls kann sich der Beklagte nach alledem nicht mit dem Einwand entlasten, die Klägerin habe sich auf die Richtigkeit seiner Erklärung nicht verlassen dürfen. Denn er ist als Treuhänder Herr des Verfahrens und insbesondere des zeitlichen Verfahrensablaufes. Er allein hat es in der Hand, zu welchem Zeitpunkt ein Abschluss des Insolvenzverfahrens erfolgt. Insoweit trifft ihn in Bezug auf die Einhaltung seiner Zusicherung gegenüber der Klägerin erst nach der Frist des § 114 InsO das Schlussverzeichnis zu erstellen, eine gesteigerte Pflichtenstellung.

Unter Würdigung der vorgenannten Umstände tritt ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin jedenfalls soweit zurück, dass der Beklagte alleine haftet.

3.

Die außergerichtlichen anwaltlichen Kosten der Klägerin in Höhe von 489,45 € sind ebenfalls als Schaden gemäß §§ 249, 250 BGB zu ersetzen. Nachdem der Beklagte den Freistellungsanspruch ernsthaft und endgültig abgelehnt hat, kann die Klägerin gemäß § 250 S. 2 BGB Zahlung verlangen.

Die Zinsen sind gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB in der geltend gemachten Höhe zuzusprechen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die hier relevante Frage des Mitverschuldens ein des Einzelfalls ist und im Übrigen grundsätzliche Fragen nicht berührt werden.