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Wohngeld; Prozesskostenhilfe; Erfolgsaussichten; Einkommensverhältnisse; plausible Darlegung; Sachverhaltsaufklärung; Amtsermittlung; Mitwirkungspflichten; Ausschlussvorschrift; Präklusion; Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung; verspätetes Vorbringen; Bedarf; Darlegung; (sozialhilferechtlicher) Regelsatz; Mietkosten; Einnahme-/ Überschussrechnungen; Rücklagen; Einkommensprognose; Stattgabe


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 23.09.2011
Aktenzeichen OVG 6 M 59.11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 166 VwGO, § 114 ZPO, § 121 ZPO, § 15 Abs 1 S 1 WoGG 2009, § 24 Abs 2 S 1 WoGG 2009, § 11 Abs 1 S 1 WoGG 1985, § 14 S 1 SGB 1, § 60 SGB 1, § 66 SGB 1, § 20 SGB 10

Leitsatz

Für die Bedarfsberechnung im Wohngeldrecht kann hinsichtlich der allgemeinen Lebenshaltungskosten regelmäßig der sozialhilferechtliche Regelsatz zugrundegelegt werden. Das schließt aber nicht aus, dass ein Betroffener im Einzelfall tatsächlich mit einem geringeren Betrag auskommt. Allerdings sind an die Darlegung der diese Annahme rechtfertigenden Umstände erhöhte Anforderungen zu stellen. Nicht ausreichend ist es, den geringeren Bedarf nur zu behaupten. Der Betroffene muss vielmehr plausibel im Einzelnen erläutern, wie er den Lebensunterhalt bestreitet.

2. Die Formulierung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG 2009, wonach für die Einkom-mensermittlung auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist, schließt es nicht aus, objektiv erkennbare Umstände, die der Wohngeldbehörde aber erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Kenntnis gelangen, bei der Entscheidung zu berücksichtigen (Senatsbeschluss vom 14. Juni 2011 - OVG 6 N 32.11 -, Rn. 8 bei juris).

3. Dasselbe gilt für § 24 Abs. 2 Satz 1 WoGG 2009, wonach bei der Entscheidung über den Wohngeldantrag ganz allgemein die Verhältnisse im Bewilligungszeitraum, die im Zeitpunkt der Antragstellung zu erwarten sind, zu Grunde zu legen sind.

4. § 15 Abs. 1 Satz 1 und § 24 Abs. 2 Satz 1 WoGG 2009 sind keine Präklusionsnormen.

5. Für die Antragstellung im Wohngeldrecht gelten grundsätzlich keine anderen Anforderungen als in anderen Bereichen des Sozialrechts. Insbesondere gelten auch im Wohngeldrecht die allgemeinen Verfahrensgrundsätze. Dementsprechend ist die Behörde auch im Wohngeldrecht verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 20 SGB X) und ihrer Beratungspflicht (§ 14 Satz 1 SGB I) zu genügen. Das schließt die Pflicht ein, einen unkundigen Antragsteller in für ihn verständlicher Weise auf Mängel bei der Antragstellung hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zu eröffnen, diese Mängel zu beheben, indem er etwa dazu aufgefordert wird, als fehlend erscheinende Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen zu machen (VGH München, Beschluss vom 15. Mai 2007 - 12 C 5.1898 -, Rn. 3 bei juris) oder aus Sicht der Behörde unplausible Angaben zu plausibilisieren.

6. Wohngeldantragsteller, bei denen sich die Darstellung ihrer bisherigen und künftigen Einkommens-, Vermögens- und sonstigen entscheidungserheblichen Verhältnisse schwierig gestaltet, müssen daher entweder entsprechend ausführlich über die Erfordernisse einer plausiblen Darstellung belehrt oder aber zu konkreten Mit-wirkungshandlungen nach Maßgabe des § 66 SGB I aufgefordert werden.

7. Nicht angängig erscheint es dagegen, die Bewilligung von Wohngeld wegen un-zureichender Erläuterung der Einkommens- und Bedarfssituation und mangels Vorlage entsprechender Nachweise abzulehnen, ohne zuvor vom Instrumentarium der §§ 60 ff. SGB I Gebrauch gemacht zu haben.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juli 2011 geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Kläger hat nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 und § 121 der Zivilprozessordnung - ZPO - einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet im Verfahren der ersten Instanz hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

Das Verwaltungsgericht hat hinreichende Erfolgsaussichten zu Unrecht mit der Begründung verneint, der Kläger habe nicht ausreichend dargelegt, wovon er seinen Lebensunterhalt bis zur Antragstellung habe bestreiten können und wie er ihn künftig bestreiten werde. Der Ausgang des Rechtsstreits ist vielmehr nach gegenwärtiger Aktenlage als offen anzusehen. Insbesondere hat der Kläger - seine Angaben als zutreffend unterstellt - plausibel dargelegt, wie er seinen Lebensunterhalt im Zeitraum bis zur Antragstellung und im Bewilligungszeitraum bestritten hat.

1. Das Verwaltungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Frage, ob dem Kläger der Anspruch auf Wohngeld im hier allein streitigen Bewilligungszeitraum von September bis Dezember 2009 zusteht, maßgeblich auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse bis zur Antragstellung und während des Bewilligungszeitraums ankommt. Da Wohngeld einkommensabhängig gewährt wird, sind für dessen Bezug das bisherige und das zu erwartende Einkommen darzulegen. Lässt sich aus den Darlegungen nicht plausibel entnehmen, wie der Lebensunterhalt mit den zur Verfügung stehenden Einnahmen vor der Wohngeldantragstellung bestritten wurde, legt dies die Vermutung nahe, dass Einkünfte unbekannter Höhe vorhanden waren, die im Wohngeldverfahren verschwiegen werden. In einem solchen Fall lässt sich nicht feststellen, wie hoch das Einkommen des Betreffenden tatsächlich ist. Die hierdurch entstehenden Zweifel gehen zu seinen Lasten, weil er es in der Hand hätte, die notwendigen Angaben zu machen (Beschlüsse des Senats vom 5. Mai 2011 - OVG 6 M 42.11 - und vom 8. Juli 2011 - OVG 6 M 49.11 -). Das Verwaltungsgericht geht aber zu Unrecht davon aus, dass der Kläger seine Einkommensverhältnisse schon nicht plausibel dargelegt habe.

a) Das anzusetzende Einkommen ist anhand der Maßgabe des § 15 WoGG 2009 zu ermitteln. Nach Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift ist das Einkommen zugrundezulegen, das im Zeitpunkt der Antragstellung im Bewilligungszeitraum zu erwarten ist. Nach Satz 2 können hierfür die Verhältnisse vor dem Zeitpunkt der Antragstellung herangezogen werden. Da der Kläger seine Einkünfte im Wesentlichen aus selbstständiger (freiberuflicher und gewerblicher) Tätigkeit bezieht, liegt es nahe, für die prognostische Einschätzung seiner künftigen Einnahmen die Einkünfte heranzuziehen, die im Zeitraum bis zur Antragstellung im September 2009 erzielt wurden und diese fiktiv fortzuschreiben. Nach den Einnahme-/ Überschussrechnungen für die Zeit Januar bis Oktober 2009, die der Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegt hat, hatte er im Jahr 2009 bis einschließlich Oktober monatliche Einkünfte von *Euro aus freiberuflicher und *Euro aus gewerblicher Tätigkeit. Dass die Einnahme-/ Überschussrechnungen den Monat Oktober einschließen, die Antragstellung aber bereits am 29. September 2009 erfolgte, ist insoweit unschädlich. Es kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass sich die Einkommenssituation ohne Berücksichtigung des Monats Oktober 2009 nicht wesentlich anders gestaltet hätte.

Dem Einkommen des Klägers hinzuzurechnen sind weiter *Euro Unterhaltszahlungen von seiner getrennt lebenden Ehefrau. Das ergibt in der Summe im Bewilligungszeitraum zu erwartende Einkünfte von *Euro monatlich.

Weiter gibt der Kläger an, in den dem Bewilligungszeitraum vorangegangenen Monaten Rücklagen gebildet zu haben, deren Höhe er mit Schreiben vom 11. Februar 2010 mit 1.834,15 Euro beziffert (Bl. 1.140 VV). Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Rücklagen, die er infolge des seinen Bedarf übersteigenden Bezugs von Arbeitslosengeld I gebildet haben will (*Euro) sowie * Euro, die sein zeitweise bei ihm lebender Sohn zu den Unterkunftskosten beigetragen haben soll. Von der sich hieraus ergebenden Summe sollen nach den Angaben des Klägers *Euro für eine anstehende Zahnbehandlung abzuziehen sein. Rechnet man diese Rücklagen auf den Bewilligungszeitraum um, ergibt sich ein Betrag von *Euro je Monat. Addiert man diesen Betrag zu den Einkünften von *Euro, ergibt das *Euro, die dem Kläger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts im Bewilligungszeitraum, also von September bis Dezember 2009, monatlich zur Verfügung standen. Zu berücksichtigen für die Einkommensprognose ist darüber hinaus das zu bewilligende Wohngeld, das etwa *Euro monatlich betragen dürfte (*Euro Einkommen bei einer zu berücksichtigenden Miete von etwa *Euro, bei Zugrundelegung der Angaben des Klägers). Damit ergibt sich eine Summe von *Euro, die den vom Verwaltungsgericht angenommenen Bedarf des Klägers decken würde.

b) Das Verwaltungsgericht ist zwar von einem Bedarf von *Euro ausgegangen, der die ermittelte Summe übersteigt. Dabei hat es aber entweder die berücksichtigungsfähigen Wohnkosten zu hoch angesetzt oder das Einkommen zu niedrig.

aa) Das Verwaltungsgericht geht von einer berücksichtigungsfähigen (Warm-) Miete in Höhe von rund *Euro im September bzw. (aufgrund veränderter Miethöhe) rund *Euro ab Oktober 2009 aus. Tatsächlich zahlte der Kläger im Jahr 2009 rund *Euro Warmmiete für die von ihm bewohnte Wohnung. Diese Differenz resultiert aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht den nach seiner - der Sache nach nicht zu beanstandenden - Auffassung rein beruflich genutzten Teil der Wohnung anteilig bei den wohngeldrechtlich berücksichtigungsfähigen Mietkosten in Abzug gebracht hat. Für die Bemessung dieses Anteils hat es die Angaben des Klägers in einem früheren Wohngeldverfahren zugrundegelegt. Der Kläger hatte damals mit Schreiben vom 17. September 2008 angegeben, 18,31 qm der insgesamt 88,94 qm großen Wohnung ausschließlich gewerblich zu nutzen (Bl. 1.031 VV). Das entspricht mit Blick auf die Miete der Differenz zwischen den Mietkosten für die Wohnung insgesamt und dem vom Verwaltungsgericht als beruflich genutzt zugrundegelegten Anteil.

bb) Bei der Darlegung seiner Einkommenssituation hat der Kläger demgegenüber einen gegenüber dem Verwaltungsgericht deutlich geringeren Anteil an wohngeldrechtlich berücksichtigungsfähigen Wohnkosten angenommen. In seiner Bedarfsberechnung hat er lediglich *Euro (Warm-) Miete aufgeführt, während er in seinen Einnahme- /Überschussrechnungen von einem entsprechend höheren Anteil rein beruflich genutzter Wohnfläche und damit entsprechend höheren, sein Einkommen mindernden Ausgaben ausgeht.

cc) Wie groß der gewerblich genutzte Teil der Wohnung tatsächlich ist, muss hier nicht entschieden werden. Von Bedeutung ist vorliegend in diesem Zusammenhang nur Folgendes: Sollte der Kläger richtig liegen, müsste die Bedarfsberechnung des Verwaltungsgerichts um die Differenz zwischen den zugrundegelegten Wohnungskosten (*bzw. *Euro einerseits und *Euro andererseits) nach unten korrigiert werden. Das sind rund *Euro für September bzw. *Euro ab Oktober 2009. Der Bedarf des Klägers beliefe sich dann auf *Euro im September und auf *Euro ab Oktober 2009 und wäre vom errechneten Einkommen gedeckt. Sollte dagegen das Verwaltungsgericht mit seiner Berechnung richtig liegen, wäre der Bedarf des Klägers zwar grundsätzlich mit *Euro anzusetzen, allerdings müsste zu seinem Einkommen dann der Betrag addiert werden, der sich aus der Differenz zwischen den vom Verwaltungsgericht und vom Kläger unterschiedlich hoch angesetzten rein beruflich genutzten Anteil der Wohnfläche ergibt. Das ist ein Betrag von *Euro, der sich wie folgt errechnet: In den ersten neun Monaten des Jahres 2009 hatte der Kläger für seine Wohnung *Euro an Miete, einschließlich Nebenkosten, zu zahlen (Bl. 1.088 R VV). Bei einer rein beruflich genutzten Fläche von 18,31 qm der insgesamt 88,94 qm entspräche die auf den beruflich genutzten Teil entfallende Miete *Euro. Als berufliche Mietkosten hat der Kläger seinen Einnahme-/ Überschussrechnungen zufolge dagegen *Euro (*Euro in zehn Monaten) zugrundegelegt. Die Differenz zwischen diesen Beträgen ergibt die Steigerung seines Einkommens.

dd) Die Addition von *Euro zu dem bereits prognostizierten Einkommen ergibt eine Summe von *Euro zur Bestreitung seines Lebensunterhalts, die den vom Verwaltungsgericht angenommenen Bedarf von *Euro decken würde.

c) Dass der Kläger die behaupteten Rücklagen unter Zugrundelegung eines geringeren Bedarfs gebildet haben will, als ihn das Verwaltungsgericht vorausgesetzt hat, steht der Annahme, die gebildeten Rücklagen hätten tatsächlich die behauptete Höhe, nicht zwingend entgegen. Während der Kläger im Zeitraum, währenddessen er die Rücklage gebildet haben will, von einem Bedarf von *Euro bzw. *Euro monatlich ausgeht, nimmt das Verwaltungsgericht den bereits genannten Bedarf von *Euro an. Dabei geht das Verwaltungsgericht vom Ansatz her zutreffend davon aus, dass für die allgemeinen Lebenshaltungskosten regelmäßig der sozialhilferechtliche Regelsatz zugrundezulegen ist. Das schließt aber nicht aus, dass ein Betroffener im Einzelfall tatsächlich mit einem geringeren Betrag auskommt. Allerdings sind an die Darlegung der diese Annahme rechtfertigenden Umstände erhöhte Anforderungen zu stellen. Nicht ausreichend ist es, den geringeren Bedarf nur zu behaupten. Der Betroffene muss vielmehr plausibel im Einzelnen erläutern, wie er den Lebensunterhalt bestreitet. Vorliegend hat der Kläger eine Aufstellung zu den Akten gereicht, in der er die monatlich aufzuwendenden Durchschnittsbeträge für die Bestreitung seines Lebensunterhalts auflistet. Es kann dahinstehen, ob damit bereits die genannten Darlegungsanforderungen erfüllt sind. Sollte man die Darlegungen des Klägers insoweit nicht für ausreichend oder glaubhaft halten, würde das für sich genommen jedenfalls nicht die Annahme rechtfertigen, ihnen sei nicht zu folgen, ohne dass dem Kläger zuvor Gelegenheit gegeben wurde, seine Angaben zu präzisieren, zu ergänzen oder zu erläutern. Dies gilt namentlich deshalb, weil seine Aufstellung nicht von vorne herein unplausibel erscheint. Beispielsweise entspricht der von ihm für Lebensmittel angesetzte Betrag von *Euro in etwa dem im Regelsatz nach § 20 SGB II dafür vorgesehenen Betrag von *Euro (der Betrag entspricht dem im Regelsatz nach § 20 SGB II für Nahrungsmittel vorgesehenen Anteil von 37% von *Euro, vgl. O. Loose, in: Hohm, Gemeinschaftskommentar zum SGB II, § 20 Rn. 9.1), der den mit Abstand größten und am wenigsten zur Disposition der persönlichen Lebensführung stehenden Posten der Gegenstände des täglichen Bedarfs, zu deren Anschaffung der Regelsatz in erster Linie dient, darstellt.

2. Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass es entscheidend darauf ankommt, inwieweit das Vorbringen des Klägers zu den von ihm gebildeten Rücklagen und seinem behaupteten Bedarf zutrifft.

a) Hierzu bedarf es aus Sicht des Senats weiterer Aufklärungsmaßnahmen. In Betracht kommt insoweit, sich einschlägige Unterlagen (Kontoauszüge, die Bescheide über den Bezug von Arbeitslosengeld I) vorlegen zu lassen oder - sofern solche Unterlagen nicht vorhanden sind oder keinen hinreichenden Aufschluss geben - den Kläger um schriftliche Darlegung der klärungsbedürftigen Einzelheiten zu bitten. Zu denken ist ferner an die mündliche Befragung des Klägers und die Vernehmung von Zeugen, die vom Kläger zu benennen wären und die Auskunft über dessen Vermögensverhältnisse geben können.

b) Dass der Kläger die entscheidenden Tatsachen erst nach Antragstellung im Laufe des Verwaltungs- bzw. des Klageverfahrens vorgetragen und insbesondere die bereits erwähnten Einnahme-/ Überschussrechnungen erst im Monat November 2009 vorgelegt hat, steht deren Berücksichtigung - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht entgegen.

aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass die Formulierung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG 2009, wonach auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist, es nicht ausschließt, objektiv erkennbare Umstände, die der Wohngeldbehörde aber erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Kenntnis gelangen, bei der Entscheidung zu berücksichtigen (Beschluss vom 14. Juni 2011 - OVG 6 N 32.11 -, Rn. 8 bei juris). Dasselbe gilt für § 24 Abs. 2 Satz 1 WoGG 2009, wonach bei der Entscheidung über den Wohngeldantrag ganz allgemein die Verhältnisse im Bewilligungszeitraum, die im Zeitpunkt der Antragstellung zu erwarten sind, zu Grunde zu legen sind.

Mit der Formulierung in den beiden Normen hat der Gesetzgeber keine materiellen Ausschlussnormen geschaffen, sondern lediglich festgelegt, aus welcher zeitlichen Perspektive die Behörde die Einkommensverhältnisse zu beurteilen hat. Die Behörde muss bei der Entscheidung über den Wohngeldantrag auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung abstellen. Dass sie erst zu einem nach der Antragstellung liegenden Zeitpunkt Kenntnis hiervon erlangt, rechtfertigt es nicht, diese Umstände außer Acht zu lassen.

(1) Eine solche Interpretation der §§ 24 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG 2009 gewissermaßen als Präklusionsvorschriften liefe auf eine Begünstigung besonders versierter oder in leicht zu überblickenden (Vermögens-) Verhältnissen lebender Antragsteller hinaus. Denn wer die Anforderungen an die Darlegung des bisherigen und des zu erwartenden Einkommens und der sonstigen entscheidungserheblichen Umstände genau kennt und etwaige Nachfragen der Behörde oder aus deren Sicht bestehende mögliche Unklarheiten antizipiert und vorsorglich hierzu ergänzende Angaben macht bzw., wer über ein geregeltes, leicht darzustellendes Einkommen verfügt, hätte eine deutlich höhere Chance bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Wohngeld zu erhalten. Es liegt auf der Hand, dass die Bewilligung von Wohngeld weder von den Vorkenntnissen noch von der Art und Weise, wie der Betreffende seinen Lebensunterhalt bestreitet, abhängen kann. Vielmehr gelten für die Antragstellung im Wohngeldrecht grundsätzlich keine anderen Anforderungen als in anderen Bereichen des Sozialrechts. Insbesondere gelten auch im Wohngeldrecht die allgemeinen Verfahrensgrundsätze. Dementsprechend ist die Behörde auch im Wohngeldrecht verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 20 SGB X) und ihrer Beratungspflicht (§ 14 Satz 1 SGB I) zu genügen. Das schließt die Pflicht ein, einen unkundigen Antragsteller in für ihn verständlicher Weise auf Mängel bei der Antragstellung hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zu eröffnen, diese Mängel zu beheben, indem er etwa dazu aufgefordert wird, als fehlend erscheinende Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen zu machen (VGH München, Beschluss vom 15. Mai 2007 - 12 C 5.1898 -, Rn. 3 bei juris) oder aus Sicht der Behörde unplausible Angaben zu plausibilisieren. Damit ließe sich eine Auslegung der §§ 24 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG 2009 als Präklusionsnormen nicht vereinbaren.

Zugleich würde eine solche Auslegung die auch im Wohngeldrecht geltenden Vorschriften über die Mitwirkungspflichten praktisch entwerten. Aus den §§ 60 ff. SGB I ergibt sich, dass die zuständigen Behörden gehalten sind, Sozialleistungen, deren Bewilligung von Mitwirkungshandlungen der Antragsteller abhängen, wie beispielsweise im Wohngeldrecht bei der Darstellung der Einkommensverhältnisse, wegen fehlender Mitwirkung erst dann abgelehnt werden dürfen, wenn die Mitwirkungspflicht entsprechend konkretisiert und über die Folgen fehlender Mitwirkung hinreichend belehrt worden ist (vgl. insbesondere § 66 Abs. 3 SGB I).

(2) Diese Sichtweise steht im Übrigen auch im Einklang mit den Vorstellungen des Gesetzgebers. In der Gesetzesbegründung zu § 24 Abs. 2 WoGG 2009 heißt es:

„Der neue Absatz 2 soll an zentraler Stelle die Ermittlung der den Wohngeldanspruch beeinflussenden Verhältnisse in zeitlicher Hinsicht einheitlich für alle Berechnungsgrößen des Wohngeldes (§ 4 WoGG) regeln. Diese Prognoseregelung bestand bisher ausdrücklich nur für das Einkommen und ist aus § 11 Abs. 1 WoGG a.F. entwickelt. Absatz 2 Satz 1 enthält den Grundsatz, dass die Prognose aus der Sichtweise eines Betrachtenden im Zeitpunkt der Antragstellung zu erstellen ist. Auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden oder zu erwartenden Verhältnisse sind die Verhältnisse und deren Veränderungen im Bewilligungszeitraum aus der Sicht eines objektiven Betrachters zu bestimmen. Hiervon umfasst werden daher auch Verhältnisse und Erkenntnisse, die zum Zeitpunkt der Antragstellung objektiv bekannt waren, aber von der wohngeldberechtigten Person der Wohngeldbehörde erst nachträglich bis zur Entscheidung nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wurden“ (BT-Drucks. 16/6543, S. 102 zu § 24).

(3) Die Auffassung des Senats steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 23. Januar 1990 - 8 C 58/89 - (BVerwGE 84, 278, Rn. 18 f. bei juris). Darin hat das Bundesverwaltungsgericht zwar ausgeführt, dass bei der Ermittlung des Jahreseinkommens nach § 11 Abs. 1 Satz 1 WoGG 1985, der eine dem jetzigen § 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG 2009 entsprechende Regelung enthielt, berücksichtigungsfähig einzig die Einkünfte seien, die aus der Sicht des Zeitpunkts der Antragstellung, d.h. „aufgrund von in diesem Zeitpunkt der zuständigen Wohngeldbehörde bekannten Daten“, im Bewilligungszeitraum zu erwarten seien. Das Bundesverwaltungsgericht ist dabei allerdings offenbar davon ausgegangen, dass die entscheidungserheblichen Daten vollständig vorliegen und die wohngeldrelevanten Umstände vollständig bekannt sind. Nicht ausschließen wollte es mit dieser Aussage nach Ansicht des Senats dagegen die Möglichkeit, die im Zeitpunkt der Antragstellung objektiv bestehenden Umstände auch noch später im laufenden Verfahren, also nach Antragstellung zu ermitteln bzw. darzulegen. Das ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der zitierten Ausführungen. So heißt es etwa an anderer Stelle des Urteils unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 Satz 3 WoGG 1985, dass Einnahmeerhöhungen, deren Beginn und Ausmaß nicht ermittelt werden könne, bei der Ermittlung des Jahreseinkommens ungeachtet ihrer Erwartbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (a.a.O., Rn. 21 bei juris). Wenn Ermittlungen hinsichtlich des zu prognostizierenden Einkommens für möglich und zulässig gehalten werden, ist deren Ergebnis auch bei der Entscheidung über den Wohngeldantrag zu berücksichtigen, anderenfalls ergäbe es keinen Sinn, sie durchzuführen. Solche Ermittlungen werden regelmäßig erst nach Antragstellung durchgeführt, so dass deren Ergebnis auch erst zu einem nach der Antragstellung liegenden Zeitpunkt vorliegen wird. Allerdings haben sich die Ermittlungen darauf zu beschränken, wie die objektiven Umstände im Zeitpunkt der Antragstellung gewesen sind, denn es ist - mit dem Bundesverwaltungsgericht und entsprechend dem Gesetzeswortlaut - auf die „Sicht des Zeitpunkts der Antragstellung“ abzustellen. Dass die fraglichen Umstände der Behörde erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geworden sind, ist dagegen ohne Belang.

bb) Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass Wohngeldantragsteller, bei denen sich die Darstellung ihrer bisherigen und künftigen Einkommens-, Vermögens- und sonstigen entscheidungserheblichen Verhältnisse schwierig gestaltet, daher entweder entsprechend ausführlich über die Erfordernisse einer plausiblen Darstellung belehrt oder aber - was praktikabler erscheint - zu konkreten Mitwirkungshandlungen nach Maßgabe des § 66 SGB I aufgefordert werden müssen. Nicht angängig erscheint es dagegen, die Bewilligung von Wohngeld - wie im vorliegenden Fall durch den angefochtenen Bescheid - wegen unzureichender Erläuterung der Einkommens- und Bedarfssituation und mangels Vorlage entsprechender Nachweise abzulehnen, ohne zuvor vom Instrumentarium der §§ 60 ff. SGB I Gebrauch gemacht zu haben. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als der Kläger im Verwaltungsverfahren die Behörde ausdrücklich darum gebeten hatte, anzugeben, welche Nachweise zur Darstellung seiner Verhältnisse für erforderlich erachtet werden (Schreiben vom 26. November 2009 a.E., Bl. 1.114 R VV). Dieser Mangel in der Verfahrensführung hat sich letztlich bis in das Klageverfahren fortgesetzt. Dieses Versäumnis der Behörde ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren zu berücksichtigen.

Zwar rechtfertigt im Regelfall der Umstand, dass der Kläger allein in seiner Sphäre liegende Umstände nicht ausreichend belegt hat, regelmäßig nicht die Annahme eines offenen Verfahrensausgangs, weil der Betreffende es anderenfalls in der Hand hätte, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe herbeizuführen, indem er seine Mitwirkungs- und Darlegungspflichten verletzt. Das ist im vorliegenden Fall vor dem dargelegten Hintergrund aber anders zu beurteilen. Dass dem Kläger kein Wohngeld zu bewilligen ist, steht vorliegend daher erst dann mit hinreichender Sicherheit fest, wenn die genannten Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt wurden und er so ausdrücklich Gelegenheit hatte, seine Angaben im Einzelnen zu belegen und zu plausibilisieren und ihm dies gleichwohl nicht gelungen ist.

Eine andere Sicht ist vorliegend auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger über einige Erfahrung im Wohngeldrecht verfügt - wie schon der Umfang der Verwaltungsvorgänge belegt -, da er in der Vergangenheit bereits mehrfach Wohngeld beantragt hatte.

Schließlich steht auch der Umstand, dass die vom Kläger vorgelegten Einnahme-/ Überschussrechnungen erst im November 2009 erstellt wurden, der Berücksichtigung der darin für den Zeitraum bis zur Antragstellung im September 2009 aufgeführten Einkünfte nicht entgegen. Der Kläger hatte diese Einkünfte in der Zeit bis zur Antragstellung erzielt. Das ist der entscheidende, auch schon im Zeitpunkt der Antragstellung objektiv feststellbare Punkt. Dass die Einnahme-/ Überschussrechnungen in diesem Zeitpunkt noch nicht erstellt waren, ist dagegen insoweit ohne Belang. Fiktiv fortgeschrieben werden nicht die Einnahme-/ Überschussrechnungen, sondern die darin ausgewiesenen Einkünfte. Im Übrigen decken sich diese Einkünfte auch nahezu mit den Angaben, die der Kläger schon bei Antragstellung zu den zu erwartenden Einkünften gemacht hat. Er hatte seinerzeit angegeben, *Euro aus freiberuflicher und *Euro monatlich aus gewerblicher Tätigkeit zu erwarten. Das entspricht in der Summe (*Euro) damit in etwa dem sich aus den Einnahme-/ Überschussrechnungen ergebenden Betrag von *Euro.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

* Eine Schwärzung war wegen § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO erforderlich.