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Entscheidung 9 WF 53/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 27.07.2020
Aktenzeichen 9 WF 53/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:0727.9WF53.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 02.01.2020 (Az. 520 FH 13/19) aufgehoben.

Der Antrag des Antragstellers auf Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren wird zurückgewiesen

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 4.080 € festgesetzt.

Gründe

1.

Der Antragsteller macht gegen den Antragsgegner, den Vater des minderjährigen Kindes L... K..., geboren am ...12.2009, Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht nach § 7 Abs. 1 UVG für die Zeit vom 01.03.2019 bis 31.10.2019 und fortlaufend geltend. Er hat für das betroffene Kind - nach seinem Vorbringen - zumindest bis einschließlich Oktober 2019 Unterhaltsvorschuss gezahlt.

Der Antrag des Antragstellers vom 26.09.2019 ist am 02.10.2019 beim Amtsgericht eingegangen und dem Antragsgegner nebst Hinweisen zum vereinfachten Unterhalts-verfahren am 21.11.2019 zugestellt worden.

Bereits zuvor, nämlich am 04.11.2019, hatte der Landkreis S…, Jobcenter, beim Amtsgericht Wedding ein Mahnverfahren wegen Unterhaltsansprüchen aus übergegangenen Recht nach § 33 SGB II für die Zeit vom 01.03. 2019 bis 30.06.2019 eingeleitet. Nachdem der (hiesige) Antragsgegner Widerspruch gegen den Mahnbescheid vom 06.11.2019 eingelegt hatte, wurde das Verfahren am 20.11.2019 an das Amtsgericht Cottbus abgegeben. Am 10.01.2020 hat das Amtsgericht sodann einen Versäumnisbeschluss (Az. 52 F 102/19) erlassen, wogegen Einspruch eingelegt worden ist.

Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht - nach fruchtlosem Fristablauf - mit Beschluss vom 02.01.2020 den Antragsgegner verpflichtet, ab November 2019 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des vollen Kindergeldes für ein erstes Kind sowie für den Zeitraum 01.03.2019 bis 31.10.2019 rückständigen Unterhalt in Höhe von insgesamt 1.656 € zu leisten.

Gegen diese ihm am 07.01.2020 zugestellte Entscheidung hat der Antragsgegner mit einem am 04.02.2020 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Das vereinfachte Verfahren sei unzulässig, weil doppelte Rechtshängigkeit bestehe. Zudem habe der Antragsteller die UVG-Leistungen zum 01.11.2019 eingestellt.

Der Antragsteller ist der Beschwerde mit näherer Darlegung entgegengetreten.

2.

Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Der Antragsgegner hat begründete Einwendungen gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens gemäß § 256 Satz 1 FamFG erhoben, sodass der Antrag des Antragstellers vom 26.09.2019 zurückzuweisen war (§ 252 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG).

Das vereinfachte Verfahren ist nicht statthaft, wenn zum Zeitpunkt, in dem der Antrag oder eine Mitteilung über seinen Inhalt dem Antragsgegner zugestellt wird, über den Unterhaltsanspruch des Kindes bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, § 249 Abs. 2 2. Alt. FamFG. So liegt der Fall hier.

Der Festsetzungsantrag ist dem Antragsgegner auf die Verfügung des Gerichts vom 09.10.2019 am 21.11.2019 zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein Mahnverfahren über den Unterhaltsanspruch des Kindes anhängig. Der Landkreis S…, Jobcenter, hatte am 04.11.2019 beim Amtsgericht Wedding Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt. Das Verfahren wurde am 20.11.2019 - nach Widerspruch des Antragsgegners - an das Amtsgericht Cottbus abgegeben, wo es unter dem Aktenzeichen 52 F 102/19 geführt wird.

Das vorliegende Verfahren ist gemäß § 249 Abs. 2 FamFG unstatthaft, weil zum Zeitpunkt der Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren bereits ein gerichtliches Verfahren über den Unterhaltsanspruch des Kindes anhängig war (Amtsgericht Cottbus, 52 F 102/19). Das Mahnverfahren ist ein gerichtliches Verfahren im Sinne dieser Vorschrift, denn es hat - ungeachtet bestimmter verfahrensrechtlicher Besonderheiten - ebenso wie das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger die Errichtung eines Unterhaltstitels zum Ziel (Keidel, FamFG, 20. Aufl., §249 Rn. 15; OLG Dresden, FamRZ 2019, 545).

Der Umstand, dass mit dem bezifferten Zahlungsantrag in dem Verfahren 52 F 102/19 lediglich Unterhalt für den Zeitraum 01.03.2019 bis 30.06.2019 und auch nur in Höhe des nicht vom Anspruchsübergang gemäß § 7 Abs. 1 UVG erfassten Teils des Unterhaltsanspruchs geltend gemacht wird, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Bereits dem Wortlaut des § 249 Abs. 2 FamFG („ein gerichtliches Verfahren anhängig“) ist zu entnehmen, dass jedes gerichtliche Verfahren über den Unterhaltsanspruch des Kindes der Statthaftigkeit eines vereinfachten Verfahrens entgegenstehen soll. Dem Wortlaut des § 249 Abs. 2 FamFG („über den Unterhaltsanspruch des Kindes“) ist auch zu entnehmen, dass es nicht auf eine zeitliche und betragsmäßige Identität der geltend gemachten Ansprüche ankommen soll, sondern nur auf die Tatsache, ob über den Unterhaltsanspruch des betreffenden Kindes überhaupt ein anderes Verfahren anhängig ist. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Das vereinfachte Verfahren soll auf diejenigen Fälle beschränkt sein, in denen keine anderen Verfahren über den Unterhaltsanspruch des Kindes anhängig sind. Das Gericht soll im vereinfachten Verfahren keine komplizierten oder langwierigen Prüfungen inhaltlicher Art vornehmen müssen, sondern sich auf die relativ unkomplizierte Prüfung beschränken können, ob es überhaupt ein anderes Unterhaltsverfahren in Bezug auf dieses Kind gibt (OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.02.2020 - 11 WF 344/19; OLG Dresden, FamRZ 2019, 545; Wendl/Dose/Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 10 Rn. 643). Das vereinfachte Verfahren dient allein der erstmaligen Festsetzung von Unterhalt (Keidel, a.a.O., § 249 Rn. 2).

Nach alledem war der amtsgerichtliche Beschluss aufzuheben und der Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren zurückzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.

Die Entscheidung über den Gegenstandswert folgt aus § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.