Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 4a. Senat | Entscheidungsdatum | 19.05.2011 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | OVG 4a N 29.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 Abs 2 VwGO, § 2 Nr 9 BeamtVÜV, § 14 Abs 5 BeamtVG, § 55 BeamtVG, Art 33 Abs 5 GG, Art 3 Abs 1 GG |
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 12. Februar 2010 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird auch für die zweite Rechtsstufe auf 11.934,72 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die innerhalb der Begründungsfrist (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Aus den Darlegungen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ebensowenig ist die Berufung nach dem sich mit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO überschneidenden Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Der Kläger wendet sich gegen eine (weitere) Anrechnung der von ihm aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogenen Rente nach § 2 Nr. 9 der Beamtenversorgungs-Übergangsverordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. März 1993 (BGBl. I S. 369), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3592) - BeamtVÜV. Er greift nicht die Richtigkeit der Berechnungen des Beklagten an, sondern macht allein geltend, dass § 2 Nr. 9 BeamtVÜV verfassungswidrig sei. Sein Vorbringen stellt indes die Ergebnisrichtigkeit des klageabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts nicht schlüssig in Frage; es führt auch nicht zu Zweifeln, die sich nicht ohne weiteres im Berufungszulassungsverfahren klären ließen.
Das Zulassungsvorbringen erweckt keine Zweifel an der Richtigkeit der tragenden Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Nr. 9 BeamtVÜV ohne weiteres auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 55 BeamtVG zu bejahen ist (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2008 – 4 N 36.07 -, nicht veröffentlicht).
Nach dem auch von dem Kläger als grundlegend erachteten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 1987 – 2 BvR 933.82 – (juris) zu § 55 BeamtVG kann sich der Dienstherr von seiner Alimentationspflicht dadurch entlasten, dass er den Versorgungsberechtigten auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse – wie der gesetzlichen Rentenversicherung – verweist, sofern diese ebenfalls der Existenzsicherung zu dienen bestimmt sind (BVerfG a.a.O., juris RN 90). Insoweit darf der Gesetzgeber - auch unter Abänderung bestehender gesetzlicher Regelungen - Versorgungsbezüge kürzen, wenn dies im Rahmen des von ihm zu beachtenden Alimentationsgrundsatzes aus im Bereich des Systems der Altersversorgung liegenden Gründen sachlich gerechtfertigt erscheint (BVerfG a.a.O., juris RN 109). Das Bundesverfassungsgericht hat es als sachgerecht angesehen, wenn der Gesetzgeber bei Rente beziehenden Versorgungsempfängern eine Kürzung der Versorgungsbezüge anordnet, um eine Überhöhung der Gesamtversorgung zu beseitigen, die nicht durch eine Eigenleistung des Versorgungsempfängers, sondern dadurch entstanden ist, dass Rentenrecht und Beamtenversorgungsrecht nicht hinreichend aufeinander abgestimmt, weil unterschiedlich strukturiert sind und dass die für den Fall einer verkürzten Lebensarbeitszeit im einen wie im anderen Bereich vorgesehene und insoweit sozial gerechtfertigte überproportionale Versorgung auch dem Mischlaufbahn-Beamten – allerdings grundlos – zu Gute kommt (BVerfG a.a.O., juris RN 114). Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht, wie auch der Kläger hervorhebt, durch Beschluss vom 16. März 2009 – 2 BvR 1003.08 – (juris) bestätigt.
Die in § 2 Nr. 9 BeamtVÜV für Beamte im Beitrittsgebiet vorgesehene (und später in § 14 Abs. 5 BeamtVG für alle Beamte weitgehend übernommene) Rentenanrechnung setzt den vom Bundesverfassungsgericht als rechtmäßig erachteten Regelungsgehalt des § 55 BeamtVG auf die von dieser Vorschrift nicht oder nur unvollständig erfassten Fälle um, in denen nicht das "erdiente" Ruhegehalt mit einem Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG zahlbar ist, sondern das nach § 14 Abs. 4 BeamtVG berechnete Mindestruhegehalt. § 2 Nr. 9 BeamtVÜV greift ein, wenn die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG mit dem Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zusammentrifft. In jede dieser beiden Versorgungsleistungen sind sozialpolitische Komponenten zur Sicherung des Existenzminimums bei Alter und Invalidität eingebaut, die sich überschneiden, weil sie unberücksichtigt lassen, dass die erfassten Tatbestände bereits zur Begründung oder Erhöhung des jeweils anderen Versorgungsanspruchs führen (vgl. hierzu unter ausdrücklicher Einbeziehung der Mindestversorgung: BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O., juris RN 111). Eine derartige nicht auf Eigenleistung, sondern auf fehlender Abstimmung der beiden Alterssicherungssysteme beruhende Überhöhung der Gesamtversorgung wird zwar grundsätzlich durch § 55 BeamtVG abgeschöpft. Der Regelungsgehalt des § 55 läuft jedoch weitgehend leer bei Beamten, die ihrem Dienstherrn nur noch einen Teil ihrer Lebensarbeitszeit zur Verfügung stellen konnten und deshalb die Mindestversorgung erhalten. Denn bei dieser Fallgrupe führte die alleinige Anwendung des § 55 BeamtVG dazu, dass die dort normierte Höchstgrenze vielfach unterschritten wird, jedenfalls aber ein nahezu ungekürztes Mindestruhegehalt neben der vollen Rente zahlbar wäre (OVG Magdeburg, Beschlüsse vom: 2. März 2006 – 1 L 7.05 -, juris RN 8, vom 18. August 2009 – 1 L 40.09 -, juris RN 37 – beide m.w.N.; s. zu § 14 Abs. 5 BeamtVG: OVG Münster, Urteil vom 16. Januar 2008 – 21 A 2098.06 -, juris RN 34 – m.w.N.). Nach der amtlichen Begründung zu § 2 Nr. 9 BeamtVÜV (BR-Drs. 407/92, S. 11; siehe auch die amtliche Begründung zu § 14 Abs. 5 BeamtVG: BT-Drs. 12/5919, S. 17) soll deshalb das - entgegen der Ansicht des Klägers nicht "historisch überholte" - Ziel, eine überproportionale Sicherung des Existenzminimums zu vermeiden, dadurch erreicht werden, dass, unbeschadet des § 55 BeamtVG, die Rente auf denjenigen Teil der Mindestversorgung angerechnet wird, der das erdiente Ruhegehalt übersteigt. Hierbei darf die Summe aus den gekürzten Versorgungsbezügen und der Rente das Niveau der Mindestversorgung nicht unterschreiten (§ 2 Nr. 9 Satz 3 BeamtVÜV).
Entgegen der Ansicht des Klägers, ist mithin eine Kürzung nach § 55 BeamtVG gerade nicht ausreichend, um die unerwünschte Kumulation grundsätzlich zweckidentischer Leistungen gruppenorientierter Sicherungssysteme (s. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O., juris RN 110) zu vermeiden, wenn sich der (ungekürzte) Versorgungsanspruch auf das Mindestruhegehalt beschränkt. Mit seiner Bezugnahme auf die - ohnehin lediglich zur Verdeutlichung der Überversorgung angestellte - Erwägung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O., juris RN 111), dass die Häufung zweckidentischer Leistungen zu einer Gesamtversorgung „von erheblich mehr als 75 v.H., manchmal sogar von über 100 v.H. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge“ führte, lässt der Kläger außer Acht, dass sich diese Betrachtung auf das "erdiente" Ruhegehalt mit einem Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG bezieht, während es vorliegend um die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 geht. Soweit der Kläger meint, ihm stünden (nach Kürzung gemäß § 55 BeamtVG) Altersbezüge in Höhe einer Gesamtsumme von 1.931,77 EUR zu, übergeht er, dass dieser Betrag sowohl die von ihm "erdiente" Versorgung nach § 14 Abs. 1 BeamtVG (547,85 EUR) als auch seine ungekürzte Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4, hier Satz 2 BeamtVG (1.196,44 EUR) erheblich übersteigt. Gerade diese Zahlen machen deutlich, dass der Zweck des § 55 BeamtVG (auch) im Fall des Klägers ohne eine weitere Kürzung nach § 2 Nr. 9 BeamtVG nicht erreicht wird.
Aus diesen Gründen überzeugt auch nicht die aus den vorstehenden Berechnungen gezogene Schlussfolgerung des Klägers, der Gesetzgeber habe bei der Regelung des § 2 Nr. 9 BeamtVG den ihm vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Einschätzungsspielraum überschritten. Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, dass die "doppelte Anrechnung" fast seine gesamte Altersrente "auffrisst", übersieht er, dass Rentenansprüche durch einer versorgungsrechtliche Anrechnung weder in ihrem Bestand noch in ihrer Höhe entwertet oder sonstwie berührt werden (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O., juris RN 79). Ebensowenig kommt es auf den Abstand zur amtsunabhängigen Mindestversorgung an. Der Dienstherr genügt in den Fällen des § 14 Abs. 4 BeamtVG seiner Alimentationspflicht durch Zahlung der Mindestversorgung (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2005 - 2 C 25.04 -, juris RN 20 m.w.N.). Da er sich nach den dargelegten von dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen von seiner Alimentationspflicht dadurch entlasten kann, dass er den Versorgungsberechtigten auf die aus den Kassen der gesetzlichen Rentenversicherung zahlbare Altersrente verweist, ist maßgeblich - für § 2 Nr. 9 BeamtVÜV ebenso wie für § 55 BeamtVG - die Höhe des sich aus der Rente und den nach Kürzung noch zahlbaren Teil des Ruhegehalts zusammensetzenden Gesamtbetrages (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O., juris RN 117, 124). Dieser Gesamtbetrag darf nicht hinter der Mindestversorgung zurückbleiben, wie es auch durch § 2 Nr. 9 Satz 3 BeamtVÜV sichergestellt ist. Im Fall des Klägers beträgt der Gesamtbetrag 1.434,49 EUR (zahlbare Versorgungsbezüge i.H.v. 547,85 EUR zuzüglich der Altersrente i.H.v. 886,64 EUR). Er liegt damit deutlich über der amtsunabhängigen Mindestversorgung i.H.v. 1.196,44 EUR. Darüber hinaus wird dem Leistungsprinzip (s. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O., juris RN 125; Beschluss vom 16. März 2009 a.a.O., juris RN 6) dadurch Genüge getan, dass mindestens das "erdiente" Ruhegehalt (hier: 547,85 EUR) zahlbar bleibt, wie dies § 2 Nr. 9 Satz 4 BeamtVÜV ausdrücklich klarstellt.
Der weitere Einwand des Klägers, dass die Argumente des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des § 55 BeamtVG "im Wesentlichen" auf der Überlegung beruhten, dass eine späte Verbeamtung oder der Abbruch einer Beamtenlaufbahn auf eine autonome Entscheidung des Betroffenen zurückzuführen seien und sich die versorgungsrechtlichen Regelungen an dem Regelfall des Dienstes im Beamtenverhältnis als Lebensberuf orientierten, ist unzutreffend. Das Bundesverfassungsgericht stellt diese in seinem Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O. enthaltenen (juris RN 115) Überlegungen nur als zusätzliches Argument an ("ferner"). Zudem zieht es das Leitbild des Beamten auf Lebenszeit zur Rechtfertigung einer nachträglichen Änderung versorgungsrechtlicher Regelungen für vor dem 1. Januar 1966 begründete Beamtenverhältnisse heran. Diese Fallgruppe ist jedoch mit denjenigen Beamten, die, wie der Kläger, nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages von ihrer ersten Ernennung oder Wiederernennung an im Beitrittsgebiet verwendet wurden (vgl. § 1 Abs. 1 BeamtVÜV) und von der zeitnah nach der Wiedervereinigung im März 1991 in Kraft getretenen Beamtenversorgungs-Übergangsverordnung erfassten werden, nicht vergleichbar.
Schließlich begründet auch das Vorbringen des Klägers zum Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils noch werden mit ihm tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten dargetan, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigten. Entgegen dem Vorbringen des Klägers stellt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 30. September 1987 nicht lediglich "Mischlaufbahn-Beamte" einerseits und "Nur-Beamte" andererseits gegenüber (s. die zahlreichen Vergleichsgruppen gemäß III. 2. b) und c), 3. a) bis c), 4. sowie 5. a) bis d) des Beschlusses, juris RN 137 bis 166). Auch bei der von dem Kläger für allein maßgeblich erachteten Gegenüberstellung von Beamten, die in den Anwendungsbereich der Beamtenversorgungs-Übergangsverordnung fallen, mit der Gruppe der "übrigen" Beamten, ist ein Gleichheitsverstoß nicht erkennbar. Weshalb die für die letztgenannte Fallgruppe geltende Regelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG, die § 2 Nr. 9 BeamtVÜV in dem hier maßgeblichen Regelungsgehalt entspricht, "allenfalls vereinzelte Sonderfälle" betreffen soll, hat der Kläger nicht dargetan. Unabhängig davon muss der von § 2 Nr. 9 BeamtVÜV erfasste Personenkreis, wie aufgezeigt, gerade keine "Kürzung bis unter die Grenze der Mindestversorgung hinnehmen." Der Kläger übersieht erneut, dass es wegen des Normzwecks sowohl des § 2 Nr. 9 BeamtVÜV als auch des § 55 BeamtVG, eine Kumulierung von zweckidentischen Leistungen zu vermeiden, auf die sich aus Rente und Versorgungsbezügen zusammensetzende Gesamtversorgung ankommt. Dieser Gesetzeszweck ist vom Bundesverfassungsgericht nicht nur im Hinblick auf die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums als sachgerecht angesehen worden, sondern auch im Rahmen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 a.a.O., juris RN 137 ff; Beschluss vom 16. März 2009 a.a.O., juris RN 13 bis 15).
2. Aus den vorstehenden Gründen ist die Berufung auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).