Gericht | VG Potsdam 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.08.2020 | |
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Aktenzeichen | 7 K 2354/18 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2020:0825.7K2354.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 286 BGB, § 288 BGB, § 291 BGB, § 677 BGB, § 683 BGB, § 812 BGB, § 27 SGB 8, § 33 SGB 8, § 34 SGB 8, § 39 SGB 8, § 44 SGB 8, § 78b SGB 8 |
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 6.853,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juli 2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 86% und der Beklagte 14%. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Beteiligten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Übernahme der Kosten für die Betreuung des Kindes L. für den Monate Oktober 2016 sowie von März bis Dezember 2017.
Die Klägerin ist Diplom-Sozialpädagogin und betreibt die Einrichtung „in G...; privat lebt sie in W.... Die Erlaubnis für den Betrieb der Einrichtung „“ gemäß § 45 SGB VIII ist der Klägerin mit Bescheid des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport vom 19. Juni 2015 erteilt worden. Die Betriebserlaubnis bezieht sich auf 4 Plätze in der Gruppe mit innewohnendem Erzieher, wobei mindestens 2,00 Stellen für pädagogische Fachkräfte erforderlich sind. Ausweislich der Leistungsbeschreibung für die Einrichtung vom 1. Juni 2015 ist deren „Zielgruppe“ zwischen 8 und 18 Jahren alt. Zwischen den Beteiligten wurde für die „“ mit Vertrag vom 25. Juni 2015 eine Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung gemäß § 78b des Sozialgesetzbuchs - Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) abgeschlossen. Danach ist für die Erbringung der Grundleistung − das heißt die Unterbringung in der Einrichtung auf Basis der Leistungsvereinbarung − ein kalendertägliches Entgelt in Höhe von 134 Euro je Hilfefall vereinbart.
Der Beklagte nahm am 24. Mai 2016 das Kind L., geboren am, in Obhut und übergab es an die Klägerin. Laut Bescheid über die Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII vom 25. Mai 2016 wird das Kind „(vorläufig) bei einer geeigneten Person untergebracht“, wobei die zweite Auswahlmöglichkeit des Bescheidformulars auf Unterbringung „in einer geeigneten Einrichtung oder sonstigen Wohnform“ lautet. Ausweislich einer Aktennotiz im Verwaltungsvorgang hat im Zeitpunkt der Inobhutnahme eine Bereitschaftspflegefamilie nicht zur Verfügung gestanden, weshalb das Kind an die Klägerin, die angegeben habe, über Kapazitäten zu verfügen, übergeben worden sei. Mit Beschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 7. Juni 2016 wurde die elterliche Sorge für das Kind L. auf den Fachbereich Jugend des Landkreises Oberhavel als Pfleger übertragen. Mit Bescheid vom 20. Juni 2016 ist dem Kind L., vertreten durch den vorgenannten Vormund, die Hilfe nach den §§ 27, 34 SGB VIII für die Heimerziehung bzw. sonstige betreute Wohnform ab dem 7. Juni 2016 und „bis auf Weiteres gewährt“ worden.
In einem Gespräch mit Mitarbeitern des Jugendamtes des Beklagten vom 1. Juli 2016 ist die Klägerin ausweislich einer Aktennotiz darauf hingewiesen worden, dass das Kind L. in der Wohngruppe der „“ zu betreuen sei; es gebe Hinweise darauf, dass dies nicht der Fall sei, da das Kind von dem Vormund nicht in der Einrichtung angetroffen werden konnte. Ein Platz in einer Bereitschaftspflegestelle stehe nunmehr zur Verfügung. Daraufhin habe die Klägerin beteuert, L. in der Wohngruppe bei eigener Anwesenheit − und wenn sie selbst zu Hause sei − bei sich zu Hause zu betreuen, was im Rahmen einer Beurlaubung von L. doch möglich sein müsse.
Mit E-Mail vom 2. Februar 2017 erklärte die Klägerin gegenüber dem Jugendamt des Beklagten, nachdem dieses telefonisch deren Bereitschaft, sich als Pflegeperson anerkennen zu lassen, abgefragt hatte, dass das Kind seit nunmehr acht Monaten „nach § 34 SGB VIII kontinuierlich“ mit ihr selbst „als Hauptbezugsperson in einem kleinen, überschaubaren, familiennahmen Rahmen (Erziehungsstelle)“ betreut werde. Es liege ihr fern, „noch zusätzlich die Hilfeleistung nach § 33 SGB VIII in [ihre] Angebotsstruktur mit aufzunehmen und/oder als Privatperson das notwendige Prüfungsverfahren einzuleiten“.
Die von der Klägerin auf Basis der Vereinbarung gemäß § 78b SGB VIII gestellten Rechnungen beglich der Beklagte ab Übergabe des Kindes und bis einschließlich Februar 2017 (mit Ausnahme des Monats Oktober 2016).
Mit Beschluss des Amtsgericht Zehdenick vom 7. Februar 2017 wurde der ständige Aufenthalt des Kindes L. „im Haushalt der weiteren Beteiligten, 2 “ bestimmt. In der dem Termin vorhergehenden Anhörung − die Kindeseltern hatten den Antrag auf Unterbringung bei der Klägerin als Pflegemutter gestellt −, wurde mit dem zuständigen Richter, den Kindeseltern, einer Vertreterin des Jugendamtes sowie dem Verfahrensbeistand des Kindes besprochen, dass das Kind nur dann bei der Klägerin bleibe könne, wenn sie bereit wäre, Pflegemutter zu werden. Ausweislich einer Aktennotiz stieß die Klägerin erst gegen Ende des Gesprächs hinzu.
In einem Gespräch im Jugendamt des Beklagten vom 8. März 2017 wurde der Klägerin verdeutlicht, dass aus Sicht des Jugendamtes „die Hilfe gemäß § 34 SGB VIII mit Posteingang des Beschlusses“ ende. Ausweislich der Aktennotiz bekräftigte die Klägerin zum einen, nicht als Pflegemutter zur Verfügung zu stehen; zum anderen erkundigte sie sich nach der örtlichen Zuständigkeit im Fall der Hilfe nach § 33 SGB VIII und bemerkte, dass die Konditionen für Pflegegeld im Landkreis (in dem sich ihr Wohnsitz befindet) schlechter seien als im Landkreis (in dem die „“ belegen ist). Sie verlautbarte, dass das Jugendamt es doch auch bislang geduldet habe, dass L. in ihrem Privathaushalt lebe. Daraufhin sei vom Jugendamt klargestellt worden, dass der Klägerin in der Vergangenheit verdeutlicht worden sei, dass die Betreuung in der Wohngruppe in erfolgen müsse. Gegen Ende des Gesprächs hatte die Klägerin dem Protokoll zufolge zugesagt, sich binnen einer Woche zu überlegen, ob sie das Kind weiter betreuen wolle.
Eine entsprechende Rücksprache ist nach Aktenlage nicht erfolgt. Vielmehr lehnte es das Jugendamt des Beklagten seither ab, die von der Klägerin gestellten Rechnungen zu begleichen. Der Rechnungsbetrag beläuft sich auf insgesamt 47.537,63 Euro, wobei dieser sich aus 45.572,51 Euro für die Hilfe gemäß §§ 27, 34 SGB VIII für die Monate Oktober 2016 und März bis Dezember 2017, aus 1.640,12 Euro für Hilfe gemäß §§ 27, 31 SGB VIII für insgesamt 10 Monate im Zeitraum von November 2016 bis Dezember 2017 sowie um bestimmte Einmalzahlungen in Höhe von 325 Euro zusammensetzt. In der Einrichtung „“ sind im relevanten Zeitraum die Kinder L. C., K. M. und J. M. durchgehend, das Kind I.-A. bis April 2017, das Kind T.-A. bis Mai 2017 sowie das Kind L. Y. J. ab Juni 2017 betreut worden.
Aufgrund der Unklarheiten in der Umsetzung des mit amtsgerichtlichem Beschluss vom 7. Februar 2017 bestimmten Aufenthaltsortes des Kindes L., gab das Amtsgericht Zehdenick der Klägerin mit Beschluss vom 30. November 2017 auf, binnen drei Wochen ab Zugang der Entscheidung einen Antrag nach § 1630 Abs. 3 BGB – wonach auf Antrag Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen werden – zu stellen, oder verbindlich zu erklären, einen solchen Antrag nicht zu stellen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 16. Januar 2018 ist der Klägerin schließlich gemäß § 1630 Abs. 3 BGB auf ihren Antrag hin die elterliche Sorge übertragen worden.
Vorgerichtlich ist der Klägerin von dem Beklagten im Januar 2018 in einem Gespräch – und nochmals mit Schreiben vom 18. Mai 2018 an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin – angeboten worden, Aufwendungen in Höhe von 6.853,15 Euro (sich zusammensetzend aus einem Sachaufwand, einschließlich Warmmietanteil sowie Bekleidungsgeld), zu erstatten. Dies lehnte die Klägerin ab; vielmehr mahnte sie die Zahlung der 47.537,63 Euro mehrfach an, u. a. mit Schreiben vom 5. April 2018.
Mit ihrer am 25. Juli 2018 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin meint, sie habe stets darauf hingewiesen, dass sie nur dann bereit sei, die Betreuung von L. zu übernehmen, wenn diese auf Basis des § 34 SGB VIII erfolge und entsprechend vergütet werde. Das Jugendamt des Beklagten habe, obgleich dies bekannt war, L. weiter bei ihr belassen. L. habe sich angesichts ihres Alters regelmäßig dort aufgehalten, wo sie, die Klägerin, auch selbst gewesen sei; aufgrund ihrer Tätigkeit sei dies − mit Ausnahme der Übernachtungen − in der Einrichtung „“ in gewesen. Seit Juli 2015 sei eine Frau N., die zu diesem Zeitpunkt mit vier Geschwisterkindern eingezogen sei, innewohnende Person in der Einrichtung gewesen. Gegenüber Frau N. habe sie mit Wirkung zum 1. April 2017 die Kündigung ausgesprochen; sei selbst sei von diesem Zeitpunkt an bis zum Juni 2018 innewohnende Person gewesen. In dieser, den relevanten Zeitraum umfassenden Zeit habe L. daher bei ihr in der Einrichtung gelebt. Schon deshalb wäre eine parallele Tätigkeit als Pflegefamilie gemäß § 33 SGB VIII nicht in Betracht gekommen. Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltsvergütung ergebe sich aufgrund des Verzugs des Beklagten mit der Zahlung der geltend gemachten Beträge.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 47.537,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2018 zu zahlen.
2. den Beklagten zu verurteilen, 923,38 Euro außergerichtliche Anwaltsvergütung nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juli 2018 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für eine Vergütung nach § 34 SGB VIII lägen spätestens seit März 2017 nicht mehr vor. Die Leistung sei nicht gemäß der Leistungsvereinbarung erbracht worden, beispielsweise auch nicht mit dem vorgesehenen Stellenschlüssel. Nur vor dem Hintergrund, dass zukünftig eine Betreuung durch die Klägerin als Pflegeperson stattfinden werde, sei in dem Termin vor dem Amtsgericht Zehdenick vom 7. Februar 2017 der Aufenthaltsort des Kindes auf den privaten Haushalt der Klägerin bestimmt worden. Am 8. März 2017 habe der Beklagte der Klägerin nochmals mitgeteilt, dass zukünftig − auch in Umsetzung des Beschlusses des Amtsgerichts − eine Betreuung von Lara nur noch im Privathaushalt der Klägerin in Betracht komme; dies könne rechtlich nur durch eine Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII umgesetzt werden.
Eine Erstattung des Sachaufwandes − wie noch im Anfang 2018 angeboten − lehnt der Beklagte inzwischen ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten (1 Hefter, Bl. 1 − 384) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Klage, über die gemäß § 87a Abs. 2, 3 VwGO im Einverständnis der Beteiligten die Berichterstatterin anstelle der Kammer entscheidet, hat hinsichtlich des Antrags zu 1. teilweise, hinsichtlich des Antrags zu 2. hingegen keinen Erfolg.
Der Antrag zu 1. ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Die Zahlung der begehrten Summe verlangt keinen vorgeschalteten Verwaltungsakt.
Er ist aber nur teilweise begründet. Die Klägerin hat im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang einen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten.
1. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des geltend gemachten Betrages ergibt sich nicht aus § 78b Abs. 1 SGB VIII.
Nach dieser Vorschrift ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme des Entgelts gegenüber dem Leistungsberechtigten verpflichtet, wenn die Leistung in einer Einrichtung erbracht wird und wenn mit dem Träger der Einrichtung Vereinbarungen zu Leistung, Entgelt und Qualitätsentwicklung getroffen worden sind.
Zwar ist zwischen dem Jugendamt des Beklagten und der Klägerin für die Einrichtung „ ‚‘“ am 25. Juni 2015 eine solche Vereinbarung, welche die in § 78b Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 SGB VIII genannten Anforderungen erfüllt, getroffen worden.
Allerdings ist die Klägerin für den Anspruch aus § 78b SGB VIII nicht aktivlegitimiert. Inhaber des Anspruchs aus § 78b SGB VIII auf Übernahme des Entgelts ist allein der Leistungsberechtigte, dem gegenüber der Träger der öffentlichen Jugendhilfe den Sozialleistungsanspruch zu erfüllen hat, vorliegend also das Kind L.; der Anspruch auf Übernahme des Entgelts ist aber nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgesetzbuchs - Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) abtretbar.
vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993 - 5 C 41/90 -, juris, Rn. 15; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 78b Rn. 6.
Allerdings ist eine Abtretung des Anspruchs hier nicht erfolgt. Weder hat der Fachbereich Jugend des Beklagten, der mit Beschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 7. Juni 2016 Inhaber der elterlichen Sorge war, die Abtretung an die Klägerin erklärt. Noch ist eine solche durch die Klägerin selbst, die seit dem Beschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 16. Januar 2018 Inhaberin der elterlichen Sorge ist, vorgenommen worden; ein solches Rechtsgeschäft hätte zudem gemäß § 181 BGB der Genehmigung eines zu bestellenden Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 BGB bedurft.
Davon abgesehen ist dem Kind L. zwar eine einzelfallbezogene Leistung, nämlich mit Bescheid vom 20. Juni 2016 die Heimerziehung bzw. sonstige betreute Wohnform gemäß §§ 27, 34 SGB VIII bewilligt worden. Die Klägerin hat allerdings keine Leistung im Sinne des § 78b Abs. 1 SGB VIII erbracht, bezüglich derer L. die Übernahme des Entgelts beanspruchen könnte. Anknüpfend an den Leistungskatalog des § 78a SGB VIII gilt die Regelung des § 78b SGB VIII nur für die dort aufgeführten Leistungen, so gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b) SGB VIII für die Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer sonstigen betreuten Wohnform (§ 34 SGB VIII). Die Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII − als alternative Form der stationären Hilfe − ist in § 78a SGB VIII hingegen nicht aufgeführt. Davon, dass die Erziehung des Kindes in einer Einrichtung stattgefunden hat, ist hier aber unter Würdigung aller Umstände nicht auszugehen; vielmehr ist L. von der Klägerin persönlich in einer Weise betreut worden, wie es dem Bild einer durch eine Pflegeperson zu erbringenden Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) entspricht.
Die Heimerziehung, d. h. die Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht, vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kind auf kürzere oder längere Zeit seinen Lebensmittelpunkt in einer Einrichtung außerhalb der eigenen Familie hat und seine Betreuung und Erziehung in einer Gruppe untereinander nicht verwandter Kinder durch Personen erfolgt, die mit ihnen nicht verwandt sind und die ihre Aufgabe als Beruf ausüben. Demgegenüber wird die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII „in einer anderen Familie“ geleistet, wobei der Begriff „Familie“ in diesem Kontext rein funktional zu verstehen ist und der Abgrenzung zu institutionellen Hilfeformen, die nicht zwingend an bestimmte Personen gebunden sind, dient. Mit dem Begriff Familie ist daher in erster Linie ein „privater Haushalt“ außerhalb des Elternhauses gemeint, der weder eigene Kinder der Pflegeperson noch die Existenz eines „Pflegeelternpaares“ voraussetzt. Dem entsprechend definiert § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII die die Vollzeitpflege erbringende Person als denjenigen, der ein Kind oder Jugendlichen über Tag und Nacht in seinem Haushalt aufnehmen will.
vgl. Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 8 und § 33 Rn. 21.
Allerdings überschneiden sich beide Formen der stationären Hilfe in Grenzbereichen, da die Heimerziehung nach § 34 SGB VIII in zunehmendem Maße familienähnlich ausgestaltet ist, während andererseits Pflegeeltern im Sinne von § 33 SGB VIII, vor allem in Anwendung von dessen Satz 2, in höherem Maße fachlich vorgebildet sind. Deshalb stellt das Zusammenleben von betreuender Person und betreutem Kind in einem Haushalt allein kein ausreichendes Kriterium dar, um abgrenzen zu können, ob eine Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII oder eine Heimerziehung nach § 34 SGB VIII vorliegt. Entscheidend ist vielmehr, ob das zu betreuende Kind an die betreuende Person selbst vermittelt wurde, die deshalb umfassend allein persönlich verantwortlich ist – dann ist von einer Vollzeitpflege im Sinne von § 33 SGB VIII auszugehen – oder ob das Kind nicht unmittelbar an die betreuende Person vermittelt wurde und ob Verantwortung daher in einem formalen Zusammenhang wahrgenommen bzw. mit anderen geteilt wird und angesichts des organisatorischen Hintergrundes gegebenenfalls unabhängig von der betreuenden Person weiterbestehen würde – dann ist vom Vorliegen einer Heimerziehung im Sinne von § 34 SGB VIII auszugehen. Ergänzend bzw. indiziell soll für die Frage der Abgrenzung zu berücksichtigen sein, ob eine Hilfe nach § 33 SGB VIII oder aber nach § 34 SGB VIII bewilligt wurde, ob für die Betreuung des Kindes Leistungen nach § 39 SGB VIII, insbesondere in Form von Pauschalbeträgen, unmittelbar an die betreuende Person erbracht werden oder aber dafür ein mit dem Träger der Einrichtung vereinbartes Entgelt im Sinne von §§ 78a ff. SGB VIII an diesen gezahlt wird sowie ob der betreuenden Person für das betreute Kind eine Erlaubnis zur Vollzeitpflege gemäß § 44 SGB VIII oder aber einem Einrichtungsträger unabhängig von der Person des konkret betreuten Kindes eine Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung gemäß § 45 SGB VIII, gegebenenfalls i.V.m. § 48a SGB VIII, erteilt wurde.
Vgl. zum Ganzen: OVG Koblenz, Urteil vom 24. Oktober 2008 - 7 A 10444/08 -, juris, Rn. 34 mit weiteren Nachweisen.
Anhand dieses Maßstabs ist hier davon auszugehen, dass das Kind L. im maßgeblichen Zeitraum nicht in einer Einrichtung untergebracht gewesen ist.
Zwar sprechen die „ergänzenden“ Abgrenzungskriterien für eine Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII. Denn mit Bescheid vom 20. Juni 2016 ist L. die Hilfe zur Erziehung gemäß § 34 SGB VIII bewilligt worden. Auch ist von dem Beklagten für den Zeitraum seit Inobhutnahme des Kindes und bis Februar 2017 (mit Ausnahme des Monats Oktober 2016) das mit dem Träger der Einrichtung „“ − d. h. der Klägerin − gemäß der Vereinbarung nach § 78b SGB VIII verabredete Entgelt gezahlt worden. Zudem ist der Klägerin als Trägerin mit Bescheid vom 19. Juni 2015 für die familienanaloge Wohngruppe „“ eine Erlaubnis für den Betrieb Einrichtung gemäß § 45 SGB VIII erteilt worden.
Allerdings ist bereits zweifelhaft, ob das Kind seinen Lebensmittelpunkt − als wesentliches Unterscheidungsmerkmal − in der Einrichtung gehabt hat, was den Verbleib dort in der überwiegenden Anzahl der Nächte einschließt. Es hat − selbst wenn der Vortrag der Klägerin, sie habe ab April 2017 in der Einrichtung übernachtet, als zutreffend unterstellt wird − eine relevante Anzahl von Nächten, nämlich seit der Inobhutnahme Ende Mai 2016 im Haushalt der Klägerin im von der Einrichtung in circa 50 Minuten Autofahrt entfernten verbracht. Dass L. im Oktober 2016 und im März 2017 − einen Wechsel der Unterbringungsform trägt die Klägerin gerade nicht vor − vom Aufenthalt in der Einrichtung beurlaubt gewesen wäre, was der Vormund hätte genehmigen müssen, ist nicht ersichtlich.
Davon abgesehen steht jedenfalls auf Basis des bei Abgrenzungsschwierigkeiten maßgeblichen Kriteriums − nämlich an wen das Kind vermittelt worden ist und wer die Verantwortung für das Kind übernommen hat − fest, dass es sich um die Klägerin persönlich, und nicht um die Klägerin als Trägerin der „“ gehandelt hat. Zwar weisen die Umstände der Vermittlung noch nicht eindeutig in diese Richtung. Denn einerseits ist das Kind L. laut Inobhutnahmebescheid vom 25. Mai 2016 „(vorläufig) bei einer geeigneten Person untergebracht“ worden (und gerade nicht „in einer geeigneten Einrichtung oder sonstigen Wohnform“). Andererseits ist L. mit Bescheid vom 20. Juni 2016 die Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer sonstigen Wohnform bewilligt worden. Dies dürfte maßgeblich darauf beruht haben, dass die eigentlich erwünschte Unterbringungsform − die Vollzeitpflege zunächst durch eine Bereitschaftspflegefamilie − im Zeitpunkt der Inobhutnahme nicht zur Verfügung gestanden hat; gleichzeitig hat die Klägerin angegeben, Kapazität zu haben, während sie stets − jedenfalls der Rechtsgrundlage nach − auf eine Unterbringung in Form der Heimerziehung in der Einrichtung „“ bestanden hat. Der Sache nach ergibt sich jedoch das Bild der Übergabe des Kindes an die Klägerin persönlich. Dies wird deutlich bei der Frage der Verantwortungsübernahme für das Kind. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Verantwortung für L. gerade nicht in einem formalen Zusammenhang wahrgenommen bzw. mit anderen geteilt worden ist. Im Zusammenhang mit der Unterbringung und Erziehung von L. ist an keiner Stelle von einem Erzieher bzw. einer Erzieherin der „“ die Rede; vielmehr trägt die Klägerin gerade vor, dass sich L. angesichts ihres Alters regelmäßig dort aufgehalten habe, wo sie selbst gewesen sei. Es scheint ausgeschlossen, dass die Betreuung von L. „angesichts des organisatorischen Hintergrundes“ der Einrichtung unabhängig von der Klägerin weiterbestanden haben würde.
Darüber hinaus spricht gegen die Unterbringung von L. in der „“, jedenfalls im vorgesehenen Rahmen, dass ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung die Einrichtung im relevanten Zeitraum durchgehend stets mit wenigstens vier (anderen) Kindern belegt war, während die Betriebserlaubnis vom 19. Juni 2015 für lediglich vier Plätze erteilt worden ist. Zudem war die „“ ausweislich der Leistungsbeschreibung für Kinder zwischen 8 und 18 Jahren konzipiert, das heißt nicht auf die besonderen Bedürfnisse von Säuglingen ausgerichtet. Diese zusätzlichen Indizien stützen das Ergebnis, dass L. nicht in der „“, jedenfalls nicht im in der Leistungsvereinbarung gemäß § 78b SGB VIII vorgesehenen Rahmen, betreut worden ist, sondern vielmehr durch die Klägerin persönlich nach Art einer Pflegemutter.
Da die Leistung „Heimerziehung bzw. sonstige betreute Wohnform“ erbracht worden ist, hat L. auch keinen Anspruch auf Übernahme des Entgeltes, wie es zwischen der Klägerin und dem Beklagten in der Entgeltvereinbarung gemäß § 78b SGB VIII vom 25. Juni 2015 vereinbart worden ist.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des geltend gemachten Betrages ergibt sich auch nicht unmittelbar aus der Entgeltvereinbarung vom 25. Juni 2015. Abgesehen davon, dass die Klägerin keine Leistung, wie in der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Leistungsvereinbarung vorgesehen (s. o. 1.), erbracht hat, lässt sich der Vereinbarung auch ein dahingehender, eine unmittelbare Zahlungspflicht im einzelnen Hilfefall auslösender Bindungswille – ungeachtet der Tatsache, dass eine Zustimmung des Leistungsberechtigten erforderlich wäre, zu dessen Sozialleistungsanspruch die Kostenzusage akzessorisch ist,
vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 78b Rn. 6,
– nicht entnehmen.
Dass der Beklagte mit der Klägerin für den Fall des Kindes L. individuell eine Vereinbarung mit entsprechender unmittelbarer Zahlungsverpflichtung abgeschlossen hat bzw. dass er individuell für die Betreuung des Kindes L. in der Einrichtung „“ die Kostenübernahme gegenüber der Klägerin erklärt hat,
vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 29. Januar 2013 - 3 A 206/12 -, juris, Rn. 51,
ist nicht ersichtlich. Dies ist auch nicht etwa konkludent – durch Begleichung der im Jahre 2016 von der Klägerin gestellten Rechnungen – erklärt worden; vielmehr hat der Beklagte ab Februar / März 2017 mehrfach ausdrücklich erklärt, das in der Entgeltvereinbarung für in der Einrichtung betreute Hilfefälle verabredete Entgelt nicht mehr zu entrichten.
3. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung besteht auch nicht gemäß § 39 SGB VIII.
Nach dieser Vorschrift ist, wenn Hilfe u. a. nach §§ 32 bis 35 SGB VIII gewährt wird, auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen; er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes.
Auch für diesen Anspruch ist die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Zwar ist in § 39 SGB VIII der Anspruchsberechtigte nicht ausdrücklich angegeben. Allerdings geht die Rechtsprechung davon aus, dass Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht sind. Leistungen, die − wie die Leistungen zum Unterhalt − die Hilfe zur Erziehung ergänzen sollen, stehen deshalb bei Fehlen einer anderweitigen ausdrücklichen Zuweisungsnorm ebenfalls den Personensorgeberechtigten zu. Es handelt sich um einen sogenannten Annex-Anspruch zu dem in § 27 Abs. 1 SGB VIII geregelten Anspruch auf Hilfe zur Erziehung.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 1996 - 5 C 31.95 - juris, Rn. 13; vom 04.09.1997 - 5 C 11.96 - juris, Rn. 9; ebenso u. a.: OVG Münster, Urteil vom 25. April 2001 - 12 A 924/99 -, juris, Rn. 9.
Da dieser in der Person des Beklagten − im streitbefangenen Zeitraum war Vormund dessen Fachbereich Jugend − entstanden ist, steht er der Klägerin nicht zu.
Vgl. zur − unproblematischen − Doppelfunktion des Jugendamtes als Vormund und Sozialleistungsbehörde: OVG Münster, Urteil vom 25. April 2001 - 12 A 924/99 -, juris, Rn. 20 f. mit weiteren Nachweisen.
4. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung besteht auch nicht gemäß § 39 SGB VIII i. V. m. einem Pflegevertrag.
Zwischen der Klägerin als faktischer Pflegeperson, die für die Aufnahme eines Kindes über Tag und Nacht in ihren Haushalt gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII einer Erlaubnis möglicherweise nicht bedurfte hätte und dem Jugendamt als im streitbefangenen Zeitraum Personensorgeberechtigtem ist kein Pflegevertrag oder eine sonstige rechtsgeschäftliche Vereinbarung geschlossen worden, mittels derer der Klägerin die Befugnis zur Geltendmachung des Anspruchs nach §§ 27, 33, 39 SGB VIII übertragen worden ist. Zwar hat die Klägerin das Kind L. rein tatsächlich bei sich aufgenommen; allerdings ist ein Pflegevertrag, der zivilrechtlicher Natur wäre, nicht, auch nicht konkludent, geschlossen worden, da die Klägerin sich hiergegen stets verwahrt hat (vgl. § 154 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).
5. Es besteht aber – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer im Zusammenhang mit der Betreuung von L. getätigten Aufwendungen. Dieser ergibt sich entweder aus § 683 BGB analog als Aufwendungsersatzanspruch im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (s. u. a) oder – alternativ – jedenfalls aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (s. u. b).
a) Gemäß § 683 BGB, der im öffentlichen Recht entsprechende Anwendung findet, kann derjenige, der ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt zu sein (vgl. § 677 BGB), wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht.
Dass hier ein zumindest auch-fremdes Geschäft geführt worden ist, könnte auf Basis einer Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2005 nahe liegen, in der ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe aufgrund einer (rechtswidrigen) Anordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB verpflichtet worden war, Maßnahmen gemäß §§ 27, 34 SGB VIII fortzuführen,
vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 26. Oktober 2005 - 5 B 926/04 -, juris, Rn. 26 ff.
Damit vergleichbar ist vorliegend mit Beschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 7. Februar 2017 der ständige Aufenthalt des Kindes L. auf den privaten Haushalt der Klägerin bestimmt worden, während gleichzeitig seit dem Beschluss desselben Amtsgerichts vom 7. Juni 2016 der Fachbereich Jugend des Beklagten Inhaber der Personensorge für das Kind war. Deshalb könnte anzunehmen sein, dass die Klägerin mit der Aufnahme von L. in ihren Haushalt über Tag und Nacht ein jedenfalls auch-fremdes Geschäft geführt. Ein entsprechender Fremdgeschäftsführungswillen dürfte vorgelegen haben, denn die Klägerin hat die Betreuung sowohl in dem Bewusstsein, dass die Sorge für das Kind dem Jugendamt obliegt als auch mit dem Willen, das Kind für das Jugendamt zu betreuen, ausgeführt. Hierfür war die Klägerin nicht beauftragt, denn die Betreuung von L. durch die Klägerin war gerade nicht durch ein die Betreuung des Kindes L. regelndes Vertragsverhältnis untersetzt (s. o. 4.) Dabei dürfte die Übernahme der Geschäftsführung auch dem Willen des Geschäftsherrn entsprochen haben, denn der Beklagte hat das Kind L. im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung vermittelt und hat, jedenfalls ab Februar / März 2017, unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass er eine Betreuung des Kindes durch die Klägerin als Pflegeperson wünscht. Davon abgesehen dürfte die Betreuung des Kindes durch die Klägerin auch im öffentlichen Interesse gelegen haben, vgl. §§ 683 Satz 2, 679 BGB.
Sollte eine echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen, bestünde ein Anspruch der Klägerin wie eine Beauftragte Ersatz ihrer Aufwendungen, d. h. der freiwilligen Vermögensopfer zum Zweck der Geschäftsführung, zu verlangen. Zugrunde zu legen wäre hier der Sachaufwand wie ihn der Beklagte selbst im Schreiben vom 18. Mai 2018 an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in Höhe von 6.853,15 Euro beziffert hat. Einen darüber hinaus gehenden höheren Betrag – der sich etwa an dem monatlichen Pflegegeld, das der Landkreis für die Vollzeitpflege zahlt und mit dem zusätzlich zum Sachaufwand noch Kosten für die Pflege und Erziehung in Höhe von monatlich ca. 240 Euro abgegolten werden (vgl. Beschluss Nr. 5/JHA/084 des Jugendhilfeausschusses des Landkreises Oberhavel vom 23. November 2016, online abrufbar unter: https://www.oberhavel. de/B%C3%BCrgerservice/Kinder-Jugend-und-Familie/Angebote-f%C3%BCr-Tr%C3%A4ger-und-Fachkr%C3%A4fte/Wirtschaftliche-Jugendhilfe), orientiert –, könnte die Klägerin nicht beanspruchen. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass für den „professionellen“ Geschäftsführer in Analogie zu § 1835 Abs. 3 BGB als Aufwendungen alle Dienste gelten, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehören. Auch ist die Klägerin als Diplom-Sozialpädagogin für die Erbringung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe ausgebildet. Allerdings war sie im relevanten Zeitraum nicht nur Trägerin der familienanalogen Wohngruppe „“, sondern trägt zudem vor, dass sie selbst seit April 2017 die nach der Betriebserlaubnis vom 19. Juni 2015 erforderliche innewohnende Person in der Einrichtung gewesen sei, die in diesem Zeitraum nach Angaben der Klägerin durchgehend mit vier Kindern / Jugendlichen – das heißt gemessen an der Erlaubnis maximal – belegt gewesen ist. Dies schließt eine parallele professionelle Tätigkeit als Pflegeperson – zumal für ein circa einjähriges Kind – aus. Gleichzeitig hat die Klägerin sich stets dagegen verwahrt, als Pflegemutter für L. tätig zu sein; das tatsächlich bestehende Verhältnis rechtlich abzusichern, scheiterte an ihrer Weigerung.
Auf Grundlage einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 1993 könnte allerdings Zweifeln unterliegen, ob eine für den Aufwendungsersatzanspruch aus § 683 BGB erforderliche Fremdgeschäftsführung in Fällen wie dem vorliegenden − aller Umstände des Einzelfalls ungeachtet − überhaupt vorliegen kann. Denn nach dieser Entscheidung − das Gericht hat im Ergebnis einen Zahlungsanspruch aus abgetretenem Recht angenommen − nimmt ein privater Träger einer Einrichtung, der die von einem öffentlichen Träger der Jugendhilfe geschuldete Sach- und Dienstleistung der erzieherischen Hilfe erbringt, deshalb kein Geschäft des öffentlichen Trägers wahr, weil die tatsächliche Betreuung ohne Absicht der eigenen Kostentragung durch den Privaten den Jugendhilfeanspruch gerade noch nicht erfülle, weshalb das Kind bzw. der Jugendliche weiterhin auf Hilfe angewiesen sei.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993 - 5 C 41/90 -, juris, Rn. 9 f.; im Anschluss daran: OVG Saarlouis, Urteil vom 29. Januar 2013 - 3 A 206/12 -, juris, Rn. 73.
Die Frage, ob der Fall hier im Anschluss an die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts aufgrund der gerichtlichen Aufenthaltsbestimmung auf den Haushalt der Klägerin bei gleichzeitigem Sorgerecht des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe ausnahmsweise anders zu entscheiden ist, kann hier unbeantwortet dahinstehen, da der Klägerin (alternativ) jedenfalls ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in gleicher Höhe zusteht.
b) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es sich bei dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch um ein aus den Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts handelt, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, grundsätzlich denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (§§ 812 ff. BGB) entsprechen. Funktion des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist es, eine dem materiellen Recht nicht entsprechende Vermögensverschiebung zu korrigieren,
vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2008 - 5 C 25.07 -, juris, Rn. 13 = BVerwGE 131, 153 mit weiteren Nachweisen; s. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. September 2016 - OVG 6 B 87.15 -, juris, Rn. 25.
Wer unberechtigt einen Vermögenvorteil erlangt hat, muss ihn an denjenigen herausgeben, dem die Rechtsordnung den Vorteil zuweist. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte dadurch, dass die Klägerin das Kind L. betreut hat, was ihm – da sein Fachbereich Jugend Vormund des Kindes war −, und sei es durch die Beauftragung Dritter, oblegen hätte, auf Kosten der Klägerin Aufwendungen erspart. Ein rechtlicher Grund hierfür ist nicht gegeben ist, weshalb die Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 6.853,15 Euro zu ersetzen sind.
Ein Anspruch auf die Zahlung von Verzugszinsen seit dem 1. Mai 2018 entsprechend § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht für diesen Anspruch nicht. Ein Anspruch auf Verzugszinsen kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn es sich bei der öffentlich-rechtlichen Forderung um eine Entgeltforderung handelt, das heißt um eine vertragliche Leistungspflicht, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht, wozu weder ein Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag noch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zählt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1989 - 7 C 42/87 -, juris, Rn. 14 = BVerwGE 81, 312.
Davon abgesehen liegt ein Verzug im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vor. Mit ihrem Mahnschreiben vom 5. April 2018 hat die Klägerin der Art und Höhe nach eine gänzlich andere Forderung geltend gemacht, weshalb der Beklagte durch Nichtleistung nicht in Verzug geraten konnte.
Die geltend gemachten Zinsen stehen der Klägerin allerdings als Prozesszinsen seit dem 25. Juli 2018 in entsprechender Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu,
vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, 25. Aufl. 2019, § 90 Rn. 22.
Der Antrag zu 2. ist zwar zulässig, er ist allerdings unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Verzugsschadens in Form der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie weitergehender, darauf entfallender Zinsen. Zwar mag, jedenfalls soweit ein Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung inmitten steht, die entsprechende Anwendbarkeit von § 286 BGB im Falle der vorgerichtlichen Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Verfolgung des Aufwendungsersatzanspruchs nicht gänzlich ausgeschlossen sein. Allerdings scheitert das Bestehen auch eines solchen Verzugsschadensersatzanspruchs daran, dass eine wirksame Mahnung nicht vorliegt, denn die Mahnung bezog sich nach Forderungsgrund und Forderungshöhe auf eine nicht geschuldete Leistung,
vgl. Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 286 Rn. 53.
Die Kostenentscheidung für das gemäß § 188 VwGO gerichtskostenfreie Verfahren folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Nebenentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Ein Grund für die Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor.