Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.11.2018 | |
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Aktenzeichen | 10 Ta 1603/18 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2018:1101.10TA1603.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 48 ArbGG, § 17a Abs 4 GVG |
Für die Rückforderung eines Darlehens, das eine Kirche als Körperschaft öffentlichen Rechts an einen Studenten gezahlt hatte, während er sich mit dem Studium in der Anbahnung eines beamtenähnlichen Dienstverhältnisses befand, ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben.
I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 13./14. Juni 2018 - 60 Ca 6397/18 - wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten der sofortigen Beschwerde bei einem Beschwerdewert von 7.733,33 EUR.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
In der Sache streiten die Parteien über die restliche Rückführung von Darlehensleistungen in Höhe von noch 23.200,00 EUR nebst Zinsen, die die Klägerin dem Beklagten geleistet hatte.
Die Klägerin ist eine Kirche, zugleich eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Sie verfügt über eine Kirchenverfassung und eine Kirchenordnung.
Der am … 1973 geborene Beklagte stand vom 1. Oktober 1996 bis 31. August 1997 in einem „Praktikantenverhältnis“ zur Klägerin. Danach nahm der Beklagte mit einer Unterbrechung von einem Monat am 1. Oktober 1997 ein Studium am Theologischen Seminar (jetzt Theologische Hochschule) R. auf und schloss dieses bis zum 20. Juli 2001 ab. Vom 21. Juli 2001 bis 30. April 2006 absolvierte der Beklagte in den USA ein weiterführendes Studium. Seit dem 1. Mai 2006 war der Beklagte sodann bei der Klägerin als Pastor auf Probe eingesetzt. Mit Ablauf des 30. November 2007 endete das (beamtenähnliche) Dienstverhältnis zwischen den Parteien.
Während des Studiums in den USA gewährte die Klägerin dem Beklagten in den Jahren 2004 und 2006 mehrere Darlehen, deren Rückzahlung den Streitgegenstand dieses Verfahrens darstellen. Dass die Darlehen im Zusammenhang mit dem Studium in den USA gewährt wurden, ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit „Darlehensvertrag/Verpflichtungserklärung“ vom 17. Juli 2004 verpflichtete sich die Klägerin, dem Kläger einen Zuschuss in Höhe von 11.250,00 EUR und ein zinsloses Darlehen in Höhe von 22.216,30 EUR zu gewähren. Zur Absicherung der Darlehensforderung wurde eine Lebensversicherung an die Klägerin verpfändet. In Ziffer 3 dieser Vereinbarung war vereinbart, dass das Darlehen ab Dienstaufnahme je am 1. eines Monats in Höhe von 200,00 EUR zu tilgen sei. Weiter war in Ziffer 3 Abs. 2 geregelt:
Bei einem Ausscheiden des Antragstellers aus dem Studiengang in den USA oder dem Dienst der Evangelisch-methodistischen Kirche ist das (Rest-)Darlehen in einer Summe zurückzuzahlen.
In einer undatierten Vereinbarung aus dem Jahre 2006 haben die Parteien vereinbart, dass die Klägerin an den Beklagten „ein weiteres Darlehen“ in Höhe von 15.000,00 EUR gebe. Weiter ist dort geregelt:
Der bestehende Darlehensvertrag/Verpflichtungserklärung vom 17.7.2004 bleibt hiervon unberührt. … Die Laufzeit des Darlehens endet mit dem 15.12.2006 und wird zinslos gewährt.
Die Klägerin hält den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben, denn es handele sich um eine Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer um Nachwirkungen aus einem Arbeitsverhältnis. In der Sache gehe es um die Rückzahlung von Kosten, die der Finanzierung der Ausbildung gedient hätten. Dieses Arbeitsverhältnis habe die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. November 2007 umfasst. Die davorliegende Zeit von 1997 bis 2006 sei als Ausbildungs- und Angestelltenverhältnis nach den kirchenrechtlichen Bestimmungen zu begreifen.
Der Beklagte hält den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht als gegeben. Während des Studiums in den USA bzw. zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung habe zwischen den Parteien kein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis bestanden, sondern nur die Absicht, dass der Beklagte nach Abschluss des Studiums bei der Klägerin als Pastor auf Probe eintrete.
Mit der Klägerinvertreterin am 25. Juni 2018 zugestelltem Beschluss vom 13./14. Juni 2018 (in der Akte tauchen beide Daten auf) hat das Arbeitsgericht Berlin den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.
Die Parteien könnten nicht als Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 c ArbGG angesehen werden. Im Zeitraum vom 1. Oktober 1996 bis 30. April 2006 habe der Beklagte bei der Klägerin den Status eines Bewerbers für den Dienst als Lokalpastor, Diakon oder Ältester im Sinne der Kirchenordnung der Klägerin besessen. Während des Gesamtzeitraums habe der Beklagte für die Klägerin keine Arbeitsleistung erbracht und weder Arbeits- noch Ausbildungsvergütung erhalten. Eine Charakterisierung als Auszubildender im Sinne von § 10 Abs. 1 BBiG scheide aus. Vom 1. Mai 2006 bis 30. November 2007 habe der Beklagte in einem Dienstverhältnis als Pastor auf Probe gestanden. Das sei nach der Kirchenordnung der Klägerin als beamtengleiches Rechtsverhältnis zu verstehen. Da die Klägerin eine Körperschaft öffentlichen Rechts sei, die mit dem Beklagten später ein beamtengleiches Rechtsverhältnis unterhalten habe, seien die Darlehensverträge als öffentlich-rechtliche Verträge zu verstehen. Streit über Leistungsbeziehungen aus solchen Verträgen seien im Verwaltungsrechtsweg zu führen.
Auf die am 6. Juli 2018 bei dem Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Arbeitsgericht durch einen Nichtabhilfebeschluss vom 4. September 2018 daran festgehalten, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gegeben, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin sei unbegründet, weil der Rechtsstreit nicht als Streit um Nachwirkungen aus einem ehemals bestehenden Ausbildungsverhältnis verstanden werden könne. Es könne dahinstehen, ob in der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. August 1997 zwischen den Parteien ein Ausbildungsverhältnis im Sinne von § 10 Abs. 1 BBiG bestanden habe. Jedenfalls habe in der Zeit von Oktober 1996 bis April 2006 ein solches nicht bestanden. In dieser Zeit sei der Beklagte Student gewesen. Es könne auch sein, dass in dieser Zeit ein kirchenrechtliches Rechtsverhältnis bestanden habe. Dabei habe es sich aber weder um ein Arbeits- noch um ein Ausbildungsverhältnis gehandelt. Der Beklagte habe keine Berufsausbildung auf betrieblicher Ebene wahrgenommen. Eine Ausbildungsvergütung habe er in dieser Zeit nicht bezogen, die Darlehen der Klägerin könnten nicht als solche angesehen werden. Die etwaige Rückzahlungsschuld des Beklagten sei durch die vorzeitige Beendigung des beamtengleichen Rechtsverhältnisses entstanden. Dieses Rechtsverhältnis sei auch schon durch die vorhergehenden Darlehensvereinbarungen ausgestaltet gewesen. Deshalb sei insgesamt eine öffentlich-rechtliche Vertragslage anzunehmen. Streit über derartige Leistungsbeziehungen seien im Verwaltungsrechtsweg zu führen.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. September 2018 hat das Landesarbeitsgericht unter Heranziehung der kirchenrechtlichen Vorschriften und § 26 BBiG darauf hingewiesen, dass offen sei, ob das Studium des Beklagten quasi als „fortgesetztes Praktikum“, als Teil der Bewerbung zum ordinierten Dienst oder als etwas anderes anzusehen ist. Im ersten Fall wäre eher eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen anzunehmen, im zweiten Fall eher die der Verwaltungsgerichte, im dritten Fall die der ordentlichen Gerichte.
Die Klägerin führt zur weiteren Begründung ihrer Beschwerde aus, dass das Studium als „fortgesetztes Praktikum“, nämlich als Teil der Bewerbung zum ordinierten Dienst insgesamt anzusehen sei. Mit der Empfehlung der Bezirkskonferenz übernehme die Kirche die Verpflichtung den Studierenden am Theologischen Seminar auszubilden. Dies beinhalte die Verpflichtung, während des Studiums dem Studierenden durch die Dozenten und Beauftragte der Kommission für ordinierte Dienste alle möglichen fachlichen und seelsorgerischen Beratungen zuteilwerden zu lassen sowie dem Studierenden Kontakte zu den Jährlichen Konferenzen und den Pastoren zu verschaffen. Außerdem gewähre die Kirche dem Studierenden Unterricht am Theologischen Seminar sowie Kost und Wohnung. Darüber hinaus könne der Studierende, der keinen Beitrag zu diesen Kosten leisten könne, Anträge auf Zuschüsse stellen. Diese würden ggf. in Form von zinslosen Darlehen und verlorenen Zuschüssen gezahlt.
Der Kläger hat erklärt, dass das Studium zwar Voraussetzung für den Dienst bei der Klägerin ab 2006 gewesen sei, nicht aber das Praktikum. Die Voraussetzungen für den dienst bei der Klägerin habe der Beklagte bereits 2001 mit dem Abschluss des Studiums in R. erfüllt. Das Studium von 2001 bis 2006 sei ein weiterführendes nicht vorgeschriebenes gewesen. Insofern habe die Darlehensgewährung auch keinen weiteren Bezug zum späteren dienst bei der Klägerin gehabt. Aus Sicht des Beklagten sei für die hiesige Klage der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
II.
1.
Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 48 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 78 ArbGG, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und insgesamt zulässig, insbesondere frist- und formgerecht erhoben worden.
2.
In der Sache hat die sofortige Beschwerde aber keinen Erfolg. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht eröffnet. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass eine enge Verbindung zu dem späteren beamtenähnlichen Dienstverhältnis bestand.
2.1
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht eröffnet. Allein denkbar ist hier wie vom Arbeitsgericht zutreffend angenommen § 2 Abs. 1 Nr. 3c ArbGG. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen.
Voraussetzung dafür ist, dass der Beklagte als Arbeitnehmer der Beklagten anzusehen war bzw. die Klägerin ihm die Darlehen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis gewährt hat. Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes sind nach dessen § 5 Abs. 1 Satz 1 Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte. Unter „Berufsausbildung” nach § 5 Absatz 1 Satz 1 ArbGG sind zunächst alle Bereiche der Berufsbildung nach § 1 Absatz 1 BBiG zu verstehen (BAG vom 24. Februar 1999 – 5 AZB 10/98).
Ob während des Studiums des Beklagten die Anwendung des BBiG ausgeschlossen war, kann dahinstehen. Nach § 3 Abs. 2 BBiG gilt dieses Gesetz nicht für die Berufsbildung, die in berufsqualifizierenden oder vergleichbaren Studiengängen an Hochschulen auf der Grundlage des Hochschulrahmengesetzes (HRG) durchgeführt wird. Das HRG sieht in § 70 die staatliche Anerkennung für private und kirchliche Hochschulen vor. Das Theologische Seminar R. (später: „Theologische Hochschule R.“) wurde jedoch erst im Jahre 2005 staatlich anerkannt. Die Hochschule in den USA war auf keinen Fall entsprechend dem HRG staatlich anerkannt.
Berufsausbildung im Sinne des § 5 Absatz 1 Satz 1 ArbGG sind nach der Rechtsprechung des BAG auch nicht nur alle Bereiche der Berufsbildung nach § 1 Absatz 1 BBiG. Eine Beschäftigung zur Berufsausbildung liegt vielmehr auch vor, wenn der Betreffende aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen Arbeit leistet und dies außerhalb der betrieblichen Berufsbildung erfolgt. Auch wenn Studenten, deren Ausbildung nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen an einer Akademie und an einer betrieblichen Ausbildungsstätte stattfindet, nicht in den Geltungsbereich des BBiG fallen, können sie gleichwohl im Rahmen der betrieblichen Ausbildung zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt und deshalb Arbeitnehmer iSd. § 5 Absatz 1 Satz 1 ArbGG sein (BAG vom 27. September 2006 – 5 AZB 33/06). Der Beschäftigte muss sowohl nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 BBiG wie auch nach dem Wortlaut des § 26 Satz 1 BBiG (damals § 19 Satz 1 BBiG) allerdings „eingestellt“ sein. Der Beklagte hätte dem Weisungsrecht des Ausbildenden hinsichtlich des Inhalts, der Zeit und des Orts der Tätigkeit unterworfen sein müssen (vgl. BAG vom 15. April 2015 – 9 AZB 10/15).
Das war nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien jedoch zumindest während des Studiums in den USA nicht der Fall.
2.2
Statt des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ist, wie vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet, denn der Streit um die Rückforderung von Leistungen, die im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen „Subventionsverhältnisses“ gewährt wurden, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (BVerwG vom 30.05.2006 - 3 B 78/05). Dem entspricht auch das Rechtsverhältnis der Klägerin als Körperschaft öffentlichen Rechts mit dem Beklagten.
Die Kommission für ordinierte Dienste [Art. 634 der Verfassung, Lehre und Ordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche (VLO)] schlägt der Jährlichen Konferenz (Kapitel IV Abschnitt IX VLO) eine Person zum Studium an der Theologischen Hochschule R. (damals: Theologisches Seminar R.) vor. Beschließt die Jährliche Konferenz entsprechend, wird der Student während des Studiums nach Art. 312 VLO durch die Kommission für ordinierte Dienste begleitet. Art. 312 VLO ist überschrieben mit „Fortsetzung der Bewerbung“. Während dieser Begleitung wurden dem Beklagten von der Klägerin die Darlehen gewährt, so dass eine direkte Verbindung der Darlehensgewährung mit der Bewerbung des Beklagten für den Dienst bei der Klägerin gegeben ist. Das wurde auch in dem Darlehensvertrag vom 17. Juli 2004 deutlich, indem u.a. die vorzeitige Rückzahlung „bei einem Ausscheiden aus dem Dienst“ der Klägerin vorgesehen war. Damit haben beide Parteien deutlich gemacht, dass sie das Studium schon als Teil des Dienstes angesehen haben. Aufgrund der Verknüpfung mit Art. 312 VLO handelte es sich auch objektiv bereits um einen Teil des Dienstes bei der Klägerin. Durch die Bezeichnung des Darlehens aus dem Jahre 2006 mit „weiteres Darlehen“ haben die Parteien deutlich gemacht, dass auch dieses weitere Darlehen im Rahmen der Begleitung nach Art. 312 VLO gewährt wurde.
Da es eine enge Verknüpfung zwischen dem Ausbildungsverfahren nach der VLO und der Darlehensgewährung gab und die VLO die „Verfassung“ der Klägerin als öffentlich-rechtliche Körperschaft darstellt ist der Verwaltungsrechtsweg der zutreffende für die Rückzahlungsansprüche (vgl. auch BVerwG vom 27. Juni 1968 – II C 70.67).
III.
Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beschwerdewert war auf ein Drittel des Hauptsachestreitwertes festzusetzen (vgl. BAG, Beschluss vom 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08).
IV.
Mangels grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung bestand kein Anlass, die Rechtsbeschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG zuzulassen.