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(Keine Zusammenhangsklage bei Schadenersatzansprüchen des Betriebserwerbers gegen den Veräußerer und Vergütungsansprüchen eines Arbeitnehmers)


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer Entscheidungsdatum 27.04.2010
Aktenzeichen 7 Ta 556/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 2 Abs 3 ArbGG, § 17a GVG

Leitsatz

1. Die (Hilfs-)wider-)klage eines Betriebserwerbers gegen den Veräußerer wegen Schadensersatz steht nicht in einem Zusammenhang nach § 2 Abs. 3 ArbGG mit einer Klage des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt und Feststellung.

2. Die Hilfswiderklage, für die der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben ist, kann nach der Entscheidung über den Hauptantrag nach § 17 a GVG verwiesen werden (BAG 23.08.2001 - 5 AZB 20/01).

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 3 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. Februar 2010 – 35 Ca 21586/09 – wird auf ihre Kosten bei einem Verfahrenswert von 3.100,- € zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Klägerin, die zunächst Geschäftsführerin der Beklagten zu 1 war, mit Wirkung vom 01. November 2008 als Arbeitnehmerin bei der Beklagten zu 1 beschäftigt wurde, ob ein solches Arbeitsverhältnis nach einem Betriebsübergang von der Beklagten zu 1 oder 2 auf die Beklagte zu 3 übergegangen ist, über die Wirksamkeit von Kündigungen, die die Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 3 ausgesprochen haben sowie über Vergütungsansprüche der Klägerin. Mit einer Hilfswiderklage für den Fall ihres Unterliegens mit ihrem Abweisungsantrag in Bezug auf die gegen sie gerichtete Zahlungsklage der Klägerin, nimmt die Beklagte zu 3 die Beklagte zu 1 auf Schadensersatz in Anspruch. Den Schadensersatzanspruch begründet sie zunächst damit, die Beklagte zu 1 habe es unterlassen, ihr Auskunft über die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer zu erteilen sowie die Personalunterlagen der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer an sie herauszugeben; später mit der Behauptung, die Klägerin und die Beklagte zu 1 hätten kollusiv zusammengewirkt und einen Arbeitsvertrag erst nach dem Betriebsübergang unterzeichnet. Die Beklagte zu 1 hat hinsichtlich dieser Hilfswiderklage den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gerügt.

Nachdem das Arbeitsgericht mit Urteil vom 4. Februar 2010 u. a. festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 1 am 13.05.2009 auf die Beklagte zu 3 übergegangen ist und die Beklagte zu 3 zur Zahlung von Arbeitsentgelt verurteilt hat, hat es mit Beschluss vom 4. Februar 2010 den Rechtsstreit hinsichtlich der Hilfswiderklage abgetrennt und insoweit an das Landgericht Berlin verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergebe sich nicht aus dem Gesichtspunkt der Zusammenhangsklage, weil zwischen der arbeitsrechtlichen Streitigkeit und der Hilfswiderklage weder ein hinreichender rechtlicher Zusammenhang noch ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Die Frage von Vergütungsansprüchen eines Arbeitnehmers in Folge eines Betriebsübergangs sei unabhängig von etwaigen Schadensersatzansprüchen des Erwerbers gegenüber dem Veräußerer aus Pflichtverletzungen anlässlich der Betriebsübernahme zu beantworten. Ein einheitlicher Sachverhalt liege nicht vor.

Gegen diesen der Beklagte zu 3 am 25. Februar 2010 zugestellten Beschluss richtet sich ihre sofortige Beschwerde, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 11. März 2010 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und begründet hat. Die Beklagte zu 3 hält nach wie vor einen unmittelbar rechtlichen als auch wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Klage und der Hilfswiderklage für gegeben, der die Zuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG begründen könne und behauptet dazu ergänzend, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin und die Beklagte zu 1 kollusiv zum Nachteil der Beklagten zu 2 und 3 zusammengewirkt und ein Arbeitsverhältnis nachträglich konstruiert hätten, dass zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht bestanden habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten zu 3 vom 11. März 2010 (Bl. 544 – 556 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte zu 1 verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung und hält einen Zusammenhang unter Verweis darauf, dass die Beklagte zu 3 ihren Schadensersatzanspruch schon nicht näher begründet, insbesondere aber kein Rechtsgeschäft, aus denen sich bestimmte Verpflichtungen der Beklagten zu 1 hätten ergeben können, dargelegt habe, für nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 25. März 2010 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

2. Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, § 48 Abs. 1 ArbGG statthafte fristgemäß und formgerecht (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO, § 78 Satz 1 ArbGG) beim Arbeitsgericht Berlin eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist für die Hilfswiderklage nicht nach § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben. Die unzweifelhaft keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern betreffende Hilfswiderklage steht weder in einem rechtlichen noch unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang mit der beim Arbeitsgericht anhängigen Klage.

2.1. Nach § 2 Abs. 3 ArbGG können vor den Gerichten für Arbeitssachen auch nicht unter § 2 Abs. 1 und 2 ArbGG fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn die Ansprüche auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruhen oder wirtschaftliche Folgen desselben Tatbestands sind. Die Ansprüche müssen innerlich eng zusammengehören, also einem einheitlichen Lebenssachverhalt entspringen und nicht nur rein zufällig in Verbindung zueinander stehen. Insofern verbietet sich eine weite Auslegung, denn § 2 Abs. 3 ArbGG darf keiner verfassungswidrigen Rechtswegerschleichung Vorschub leisten (BAG v. 23.08.2001 – 5 AZB 20/01 - EzA § 2 ArbGG 1979 Nr 54 unter Bezugnahme auf BVerfG 31. August 1999 - 1 BvR 1389/97 - AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 6). § 2 Abs. 3 ArbGG setzt nicht voraus, dass die Parteien der bei einem Arbeitsgericht anhängigen Rechtsstreitigkeit mit denen der Zusammenhangsklage identisch sind. Es muss nur auf einer Seite eine der in § 2 Abs. 1 ArbGG genannten Parteien stehen (BAG Beschluss v. 11.09.2002 - 5 AZB 3/02 - NZA 2003, 62-63 – Germelmann ArbGG § 2 Rn. 128),

2.2. Ein solcher rechtlicher oder unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang ist im vorliegenden Fall indes nicht gegeben. Klage und Hilfswiderklage entspringen nicht aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt. Sie betreffen voneinander unabhängige Rechtsverhältnisse.

Im Rahmen der Klage geht es zum einen um die Frage, ob am 13.05.2009 ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 bestanden und dieses am 13.05.2009 im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 BGB auf die Beklagte zu 3 übergegangen ist, zum anderen im Rahmen der Zahlungsklage um Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 3 aus § 611 BGB. Alle diese Ansprüche sind im Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 begründet. Streitgegenstand der Hilfswiderklage sind behauptete Schadensersatzansprüche nach einem Betriebsübergang. Diese begründet die Beklagte zu 3 mit der Verletzung von Auskunftspflichten, die sich aus schuldrechtlichen Beziehungen zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 3 ergeben könnten, damit aber einem anderen Lebenssachverhalt entstammen als die arbeitsvertraglichen Ansprüche. Einziger Berührungspunkt beider Sachverhalte ist der (von der Beklagten zu 3 nicht bestrittene) Betriebsübergang, ohne dass sich daraus die mit der Hilfswiderklage verfolgten Ansprüche ergeben könnten. Zwar führt das Vorliegen eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB zum Übergang auch des Arbeitsverhältnisses der Klägerin – wenn ein solches zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs vorgelegen hat. Erst dadurch kann ein Schaden bei der Beklagten entstehen. Ob sich die Beklagte zu 1 dann gegenüber der Beklagten zu 3 wegen fehlender bzw. unvollständiger Unterrichtung über die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig gemacht hat, lässt sich nicht mit dem Betriebsübergang beantworten. Diese Ansprüche können nur auf weitergehenden Lebenssachverhalten, wie z.B. vertragliche Beziehungen zwischen der Beklagten zu und 3, beruhen und sind daher unabhängig davon zu entscheiden.

Soweit die Beklagte zu 3 für den Schadensersatzanspruch behauptet, die Klägerin und die Beklagte zu 1 hätten kollusiv zusammengewirkt und den Arbeitsvertrag erst nach dem Betriebsübergang abgeschlossen, stützt sie ihren Schadensersatzanspruch im Ergebnis auf einen Prozessbetrug der Klägerin bzw. Beklagten zu 1. In einem solchen Fall könnte ein Schaden bei der Beklagten zu 3 nur eintreten, wenn die Klägerin und Beklagte zu 1 den Vertrag erst nach dem Betriebsübergang abgeschlossen und das Gericht von ihrem dann falschen Prozessvortrag überzeugt haben. Ein solcher Prozessbetrug stellt einen anderen Lebenssachverhalt dar, als das der Klage zugrunde liegende behauptete Arbeitsverhältnis und steht mit dem von der Klägerin aus diesem Arbeitsverhältnis geltend gemachten Zahlungsanspruch allenfalls in einem äußeren Zusammenhang, der den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht nach § 2 Abs. 3 ArbGG begründen kann.

Dies zeigt zugleich, dass Klage und Hilfswiderklage nicht auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruhen und auch nicht wirtschaftliche Folge desselben Tatbestandes sind. Die Klage beruht auf einem (behaupteten) Arbeitsverhältnis, die Widerklage auf einem (behaupteten) Prozessbetrug bzw. der Verletzung von Pflichten im Verhältnis Veräußerer und Erwerber.

2.3 War der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht nach § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben, war der Rechtsstreit an das Landgericht Berlin zu verweisen. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kam auch nicht aus anderen Regelungen in Betracht.

Das Arbeitsgericht war an einer Verweisung nicht deshalb gehindert, weil es sich insoweit um einen Hilfsantrag handelte, der in der Regel nicht nach § 145 ZPO vom Hauptantrag abgetrennt werden kann, weil er dann zu einer bedingten und damit unzulässigen Klage würde (Zöller-Greger § 260 ZPO Rz. 6a).

Mit der stattgebenden Entscheidung über den Hauptantrag trat die von der Beklagten zu 3 für ihre Widerklage gesetzte Bedingung ein. Die Hilfswiderklage fiel damit beim Arbeitsgericht zur Entscheidung an, ohne dass insoweit die Rechtskraft des Hauptantrages hätte abgewartet werden müssen. Eine Entscheidung in der Sache konnte aber nur getroffen werden, wenn auch für den Hilfsantrag die Prozessvoraussetzungen vorlagen, d.h. es musste die Zulässigkeit des Rechtswegs für die Hilfswiderklage gegeben sein. Da dies nicht der Fall war, musste das Arbeitsgericht den Rechtsstreit in dem dafür vorgesehenen Verfahren gemäß § 17 a Abs. 2 GVG an das Landgericht verweisen. Es hat dies zutreffend nach der Stattgabe des Hauptantrages getan, also zu dem Zeitpunkt zu dem die von der Beklagten zu 3 gestellte Bedingung für die Relevanz des Hilfsantrags eingetreten war (vgl. BAG v. 23.08.2001 – 5 AZB 20/01 - EzA § 2 ArbGG 1979 Nr 54).

Mit dieser Trennung und Verweisung an das Landgericht wird nicht ein grundsätzlich zu respektierendes prozessuales Vorgehen der Beklagten zu 3 vereitelt. Die Beklagte zu 3 steht mit einem abgetrennten Hilfsantrag beim Landgericht, der als bedingte Klage unzulässig wäre, sofern die Beklagte nicht ihre Bedingung fallen lassen würde (vgl. dazu BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 97/04 – Fa, RZ 2007, 124 ff.) nicht anders dar, als zuvor mit ihrem Hilfsantrag beim Arbeitsgericht. Denn auch die Hilfswiderklage vor dem Arbeitsgericht gegen die Beklagte zu 1 wäre – bei Zulässigkeit des Rechtswegs – als unzulässig abzuweisen, weil sie sich von Anfang an als eine bedingte und damit unzulässige Klage darstellte. Da mit der Klage ein Prozessrechtsverhältnis zwischen der Beklagten zu 1 und Beklagten zu 3 nicht begründet wurde, handelte es sich um eine unter der Bedingung der Klagestattgabe stehenden Widerklage gegen einen Dritten. Die Einbeziehung einer Partei in einen Prozess unter einer Bedingung ist aber unzulässig, weil das gegen sie begründete Prozessrechtsverhältnis nicht in der Schwebe gelassen werden darf (vgl. Zöller-Vollkommer 28. Aufl. § 33 ZPO Rz. 27; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96 – AP Nr 172 zu § 613a BGB).

3. Aus diesen Gründen war die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 3 zurückzuweisen, mit der Folge, dass sie gemäß § 97 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat. Der Verfahrenswert war auf ein Drittel des Hauptsachestreitwertes festzusetzen (vgl. BAG v. 3.2.2009 5 AZB 100/08 – DB 2009, 2480-2482).

4. Mangels grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung bestand kein Anlass, die Rechtsbeschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG zuzulassen.