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MfS; Versorgungsträger; Versorgungssystem; Beitragsbemessungsgrenze; Klagebefugnis; Überführungsbescheid


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 13.01.2011
Aktenzeichen L 3 R 442/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 7 Abs 1 AAÜG, § 8 AAÜG, § 54 Abs 1 SGG, Art 19 Abs 4 S 1 GG

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).

Der Kläger wurde 1940 geboren. Er war von Januar 1961 bis Juli 1979 hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS. Von Februar 1980 an arbeitete er als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das MfS.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 26. Januar 1999 die „Zugehörigkeit oder Zuordnung zum Sonderversorgungssystem im Sinne der Anlage 2 Nr. 4 AAÜG vom 01.03.61 bis 31.07.79 und vom 01.02.80 bis 30.06.80 und vom 01.07.80 bis 31.12.89“ mit Unterbrechung der Beitragspflicht wegen schulischer Ausbildung vom 02. September 1974 bis zum 30. Juni 1975 sowie das jeweils tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt fest. Des Weiteren teilte sie das nach § 7 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberleitungsgesetzes (AAÜG) berücksichtigungsfähige Arbeitsentgelt bis zu 70 % des jeweiligen Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet informell mit. Der Kläger erhob am 08. Februar 1999 Widerspruch mit der Begründung, dass die in der DDR rechtmäßig erworbenen Ansprüche unter Verletzung des Einigungsvertrags (EV) und des Grundgesetzes (GG) missachtet würden. Der Kläger sei ab 1980 nicht als hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS tätig gewesen. Die Beklagte gab dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 1999, welcher am 01.Oktober 1999 beim Kläger einging, teilweise insoweit statt, als sich der Kläger gegen die Bewertung der Dienstzeit von Februar 1980 bis Dezember 1989 als hauptamtliche inoffizielle Mitarbeit für das MfS wandte. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat sein Begehren mit der am 27. Oktober 1999 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt.

Die Beklagte teilte mit Änderungsbescheid vom 26. November 1999 das nach § 8 AAÜG berücksichtigungsfähige nunmehr bis zur Höhe des jeweiligen Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet mit.

Der Kläger hat die Bescheide für verfassungswidrig gehalten. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. März 2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte im Fall des Klägers die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Anwartschafts- und Anspruchsüberleitungsgesetzes (AAÜG) zu Recht festgestellt habe. Entgegen der Auffassung des Klägers sei das AAÜG nicht verfassungswidrig. Die Begrenzungsregelung des § 7 AAÜG in Verbindung mit der Anlage 6 zum AAÜG auf den jeweiligen durchschnittlichen Verdienst im Beitrittsgebiet sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen sei die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Begrenzung überhaupt erst im Verfahren des Rentenversicherungsträgers zu klären.

Der Kläger hat gegen den ihm am 04. April 2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 05. April 2007 Berufung eingelegt. Der Kläger hält an seinem bisherigen Vorbringen fest. Im Wesentlichen hält er die besondere einfachgesetzliche Beitragsbemessungsgrenze für verfassungswidrig.

Er beantragt sinngemäß,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 2007 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung des Feststellungsbescheids vom 26. Januar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 1999 zu verpflichten, die Zeit seiner Zugehörigkeit im Versorgungssystem mit dem während dieses Zeitraums tatsächlich erzielten Entgelt ohne das Vorliegen eines Sondertatbestands für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 7 AAÜG festzustellen,

2. über die Tatbestandsmäßigkeit der Einordnung des Klägers in das Rentenstrafrecht gemäß § 7 AAÜG Beweis zu erheben, da, wie eine Prüfung ergeben wird, keine der Voraussetzungen vorliegen, die nach dem Gesetz zur Feststellung von Sondertatbeständen und letztendlich zur Kürzung der Rente berechtigen könnten,

3. die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Lange Weihe 2/ 4, 30880 Laatzen zu dem vorliegenden Verfahren beizuladen,

4. das Verfahren des Klägers gegen den Rentenversicherungsträger mit dem hiesigen Verfahren gegen den Versorgungsträger zu verbinden,

5. hilfsweise unter Berücksichtigung der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg in dem Verfahren L 33 R 1162/08 die Begrenzung der Entgelte auf die Werte der Anlage 5 zum AAÜG aufzuheben,

6. hilfsweise wegen der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 7 AAÜG einen Beschluss gemäß Art. 100 GG zu fassen, dem Bundesverfassungsgericht die zugrunde liegenden Rechtsfragen zur Entscheidung vorzulegen und im Übrigen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das Verfahren auszusetzen,

7. hilfsweise wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen und im Hinblick auf die beim Bundessozialgericht anhängigen Verfahren B 5 R 2/10 R, B 13 R, 80/09 R, B 13 R 81/09 R, B 13 R 9/10 R die Revision zuzulassen,

8. die Erstattung der Kosten des Klägers einschließlich des Vorverfahrens anzuordnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Rentenakten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und im Übrigen auch zulässige Berufung des Klägers (§§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 23. März 2007 hat mit sämtlichen vom Kläger zuletzt gestellten Anträgen keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Soweit der Kläger mit seinen Anträgen zu Ziffer 1 und 2 der Sache nach unter Änderung des Feststellungsbescheids vom 26. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 1999 und des - gemäß § 96 SGG ebenfalls verfahrensgegenständlichen - Änderungsbescheids vom 23. November 1999 begehrt, den Versorgungsträger zur für den Rentenversicherungsträger verbindlichen Feststellung einer höheren Beitragsbemessungsgrenze zu verpflichten, ist die Klage bereits mangels Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 S. 2 SGG) unzulässig; ein Anspruch des Klägers gegen den beklagten Versorgungsträger auf eine derartige Entscheidung kann nach dem positiven Recht schlechthin nicht gegeben sein.

Die - im Regelfall eintretende - Begrenzung des fiktiv als versichert geltenden Arbeitsverdienstes höchstens auf die Werte der besonderen Beitragsbemessungsgrundlagen - hier nach § 7 Abs. 1 AAÜG - kann nicht schon mit der Klage gegen den Entgeltbescheid des Versorgungsträgers überprüft werden. Der Versorgungsträger hat nach § 8 Abs. 1 AAÜG als insofern besonders sachkundige Behörde in einem der Rentenfeststellung vorgelagerten, dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) ähnlichen Verfahren einzelne Daten (Tatsachen) in einer Vielzahl von Verwaltungsakten (nämlich jeweils Feststellungen, bezogen auf die konkreten einzelnen Zeiträume, jährlichen Arbeitsentgelte etc.) verbindlich festzustellen, die für die Feststellung der Rangstelle und des Wertes der SGB VI-Rente (oder -Anwartschaften) durch den Rentenversicherungsträger von Bedeutung sein können. So trifft der Versorgungsträger mit den angefochtenen Überführungsbescheiden allein eine Entscheidung über

1. die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem,

2. die Höhe des aus der vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung oder Tätigkeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens,

3. die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze in Betracht kommt und

4. (in den Fällen des § 8 Abs. 1 S. 3 AAÜG) die Feststellung von Arbeitsausfalltagen.

Demgegenüber trifft allein der Rentenversicherungsträger eine Entscheidung über die als versichert geltenden Arbeitsverdienste und die gegebenenfalls anzuwendende Beitragsbemessungsgrenze (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, etwa Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R -, zitiert nach juris Rn. 33 bis 38; Urteil vom 29. Oktober 2002 – B 4 RA 27/02 R -, zitiert nach juris Rn. 22; Urteil vom 14. Mai 2003 – B 4 RA 65/02 R -, zitiert nach juris Rn. 38 f.).

Dies zugrunde gelegt besteht nicht einmal die Möglichkeit für das Bestehen des vom Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachten Anspruchs. Der Kläger hat keine tatsächlichen Einwände gegen die von der Beklagten im Überführungsbescheid festgehaltenen Zeiten und Bruttoentgelte erhoben, sondern stets nur die Anwendung der vermeintlich verfassungswidrigen Entgeltbegrenzungsvorschriften des § 7 AAÜG und der Anlage 6 bestritten. Solange der Kläger nun gerade nicht die im Überführungsbescheid gespeicherten Daten rechnerisch angreift, wird er sich über die Frage der Beitragsbemessungsgrenze vielmehr mit dem Rentenversicherungsträger auseinanderzusetzen haben.

In eben diesem Gesetzesverständnis liegt kein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Denn der Zugang zu den Gerichten ist für den Kläger nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dem Kläger wird der Rechtsweg dadurch nicht verwehrt. Er ist mit seinem rentenversicherungsrechtlichen Rechtsschutzanliegen lediglich auf eine spätere Stufe, nämlich auf die Rentenwertfestsetzung durch den Rentenversicherungsträger verwiesen. Die Gewährung effektiven, zeitnahen Rechtsschutzes wird dadurch nicht in Frage gestellt (Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R -, zitiert nach juris Rn. 45; so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil <rechtskräftig> vom 30. Mai 2006 – L 1 RA 94/03 -, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der Auffassung, dass der Versorgungsträger ermächtigt sei, die Begrenzung der Entgelte aufgrund § 7 AAÜG mit für den Rentenversicherungsträger bindender Wirkung selbst vorzunehmen (so etwa LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Dezember 2009 – L 33 R 1162/08 -, zitiert nach juris Rn. 27), schließt sich der erkennende Senat nicht an.

Der Senat sieht sich nicht veranlasst, dem zu Ziffer 3 gestellten Beiladungsantrag des Klägers nachzukommen, und den für den Kläger zuständigen Rentenversicherungsträger nach § 75 Abs. 1 oder 2 SGG beizuladen. Insbesondere liegt für eine notwendige Beiladung im Sinne von § 75 Abs. 2 SGG nichts vor, weil die vorliegende Entscheidung getroffen werden kann, ohne dass dadurch unmittelbar Rechte Dritter gestaltet werden (vgl. Keller/ Leitherer, in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG – Kommentar, 9. Auflage 2008, § 75 Rn. 10). Vielmehr bewendet es dabei, dass der Rentenversicherungsträger selbständig über die Rentenhöhe – einschließlich der Vorfrage, welche Beitragsbemessungsgrenze der Höhe nach zugrunde zu legen ist - zu entscheiden hat. Umgekehrt entscheidet der Versorgungsträger keinesfalls darüber, welche rentenversicherungsrechtliche Bedeutung die von ihm festgestellten Daten im Einzelfall haben. Insbesondere entzieht es sich seiner Verbandskompetenz, dem Rentenversicherungsträger vorzuschreiben, ob die festgestellten Zugehörigkeitszeiten rentenversicherungsrechtlich anrechenbar sind oder von anderen Beitragszeiten verdrängt werden, ob eine besondere Beitragsbemessungsgrenze den Rangstellenwert bestimmt oder aber für denselben Zeitraum eine andere (höhere oder niedrigere) maßgeblich ist, ob die Arbeitsverdienste, die er in seinem Zuständigkeitsbereich als nach dem AAÜG versichert ansieht, rentenversicherungsrechtlich zum Tragen kommen oder aber andere, die entweder auf Grund des AAÜG oder auf Grund sonstiger Bestimmungen für denselben Zeitraum versichert sind (etwa BSG, Urteil vom 14. Mai 2003 – B 4 RA 65/02 R -, zitiert nach juris Rn. 39 ).

Es war auch nicht auf den zu Ziffer 4 gestellten Antrag hin das vorliegende Verfahren mit einem Verfahren des Klägers gegen den Rentenversicherungsträger gemäß § 113 Abs. 1 SGG zu verbinden, schon weil der Kläger weder ein beim LSG anhängiges, gegen den Rentenversicherungsträger geführtes Berufungsverfahren benannt hat noch ein solches sonst ersichtlich ist.

Die Berufung ist ferner mit dem zu Ziffer 5 gestellten Antrag aus den eingangs zu den Anträgen zu 1 und 2 genannten Gründen unbegründet.

Die vom Kläger mit seinem Antrag zu Ziffer 6 begehrte Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Frage der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze im vorliegenden Verfahren aus den zuvor genannten Gründen nicht entscheidungserheblich ist.

Entgegen dem zu Ziffer 7 gestellten Antrag ist die Revision nicht zuzulassen, weil nichts für einen Zulassungsgrund im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG vorliegt. Indem der Senat der vorzitierten ständigen Rechtsprechung des BSG folgt, ist weder etwas für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Sinne einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage (vgl. Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 6 ff.) noch für eine Divergenz gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG ersichtlich, zumal die vom Kläger in Bezug genommenen Revisionsverfahren anders als das vorliegende Verfahren mitsamt nur gegen den Rentenversicherungsträger geführt werden.

Entgegen dem zu Ziffer 8 gestellten Antrag kommt eine Kostenerstattung zugunsten des vollumfänglich unterlegenen Klägers gemäß § 193 SGG nicht in Betracht.