Gericht | LG Frankfurt (Oder) 15. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 24.11.2011 | |
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Aktenzeichen | 15 S 136/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bernau vom 6.9.2010, 10 C 555/09 (062), wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 45.097,16 € festgesetzt.
I.
Die Kläger verlangen vom Beklagten ein Nutzungsentgelt für die Überlassung eines Flurstücks auf der Grundlage eines General-Nutzungsvertrags vom 23.3.1976 sowie die Feststellung, dass die Beklagten auch zukünftig zur Zahlung eines bestimmten jährlichen Entgelts verpflichtet sind. Streit besteht zwischen den Parteien in erster Linie darüber, ob auf das zwischen ihnen begründete Rechtsverhältnis die Bestimmungen des BKleingG anwendbar sind, weshalb der Beklagte widerklagend die Feststellung der Anwendbarkeit dieses Gesetzes verlangt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, den Beklagten zur Zahlung von 15.846,12 € verurteilt sowie festgestellt, dass er verpflichtet ist, ab April 2011 ein Nutzungsentgelt in Höhe von jährlich 8.357,44 € an die Kläger zu zahlen und seine Widerklage abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und der Entscheidungsgründe wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerechten Berufung, mit der er das Ziel der Klageabweisung und sein Feststellungsbegehren weiterverfolgt.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
Das Urteil des Amtsgerichts Bernau vom 6.9.2010, Az. 10 C 555/09(62) abzuändern, die Klage abzuweisen und
festzustellen, dass es sich beim Pachtvertrag zwischen den Parteien um einen Kleingarten-Pachtvertrag im Sinne des BKleingG handelt.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
1. Die Kläger haben Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgeltes in Höhe des vom Amtsgericht ausgeurteilten Betrags.
Die Höhe des Entgeltes richtet sich, wie das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, nach den Bestimmungen der §§ 1 ff NutzEV, welche grundsätzlich für alle einstmals gemäß § 312 des ZGB der DDR begründeten Nutzungsverhältnisse gelten. Dass es sich vorliegend um ein gemäß § 20a BKleingG den insoweit für ihn günstigeren Bestimmungen des BKleingG unterfallendes Nutzungsverhältnis handelt, hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt.
Zwar folgt die Kammer dem Amtsgericht nicht in seinen Ausführungen, wonach für die Frage der rechtlichen Einordnung des Nutzungsverhältnisses in erster Linie auf den General-Nutzungsvertrag vom 23.3.1976 abzustellen sei. Maßgebend dafür, ob ein Nutzungsverhältnis nach den Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes oder den allgemeinen Bestimmungen des Miet- und Pachtrechts, modifiziert durch die Regelungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes, zu beurteilen ist, ist die bei Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 tatsächlich ausgeübte Art der Nutzung (vgl. BGHZ 156, 71). Demgegenüber tritt die Vertragssituation in den Hintergrund. Anders als nach dem Recht der Bundesrepublik war nach dem Recht der ehemaligen DDR die Unterscheidung zwischen kleingärtnerischer und sonstiger, Freizeitzwecken dienender Bodennutzung von untergeordneter Bedeutung. Hinzu kommt, dass in der Lebenswirklichkeit der DDR die Bodennutzung im Wesentlichen auf staatlicher Lenkung beruhte, wobei auf die von den beteiligten Nutzern und Grundstückseigentümern vereinbarte Vertragsgestaltung bzw. die zivilrechtliche Lage weniger Rücksicht genommen wurde (BGH aaO). Deshalb kann der von den Vertragsparteien gewählten Bezeichnung nur eine indizielle Bedeutung zukommen (vgl. BGH aaO).
Das Amtsgericht hat indes im Ergebnis zutreffend ausgeführt, dass auch bei einem Abstellen auf die am 3.10.1990 tatsächlich existierende Nutzung nicht schlüssig dargetan ist, dass das vorliegende Nutzungsverhältnis dem BKleingG unterfällt. Denn der Beklagte hat weder zur kleingärtnerischen Nutzung am Stichtag hinreichend vorgetragen noch bewiesen, dass seinerzeit eine Kleingartenanlage bestanden habe.
Ein zentrales Merkmal eines Kleingartens ist die nicht erwerbsmäßige gärtnerische Nutzung, also die Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten durch Selbstarbeit des Kleingärtners oder seiner Familienangehörigen. Die Nutzung der Parzellen zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen muss den Charakter der Anlage maßgeblich mitprägen. Kennzeichnend für diese Nutzungsart ist weiter die Vielfalt der Gartenbauerzeugnisse (BGH NJW-RR 2004, 1241). Daneben tritt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG die Erholungsfunktion, die aber die Verwendung des Gartens zum Anbau nicht ersetzen darf (BGH NJW-RR 2004 aaO). Dies erfordert indes nicht, dass mindestens die Hälfte der Anlage kleingärtnerisch genutzt wird. Regelmäßig wird aber nicht mehr von einer maßgeblichen Mitprägung gesprochen werden können, wenn die Nutzbepflanzung weniger als ein Drittel der Flächen in Anspruch nimmt, wobei allerdings im Einzelfall auch topographische Besonderheiten oder eine Bodenqualität, die in Teilen den Anbau von Nutzpflanzen nicht zulässt, eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen können (BGH NJW-RR aaO; Mainczyk, Bundeskleingartengesetz, 10 Aufl. § 20a Rn. 2f).
Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt, dass am Stichtag eine entsprechende Nutzung des Grundstücks erfolgt ist. Seinem Vorbringen lässt sich lediglich die pauschale Behauptung entnehmen, dass zu diesem Zeitpunkt dort diverse Nutzpflanzen angebaut worden sein sollen, wobei er andererseits sogar einräumt, dass die Bodenbeschaffenheit eine kleingärtnerische Nutzung überhaupt nicht zugelassen hat. Jedenfalls fehlt es sowohl an einer näheren - wenigstens überschlägigen - Darlegung, welche Pflanzen auf welcher Parzelle und auf welcher Fläche angebaut worden sein sollen, als auch an der Angabe des Verhältnisses der Einzelgärten zur Gesamtfläche der Anlage. Anders als der Beklagte meint, ist es nicht Sache des Gerichts, den für die Entscheidung notwendigen Sachvortrag durch Einnahme eines Augenscheins oder Vernehmung von Zeugen zu ermitteln. Eine Ausforschung findet im Zivilprozess nicht statt. Das Amtsgericht hat insoweit auch keine Hinweispflicht verletzt, da die Kläger bereits im ersten Rechtszug auf die insoweit fehlende Schlüssigkeit hingewiesen hatten. Ohnehin führt nur derjenige Fehler des Ausgangsgerichts zu einer Abänderung der Entscheidung, der sich auch insoweit ursächlich ausgewirkt hat. Das bedeutet, dass die Partei, die ihr Rechtsmittel auf die Verletzung rechtlichen Gehörs stützt, in der Berufungsbegründung darzulegen hat, welchen Sachvortrag sie getätigt hätte, wenn ihr die als überraschend beanstandete Auffassung des Gerichts schon vor Erlass der angefochtenen Entscheidung bekannt gewesen wäre und inwieweit dessen Berücksichtigung zu einer dem Berufungskläger günstigeren Entscheidung geführt hätte. Hierauf gestützter neuer Sachvortrag ist mit der Berufungsbegründung jedoch nicht erfolgt.
Weiter fehlt es an hinreichendem Sachvortrag für das Vorhandensein erforderlicher Gemeinschaftseinrichtungen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG. Eine gemeinsame Einfriedung der Anlage besteht unstreitig nicht. Wege sind nur dann gemeinschaftliche Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG, wenn sie sich innerhalb des Areals befinden oder, wenn sie außerhalb der Anlage liegen, es sich um nichtöffentliche Wege handelt, die nur der Erschließung der Einzelgärten dienen (BGH NJW-RR 2006, 385). Vorliegend handelt es sich um einen öffentlichen Weg, von dem nicht mitgeteilt ist, ob er ausschließlich die Anlage erschließt oder, ob er - wie die Skizze Bl. 190 d.A. vermuten lässt - auch der Erschließung anderer Grundstücke dient. Ein Wendehammer, auf dem - was streitig ist - „Versammlungen“ stattfinden, stellt keine Gemeinschaftseinrichtung dar. Auch Bezüglich der Wasserversorgung fehlt es an der hinreichenden Darlegung, dass eine Gemeinschaftsanlage bestehen soll. Auch das Vorhandensein eines Stromanschlusses auf dem Parkplatz wird für die Annahme einer gemeinsamen Anlage jedenfalls deshalb nicht ausreichen, weil unklar ist, wer der Anschlussnehmer ist. Weiter hat das Amtsgericht jedenfalls mit Recht angenommen, dass der Beklagte insoweit beweisfällig geblieben ist, weil das Vorhandensein von Anschlüssen zum Stichtag nicht durch einen Augenschein festgestellt werden kann.
Nach alledem hat der Beklagte jedenfalls nicht dargelegt, dass heute eine Anlage im Sinne von § Abs. 1 Nr. 2 BKleingG besteht. Dass eine solche zum Stichtag vorhanden war, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich; vielmehr hat der Beklagte selbst behauptet und unter Beweis gestellt, dass es insoweit relevante Veränderungen nicht gegeben habe.
Gestützt werden die vorstehenden Erwägungen schließlich durch den Wortlaut des Überlassungsvertrags, nach welchem ausdrücklich der Nutzungszweck der Naherholung vereinbart worden ist.
Unerheblich für die rechtliche Einordnung des Vertrags ist das Verhalten der Parteien. Der Beklagte hat bereits nicht bewiesen, dass die Kläger in der Vergangenheit das Nutzungsverhältnis regelmäßig als Kleingartenverhältnis eingestuft haben. Dies spielt aber auch keine Rolle, weil allein die Annahme, dass bestimmte Rechtsnormen einschlägig seien, nicht die Annahme einer grundlegenden Vertragsänderung rechtfertigt (vgl. BGH NJ 2000, 320).
Wie das Amtsgericht weiter zutreffend und rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen der §§ 1ff NutzEV für die Erhöhung des jährlichen Nutzungsentgeltes auf 0,91 €/qm bezogen auf eine Fläche von 9.184 qm vor. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seinem Rechtsmittel auch nicht.
2. Die Kläger haben gemäß § 256 ZPO ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Höhe des vom Beklagten für die Zukunft zu zahlenden Nutzungsentgeltes, da diese zwischen den Parteien in Streit steht und die tenorierte Zahlung für vergangene Zeiträume kein Präjudiz für zukünftige Forderungen darstellt.
Dieses ist auch nicht insoweit erloschen, als die Kläger für das Jahr 2011 nunmehr eine unmittelbar auf Leistung gerichtete Klage erheben könnten. Denn der Übergang zur Leistungsklage ist für diesen Zeitraum erst im Laufe des zweiten Rechtszugs möglich geworden, was das rechtliche Interesse an einer Feststellung nicht entfallen lässt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. § 256 Rn. 7c mit weiteren Nachweisen).
3. Das Amtsgericht hat die Widerklage mit Recht abgewiesen. Das BKleingG findet - wie dargelegt - auf das zwischen den Parteien bestehende Nutzungsverhältnis keine Anwendung.
4. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgte gemäß §§ 39 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 3, 9 ZPO. Zur bezifferten Klageforderung war das dreieinhalbfache des jährlichen Zahlungsbetrags, vermindert um einen 20 prozentigen Abzug, da lediglich Feststellung erfolgt ist, hinzuzurechnen. Der Widerklageantrag hat sich nicht werterhöhend ausgewirkt, da er auf dasselbe wirtschaftliche Interesse wie der Feststellungsantrag der Kläger gerichtet ist.