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- Rechtsanwältin - Berufsunfähigkeit - Erwerbsminderung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat Entscheidungsdatum 25.03.2010
Aktenzeichen L 27 R 2022/05 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 43 SGB 6, § 240 SGB 6

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 2. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die im Oktober 1947 geborene Klägerin erlangte 1966 den Facharbeiterabschluss als Maschinenschlosserin, im Jahr 1975 den Fachschulabschluss als Ökonomin und arbeitete anschließend als Buchhalterin beziehungsweise Ingenieurin für Bilanzierung. Im Jahre 1986 erlangte sie den Universitätsabschluss als Diplomjuristin und arbeitete sodann bis 31. Mai 1990 als Justiziarin im VEB A. Von Juni 1990 bis August 1992 war sie als Dezernats- beziehungsweise Amtsleiterin beim Landkreis W beschäftigt. Von September 1992 bis 26. Juni 1993 und vom 9. August 1993 bis 10. Juni 1995 bezog sie Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe. Vom 12. Juni 1995 bis 5. August 1995 arbeitete sie bei der O  GmbH und bezog anschließend bis 31. Oktober 1995 Arbeitslosenhilfe. Vom 1. November 1995 bis 31. Januar 1996 arbeitete sie als Bankmitarbeiterin bei der N-Bank. Vom 1. Februar bis 29. Oktober 1996 bezog sie Arbeitslosenhilfe.

Mit Schreiben vom 5. Juli 1996 richtete die Klägerin ein Beratungsersuchen an die Beklagte, mit welchem sie Informationen über die Möglichkeit, sich weiter bei der Beklagten zu versichern, im Hinblick auf die von ihr beabsichtigte Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin erhalten wollte. Dies beantwortete die Beklagte mit einem Antrag auf Kontenklärung/Rentenauskunft und dem Hinweis, die Klägerin möge sich „bezüglich des Infomaterials für Ihre Kanzlei“ an eine in ihrer Nähe befindliche Auskunfts- und Beratungsstelle wenden. In der Zeit vom 30. Oktober 1996 bis zumindest 31. Oktober 2003 war die Klägerin ohne Entrichtung von Beiträgen als selbstständige Rechtsanwältin tätig. Vom 1. April 2004 bis 15. Juni 2004 arbeitete die Klägerin bei der Initiative 50 plus. Das Kontenklärungsverfahren wurde mit Bescheid vom 25. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2000 bestandskräftig abgeschlossen. Darin wurde u a der Zeitraum vom 27. Juni bis 8. August 1993 als rentenrechtliche Zeit abgelehnt; es liege insbesondere keine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vor.

Mit Schreiben vom 14. März 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung und fügte diverse Arztberichte bei (u a Entlassungsberichte P  vom 12.04.1995 und Landesklinik T vom 20.02.2001). Nach Beiziehung verschiedener medizinischer Unterlagen veranlasste die Beklagte das orthopädische Gutachten vom 4. September 2001 (Dr. E) und das nervenärztliche Gutachten vom 4. Dezember 2001 (Dr. O) sowie das internistische Gutachten vom 17. Januar 2002 (DM B). Die internistische Sachverständige hielt die Erwerbsfähigkeit der Klägerin für gefährdet und eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme für erforderlich. Mit Bescheid vom 15. Februar 2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab. Die Klägerin sei noch in der Lage, im bisherigen Beruf als Rechtsanwältin mindestens sechs Stunden täglich tätig zu sein. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wurden der Klägerin bewilligt (Bescheid vom 07.03.2002), von dieser aber nicht angetreten, weil sie keine Kanzleivertretung gefunden habe und aus existenziellen Gründen nicht über einen so langen Zeitraum ihrem Büro fern bleiben könne. Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte den weiteren Befundbericht der behandelnden Orthopädin (S) vom 12. September 2002 bei, in welchem Reha-Fähigkeit bescheinigt wurde. Die Klägerin übersandte das für die private Berufsunfähigkeitsversicherung der Klägerin erstellte psychosomatisch-psychotherapeutische Gutachten vom 19. Juli 2002 (Prof. Dr. J und Dr. M). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2003 zurück.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin behauptet, der Leistungsfall sei bereits am 28. Oktober 1998 eingetreten. Außerdem habe sie sich vor der Gründung ihrer Rechtsanwaltskanzlei auch hinsichtlich der Frage beraten lassen, ob sie angesichts ihrer Selbständigkeit weiterhin Beiträge abführen solle. Sie habe die Auskunft erhalten, von Beitragszahlungen habe sie ohnehin nichts mehr. Die Beklagte bewertete das Beratungsersuchen vom Juli 1996 als Beantragung der Pflichtversicherung auf Antrag gem. § 4 Abs. 2 SGB VI und räumte der Klägerin auch die Möglichkeit der Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 31. März 2004 ein (Schreiben vom 20.01.2005). Das Sozialgericht hat diverse Arbeitspapiere und medizinische Unterlagen und Befundberichte beigezogen. Ermittlungen bei der Agentur für Arbeit hinsichtlich der von der Klägerin für Juli 1993 behaupteten Zeit der Arbeitslosigkeit verliefen ergebnislos. Zu einer Nachentrichtung von Beiträgen ist es nicht gekommen. Im März 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht.

Das Sozialgericht Cottbus hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. Dezember 2005 abgewiesen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass dahinstehen könne, ob bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung im März 2001 oder gegenwärtig eine gesundheitsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege, weil für einen zu diesen fraglichen Zeitpunkten eingetretenen Leistungsfall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von 36 Kalendermonaten mit Pflichtbeiträgen innerhalb der letzten 5 Jahre nicht erfüllt seien. Vor diesen Zeitpunkten seien unstreitig zuletzt Beiträge bis Oktober 1996 entrichtet worden. Soweit wegen einer fehlerhaften Beratung ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zur Nachentrichtung von Beiträgen berechtige, sei es zur entsprechenden Zahlung von Beiträgen bislang nicht gekommen. Für die Klägerin würden auch keine hinreichenden sogenannten Verlängerungszeiten gemäß § 43 Abs 4 und 241 Abs 1 SGB VI oder Anwartschaftserhaltungszeiten nach § 241 Abs 2 SGB VI vorliegen. Seit Januar 1984 seien auch nicht lückenlos Anwartschaftserhaltungszeiten vorhanden, weil der Versicherungsverlauf der Klägerin für Juli 1993 eine Lücke aufweise. Es sei auch kein Tatbestand eingetreten, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig als erfüllt gelte. Schließlich sehe es das Gericht als ausgeschlossen an, dass der Leistungsfall bereits im Oktober 1998 eingetreten sein könnte. Zwar seien zu diesem Zeitpunkt letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Jedoch würden sich die medizinischen Voraussetzungen für den Eintritt des Leistungsfalles nicht annehmen lassen. Die einzige durch die Befundunterlagen nachgewiesene Erkrankung im Oktober 1998 habe sich auf Beschwerden bezogen, welche aber nicht zu einer auch nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit geführt hätten. Selbst das für die Privatversicherung erstellte Gutachten gehe von relevanten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit erst für Zeiträume ab September 2000 aus. Zwei für frühere Behandlungszeiträume von der Klägerin substantiiert benannte Ärzte hätten die Befundberichtsanforderungen des Gerichts mit dem Vermerk zurückgeschickt, die Klägerin sei dort als Patientin nicht bekannt.

Ihre Berufung hat die Klägerin damit begründet, dass die Entscheidung des Sozialgerichts daran leide, dass sich dieses nur auf die im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten und nicht auf unparteiische Sachverständigengutachten gestützt habe. Bisher sei völlig unbeachtet geblieben, dass sich die aufgrund der orthopädischen Leiden und daraus resultierenden ständigen unerträglichen Schmerzen durch die bei der Klägerin diagnostizierte Fibromyalgie noch weiter potenzieren würden. Durch diese Schmerzen bedingt, würden bei der Klägerin Schwindel, Konzentrations- und Reaktionsstörungen sowie zunehmend Verluste in der Merkfähigkeit auftreten. Die Klägerin hat weitere medizinische Unterlagen eingereicht (u. a. das Gutachten des MDK vom 5.7.2001 und den Reha-Entlassungsbericht vom 27.04.2007 mit einer ausführlichen Stellungnahme der Klägerin).

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 2. Dezember 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2003 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 1. März 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin sei in ihrer versicherungspflichtigen freiberuflichen Tätigkeit wegen deren Geringfügigkeit in den Kalenderjahren 1997, 2002 bis 2004 nach § 5 Abs 2 SGB VI versicherungsfrei gewesen.

Eine Beitragszahlung von Pflichtbeiträgen für die Zeiträume November bis Dezember 1996, Januar 1998 bis Dezember 2001 ist bislang nicht erfolgt. Der Senat hat das psychosomatisch orientierte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten von Dr. S vom 4. Januar 2010 eingeholt.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2010 in der Sache entscheiden, weil die Klägerin über diese Möglichkeit unterrichtet war. Der Senat war nicht gehalten, von der mündlichen Verhandlung abzusehen und nach deren Durchführung den Rechtstreit zu vertagen. Die Klägerin war rechtzeitig über den Termin der mündlichen Verhandlung unterrichtet. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass die Verhandlung nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung dient gerade der Gewährung rechtlichen Gehörs. Dem hat sich die Klägerin durch ihr Fernbleiben entzogen. Dass sich die Klägerin noch nicht in der Lage sah, den Befangenheitsantrag gegen den gerichtlichen Sachverständigen inhaltlich zu begründen und ihr Wunsch, dafür einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, rechtfertigte eine Verschiebung des Termins im Hinblick auf den erheblichen und ausreichenden Zeitraum seit Kenntnis des Gutachtens (spätestens seit 18.02.2010) nicht. Einen Rechtsanwalt hat sie nicht benannt. Mit Verfügung vom 24.03.2010 war ihr mitgeteilt worden, dass die Verhandlung auch deshalb durchgeführt werden solle, weil eine erneute anwaltliche Vertretung bislang nicht angezeigt worden sei. Bis zum Ende der mündlichen Verhandlung hat sich für die Klägerin auch kein Anwalt oder ein sonstiger Rechtsbeistand gemeldet. Hinreichend rechtliches Gehör wurde der Klägerin mithin gewährt. Über das Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen konnte der Senat entscheiden, weil dieses evident unzulässig war. Die Klägerin hat trotz rechtzeitiger gerichtlicher Hinweise darauf, sie müsse die Gründe dafür glaubhaft machen, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, den Ablehnungsgrund innerhalb von zwei Wochen nach der Berufung des Sachverständigen geltend zu machen (§§ 118 SGG, 406 Abs 2 ZPO), keinerlei Umstände diesbezüglich vorgetragen. Nachdem ihr das Gutachten spätestens seit 18. Februar 2010 bekannt war, war der Befangenheitsantrag unter diesen Umständen ohne weitere Sachprüfung abzulehnen. Im Übrigen hat sie auch keine zulässigen Gründe für den Befangenheitsantrag angedeutet. Nach Entscheidung über das Befangenheitsgesuch war der Rechtsstreit entscheidungsreif. Weitere Gründe für eine Vertagung der Verhandlung hat die Klägerin nicht angegeben. Solche lassen sich auch sonst nicht erkennen. Vielmehr hat die Klägerin selbst im Schreiben vom 24. März 2010 mitgeteilt, dass sie schon lange Zeit davon ausgegangen sei, dass das Verfahren entscheidungsreif sei (Seite 3 des Schreibens). Eine Veränderung der Beweissituation hat das neue Gutachten nicht erbracht (dazu unten). Unter diesen Umständen durfte der Senat nach zulässiger Durchführung auch auf Grund der mündlichen Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin kann Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht beanspruchen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach §§ 43 Abs. 2, 102 Abs. 2 SGB VI setzt voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein. Dabei kommt es nicht auf das konkrete Berufsleben des Betroffenen an, sondern darauf, ob überhaupt noch irgendeine Erwerbstätigkeit von wirtschaftlicher Relevanz ausgeübt werden kann. Anspruch auf eine solche Rente besteht auch dann, wenn das Restleistungsvermögen für Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zwar mindestens drei Stunden, jedoch nicht mehr sechs Stunden arbeitstäglich erreicht und eine entsprechende Teilzeitbeschäftigung dem Versicherten nicht nachgewiesen werden kann (st. Rspr. des BSG).

Diese Voraussetzungen sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt. Die Klägerin ist noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Klägerin mindestens sechs Stunden arbeitstäglich körperlich leichte und geistig mittelschwierige bis zeitweise schwierige Arbeiten, ohne Hitze, Kälte, Feuchtigkeit, Zugluft, nicht im Freien, überwiegend im Sitzen mit Möglichkeit zum Haltungswechsel, nicht auf Leitern und Gerüsten, ohne Akkord oder Fließband, nicht an laufenden Maschinen, nicht in Wechsel, Spät- oder Nachtschicht, bei nur eingeschränkter Umstellungsfähigkeit auf neue Arbeitsbereiche, nur eingeschränkt mit Publikumsverkehr verrichten kann. Hinsichtlich der geistigen Belastbarkeit bestehen keine weitergehenden Einschränkungen; die Klägerin kann ihrer Qualifikation entsprechend Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit ausüben. Derartige einfache Tätigkeiten kann die Klägerin, ohne auf Kosten ihrer Gesundheit zu arbeiten, noch täglich vollschichtig, jedenfalls mindestens sechs Stunden pro Werktag ausüben. Der Klägerin ist es auch zuzumuten täglich vier Mal Wegstrecken von 500 m in jeweils weniger als 20 min zurückzulegen.

Dies ergibt sich aus sämtlichen während des Verwaltungsverfahrens und durch den Senat eingeholten Gutachten und aus dem Entlassungsbericht der Reha-Einrichtung vom April 2007. Es ergibt sich auch aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten für ihre private Berufsunfähigkeitsversicherung (Seite 21 des Gutachtens). Lediglich die internistische Gutachterin im Verwaltungsverfahren hatte eine genauere Beurteilung des quantitativen und qualitativen Leistungsvermögens nicht vorgenommen, weil sie erst den Abschluss einer psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme abzuwarten für notwendig hielt. Sie hat das von ihr als eingeschränkt bezeichnete Leistungsvermögen nicht detaillierter beschrieben und eine Besserung nach stationärer Diagnostik und Therapie für wahrscheinlich gehalten. Die für einen Rentenanspruch erforderliche Dauerhaftigkeit einer Leistungseinbuße lässt sich mithin ihrer Beurteilung auch nicht entnehmen. Das Privatversicherungsgutachten sieht - bezogen auf die anwaltliche Tätigkeit - Einschränkungen im geistigen Leistungsvermögen, hält aber Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausdrücklich für vollschichtig möglich. Auch ihm ist zu entnehmen, dass eine psychosomatische stationäre Rehabilitation von 6 bis 8 Wochen und anschließende ambulante Psychotherapie erforderlich sei und dass bei einer solchen Behandlung von einer deutlichen Besserung auszugehen sei (S 22 des Gutachtens). Die anderen Sachverständigen halten übereinstimmend vollschichtiges Arbeiten mit den bezeichneten Einschränkungen für medizinisch zumutbar. Die Sachverständigen haben kritisch die bisherige Behandlung und die jeweiligen Vorgutachten gewürdigt und die Vorbefunde einbezogen. Die einzelnen Gesundheitsstörungen wurden eingehend, differenzierend hinsichtlich der mit ihnen verbundenen Leistungseinschränkungen gewürdigt. Die Gutachten haben daher für den Senat eine besonders hohe Überzeugungskraft.

Der Senat hatte unter diesen Umständen keinen Anlass zu Zweifeln an der Beurteilung des der Klägerin trotz ihrer erheblichen Erkrankungen verbliebenen restlichen Leistungsvermögens auch durch den gerichtlichen Sachverständigen. Der Senat hatte keine Veranlassung, weitere Ermittlungen durchzuführen. Diese Einschätzung gilt für den gesamten Zeitraum von 1998 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, weil hinsichtlich des Leistungsvermögens für körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten über den gesamten Zeitraum keinerlei abweichenden gesundheitlichen Beurteilungen vorliegen.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen bei der Klägerin mit den benannten weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist im Falle einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung eine zumutbare Verweisungstätigkeit zu benennen (BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95, JURIS-RdNr 37). Beispiele, welche Einschränkungen jedenfalls nicht zu einer konkreten Benennung veranlassen, hat der Große Senat des BSG aufgelistet: Ausschluss von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind; Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen; Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen (BSG ebd). Die für die Klägerin von den Sachverständigen festgestellten Einschränkungen sind davon sämtlich erfasst. Die Wegefähigkeit der Klägerin ist erhalten.

Wegen des verbliebenen vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten steht der Klägerin auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu.

Die Klägerin ist nicht berufsunfähig. Gemäß § 240 Abs 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (Satz 3). Zu berücksichtigen sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur Tätigkeiten, für Pflichtbeiträge gezahlt sind (BSG, Urteil vom 25.08.1993, 13 RJ 59/92 JURIS-RdNr 15 m w N) oder als gezahlt gelten.

Die Klägerin kann ihren bisherigen Beruf mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben. Maßgeblicher Hauptberuf der Klägerin ist nicht derjenige einer Rechtsanwältin, weil für diese Tätigkeit bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Pflichtbeiträge nicht gezahlt wurden und auch nicht als gezahlt gelten. Ein Fall der Fiktion der Beitragszahlung (z B § 14 WGSVG) liegt bei der Klägerin nicht vor. Allerdings ist die Klägerin mit ihren letzten beruflichen Tätigkeiten als Dezernats- beziehungsweise Amtsleiterin beim Landkreis bzw als Bankmitarbeiterin mit ihrem juristischen Hochschulabschluss ohnehin in die höchste Stufe des Mehrstufenschemas einzuordnen. Als sozial zumutbare Verweisung kommt daher die Tätigkeit auf der (niedrigeren) Stufe der Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (BSG, Urteil vom 29.07.2004, B 4 RA 5/04 R, JURIS-RdNr 33) in Betracht. Diese Tätigkeiten verlangen keine körperlich mittelschweren oder schweren und auch keine überwiegend geistig besonders schwierigen Arbeiten (zB als Rechtspflegerin oder juristische Bankangestellte).

Durchschnittlich schwierige und gelegentlich besonders schwierige Arbeiten entsprechend ihrer Qualifikation kann die Klägerin noch erbringen. Nach den überzeugenden Angaben des gerichtlichen Sachverständigen kann die Klägerin lediglich Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das kognitive Leistungsvermögen nur eingeschränkt verrichten; insofern sei sie zeitlich beengt in der Lage, geistig schwierige Arbeiten auszuüben. Nach den schlüssigen Angaben des gerichtlichen Sachverständigen sind bei der Klägerin Auffassungsgabe, Lern- und Merkfähigkeit objektiv kaum beeinträchtigt. Dies gilt auch für das Gedächtnis. Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsvermögen, Entschluss-, Verantwortungs- und Kontaktfähigkeit sind nicht beeinträchtigt. Der gerichtliche Sachverständige zeichnet damit im Vergleich zu den anderen Gutachtern das am weitesten beeinträchtigte Leistungsbild. Vergleichbare Einschränkungen hat lediglich das Gutachten für die private Berufsunfähigkeitsversicherung festgestellt. Dieses Gutachten ist jedoch insofern nur eingeschränkt verwertbar, als es seine Feststellungen auf die konkrete berufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin bezogen hat, für die jedoch in der gesetzlichen Rentenversicherung mangels Beiträgen kein Berufsschutz besteht. Anhaltspunkte für über die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen hinausgehende Leistungseinschränkungen ergeben sich daher bei der vorliegenden Beweislage nicht. Damit ist die Klägerin zur vollschichtigen Bewältigung von Arbeiten im bisherigen Bereich der zumutbaren Verweisungstätigkeiten insbesondere im kaufmännsch-juristischen Bereich oder dem rechtspflerischer Arbeiten noch vollschichtig in der Lage. Sie ist mit diesem Leistungsvermögen auch in der Lage, mindestens sechs Stunden arbeitstäglich weniger anspruchsvolle juristische Arbeitsplätze, etwa als Wirtschaftsjuristin in Sparkassen, Banken, Versicherungen, - also auf der Ebene ihres bisherigen Berufs – auszufüllen.

Überdies ist zu bedenken, dass nach Feststellung sämtlicher Gutachter eine deutliche Besserung des Leistungsvermögens nach konsequenter Durchführung psychosomatischer Rehabilitationsleistungen (stationär und anschließend ambulant mit adäquater medikamentöser Therapie und schmerztherapeutischer Behandlung) zu erwarten ist. Anschließend könnte die Klägerin jedenfalls ihr zumutbare Tätigkeiten als Diplomjuristin mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben. Derartige Rehabilitationsleistungen wurden der Klägerin angeboten, sind von ihr jedoch abgelehnt worden. Unter diesen Umständen kann sich der Senat keine Überzeugung dahin gehend bilden, dass berufsrelevante Leistungseinschränkungen trotz der Dauer ihres Vorliegens auch prognostisch dauerhaft sind, weil vor Gewährung einer Rente entsprechende Rehabilitationsleistungen Vorrang haben (§§ 9 Abs 1 Satz 2 SGB VI, 8 Abs 2 SGB IX) und die Klägerin zur Mitwirkung bei der Heilbehandlung/Rehabilitation verpflichtet ist (§§ 63, 66 Abs 2 SGB I). Dieser Zustand der Rehabilitationsfähigkeit mit Aussicht auf deutliche Besserung besteht über den gesamten streitigen Zeitraum, wie sich bereits aus dem Privatversicherungsgutachten und den Gutachten im Rentenverfahren ergibt.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit nach dem bis Dezember 2000 geltenden Recht, weil ein Leistungsfall jedenfalls vor dem Jahre 2000 nicht eingetreten ist und zu diesem Zeitpunkt die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Cottbus vom 2. Dezember 2005 wird nach § 153 Abs 2 SGG Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegt.