Gericht | FG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 09.03.2011 | |
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Aktenzeichen | 12 K 12213/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 44a Abs 7 EStG, § 44a Abs 8 EStG, § 44b Abs 3 EStG, § 44c EStG |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Beteiligten streiten über die abweichende Festsetzung von Kapitalertragsteuer aus Billigkeitsgründen.
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand in dem Erwerb und der Verwaltung von Vermögensgegenständen und Beteiligungen sowie in den damit zusammenhängenden Handelsgeschäften mit Unternehmen aller Wirtschaftszweige besteht. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die D GmbH (D). Die D ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit und gehört damit zu den Körperschaften, die nach § 44c Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) a.F. einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer hälftig vom Bundeszentralamt für Steuern (früher Bundesamt für Finanzen) auf Antrag erstattet erhielten.
Bei der Klägerin wurde eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume bis 1998 durchgeführt, die dazu führte, dass verdeckte Gewinnausschüttungen für jedes der geprüften Jahre um TDM … erhöht wurden. Die Schlussbesprechung fand am X. Februar 2001 statt. Die Klägerin berichtigte danach die Körperschaftsteuererklärung 2000 dahingehend, dass ebenfalls weitere TDM … als verdeckte Gewinnausschüttung angesetzt wurden, und erklärte für 2001 und 2002 ebenfalls verdeckte Gewinnausschüttungen, die den Ergebnissen der Außenprüfung entsprachen. Die Steuererklärung für 2001 reichte sie am 09. Oktober 2002, diejenige für 2002 am 30. Oktober 2003 ein. Allerdings meldete die Klägerin die Kapitalertragsteuer auf die Erhöhungsbeträge 2000 sowie auf die abgeflossene verdeckte Gewinnausschüttung der Jahre 2001 und 2002 nicht an. Dies wurde bei der Anschluss-Außenprüfung der Klägerin festgestellt. In ihrer Stellungnahme vom November 2005 zum BP-Bericht vom Juli 2005 beantragte die Klägerin, auf die Einreichung berichtigter Kapitalertragsteuer-Anmeldungen zu verzichten, die Nachzahlungen durch Bescheid festzusetzen und aus Gründen der Praktikabilität die Kapitalertragsteuer nur hälftig anzusetzen, da die Ausschüttungsempfängerin, die D, die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer auf Antrag zur Hälfte erstattet erhalte. Die Klägerin wiederholte diesen Antrag mit Telefax-Schreiben vom Dezember 2005. Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom Januar 2006 dazu mit, dass er der vorgeschlagenen Verfahrensweise nicht folgen könne, weil § 44c Abs. 2 Nr. 1 EStG a.F. für die hälftige Erstattung der Kapitalertragsteuer ein eigenständiges Verfahren vorsehe, und kündigte den Erlass von Nachforderungsbescheiden an. Die Klägerin wiederholte ihren Antrag erneut mit Telefax-Schreiben vom Januar 2006, in dem sie auch darauf hinwies, dass die D einen gleichlautenden Antrag gestellt habe, der in deren Bp-Bericht aufgenommen worden sei. Sie erläuterte weiter, dass auch im Rahmen der vorherigen Außenprüfung für die Jahre 1993 bis 1998 entsprechend verfahren worden sei.
Mit Nachforderungsbescheid vom X. März 2006 setzte der Beklagte die Kapitalertragsteuer und den entsprechenden Solidaritätszuschlag für die Anmeldezeiträume 05/1999, 07/2000, 06/2001 und 06/2002 fest.
Mit Datum vom X. Mai 2006, bei dem Bundeszentralamt für Steuern eingegangen am X. Juni 2006, beantragte die Gesellschafterin der Klägerin die Erstattung der Kapitalertragsteuer. Das Bundeszentralamt für Steuern teilte mit Schreiben vom X. Juli 2006 dazu mit, dass der Antrag nicht bearbeitet werden könne, da die Erstattungsgrundlage, § 44c EStG, durch das Steueränderungsgesetz 2003 für Zahltage nach dem 31. Dezember 2003 aufgehoben und durch die sogenannte erweiterte Abstandnahme gemäß § 44a Abs. 7 bzw. Abs. 8 EStG ersetzt worden sei.
Am Y. Juli 2006 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erstattung der hälftigen Kapitalertragsteuer aus Billigkeitsgründen. Der Beklagte erließ daraufhin am X. Dezember 2006 einen geänderten Nachforderungsbescheid für den Anmeldezeitraum 05/1999, in dem er die Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag aus Billigkeitsgründen niedriger festsetzte. Im Übrigen lehnte er den Antrag ab. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom X. Januar 2007 Einspruch ein, den sie mit Schreiben vom X. Februar 2007 begründete und den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom X. August 2007 zurückwies.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) Anspruch auf die hälftige Erstattung der Kapitalertragsteuer habe. Sie weist darauf hin, dass auf Ausschüttungen, auch in Form verdeckter Gewinnausschüttungen, die vor dem 01. Januar 2004 erfolgt sind, § 44c EStG a.F. anzuwenden sei. Nach dieser Vorschrift in der bis zu ihrer Aufhebung durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2003 vom 15. Dezember 2003 geltenden Fassung erstattete das Bundesamt für Finanzen, das jetzige Bundeszentralamt für Steuern, auf Antrag des Gläubigers die Hälfte der auf Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer, wenn der Gläubiger eine von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaft war. Sinn des § 44c EStG sei es gewesen, zu vermeiden, dass der unter die Vorschrift fallend Kreis von Steuerpflichtigen, dessen Tätigkeit dem allgemeinen Wohl diene, in der Erfüllung seiner Aufgaben beeinträchtigt werde.
Die Klägerin führt weiter aus, dass die Antragsfrist für einen entsprechenden Erstattungsantrag gemäß § 44c Abs. 3 Satz 1 a.F. i.V.m. § 36b Abs. 4 EStG a.F. am 31. Dezember desjenigen Jahres geendet habe, das dem Kalenderjahr folge, in dem die Einnahmen zugeflossen sind. Diese Regelung sei jedoch nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 18. November 2004 (2 K 2067/02, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2005, 610) so zu verstehen, dass die Frist nicht zu laufen beginne, bevor der Entrichtungspflichtige die Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt habe, und zwar auch dann, wenn die Ausschüttung, für die die Kapitalertragsteuer abgeführt werde, schon mehrere Jahre zuvor vorgenommen worden sei. Anderenfalls könne die Situation eintreten, dass ein mangels Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer noch nicht entstandener Erstattungsanspruch bereits vor seiner Entstehung wegen Ablaufs der Antragsfrist nicht mehr geltend gemacht werden könne. Es sei danach bereits zweifelhaft, ob sie, die Klägerin, den Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer vor Einbehaltung und Abführung der Steuer, also vor dem 31. Dezember 2004, oder vor der Festsetzung durch den Bescheid vom 30. März 2006 habe stellen dürfen.
Folge man der genannten Rechtsprechung, müsse man den Fristbeginn und somit auch den Fristablauf verneinen und einen Antrag auf Erstattung bei dem Bundesamt für Finanzen bzw. jetzt Bundeszentralamt für Steuern zulassen. Allerdings habe die Zuständigkeit dieser Behörde aufgrund der Aufhebung der §§ 44c, 36b EStG für Ausschüttungen, für die bis zum 31. Dezember 2004 keine Erstattung beantragt worden sei, geendet.
Sie, die Klägerin, habe jedoch keine Handlung versäumt. Wenn die Zuständigkeit des Bundesamtes für Finanzen bzw. Bundeszentralamtes für Steuern nicht aufgehoben worden wäre, hätte ihre Gesellschafterin den Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer erst nach Ergehen der Steuerfestsetzung stellen dürfen. Die Antragstellung könne nach aktueller Rechtslage mangels Zuständigkeit dieser Behörde nicht nachgeholt werden, selbst wenn einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprochen werde. Damit bestehe die Situation, dass die Antragsfrist noch nicht einmal zu laufen begonnen habe, die Erstattungsgrundlage und die Zuständigkeit der für den Antrag zuständigen Behörde aber weggefallen seien.
Hinsichtlich der Behandlung von Fällen, in denen die Ausschüttung vor dem 31. Dezember 2003 stattgefunden hat, aber bis zum 31. Dezember 2004 kein Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer gestellt worden ist, verweist die Klägerin auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 14. Dezember 2004 (IV C 1 – S 2404 – 20/04). Sie, die Klägerin, sei insoweit der Fallgruppe 1 zuzuordnen. Nach dieser Anweisung seien Anträge auf Erstattung von Kapitalertragsteuer von dem Finanzamt abzuwickeln, bei dem der Antrag gestellt wurde, soweit dies Ausschüttungen aus der Zeit vor dem 31. Dezember 2004 betrifft. Das Bundeszentralamt für Steuern sei gehalten, bereits vorliegende wie künftig eingehende Erstattungsanträge an die beantragende Körperschaft zurückzugeben mit der Bitte, den Erstattungsantrag direkt bei dem zuständigen Finanzamt zu stellen. Diese Billigkeitsregelung für die in dem BMF-Schreiben geschilderten Sachverhalte sei auf Anträge anzuwenden, die bis zum 31. Dezember 2005 gestellt worden seien. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung der Klägerin bei ihr vor. Die Kapitalertragsteuern beträfen Zuflüsse an ihre Anteilseignerin aus der Zeit vor dem 31. Dezember 2004. Sie, die Klägerin, habe den entsprechenden Antrag auch bereits vor dem 31. Dezember 2005 gestellt, nämlich mit ihrer Stellungnahme zum BP-Bericht vom 04. November 2005 und erneut mit ihrem Telefax-Schreiben vom 12. Dezember 2005.
Das genannte BMF-Schreiben verdeutlicht nach Ansicht der Klägerin, dass es der Finanzverwaltung bewusst gewesen sei, dass es Fälle gebe, die weder eine Erstattung nach alter gesetzlicher Regelung noch eine Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug nach neuer Regelung ermöglichten, die also von einer gesetzlichen Regelungslücke betroffen seien. Die Klägerin meint, dass alle nach dem BMF-Schreiben als offene bzw. Problemfälle bezeichneten Fälle grundsätzlich den vereinfachten Verfahrensvorschriften der neuen gesetzlichen Regelung unterliegen sollten, also nicht mehr den strengen und umständlichen früheren Verfahrensregelungen, die mit einem Antragserfordernis und Antragsfristen verbunden waren, unterworfen sein sollten. Damit stelle das BMF-Schreiben eine Verwaltungsanweisung dar, die als allgemeine Billigkeitsregelung zu verstehen sei. Hinsichtlich der konkreten Entscheidung im vorliegenden Einzelfall über die abweichende Festsetzung der Kapitalertragsteuer aus Billigkeitsgründen sei somit das Ermessen auf Null reduziert.
Zu dem Hinweis des Beklagten auf die Richtlinie R 213m EStR führt die Klägerin aus, dass danach von der Erhebung der Kapitalertragsteuer abzusehen sei, wenn verdeckte Gewinnausschüttungen im Rahmen einer Außenprüfung festgestellt werden, soweit bei rechtzeitigem Antrag nach § 44c EStG die Voraussetzungen für die Erstattung der Kapitalertragsteuer vorgelegen hätten. Diese Regelung solle für alle den Kapitalertragsteuerabzug betreffenden Sachverhalte gelten, die im Zusammenhang mit einer verdeckten Gewinnausschüttung stünden und im Rahmen einer Außenprüfung festgestellt worden seien. Im Rahmen der Außenprüfung für die Jahre 1999 bis 2003 sei festgestellt worden, dass für die verdeckten Gewinnausschüttungen der Jahre 1999 bis 2002 keine Kapitalertragsteuer angemeldet worden sei. Somit liege ein Sachverhalt vor, der erst mit der Außenprüfung und nicht vorher bekannt geworden sei. Zu Unrecht stelle der Beklagte auf ihre, der Klägerin, Kenntnis zum 06. Februar 2001 ab. Sie, die Klägerin, habe im Februar 2001 noch keine Kenntnis bezüglich der Sachverhalte, die die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 beträfen, haben können. Die gegenteilige Annahme widerspreche dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Erst die Außenprüfung habe Aufklärung über das Unterlassen der Kapitalertragsteueranmeldung und die Notwendigkeit der Nachholung dieser Anmeldung erbracht. Die Kapitalertragsteueranmeldungen hätten verdeckte Gewinnausschüttungen betroffen, die nicht Gegenstand der Schlussbesprechung am 06. Februar 2001 gewesen seien; diese Schlussbesprechung habe lediglich Veranlagungszeiträume bis 1998 betroffen. Der Beklagte verkenne, dass die Finanzverwaltung mit der Richtlinie R 213m EStR Härtefälle habe vermeiden wollen. Mit dem Verständnis dieser Richtlinie, wie der Beklagte es vertrete, werde zugelassen, dass derjenige Steuerpflichtige, der eine verdeckte Gewinnausschüttung erkläre, aber die Kapitalertragsteueranmeldung bzw. den Antrag auf hälftige Erstattung der Kapitalertragsteuer vergesse, schlechter gestellt werde als derjenige Steuerpflichtige, der bewusst eine verdeckte Gewinnausschüttung bewirke und es darauf ankommen lasse, dass diese erst von einer Außenprüfung aufgedeckt werde. Mithin werde der steuerehrliche Steuerpflichtige u.U. schlechter gestellt als der unehrliche. R 213m EStR sei somit als Billigkeitsregelung zu verstehen, die grundsätzlich dann Anwendung finde, wenn eine Außenprüfung zu einer verspäteten Kapitalertragsteueranmeldung führe, die im Zusammenhang mit einer verdeckten Gewinnausschüttung stehe. In diese Richtung sei auch eine Verfügung der OFD Münster vom 04. Februar 2000 (S 2410 – 30 – St 12 – 31) zu verstehen.
Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung des § 44a Abs. 8 EStG ist es nach Auffassung der Klägerin, dem berechtigten Personenkreis die Privilegierung der hälftigen Kapitalertragsteuerfestsetzung ohne zeitliche Einschränkungen zukommen zu lassen. Eine Ausnahme aufgrund einer temporalen Gesetzeslücke sei vom Gesetzgeber sicherlich nicht gewollt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom X. Dezember 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom X. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag für die Anmeldungszeiträume 07/2000, 06/2001 und 06/2002 im Billigkeitswege hälftig zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist darauf hin, dass nach der ausdrücklichen Regelung in § 52 Abs. 55f EStG 2004 für die Erstattung der Kapitalertragsteuer auf die verdeckten Gewinnausschüttungen der Veranlagungszeiträume 2000, 2001 und 2002 noch § 44c EStG a.F. anzuwenden sei. Die Erstattung werde danach nur auf Antrag gewährt; die Antragsfrist ende gemäß § 44b Abs. 3 EStG a.F. am 31. Dezember des Jahres, das dem Kalenderjahr folge, in dem die Einnahmen zugeflossen seien. Es handele sich dabei um eine Ausschlussfrist, in die zwar Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könne; aus Billigkeitsgründen könne aber nicht zugelassen werden, dass die versäumte Handlung nach Ablauf der Frist nachgeholt werde. Die Neuregelung des § 44a EStG bringe nicht zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber generell die zuvor geltenden Antragsfristen für überflüssig halte. Die Richtlinie R 213m EStR sei so zu verstehen, dass es für unbillig gehalten werde, den Rechtsanspruch auf die Steuerermäßigung zu verwehren, wenn Gründe vorlägen, die nicht im Einflussbereich des Steuerpflichtigen lägen. Es solle erreicht werden, dass die Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug auch dann noch gewährt werden könne, wenn eine Erstattung nach § 44c EStG a.F. nicht mehr möglich sei, weil die verdeckte Gewinnausschüttung erst nach Ablauf der nach der alten Rechtslage geltenden Fristen festgestellt worden sei und der entsprechende Antrag somit nicht mehr rechtzeitig gestellt werden könne. Nicht Sinn und Zweck der Vorschrift sei es hingegen, Fristversäumnisse rückgängig zu machen. Der Klägerin sei es möglich gewesen, rechtzeitig vor Ablauf der Frist einen Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer zu stellen. Sie habe es jedoch unterlassen, die Kapitalertragsteuer anzumelden. Das Vorliegen von verdeckten Gewinnausschüttungen sei zwar erst im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung, aber vor Ablauf der entsprechenden Fristen festgestellt worden. Die Fristen seien erst nach der Schlussbesprechung, nämlich am 31. Dezember 2001 für den Veranlagungszeitraum 2000, am 31. Dezember 2002 für den Veranlagungszeitraum 2001 und am 31. Dezember 2003 für den Veranlagungszeitraum 2003 abgelaufen.
Der Beklagte tritt der Ansicht der Klägerin entgegen, aus dem von dieser genannten Urteil des FG Köln in EFG 2005, 610 folge, dass auch in ihrem, der Klägerin, Fall die Antragsfrist für die von ihr begehrte Erstattung von Kapitalertragsteuer nicht zu laufen begonnen habe. Die Klägerin habe vielmehr ihre steuerlichen Pflichten verletzt, indem sie es unterlassen habe, die Kapitalertragsteuer anzumelden, obwohl sie gewusst habe, dass für die verdeckten Gewinnausschüttungen Kapitalertragsteuer abzuführen gewesen sei. Diese Pflichtverletzung könne nicht dazu führen, dass die Frist zur Stellung des Antrags auf Kapitalertragsteuererstattung hinausgeschoben oder gar verlängert werde. Die Regelung des § 44c Abs. 3 EStG a.F., nach der eine Verlängerung der Antragsfrist nur im Einzelfall auf Antrag des Gläubigers und nur dann, wenn dieser verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten, vorgesehen gewesen sei, zeige, dass eine schuldhaft versäumte Anmelde- und Entrichtungspflicht den Beginn der Antragsfrist nicht hinausschiebe oder diese Frist verlängere.
Die Klägerin wendet demgegenüber ein, dass sie vor Abschluss der zweiten Außenprüfung in den Jahren 2004/2005 keine Kenntnis von den verdeckten Gewinnausschüttungen gehabt habe. Sie habe demzufolge ihre Pflicht zur Anmeldung und Entrichtung der Kapitalertragsteuer nicht schuldhaft verletzt. Der BP-Bericht vom 06. Februar 2001 zeige deutlich, dass die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 zu diesem Zeitpunkt noch nicht geprüft worden seien und die verdeckten Gewinnausschüttungen dementsprechend auch nicht erkannt worden seien.
Selbst wenn sie, die Klägerin, die Kapitalertragsteuer bewusst nicht entrichtet habe, sei eine Erstattung jedoch nicht ausgeschlossen. Durch die bewusste Nichtentrichtung der Kapitalertragsteuer durch den Schuldner werde die Frist für den Erstattungsantrag nicht künstlich verlängert, wie sich aus dem genannten Urteil des FG Köln in EFG 2005, 610, ergebe. Zum einen würde sich der Steuerentrichtungsschuldner gemäß § 44 Abs. 5 EStG einem Haftungsrisiko aussetzen; zum anderen sei für das rechtsähnliche Verhältnis des Vergütungsgläubigers zum Vergütungsschuldner nach § 50d EStG anerkannt, dass die Nichtabgabe der Steueranmeldung durch den Vergütungsschuldner zur verjährungsrechtlichen Ablaufhemmung nach § 170 AO auf Seiten des Vergütungsgläubigers führe.
Schließlich weist die Klägerin auf einen Erlass der OFD Cottbus vom 19. Juni 2001 (S 0341 – 2 – St 251) hin, nach dem über Kapitalertragsteuer-Erstattungsanträge aus sachlichen Billigkeitsgründen auch dann sachlich zu befinden sei, wenn der Erstattungsantrag zwar nach Ablauf der gegenüber dem Steuerschuldner geltenden Festsetzungsfrist, aber innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abzugsteuer entrichtet wurde, gestellt worden sei. Der Nachforderungsbescheid datiere vom 30. März 2006. Bereits am 04. November 2006 habe sie, die Klägerin, die hälftige Festsetzung beantragt. Dieser Antrag sei als Erstattungsantrag anzusehen. Spätestens mit der Klagebegründungsschrift am 05. Dezember 2007 habe sie, die Klägerin, einen Erstattungsantrag gestellt. Die von der Finanzverwaltung geforderte Antragsfrist sei somit gewahrt.
Die Ausführungen des Beklagten hinsichtlich der Anwendbarkeit des BMF-Schreibens vom 14. Dezember 2004 seien äußerst knapp. Der Beklagte stelle allein auf die von ihm zu Unrecht angenommene Fristversäumnis ab. Auf der Rechtsfolgenseite setze er sich mit dem Ermessen nicht hinreichend auseinander. Fallbezogene Argumente fehlten fast völlig. Der Beklagte betätige damit das ihm zustehende Ermessen nicht; es liege ein Ermessensnichtgebrauch vor. Zumindest sei aber ein Ermessensfehlgebrauch zu konstatieren. Der Beklagte beachte nicht, dass der Staat durch den Erlass nicht schlechter gestellt würde als er im Rahmen einer ordnungsmäßigen Antragstellung gestanden hätte. Ein finanzieller Nachteil für den Staat trete nur insoweit ein, wie es der Gesetzgeber bei rechtzeitiger Antragstellung ohnehin vorgesehen habe. Die Gesetzesänderung habe keine steuerliche Mehrbelastung zur Folge haben sollen. Die Befristung für einen Erstattungsantrag nach alter Rechtslage sei allein verfahrenstechnisch bedingt gewesen, um die Belastung des Bundesamtes für Finanzen zu vermeiden. Das folge aus der Gesetzesbegründung, nach der das Verfahren der Abstandnahme die Entlastung des Bundesamtes für Finanzen zum Ziel habe. Mit der aktuellen Rechtslage entfalle die Notwendigkeit einer Antragsfrist ganz, weil die Finanzbehörde durch Erstattungsanträge nicht belastet werde. Demzufolge dürfe nach dem Willen des Gesetzgebers eine Steuererstattung nicht an einem Antrag – gemeint ist ersichtlich: am Fehlen eines Antrags oder an dessen verspäteter Stellung – scheitern.
1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Ablehnung des Beklagten, die Kapitalertragsteuer aus Billigkeitsgründen um die Hälfte niedriger festzusetzen, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
a) Gemäß § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zweck des § 163 AO ist es, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (Urteil des Bundesfinanzhofes – BFH – vom 26. Mai 1994 – IV R 51/93, BStBl. II 1994, 833, unter 1. der Gründe).
Die Unbilligkeit kann sich aus sachlichen oder persönlichen Gründen ergeben (BFH in BStBl. II 1994, 833, unter 2. der Gründe; Loose in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 163 AO Rn. 8). Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Falle derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. Sachliche Gründe sind danach gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage, wenn er sie geregelt hätte, im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BFH in BStBl. II 1994, 833, unter 2. der Gründe m.w.N.). Die Billigkeitsprüfung erfordert eine Gesamtbetrachtung aller Normen, die für die Entstehung des Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich sind. Das Ausmaß der steuerlichen Belastung darf nicht den grundlegenden Wertungen des Steuerrechts zuwiderlaufen (Loose aaO. Rn. 9). Wenn ein Gesetz für eine bestimmte Handlung eine Ausschlussfrist vorsieht, kann die versäumte Handlung allerdings nicht aus Billigkeitsgründen nachgeholt werden (BFH in BStBl. II 1994, 833; Loose in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 163 AO Rn. 9).
b) Der Beklagte hat ermessensfehlerfrei entschieden, dass die von der Klägerin beantragte Billigkeitsmaßnahme den Wertungen des Gesetzes zuwiderlaufen würde.
aa) Der Gesetzgeber hat sich im Zuge der Änderungen durch das StÄndG 2003 entschieden, § 44c EStG aufzuheben und § 44a EStG um einen neuen Abs. 8 zu erweitern. Mit dieser Gesetzesänderung ging eine grundlegende Änderung des Verfahrens über die nur hälftige Erhebung von Kapitalertragsteuern bei Gläubigern von Kapitalerträgen, die steuerbefreite Körperschaften sind, einher. An die Stelle der hälftigen Erstattung von Kapitalertragsteuer, die einen Antrag innerhalb einer bestimmten Frist voraussetzte, trat das Verfahren der hälftigen Abstandnahme vom Steuerabzug. Der Gesetzgeber hält dieses Verfahren für die Jahre ab 2004 offenbar für vorzugswürdig; er hat durch die Übergangsvorschriften in § 52 Abs. 55f EStG aber gleichzeitig deutlich gemacht, dass für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2003, also auch die hier im Streit stehenden Veranlagungszeiträume, weiterhin die alte Regelung des § 44c EStG anzuwenden sein soll. Damit hält der Gesetzgeber die Vorschrift des § 44c EStG und die in dieser Vorschrift enthaltene Frist offenbar nicht für so problematisch, dass von ihrer Anwendung im Zweifel abzusehen ist. Er hat vielmehr ein jedenfalls geeignetes Verfahren der Entlastung steuerbegünstigter Kapitalgesellschaften durch ein anderes, ebenfalls geeignetes und möglicherweise mit geringfügigen Vorzügen verbundenes Verfahren ersetzt.
bb) Die Klägerin hat auch nicht ausnahmsweise einen Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme, weil ihre Anteilseignerin den Antrag auf hälftige Erstattung der Kapitalertragsteuer verspätet gestellt hat
Soweit die Klägerin geltend macht, dass ihre Anteilseignerin den Antrag gar nicht verspätet gestellt habe, weil die Frist zur Antragstellung nicht zu laufen begonnen habe, bevor die Kapitalertragsteuer, um deren Erstattung es geht, angemeldet und abgeführt worden ist, ist der Vortrag widersprüchlich, wenn sie gleichwohl in diesem Verfahren eine Billigkeitsmaßnahme begehrt. Mit diesem Vortrag kann allenfalls die Anteilseignerin der Klägerin den Bescheid des Bundeszentralamtes für Steuern vom 12. Juli 2006 angreifen. Insoweit gehen die Hinweise der Klägerin auf die Entscheidung des FG Köln vom 18. November 2004 und das Schreiben der OFD Cottbus vom 19. Juni 2001 ins Leere, denn beide betreffen allein den Anspruch des Erstattungsgläubigers, hier also der Anteilseignerin der Klägerin, auf Bearbeitung bzw. positive Entscheidung eines Antrags auf hälftige Erstattung der Kapitalertragsteuer.
Die Klägerin kann mit ihrem Begehren also nur dann Erfolg haben, wenn davon auszugehen ist, dass ihre Anteilseignerin den Antrag auf hälftige Erstattung der Kapitalertragsteuer erst nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist, die am 31. Dezember des auf die Ausschüttung folgenden Jahres endet, gestellt hat. Davon geht der erkennende Senat im Folgenden aus.
Eine Billigkeitsmaßnahme käme danach in Betracht, wenn weder die hälftige Erstattung der Kapitalertragsteuer nach § 44c EStG noch die Anwendung des Verfahrens über die Abstandnahme nach § 44a Abs. 8 EStG möglich wäre, und zwar aus Gründen, die allein darin liegen, dass die gesetzlichen Regelungen insoweit nicht aufeinander abgestimmt sind, als ein Steuerpflichtiger ohne eigenes Versäumen weder der einen noch der anderen Regelung unterfällt. Diese Wertung ergibt sich aus der Gesamtschau der von der Finanzverwaltung erlassenen Billigkeitsregelungen, nämlich R 213m EStR und des BMF-Schreibens vom 14. Dezember 2004. Beiden Regelungen ist gemeinsam, dass sie eine Billigkeitsmaßnahme nur dann für gerechtfertigt halten, wenn die Versäumung der Antragsfrist des § 44c EStG nicht von dem Steuerpflichtigen verschuldet worden ist. Das zeigt sich daran, dass z.B. R 213m EStR die Versäumung der Frist des § 44c EStG nicht generell für unerheblich erklärt, sondern nur in den Fällen, in denen verdeckte Gewinnausschüttungen im Rahmen einer Außenprüfung festgestellt werden und deshalb – so versteht der erkennende Senat die Verwaltungsanweisung – die Frist des § 44c EStG versäumt worden ist. Ebenso betrifft das BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2004 Fälle von solchen Antragstellern, die von der erweiterten Abstandnahme nach § 44a Abs. 7 und 8 EStG nicht erfasst sind und bei denen aufgrund der Aufhebung des § 44c EStG – und nicht aufgrund Versäumens der Antragstellung zu einer Zeit, als die Vorschrift noch anwendbar und die Antragstellung noch möglich war – keine Erstattung durch das Bundesamt für Finanzen mehr möglich ist.
Soweit die Klägerin sich auf das BMF-Schreiben vom 14. Dezember 2004 beruft, tut sie dies schon deshalb ohne Erfolg, weil die dort festgelegten Billigkeitsregelungen nur auf Anträge anzuwenden sind, die bis zum 31. Dezember 2005 gestellt worden sind. Da das Schreiben erfolglose Anträge auf Erstattung der hälftigen Kapitalertragsteuer an das Bundesamt für Finanzen zum Gegenstand hat, versteht der Senat diesen Satz dahingehend, dass der – letztlich erfolglos bleibende – Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge an das Bundesamt für Finanzen vor dem 31. Dezember 2005 gestellt worden sein muss. Das war hier nicht der Fall; die Anteilseignerin der Klägerin hat die Erstattung von Kapitalertragsteuer erst am 11. Mai 2006 gestellt, wie sich aus dem Ablehnungsbescheid des Bundeszentralamtes für Steuern vom 12. Juli 2006 ergibt.
Die Klägerin bzw. ihre Anteilseignerin haben zudem die Frist des § 44c EStG nicht unverschuldet versäumt. Die Klägerin hat es vielmehr in Kenntnis des Vorliegens verdeckter Gewinnausschüttungen in den Jahren 2000 bis 2002 unterlassen, die entsprechende Kapitalertragsteuer anzumelden und abzuführen, ohne dass sie in irgendeiner Weise dargetan hätte, warum sie daran gehindert gewesen sei. Dies ist ihr anzulasten und steht einer Billigkeitsmaßnahme entgegen. Insbesondere unterfällt die Klägerin daher nicht, wie sie meint, direkt der Regelung in R 213m EStR. Die verdeckten Gewinnausschüttungen sind gerade nicht erst durch die zweite Außenprüfung in den Jahren 2004 und 2005 aufgedeckt worden. Es trifft zwar zu, dass die verdeckten Gewinnausschüttungen auch nicht in der ersten Außenprüfung, die nur die Jahre bis 1998 betraf, aufgedeckt worden sind. Sie waren aber vor Beginn der zweiten Außenprüfung bekannt, wie sich daran zeigt, dass die Klägerin zeitnah ihre Körperschaftsteuererklärung 2000 berichtigte und in den Jahren 2002 und 2003 für die Jahre 2001 und 2002 Steuererklärungen einreichte, in denen diese verdeckten Gewinnausschüttungen enthalten waren. Entgegen der Auffassung der Klägerin gibt es nicht nur die Möglichkeit der Aufdeckung von verdeckten Gewinnausschüttungen entweder durch die erste oder die zweite Außenprüfung mit der Folge, dass mangels Aufdeckung im Zuge der ersten Außenprüfung von der Aufdeckung in der zweiten Außenprüfung auszugehen sei, sondern die verdeckten Gewinnausschüttungen können auch auf andere Weise bekannt werden. Das war hier der Fall. Die verdeckten Gewinnausschüttungen der Jahre 2000 bis 2002 wurden der Klägerin durch die Auswertung des Betriebsprüfungsberichts der ersten Außenprüfung und damit im Jahre 2001 bekannt. Sie bzw. ihre Anteilseignerin haben die Frist des § 44c EStG demzufolge nicht wegen einer späten Aufdeckung der verdeckten Gewinnausschüttungen versäumt. Im Jahre 2001 wäre die Stellung des Antrags auf Erstattung der hälftigen Kapitalertragsteuer vielmehr noch für alle hier streitigen Zeiträume, beginnend mit dem Jahr 2000, möglich gewesen.
Da das Versäumen der Antragsfrist der Klägerin bzw. ihrer Anteilseignerin nicht unabwendbar war, sondern von der Klägerin zu vertreten ist, kommt eine Billigkeitsmaßnahme nicht in Betracht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.