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Entscheidung 19 Sa 795/11, 19 Sa 1229/11


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 19. Kammer Entscheidungsdatum 06.12.2011
Aktenzeichen 19 Sa 795/11, 19 Sa 1229/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 125 SGB 9, § 7 Abs 4 BUrlG

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 03.03.2011 – 63 Ca 12251/10 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Abgeltung des vom Kläger nicht in Anspruch genommenen Jahresurlaubs und Zusatzurlaubs gemäß § 125 SGB IX für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2010 mit der klägerischen Behauptung, er habe einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen pro Jahr, für 2010 aufgrund der Schwerbehinderung 35 Arbeitstage, obwohl der Kläger vom 25. April 2006 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war; das Arbeitsverhältnis endete am 30. Juni 2010.

Der Kläger war vom 17. Februar 1997 bis zum 30. Juni 2010 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Krankenpfleger gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 2.382,35 EUR tätig; im Jahre 2010 lag eine Schwerbehinderung vor.

Gemäß § 3 des zwischen den Parteien am 7. Dezember 1997 geschlossenen Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen, sowie nach den für Angestellte des Arbeitgebers im Gebiet nach Artikel 3 des Einigungsvertrages jeweils geltenden sonstigen Regelungen. Mit Zusatzvereinbarung vom 15. September 2003 vereinbarten die Parteien die Gültigkeit des Anwendungstarifvertrages vom 16. Juli 2003 und die Anerkennung dieses Tarifvertrages und der ihn ergänzenden oder ablösenden Tarifverträge (vgl. dazu Bl. 3 bis 9 d. A.). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten schloss mit der Gewerkschaft ver.di am 16. Juli 2003 einen Anwendungstarifvertrag, auf dessen Inhalt (Bl. 45 bis 49 d. A.) Bezug genommen wird.

Am 29. Juni 2010 erhielt der Kläger einen Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund, wonach er entsprechend seinem Antrag vom 12. Juli 2007 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend mit dem 1. Juli 2007 bis längstens zum 31. März 2029 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze) bezieht (vgl. dazu Bl. 21 d. A.).

Der Kläger, der zuvor Entgeltfortzahlung von der Beklagten und Krankengeld erhalten hatte, bezog vom 3. Juli bis 25. September 2007 Arbeitslosengeld I, vom 26. September bis 7. November 2007 Übergangsgeld wegen einer Kur, vom 8. November 2007 bis zum 12. August 2008 wiederum Arbeitslosengeld I. Am 11. Juli 2007 stellte die Beklagte eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III für den Kläger zur Vorlage bei der Bundesagentur für Arbeit aus. Vom 14.August bis 2. November 2008 erzielte der Kläger weder Einkommen noch Einkommensersatzleistungen. Vom 3. November 2008 bis 11. Februar 2009 erhielt der Kläger Übergangsgeld im Rahmen der Berufsförderung. Vom 12. Februar bis 19. April 2009 hatte der Kläger weder Einkommen noch Einkommensersatzleistungen. Vom 20. April bis 3. November 2009 erhielt der Kläger erneut Übergangsgeld im Rahmen einer Berufsförderung. Vom 4. November 2009 bis 31. Mai 2010 erhielt der Kläger weder Einkommen noch Einkommensersatzleistungen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leistete für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Mai 2010 eine Nachzahlung an den Kläger aufgrund der rückwirkenden Rentengewährung.

Mit Schreiben vom 17. November 2009 (vgl. Bl. 138 d. A.) stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Umsetzung in eine andere Station und Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit zum nächstmöglichen Termin auf 25 Stunden pro Woche. Der Inhalt des am 12. Januar 2010 stattgefundenen Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig, jedenfalls forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 10. März 2010 (vgl. Bl. 148 d. A.) auf, „im Hinblick auf eine mögliche Wiederkehr an ihren Arbeitsplatz möchten wir Sie bitten, sich für eine Untersuchung bei unserer Betriebsärztin … vorzustellen“. Den Untersuchungstermin sagte der Kläger ab; eine Untersuchung fand nicht statt.

Mit beim Arbeitsgericht Berlin am 9. Dezember 2010 eingegangener Klageerweiterung begehrte der Kläger die hier streitige Urlaubsabgeltung. Mit Urteil vom 3. März 2011 verurteilte das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 6.926,82 EUR brutto nebst anteilige Zinsen und wies die Klage im Übrigen ab. Der Kläger habe wegen des beendeten Arbeitsverhältnisses einen abzugeltenden Mindesturlaubsanspruch für 2007 in Höhe von zehn Tagen, für 2008 und 2009 in Höhe von jeweils 20 Tagen und für das erste Halbjahr 2010 in Höhe von zehn Tagen erworben. Darüber hinaus habe er einen Zusatzurlaub für Schwerbehinderte gemäß § 125 SGB IX für 2010 in Höhe von drei Tagen erworben. Diese Ansprüche seien nicht aufgrund der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit des Klägers verfallen. Die weitergehenden Urlaubsansprüche auf gesetzlichen Mindesturlaub und Zusatzurlaub für 2010 seien gemäß § 5 Abs. 1 c BUrlG im Hinblick auf das unstreitige Ausscheiden des Klägers am 30. Juni 2010 zu kürzen, so dass die Klage insoweit abzuweisen war. Der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende arbeitsvertragliche Urlaub für 2008 und 2009 in Höhe von jeweils zehn Tagen sowie für 2007 und 2010 in Höhe von jeweils fünf Tagen sei gemäß des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen § 47 Abs. 7 BAT-O erloschen. An dieser Bezugnahme ändere sich durch den vereinbarten Anwendungstarifvertrag vom 16. Juli 2003 nichts. Die Regelung in § 47 BAT-O enthalte eine eigenständige, vom gesetzlichen Urlaubsmodell deutlich abweichende Regelung. Mithin sei der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaubsanspruch für 2007 bis 2009 in Höhe von 25 Tagen gemäß § 47 Abs. 7 Satz 6 BAT-O erloschen. Der darüber hinausgehende Urlaubsanspruch für das Jahr 2010 würde zwar erst am 30. Juni 2011 erlöschen, wegen des darüber hinausgehenden Bezuges von voller Erwerbsminderungsrente stehe aber fest, dass der Kläger wegen fehlender Arbeitsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt diesen Anspruch nicht geltend machen könne, jedenfalls aber sei er zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht nicht fällig, so dass die Klage auch insoweit abzuweisen war. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Tatbestandes sowie der Entscheidungsgründe wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (vgl. Bl. 71 bis 80 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 9. März 2011 zugestellte Urteil hat sie am 5. April 2011 Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Frist bis zum 9. Juni 2011, am 1. Juni 2011 begründet. Die Anschlussberufung des Klägers ist am 16. Juni 2011 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangen, nachdem ihm die Berufungsbegründungsschrift am 8. Juni 2011 zugestellt worden ist.

Die Beklagte wendet sich aus Rechtsgründen gegen das angefochtene Urteil, soweit sie zur Zahlung verurteilt worden ist und meint, das Arbeitsverhältnis sei wegen der rückwirkenden Rentengewährung zum Ruhen gelangt und daher Urlaubsansprüche nicht entstanden. Im Fall dauernder Arbeitsverhinderung durch Krankheit werde die durch den Arbeitsvertrag begründete Verantwortungsbeziehung dann gelöst, wenn das Arbeitsverhältnis wie hier ruhe und das Sozialrecht mit der Rentengewährung die finanzielle Fürsorge für den Arbeitnehmer übernehme. Nach unionsrechtlicher Rechtslage bezwecke der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, dem Arbeitnehmer eine Erholung zu ermöglichen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Dieser Zweck sei bei festgestellter rückwirkender vollständiger Erwerbsunfähigkeit nicht zu erreichen. Im Übrigen sei eine zeitliche Begrenzung für so lange Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und eines damit angesammelten Jahresurlaubs nötig. Eine Analogie zu § 47 Abs. 7 bzw. § 59 BAT-O sei zu erwägen. Der Kläger habe auch seine Arbeitskraft während der Zeit seiner lang andauernden Arbeitsunfähigkeit nicht angeboten. Im Gespräch am 12. Januar 2010 habe der Kläger angekündigt, ab dem 30. Juni 2010 seine Arbeitskraft wieder anbieten zu können. Der Kläger habe lediglich nach langer Zeit wieder Kontakt mit der Beklagten aufgenommen, nicht aber seine konkrete Arbeitsleistung angeboten und auch nicht die Arbeitsfortsetzung von der Beklagten verlangt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. März 2011 – 63 Ca 12251/10 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, neben dem ausgeurteilten Betrag weitere 3.298,64 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (Urlaubsabgeltung) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung ebenfalls überwiegend mit Rechtsausführungen und nimmt Bezug auf seinen Sachvortrag erster Instanz. Allein entscheidend für den Abgeltungsanspruch sei das Fernbleiben des Arbeitnehmers und dass der Abwesenheitsgrund in seiner Person liege. Die tatsächliche Rentengewährung sei rückwirkend erfolgt, also erst zu einem Zeitpunkt, als der überwiegende Urlaubsabgeltungsanspruch bereits entstanden sei. Ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses sei weder vereinbart worden noch den Umständen nach zustande gekommen. Im Gespräch am 12. Januar 2010 habe der Kläger zu verstehen gegeben, dass er wieder entsprechend seinem Schreiben vom 17. November 2009 bei der Beklagten arbeiten könne. Die Beklagte habe ihn informiert, dass sein Einsatz erst mit Beginn des Juli 2010 möglich sei. Die Absage des betriebsärztlichen Untersuchungstermins sei nicht mit der Begründung erfolgt, er sei nach wie vor nicht zur Arbeitsleistung in der Lage.

Hinsichtlich des abgewiesenen Klageanspruchs habe das Arbeitsgericht den Regelungsinhalt von § 47 Abs. 7 BAT-O verkannt. Diese Regelung unterscheide sich nicht von derjenigen im Bundesurlaubsgesetz. Daher habe der Kläger nach wie vor Anspruch auf nicht gewährte zehn Urlaubstage für 2008 und 2009 sowie jeweils fünf Urlaubstage für 2007 und 2010.

Wegen des weiteren Sachvortrags in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie ihre Äußerungen in den beiden Verhandlungsterminen vor dem Berufungsgericht Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die statthafte und zulässige, frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten war erfolgreich. Mithin war das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die statthafte und zulässige, frist- und formgerecht eingelegte und begründete Anschlussberufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage insoweit abgewiesen.

Soweit das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, als der Kläger die Abgeltung des zehn Tage übersteigenden gesetzlichen Urlaubsanspruchs sowie des drei Tage übersteigenden Zusatzurlaubs gemäß § 125 SGB IX begehrte, ist die angefochtene Entscheidung rechtskräftig geworden. Mit der Anschlussberufung hat der Kläger die Klageabweisung durch das Arbeitsgericht nur insoweit angefochten, als es um die nicht gewährten zehn Urlaubstage für 2008 und 2009 und die jeweils nicht gewährten fünf Urlaubstage für das Jahr 2007 und das Jahr 2010 ging.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der klägerische Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2010 ist unbegründet. Für diesen Zeitraum ist aufgrund der langjährigen, andauernden und diesen Zeitraum vollständig umfassenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers, der nachträglichen, diesen Zeitraum vollständig umfassenden Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung und der diesen Zeitraum vollständig umfassenden andauernden Arbeitslosigkeit und der entsprechenden Gewährung von Arbeitslosengeld I und Übergangsgeld ein Urlaubsanspruch nicht entstanden. Mithin ist auch ein Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG nicht entstanden. Mithin hat der Kläger weder einen Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, noch auf Abgeltung des darüber hinausgehenden arbeitsvertraglichen Urlaubs noch auf Abgeltung des zusätzlichen Schwerbehindertenurlaubs gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX.

1.1 Der Kläger hat entgegen seiner Ansicht und der Entscheidung des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil keinen Anspruch auf Abgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG im Umfang seines gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs und seines darüber hinausgehenden arbeitsvertraglichen Anspruchs und seines darüber hinausgehenden Zusatzurlaubsanspruchs für Schwerbehinderte. Denn der Kläger hat in der streitgegenständlichen Zeit überhaupt keinen Urlaubsanspruch erworben und damit auch keinen Abgeltungsanspruch.

1.1.1 Zum einen ist der Urlaubsanspruch des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum nicht entstanden, weil das Arbeitsverhältnis geruht hat.

Allerdings haben die Parteien das Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses nicht ausdrücklich vereinbart. Unstreitig ist auch im Gespräch am 12. Januar 2010 ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses nicht vereinbart worden.

Indessen haben die Parteien einvernehmlich und stillschweigend das Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses, beginnend mit dem 1. Juli 2007 bis einschließlich zum Ende des Arbeitsverhältnisses, dem 30. Juni 2010 vereinbart.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Berufungsgericht sich anschließt, ist in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem der Kläger langjährig arbeitsunfähig erkrankt ist, nach Ablauf der Krankengeldzahlungen auf seinen Antrag hin Arbeitslosengeld oder ähnliche sozialrechtliche Lohnersatzleistungen und später auf seinen Antrag hin rückwirkend Rente wegen voller Erwerbsminderung erhält, zu vermuten, dass die Parteien zumindest stillschweigend das Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses vereinbart haben. Denn in einem solchen Fall bestehe das Arbeitsverhältnis nur noch formal und die Bindungen der Parteien seien in einer Weise gelockert, dass ein Arbeitsverhältnis im Sinne der jeweiligen Anspruchsvoraussetzung nicht mehr gegeben sei. Bei solchen Arbeitsverhältnissen müsse der Arbeitgeber mit einer Reaktivierung nicht mehr rechnen (vgl. dazu im Einzelnen mit weiterem Nachweis die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 12.11.1997 – 10 AZR 74/97 -; vom 11.02.1998 – 10 AZR 264/97 -; vom 15.03.2000 – 10 AZR 115/99 -; vom 24.01.2001 – 10 AZR 672/99 – und vom 14.03.2006 – 9 AZR 312/05 -). So liegt es auch hier. Der Kläger war langjährig arbeitsunfähig erkrankt, erstmals und dann ununterbrochen bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses mit Beginn vom 25. April 2006. Am 1. Juli 2007 hatte der Kläger seine Ansprüche auf Entgeltfortzahlung und Krankengeldzahlung vollständig ausgeschöpft. Er erhielt mit Beginn des 3. Juli 2007 Arbeitslosengeld I, mehrfach unterbrochen und daneben Übergangsgeld wegen einer Kur und zur finanziellen Unterstützung während Zeiten einer Berufsförderung.

Zudem erteilte die Beklagte eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III am 11. Juli 2007, welche Voraussetzung für die Gewährung des Arbeitslosengeldes ist. Damit hatte die Beklagte ihr Direktionsrecht aus dem aktuellen Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger aufgegeben (ebenso in einem vergleichbaren Fall das LAG Düsseldorf im Urteil vom 7. Juli 2011 – 5 Sa 416/11 -). Die Beklagte hat damit auch dem Kläger zu verstehen gegeben, dass er für weitere Arbeitsleistungen bei der Beklagten nicht mehr zur Verfügung steht und sie der Auffassung war, der Kläger sei ab dieser Zeit beschäftigungslos. Durch die von ihm beantragte Gewährung von Arbeitslosengeld hat der Kläger seinerseits der Beklagten zu verstehen gegeben, dass auch er sich zukünftig als beschäftigungslos sehe.

Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB III ist arbeitslos nur der Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, mithin beschäftigungslos ist und der den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Da das Arbeitsverhältnis unstreitig während der Zeit ab dem 1. Juli 2007 rechtlich noch fortbestand, hat das Berufungsgericht dann aber festzustellen, dass es wegen der Beschäftigungslosigkeit des Klägers ab Juli 2007 praktisch sinnentleert war und nur noch in einem rechtlichen Rahmen ohne arbeitsrechtlichen Inhalt fortbestand. Die Beklagte hatte keine Verfügungsgewalt mehr über den arbeitslos gemeldeten Kläger (ebenso in einem vergleichbaren Fall Urteil des BAG vom 14.03.2006 – 9 AZR 312/05 – mit weiterem Nachweis). Durch jeweils übereinstimmende Handlungen und die Akzeptanz der hier vorhandenen Umstände zeigt sich, dass beide Parteien übereinstimmend ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit die Rechtsfolgen dieser Vereinbarung wollten.

1.1.2 Es ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung lebhaft umstritten, ob während des ruhenden Arbeitsverhältnisses Urlaubsansprüche und damit Urlaubsabgeltungsansprüche entstehen können. Davon gehen etwa aus die Landesarbeitsgerichte Baden-Württemberg im Urteil vom 29.04.2010 – 11 Sa 64/09 -, das Landesarbeitsgericht Köln im Urteil vom 17.09.2010 – 4 Sa 584/10 -, das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Urteil vom 16.12.2010 – 4 Sa 209/10 -, das Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main im Urteil vom 29.03.2011 – 15 Sa 191/10 -, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Urteil vom 08.02.2011 – 16 Sa 1574/10 -, das Landesarbeitsgericht Köln im Urteil vom 10.08.2011 – 9 Sa 394/11 – und wohl auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Urteil vom 16.03.2011 – 20 Sa 659/10 – mit jeweils weiterem Nachweis. Demgegenüber gehen die Landesarbeitsgerichte Köln im Urteil vom 29.04.2010 – 6 Sa 103/10 -, im Urteil vom 19.08.2011 – 12 Sa 110/11 -, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Urteil vom 05.05.2010 – 7 Sa 1571/09 – und im Urteil vom 07.07.2011 – 5 Sa 416/11 -, das Landesarbeitsgericht München im Urteil vom 26.05.2011 – 4 Sa 66/11 – und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg im Urteil vom 09.06.2011 – 6 Sa 109/10 – bei jeweils unterschiedlicher Fallgestaltung im Grundsatz davon aus, dass Urlaubsansprüche und Urlaubsabgeltungsansprüche im ruhenden Arbeitsverhältnis nicht entstehen. In einem weitgehend vergleichbaren Fall hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 07.07. 2011 – 5 Sa 416/11 -, Revision eingelegt beim Bundesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 9 AZR 689/11, entschieden, dass für Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer bei gleichzeitiger Arbeitsunfähigkeit Arbeitslosengeld I bezieht, keine gesetzlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche entstehen.

1.1.3 Mit dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil 07.07.2011, a. a. O., geht das Berufungsgericht vorliegend davon aus, dass die konkludente Ruhensvereinbarung der Parteien das Arbeitsverhältnis derart sinnentleert hat, dass Urlaubsansprüche während der Zeit des Arbeitslosengeldbezuges, beginnend mit dem Juli 2007 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 2010 nicht entstanden sind.

Diese Entscheidung widerspricht auch nicht Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG in der Auslegung, die er durch die Rechtsprechung des EuGH in der Entscheidung vom 20.01.2009 (Schultz-Hoff, C-350/06 und C-520/06) die vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – übernommen worden ist, und der Entscheidung des EuGH vom 22.11.2011, C-214/10 erfahren hat. Danach wird mit dem in Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG verankerten Anspruch ein doppelter Zweck verfolgt, der darin besteht, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (a. a. O. mit weiterem Nachweis). Im Übrigen werden nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Anspruch auf Jahresurlaub und der auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt, so dass die Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs so zu berechnen wie das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das während des bezahlten Jahresurlaubs weiterzuzahlen gewesen wäre.

Aus alledem wird deutlich, dass der EuGH und ihm folgend das Bundesarbeitsgericht diese Grundsätze nur für die Fälle entschieden haben, in denen alleinige Ursache des nicht genommenen und später abzugeltenden Urlaubs die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers war. Darin unterscheidet sich der vorliegend zu entscheidende Fall deutlich.

1.1.4 Zwar war der Kläger, dies kann zu seinen Gunsten als unstreitig unterstellt werden, während der gesamten Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2010 arbeitsunfähig erkrankt und daher nicht in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Doch ist diese Ursache ab Juli 2007 dadurch verdrängt und überholt worden, dass die Parteien spätestens mit diesem Zeitpunkt und der eintretenden Arbeitslosigkeit des Klägers sowie der nachträglichen Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich auf eine andere Grundlage gestellt haben, nämlich zum Ruhen gebracht haben. Durch diese faktische Sinnentleerung des Arbeitsverhältnisses konnte der Urlaub des Klägers nicht mehr aufgrund seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit nicht gewährt werden, sondern deswegen nicht mehr, weil er arbeitslos gemeldet war, Lohnersatzleistungen erhielt und später nachträglich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger war mithin während der hier streitgegenständlichen Zeit in vollem Umfang finanziell dadurch abgesichert, dass er rückwirkend Erwerbsminderungsrente erhielt und war während des laufenden Zeitraums – vor Mitteilung des Rentenbescheides vom 29. Juni 2010 – während der überwiegenden Zeit durch die Gewährung von Arbeitslosengeld I und Übergangsgeld auch tatsächlich abgesichert. Die einkommenslosen Zeiten überwogen nicht.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte durch ihren konkludenten Verzicht auf die Ausübung ihres Direktionsrechts dem Kläger in der hier streitgegenständlichen Zeit keinen Urlaub gewähren konnte. Dies korrespondiert im Übrigen, darauf hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 07.07.2011, a. a. O., zu Recht hingewiesen, damit, dass er während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Erreichbarkeitsanordnung, EAO, vom 23. Oktober 1997, zuletzt geändert durch AO vom 26. September 2008, mit Zustimmung der Agentur für Arbeit bis zu drei Wochen pro Kalenderjahr sich außerhalb des Nahbereichs aufhalten durfte, ohne nachteilige Folgen hinsichtlich seines Anspruchs auf Zahlung von Arbeitslosengeld befürchten zu müssen. Zwar steht dem arbeitslosen Arbeitnehmer während der Arbeitslosigkeit kein Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz zu, jedoch bewirkt die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 1 der EAO im Ergebnis dasselbe, weil diese Regelung dem Kläger ermöglicht, seinem Erholungs- und Freizeitbedürfnis nachzugehen. Die sozialrechtlich gewährte Erholungsmöglichkeit für den Kläger während seiner Arbeitslosigkeit erfordert daher für denselben Zeitraum in einem sinnentleerten, nur noch rahmenmäßig verbundenen Arbeitsverhältnis keine weitere Erholungsmöglichkeit im Sinne der europarechtlichen Vorgaben und des § 3 Abs. 1 BUrlG durch arbeitsrechtlich begründete Freistellung seitens des hier beklagten Arbeitgebers.

1.2 Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Arbeitsverhältnis durch seinen Antrag auf Umsetzung und Arbeitszeitverkürzung mit Schreiben vom 17. November 2009 bei der Beklagten nicht wieder aktiviert worden; die konkludente Ruhensvereinbarung ist weder durch diesen Antrag noch im weiteren Verlauf durch das gemeinsame Gespräch der Parteien am 12. Januar 2010 und die beabsichtigte betriebsärztliche Untersuchung des Klägers, die nicht zustande gekommen ist, verändert oder gar aufgehoben worden.

Im Schreiben des Klägers vom 17. November 2009 findet sich kein ausdrückliches Arbeitsangebot. Das Schreiben interpretiert das Berufungsgericht dahingehend, dass der Kläger, gegebenenfalls für einen späteren Zeitraum ab dem 30. Juni 2010, anfragen wollte, ob es eine Bereitschaft und Möglichkeit der Beklagten gibt, den Kläger entsprechend seinem Angebot einzusetzen. Unstreitig haben die Parteien im Hinblick auf das Schreiben des Klägers und das nachfolgende Gespräch keinen Arbeitseinsatz des Klägers verabredet, geplant oder gar umgesetzt.

Aus der Entscheidung der Beklagten, die sie dem Kläger mit Schreiben vom 7. Dezember 2009 mitgeteilt hat, ergibt sich vielmehr eindeutig, dass die Beklagte zunächst einmal einen etwaigen neuen Einsatz des Klägers daraufhin überprüfen wollte, ob der Kläger arbeitsfähig sein würde, was durch Untersuchung der Betriebsärztin validiert werden sollte. Auch der Kläger musste das Schreiben der Beklagten vom 7. Dezember 2009 mit dem Angebot, sich betriebsärztlich untersuchen zu lassen, so verstehen. Tatsächlich hat der Kläger dann jedoch – die Gründe dafür sind zwischen den Parteien umstritten, jedoch rechtsunerheblich – durch Absage des Untersuchungstermins schon die Planung oder Vorbereitung seines zukünftigen Einsatzes verhindert. Aus all diesen Umständen ist daher ein konkretes Arbeitsangebot des Klägers, der dies im Übrigen auch sonst nicht schlüssig dargetan hat, nicht ersichtlich.

2. Der Kläger hat entgegen seiner Ansicht und der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts nach den vorstehenden Ausführungen weder einen Anspruch auf Gewährung des Mindesturlaubs noch auf Gewährung des darüber hinausgehenden arbeitsvertraglichen Urlaubs noch auf Gewährung des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erworben. Mithin hat er auch entsprechende Abgeltungsansprüche nicht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende arbeitsvertragliche Urlaub gemäß § 47 Abs. 7 BAT-O in Verbindung mit der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme und unter Berücksichtigung der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 15. September 2003 in Verbindung mit dem Anwendungstarifvertrag vom 16. Juli 2003 erloschen ist, wie das Arbeitsgericht gegen die Ansicht des Klägers entschieden hat.

Denn auch der arbeitsvertragliche Zusatzurlaub ist aus den oben geschilderten Gründen nicht entstanden, mithin ist auch ein entsprechender Abgeltungsanspruch nicht entstanden. Es ist nicht ersichtlich, dass der über den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch hinausgehende arbeitsvertragliche Urlaub durch arbeitsvertragliche oder tarifrechtliche Vereinbarungen bzw. Vorschriften trotz der dauernden Arbeitsunfähigkeit in einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis und der Arbeitslosigkeit des Klägers in der streitgegenständlichen Zeit entstanden ist. Mithin ist auch ein Abgeltungsanspruch nicht gegeben. Auch der Kläger geht insoweit nicht davon aus, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Urlaubsanspruchs danach zu differenzieren sind, ob es um gesetzliche Mindesturlaubsansprüche oder darüber hinausgehende arbeitsvertragliche oder tarifrechtliche Urlaubsansprüche geht. Im vorliegenden Sachverhalt sind bei Berücksichtigung der hier festgestellten Besonderheiten keine Unterschiede zu erkennen, wenn es um die Entstehung des gesetzlichen Mindesturlaubs einerseits und des darüber hinausgehenden arbeitsvertraglichen Urlaubs andererseits geht.

Entsprechendes gilt für den Zusatzurlaub gemäß § 125 SGB IX. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Berufungsgericht sich anschließt, sind die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs auch auf den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte anzuwenden (vgl. nur Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – mit weiterem Nachweis zur Rechtsprechung).

Mithin ist auch der Abgeltungsanspruch in Höhe des Zusatzurlaubs nicht entstanden, die Klage insoweit unbegründet. Auf die weiteren Erwägungen im arbeitsgerichtlichen Urteil kommt es daher nicht an.

3. Mithin war auf die Berufung der Beklagten die Klage auch im Übrigen, nämlich soweit ihr stattgegeben worden ist, abzuweisen. Die Anschlussberufung des Klägers war unbegründet, da das Arbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen hat.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war für beide Seiten zuzulassen, und zwar aus grundsätzlichen Erwägungen einerseits und der möglichen Abweichung von den unter 1.1.2 zitierten landesarbeitsgerichtlichen Entscheidungen, die einen Abgeltungsanspruch trotz ruhendem Arbeitsverhältnis bejaht haben.