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Entscheidung 21 KLs 3/13


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 1. Große Strafkammer Entscheidungsdatum 08.01.2014
Aktenzeichen 21 KLs 3/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

In der Strafsache ... wird die Erinnerung des Verteidigers gegen den Beschluss der Kostenbeamtin vom 25.07.2013 als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.

Gründe

Die Kostenbeamtin hat mit dem angegriffenen Beschluss dem Verteidiger einen Vorschuss auf seine Pflichtverteidigervergütung von 1.075,88 € gewährt und ist dabei mit 613,92 € unter dem Antrag des Verteidigers geblieben.

Mit dem zugrunde liegenden Vorschussantrag des bestellten Verteidigers vom 20.06.2013 hat dieser die Festsetzung der Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes für 10 Haftbesuche beantragt, die in den Zeitraum der Vorbereitung der Hauptverhandlung fielen. Die Kostenbeamtin hat hiervon lediglich drei Fahrten zur Haftanstalt für erstattungsfähig gehalten. Auf die Erinnerung des Verteidigers hat die Kostenbeamtin zwei weitere Fahrten zur Haftanstalt als erstattungsfähig anerkannt und im Wege der Teilabhilfe noch einen Betrag von 175,41 € zugunsten des Verteidigers festgesetzt.

Wegen der weitergehenden Erinnerung ist die Sache der Kammer vorgelegt worden.

Die Erinnerung ist unbegründet. Die Festsetzung eines Vorschusses für Haftbesuche hätte sogar in Gänze unterbleiben können, weil die Vielzahl der Haftbesuche den Rahmen einer glaubhaften Erforderlichkeit sprengt und deren Notwendigkeit nicht dargetan ist.

§ 46 Abs. 1 RVG bestimmt für die Fälle beigeordneter oder bestellter Rechtsanwälte, dass deren Auslagen, insbesondere Reisekosten, (nur dann) nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Nach herrschender Meinung ist aus dieser negativen gesetzlichen Formulierung zu folgern, dass nicht der Anspruchsteller die Erforderlichkeit seiner Auslagen nachzuweisen hat, sondern die Staatskasse die Beweislast dafür trägt, dass bestimmte Auslagen nicht erforderlich waren (Hartmann Kostengesetze 42. Auflage 2012 § 46 RVG Rdn. 9; Gerold/Schmidt RVG 20. Aufl. 2012 § 46 Rdn. 81).

Die danach postulierte Umkehr der „Beweislast“ hat nichts mit der Frage zu tun, ob die Auslagen überhaupt aufgewandt wurden. Vielmehr wird der Staatskasse aufgegeben, die Überflüssigkeit der vom Verteidiger geltend gemachten Aufwendungen nachzuweisen. Es handelt sich deshalb nicht um das mit bestimmten Beweismitteln übliche Führen eines Gegenbeweises dahin, dass bestimmte behauptete Ereignisse nicht stattgefunden haben, sondern um eine Beurteilung und Bewertung der Frage, ob bestimmte Aufwendungen für eine sachgerechte Verteidigung erforderlich waren. Deshalb ist die Verwendung des Begriffs der Beweislast an dieser Stelle fehl am Platze.

Die Beurteilung, ob bestimmte Auslagen für eine sachgerechte Verteidigung erforderlich waren, kann letztlich nur durch das Gericht verbindlich vorgenommen werden. Der Vertreter der Staatskasse ist hierzu nur bedingt in der Lage. Allenfalls kann von der Staatskasse ein substantiiertes Bestreiten der Erforderlichkeit der Auslagen verlangt werden. Dieses setzt allerdings voraus, dass der Verteidiger die Erforderlichkeit seiner Auslagen hinreichend dargelegt hat, denn ohne Tatsachenvortrag kann die Frage der Erforderlichkeit der Auslagen nicht beurteilt werden. Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 11.11.2013 (11 Qs 18/13) darauf hingewiesen, dass die vermeintliche Umkehr der „Beweislast“ den Verteidiger nicht davon entbindet, die Erforderlichkeit seiner Auslagen (dort ging es um die Kosten der Kopien ganzer Akten) darzulegen.

Diese Darlegungslast hat sich allerdings auf formelle Gesichtspunkte zu beschränken, weil vom Verteidiger nicht – und schon gar nicht vor Eintritt der Rechtskraft einer abschließenden Entscheidung – verlangt werden kann, seine Verteidigungsstrategie preiszugeben. Die Erforderlichkeit ungewöhnlich vieler Haftbesuche kann andererseits auch nicht allein mit der bloßen Angabe dargelegt werden, dass es sich um ein Umfangsverfahren handele. Dies trifft im Hinblick auf das vorliegende Verfahren zwar zweifellos zu, lässt aber nicht die Notwendigkeit von 10 Haftbesuchen zur Vorbereitung der Hauptverhandlung glaubhaft erscheinen.

Der Verteidiger wird daher im nächsten Festsetzungsantrag zumindest angeben müssen, wie lange die einzelnen Haftbesuche gedauert haben und zur Klärung welcher Fragen sie gedient haben. Die Angaben wie beispielsweise „Klärung der Verteidigungsstrategie“, Beweislage im Anklagepunkt X“, „Klärung drohender Rechtsfolgen“, „Verhalten in der Hauptverhandlung“ usw. bringen nicht die Gefahr mit sich, dass die Verteidigungsstrategie preisgegeben wird. Sollte der Verteidiger dies gleichwohl befürchten, wird er insoweit auf einen Vorschuss verzichten und seine Auslagen nach Rechtskraft der Abschlussentscheidung geltend machen müssen.

Die hier vertretene Auffassung hat auf die Festsetzungspraxis folgenden Einfluss:

Soweit Auslagen geltend gemacht werden, die den glaubhaften Rahmen sprengen, wird der Kostenbeamte den Antragsteller auf eine hinreichende Darlegung der Erforderlichkeit drängen müssen und nach deren Eingang oder Ausbleiben dem Bezirksrevisor die Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls zum substantiierten Bestreiten geben müssen. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Auslagen wird dann Maßstab die Frage sein, ob ein verständiger, nicht mittelloser Beschuldigter die Auslagen in gleicher Situation veranlasst bzw. akzeptiert hätte (OLG Brandenburg 2 Ws 270/06 Beschluss vom 06.02.2007 zitiert nach Juris). Im Zweifel sind die Auslagen als erforderlich anzusehen.