Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 23. Kammer | Entscheidungsdatum | 22.09.2010 | |
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Aktenzeichen | 23 Sa 543/10, 23 Sa 664/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 242 BGB, § 70 BAT, Art 3 GG, § 79 Abs 1 PersVG BE, § 85 Abs 1 Nr 10 PersVG BE |
1. Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.1.2010 – 60 Ca 21738/08 – werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 39 % und die Beklagte zu 61 % zu tragen.
3. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil wird zugelassen.
Die Parteien streiten wegen Zahlung von Urlaubsgeld und Sonderzuwendung.
Die am …1963 geborene, verheiratete Klägerin stand seit dem 1.9.2002 in einem befristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin. Die Beklagte ist zum 1.6.2003 gem. § 2 HS-MedG Berlin als Gliedkörperschaft der F. Universität Berlin (FU) und der H.-Universität zu Berlin (HU) errichtet worden. Die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer beider Hochschulen gingen gem. § 3 Abs. 3 HS-MedG zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes auf die Beklagte über. Der in § 3 Abs. 4 HS-MedG vorgesehene Überleitungstarifvertrag ist nicht zustande gekommen.
Die FU und die HU hatten im Januar 2003 ihre Mitgliedschaft in den Arbeitgeberverbänden des Öffentlichen Dienstes beendet und seither das Tarifwerk des BAT/BAT-O nach Maßgabe des Anwendungs-TV Land Berlin vom 31.7.2003 angewandt. Am 16.3.2004 beschlossen die Klinikumsvorstände der Beklagten, ab 1.4.2004 bei Neueinstellungen arbeitsvertraglich u. a. Urlaubsgeld und Sonderzuwendungen auszuschließen, Gehälter nach den Merkmalen der bisher anzuwendenden Tarifverträge zu bestimmen und dann fix zu vereinbaren, eine Klausel im Arbeitsvertrag aufzunehmen, nach der sich die Arbeitsbedingungen automatisch an dem zu erwartenden Haustarifvertrag ausrichten, und im Übrigen die bisherigen tariflichen Regelungen des BAT/ BAT-O mit Stand 31.12.2002 zu vereinbaren. Ein weiterer Beschluss vom 20.4.2004 sieht vor, dass Ausnahmen bei Neueinstellungen nicht gemacht werden. Die hiervon betroffenen Arbeitnehmer werden von der Beklagten als AVR - Beschäftigte bezeichnet. Die Beschlüsse sind zum 1.4./1.5.2004 ohne Zustimmung des Personalrates umgesetzt worden. Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 7.2.2006 (- 62 A 7.06 -) festgestellt, dass damit das Mitbestimmungsrecht des Personalrates aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG Berlin verletzt worden ist. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht am 19.9.2007 (- 60 PV 6.06 -) zurückgewiesen.
Auf der Grundlage des Eckpunktepapiers vom 18.10.2006 trat bei der Beklagten zum 1.1.2007 der Tarifvertrag für die Ch.-Universitätsmedizin Berlin (TV-Ch.) vom 18.12.2007 in Kraft. Das Eckpunktepapier sieht unter Ziffer 5 die Zahlung von Zuwendungen und Jahressonderzahlungen für die Jahre 2007 bis 2010 vor. Abschließend ist dort festgehalten:
„Im Übrigen erfolgen für den Zeitraum ab 2004 keine Anpassungen mit Ausnahme der hier geregelten Überleitungen“
Im TV-Ch. ist die Zahlung von Zuwendungen für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2008 im Abschnitt III, Unterabschnitt IIIa geregelt. Demnach erhalten die AVR – Beschäftigten für das Jahr 2007 eine Zuwendung in Höhe von 10 % des sich aus dem Zuwendungstarifvertrag ergebenden Betrages. Bei den übrigen Angestellten sind es 63 % zuzüglich einer Einmalzahlung in Höhe von 250 Euro, wenn sie dem Tarifgebiet West, und 100 Euro, wenn sie dem Tarifgebiet Ost angehören. Weiterhin ist unter Absatz 7 bestimmt:
„Zum 1. Januar 2007 werden die vom 1. Mai 2004 bis 31. Dezember 2006 nach den Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Ch. Beschäftigten in die Vergütungs- und Lohnsystematik des BAT/BMT-G unter Anrechnung von Vorzeiten überführt. Rückwirkende Zahlungsansprüche werden ausdrücklich nicht begründet.“
Ab dem 1.9.2004 ist die Klägerin unbefristet eingestellt. Ihr Vertrag vom 30.8.2004 entspricht inhaltlich den Beschlüssen vom 16.3. / 20.4.2004. Dementsprechend erhielt sie in den Jahren 2005 und 2006 kein Urlaubsgeld und für das Jahr 2006 keine Sonderzuwendung. Die Zahlung einer Sonderzuwendung für das Jahr 2005 ist streitig. Für das Jahr 2007 zahlte ihr die Beklagte ein Urlaubsgeld in Höhe von 255,65 Euro und im November 2007 eine Sonderzuwendung in Höhe von 248,09 Euro. Ihre Tätigkeit entsprach der Vergütungsgruppe IV b, Altersstufe 41 BAT. Nach Geltendmachung der jährlichen Sonderzuwendung und des Urlaubsgeldes mit Schreiben vom 7.7.2006 verfolgt sie ihre Ansprüche für die Jahre 2005 bis 2007 mit der am 30.12.2008 bei Gericht eingegangenen Klage weiter.
Die Klägerin hat behauptet, dass ihr aufgrund der bislang geltenden Entlohnungsgrundsätze und in Anlehnung an den BAT für die Jahre 2005 und 2006 ein Urlaubsgeld in Höhe von jeweils 255,65 Euro gemäß dem Tarifvertrag über Urlaubsgeld für Angestellte und eine Zuwendung in Höhe von jeweils 2.772,83 Euro gemäß dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte zustehe. Auf die entgegenstehenden Vereinbarungen im Arbeitsvertrag könne sich die Beklagte nicht berufen. Die ihnen zugrunde liegenden Vorstandsbeschlüsse seien wegen Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte des Personalrates nichtig. Für das 2005 habe sie keine Zuwendung erhalten. Für das Jahr 2007 habe die Beklagte ihr wie den anderen Beschäftigten des Tarifgebietes West eine Sonderzuwendung in Höhe von 63 % des letzten Bruttoentgelts zuzüglich der Einmalzahlung von 250,00 Euro zu zahlen. Da ihr Bruttoentgelt im November 2007 2.929,85 Euro betragen habe, stünden ihr nach Abzug der bereits gezahlten 248,09 Euro noch 1.847,72 Euro zu. Ihre Ansprüche seien nicht nach § 70 BAT verfallen. Das Berufen der Beklagten auf Ausschlussfristen sei rechtsmissbräuchlich.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
1. 3.028,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 255,65 Euro brutto seit dem 1.8.2005 und aus einem Betrag in Höhe von 2.772,83 Euro seit dem 1.12.2005 zu zahlen.
2. 3.028,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 255,65 Euro brutto seit dem 1.8.2006 und aus einem Betrag in Höhe von 2.772,83 Euro seit dem 1.12.2006 zu zahlen.
3. 1.847,72 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansprüche bestritten. Sie würden sich weder aus Arbeitsvertrag noch aus Tarifvertrag ergeben. Entlohnungsgrundsätze könnten nicht herangezogen werden. Die Tarifverträge des BAT/BAT-O seien für sie nicht bindend gewesen und hätten für Neueinstellungen keine Nachwirkung entfaltet. Zudem ergebe sich aus dem TV-Ch. und dem vorausgegangenen Eckpunktepapier, dass Ansprüche auf eine Jahreszuwendung und Urlaubsgeld für die Vergangenheit ausgeschlossen sein sollten. Für das Jahr 2007 stehe der Klägerin lediglich eine Zuwendung zu, wie sie für AVR – Angestellte vorgesehen sei. Die von ihr geltend gemachten Ansprüche seien falsch berechnet und nach § 70 BAT verfallen. Zudem werde nicht berücksichtigt, dass im Februar 2006 eine Zuwendung für das Jahr 2005 in Höhe von 674,30 Euro gezahlt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.1.2010 die Beklagte zur Zahlung von 4.105,86 Euro nebst Zinsen verpflichtet und im Übrigen die Klage abgewiesne. Es hat ausgeführt, dass der Klägerin aufgrund fortgeltender Vergütungsstruktur für das Jahr 2006 eine Zuwendung in Höhe von 2.318,06 Euro und ein Urlaubsgeld in Höhe von 255,65 Euro sowie nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz für das Jahr 2007 eine restliche Zuwendung in Höhe von 1.532,15 Euro zustehe. Ansprüche für das Jahr 2005 seien dagegen nach § 70 BAT verfallen.
Gegen das ihr am 26.2.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.3.2010 Berufung eingelegt und sie am 23.4.2010 begründet. Die Beklagte, der das Urteil am 17.2.2010 zugestellt worden ist, hat ihre am 9.3.2010 eingelegte Berufung am 10.5.2010 begründet. Die Begründungsfrist ist durch Beschluss vom 12.4.2010 zum 17.5.2010 verlängert worden.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit die Beklagte zur Zahlung verpflichtet worden ist. Im Übrigen führt sie aus, dass ihre Ansprüche aus 2005 nicht verfallen seien. Mit dem bewusst rechtswidrigen Ausschluss von Urlaubsgeld und Jahreszuwendung habe die Beklagte eine fristgerechte Geltendmachung der Ansprüche vereitelt.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.1.2010 – 60 Ca 21738/08 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.579,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 255,65 Euro brutto seit dem 1. August 2005 und aus 2.323,35 Euro brutto seit dem 1.12.2005 zu zahlen;
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.1.2020 – 60 Ca 21738/08 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;
2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte vertieft ihre Ausführungen zur fehlenden Bindung an bisherige Entlohnungsgrundsätze bei Neueinstellungen. Da der TV-Ch. Ansprüche für die Jahre 2004 bis 2006 ausschließe und ein geschlossenes, die Entscheidungen vom 16.3. und 20.4.2004 nicht in Frage stellendes Tarifsystem geschaffen habe, stünden dem Personalrat, bezogen auf die Ansprüche aus diesen Jahren, keine Mitbestimmungsrechte zu. Es sei Grundlage der Tarifeinigung gewesen, dass die AVR - Beschäftigten nicht für die Vergangenheit, sondern erst ab dem 1.1.2007 Urlaubsgeld und eine Sonderzuwendung erhalten. Hierauf würden die Berechnungen zur Höhe der Zahlungen beruhen, die unter dem Primat der Finanzierbarkeit gestanden hätten. Die Regelungen über eine Zuwendung für das Jahr 2007 verstießen nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Neueinstellungen würden keine Vergleichsgruppe bilden. Ihnen gegenüber sei eine unterschiedliche sachlich Behandlung gerechtfertigt, da sie nicht wie die AVR - Beschäftigten vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt und unter Anrechung von Vorzeiten einzugruppieren seien. Zudem seien Stichtagsregelungen zur Herbeiführung einer einheitlichen Vergütungsordnung nicht zu beanstanden. Unabhängig davon bleibe es dabei, dass die tariflichen Ausschlussfristen nicht eingehalten seien.
Die Klägerin hat im Termin vom 11.8.2010 ein Schreiben vom 11.12.2007 vorgelegt, das unter anderem die Geltendmachung der Zuwendung für das Jahr 2007 beinhaltet. Die Beklagte hat in dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 24.8.2010 den Zugang des Schreibens am 12.12.2007 bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten sind jeweils gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft sowie gemäß §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hatten sie keinen Erfolg.
I. Die Berufung der Klägerin war abzuweisen, weil ihre Ansprüche auf Urlaubsgeld und Zuwendung für das Jahr 2005 nach § 70 BAT verfallen sind und die hierauf gerichtete zulässige Klage daher unbegründet ist. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin diese Ansprüche nicht gemäß § 70 BAT wirksam geltend gemacht hat.
1. Die Parteien haben in § 4 ihres Arbeitsvertrages vom 30.8.2004 die Anwendung der Vorschriften des BAT in der am 31.12.2002 geltenden Fassung vereinbart. Der die Ausschlussfristen regelnde § 70 BAT ist von der Anwendung nicht ausgenommen worden. Nach dieser Bestimmung verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
2. Die Frist war von der Klägerin zu beachten. Es ist auch unter Berücksichtigung der §§ 305 c ff BGB grundsätzlich zulässig, in vorformulierten, allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechenden Arbeitsverträgen die Inbezugnahme tarifvertraglicher Regelungen zu vereinbaren. Dies gilt auch dann, wenn davon Ausschlussfristen erfasst werden. (vgl. BAG Urteil vom 6.5.2009 – 10 AZR 390/08 – in AP Nr. 44 zu § 307 BGB). Es kann dahinstehen, ob wegen der Herausnahme einzelner Regelungen § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht zur Anwendung kommt und daher eine Überprüfung der in Bezug genommenen Vorschriften nicht entbehrlich ist. Die Rechtsprechung lässt es zu, Ausschlussfristen in Formularverträgen zu vereinbaren. Sie sind weder überraschend noch ungewöhnlich und stellen bei einer Dauer von 6 Monaten keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar (vgl. BAG Urteil vom 28.9.2005 – 5 AZR 52/05 – in AP Nr. 7 zu § 307 BGB).
3. Die erstmalige Geltendmachung von Urlaubsgeld und Zuwendung erfolgte mit Schreiben vom 7.7.2006. Von ihr konnten allenfalls Ansprüche erfasst werden, die ab dem 7.1.2006 fällig geworden sind. Das Urlaubsgeld und die Zuwendung für das Jahr 2005 fallen nicht darunter. Das Urlaubsgeld war gem. § 4 Abs. 1 des Tarifvertrages über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.3.1977 mit den Bezügen für den Monat Juli auszuzahlen. Nach § 36 Abs. 1 BAT war es damit am Freitag, dem 29.7.2005, fällig. Die Zuwendung war nach § 4 Abs. 1 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 spätestens am 1. Dezember zu zahlen. Sie war also zum 1.12.2005 fällig. Die Frist des § 70 BAT ist damit nicht gewahrt worden und die Ansprüche erloschen, sollten sie tatsächlich bestanden haben.
4. Die Heranziehung der Ausschlussfristen verstößt nicht gegen Treu und Glauben. Ein derartiger, zur Unzulässigkeit der Rechtsausübung nach §§ 242, 134 BGB führender Verstoß ist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer an der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist gehindert hat. Dies kann dadurch geschehen, dass er durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat. Ebenso verstößt es gegen §§ 242, 134 BGB, wenn er nach objektiven Maßstäben gemessen bei dem Arbeitnehmer den Eindruck erweckt hat, er könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung der Ausschlussfrist erfüllt werde. Der Arbeitgeber setzt sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten, wenn er aus der daraus folgenden Untätigkeit und dem damit eingetretenen Verfall einen Vorteil ziehen will. Dagegen ist die Unkenntnis des Arbeitnehmers über einen Anspruch und seine rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für dessen Verfall aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist unbeachtlich. Von einem Arbeitnehmer kann verlangt werden, dass er sich über seine Ansprüche selbst informiert (vgl. BAG Urteil vom 5.8.1999 – 6 AZR 752/97 – in ZTR 2000, 36 f). Daher stellt selbst eine unzutreffende Auskunft über das Bestehen eines Anspruchs kein Hindernis für seine rechtzeitige Geltendmachung dar (vgl. BAG Urteil vom 22.1.2997 – 10 AZR 459/96 – in AP Nr. 27 zu § 70 BAT).
Die Beklagte hat mit der Klägerin lediglich einen Vertrag geschlossen, dem gemäß die Tarifverträge über ein Urlaubsgeld und eine Zuwendung nicht Anwendung finden sollten. Mangels Tarifbindung der Parteien war eine derartige Vereinbarung möglich. Ein Anspruch der Klägerin kann daher nur aus der wegen fehlender Beteiligung des Personalrates unverändert fortbestehenden, ein Urlaubsgeld und eine Zuwendung vorsehenden Vergütungsordnung der Beklagten hergeleitet werden. Dies zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen, war die Klägerin durch den Vertrag vom 30.8.2004 nicht gehindert. Dies gilt um so mehr, als sie selbst im Schriftsatz vom 7.12.2009 den Standpunkt vertritt, dass der von der Beklagten zur Wirksamkeit ihrer Beschlüsse vom 16.3. und 20.4.2004 eingenommene Rechtstandpunkt offensichtlich unwirksam gewesen sei. War dies klar erkennbar, dann kann sie der mit der Beklagten geschlossene Vertrag erst recht nicht an der fristgemäßen Geltendmachung der Ansprüche gehindert haben.
II. Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Der Klägerin stehen das Urlaubsgeld und die Zuwendungen in der ausgeurteilten Höhe zu.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf das Urlaubsgeld und die Sonderzuwendung für das Jahr 2006 gem. § 611 BGB aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit den bei der Beklagten im Jahr 2006 geltenden Vergütungsgrundsätzen zu.
1.1 Die Beklagte unterlag im Jahre 2006 keiner auf § 3 TVG beruhenden Bindung an einen Tarifvertrag, der die von der Klägerin geforderten Leistungen vorsieht. Diese Leistungen sind auch weder arbeitsvertraglich vereinbart worden, noch sind sie in einem der Tarifverträge vorgesehen, deren Anwendung die Parteien vereinbart haben.
1.2 Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, das Urlaubsgeld und die Zuwendung aufgrund der bei ihr geltenden Entlohnungsgrundsätze zu zahlen. Sie war auch noch im Jahre 2006 an die durch den Anwendungs-TV Land Berlin vom 31.7.2003 vorgegebenen Entlohnungsgrundsätze gebunden, die ein Urlaubsgeld und eine Zuwendung vorsahen. Im Falle einer derartigen Bindung ist der Arbeitgeber im Hinblick auf die Mitbestimmungsrechte des bei ihm bestehenden Personalrates bzw. Betriebsrates verpflichtet, die vertraglich vereinbarten Leistungen unter Beachtung dieser Grundsätze zu gewähren. Die Verpflichtung besteht unabhängig von den Vertragabsprachen der Parteien. Sie kann bei Neueinstellungen dazu führen, dass für den Arbeitnehmer Ansprüche auf Leistungen entstehen, die als solche vertraglich nicht vorgesehen sind (vgl. BAG Urteil vom 15.4.2008 - 1 AZR 65/07 - in AP Nr. 133 zu § 87 BetrVG, Rn 38). Der Arbeitgeber ist dann zur Leistung einer Vergütung verpflichtet, die der inneren Struktur dieser Grundsätze entspricht (vgl. BAG Urteil vom 11.6.2002 - 1 AZR 390/01 - in AP Nr. 113 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, Rn 31). Im vorliegenden Fall zeichnete sich diese Struktur dadurch aus, dass über das monatliche Gehalt hinaus jährlich eine Einmalzahlung als Urlaubsgeld und eine weitere Einmalzahlung als Sonderzuwendung vorgesehen waren. Diese Zahlungen konnten der Klägerin nicht vorenthalten werden.
1.2.1 Die Beklagte hat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des HS-MedG am 1.6.2003 gem. §§ 2, 3 Abs. 3 die in den medizinischen Bereichen bzw. Fakultäten und Kliniken der FU und HU beschäftigten Arbeitnehmer übernommen. Deren Arbeitsverhältnisse sind auf sie nach § 3 Abs. 3 HS-MedG Berlin „mit allen Rechten und Pflichten sowie individuellen personalrechtlichen Vereinbarungen“ übergegangen. Die Rechte und Pflichten ergaben sich - sei es aufgrund Tarifbindung nach § 3 TVG, sei es aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung - aus den Regelungen des Anwendungs-TV Land Berlin. Die in ihm in Bezug genommenen Vergütungsregelungen des Tarifwerkes des BAT/BAT-O bestimmten die Vergütungsgrundsätze für die unter ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer. Sie galten wie zuvor in der FU und HU ab dem 1.6.2003 bei der Beklagten fort, nunmehr allerdings aufgrund der in § 3 Abs. 3 HS-MedG angeordneten Übernahme. Das Zustandekommen des in § 3 Abs. 4 HS-MedG vorgesehenen Überleitungstarifvertrages war dafür nicht erforderlich. Mit ihm sollte eine Bereinigung kollektiver Regelungen für die Zukunft erreicht werden. Bis dahin waren die bisherigen Regelungen gem. § 3 Abs. 3 HS-MedG weiter anzuwenden und wurden zunächst auch angewandt.
1.2.2 Die bislang angewandten Vergütungsgrundsätze sind durch die Beschlüsse vom 16.3.und 20.4.2004 geändert worden. Sie enthalten eine abstrakt-generelle Entscheidung über eine andere Vergütungsstruktur. Für den durch die Einstellungen bis zum 1.4.2004 bestimmten Teil der Angestellten galten die bisherigen Grundsätze fort. Für die Neueinstellungen ab dem 1.4.2004/1.5.2004 wurden neue Grundsätze eingeführt, die durch den Wegfall des Urlaubsgeldes und der Sonderzuwendung sowie durch die Zahlung eines auf der bisherigen tarifvertraglichen Grundlage zu ermittelnden fixen Gehalts gekennzeichnet waren.
1.2.3 Die Umsetzung der Beschlüsse vom 16.3. und 20.4.2004 bedurfte gemäß §§ 79 Abs. 1, 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG Berlin der vorherigen Zustimmung des Personalrates, die unstreitig nicht eingeholt worden ist. Wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in der genannten Entscheidung vom 19.9.2007 erkannt hat, ist damit das Mitbestimmungsrecht des Personalrates aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG Berlin verletzt worden. Die erkennende Kammer schließt sich dem an. Das Mitbestimmungsrecht nach § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG Berlin erfasst die Fragen der Lohngestaltung, zu denen ausdrücklich die Aufstellung und Änderung von Vergütungsgrundsätzen gehört. Es kommt nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage sie bisher angewandt worden sind. Auch die Änderung einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung ist mitbestimmungspflichtig (vgl. BAG Urteil vom 15.4.2008 - 1 AZR 65/07 - a.a.O. Rn. 29). Es ist daher unerheblich, dass für die Beklagte bis dahin keinerlei Tarifbindung nach § 3 TVG bestanden hat. Da zur Zeit der Umsetzung der Beschlüsse die Lohngestaltung bei der Beklagten weder durch einen Tarifvertrag noch durch Rechtsvorschriften geregelt war, kam auch kein das Mitbestimmungsrecht gem. § 85 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin ausschließender Ausnahmetatbestand zur Anwendung.
1.2.4 Eine Maßnahme des Arbeitgebers, die der notwendigen Mitbestimmung entbehrt, ist rechtswidrig und unwirksam. Dies führt dazu, dass die bislang geltenden Vergütungsgrundsätze weiter anzuwenden sind (vgl. BAG Urteil vom 15.4.2008 - 1 AZR 65/07 - a.a.O. Rn. 36). Die Unwirksamkeit besteht nicht nur im Verhältnis zum Personalrat. Sie erfasst auch einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers und einzelvertragliche Vereinbarungen. Die tatsächlich durchgeführte Mitbestimmung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers. Nachteilig sind solche Maßnahmen, die seine bereits bestehende Rechtsposition schmälern (vgl. BAG Urteil vom 15.4.2008 - 1 AZR 65/07 - a.a.O. Rn. 37, Urteil vom 11.6.2002 - 1 AZR 390/01 - a.a.O. Rn 28). Die sich aus der Anwendung der unveränderten Vergütungsordnung ergebende Rechtsposition der Klägerin bestand darin, dass über das monatliche Gehalt hinaus jährlich eine Einmalzahlung als Urlaubsgeld und eine weitere Einmalzahlung als Sonderzuwendung vorgesehen waren. Diese Vergütungsstruktur hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin auch noch im Jahr 2006 beizubehalten.
1.2.5 Der TV-Ch. hat die Vergütungsstruktur im Jahre 2006 nicht geändert. Er ist rückwirkend zum 1.1.2007 in Kraft getreten. Regelungen zur Vergütungsstruktur vor diesem Zeitpunkt enthält er nicht. Die im Abschnitt III, IIIa getroffenen Regelungen betreffen die Zeit ab dem 1.1.2007. Dies gilt auch für den Absatz 7. Er legt im Satz 1 die Überführung der AVR-Beschäftigten in die Vergütungs- und Lohnsystematik zum 1.1.2007 fest. Sie hat unter Anrechnung von Vorzeiten zu erfolgen. Hierauf bezieht sich Satz 2 des Absatzes 7. Er besagt nicht mehr, als dass durch die Überführung unter Anrechung von Vorzeiten keine rückwirkenden Ansprüche begründet werden. Dem gegenüber enthält er keine Aussage über die Aufhebung bestehender Ansprüche aus der Zeit vor dem 1.1.2007. Weder werden Vergütungsgrundsätze für die Zeit vor dem 1.1.2007 aufgestellt, noch werden bestehende Ansprüche ausgeschlossen.
Aus dem Eckpunktepapier vom 18.10.2006 kann nichts anderes hergeleitet werden. Mit ihm haben die Tarifvertragsparteien noch keine tarifvertragliche Regelung getroffen, sondern sich auf bestimmte Punkte für eine noch herbeizuführende Tarifeinigung verständigt. In diesem Rahmen haben sie unter Ziffer 5 festgehalten, dass mit Ausnahme der ab dem Jahr 2007 vorgesehenen Zuwendungen bzw. Jahressonderzahlungen für die Zeit ab 2004 keine Anpassung erfolgt. Daraus folgt aber nicht, dass für die Zeit bis zum 1.1.2007 eine Vergütungsordnung aufgestellt werden sollte. Jedenfalls ist sie in dem TV-Ch. nicht aufgestellt worden, so dass es bei der Vergütungsordnung bleibt, die ohne die Beschlüsse vom 16.3./20.4.2004 bestanden hat.
1.2.6 Der im Jahr 2006 geltende Vorschalttarifvertrag mit dem Marburger Bund (VTV MB), der seit dem 1.5.2006 kein Urlaubsgeld und keine Sonderzuwendung vorsah, steht dem Anspruch der Klägerin ebenfalls nicht entgegen. Er betrifft die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit überwiegender Tätigkeit in der Krankenversorgung sowie die Ärzte und Ärztinnen. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht. Die übrigen Angestellten werden von ihm nicht erfasst, so dass er für sie keine Vergütungsgrundsätze beinhaltet.
1.3. Die Beklagte ist demnach verpflichtet, der Klägerin in Anlehnung an den Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte eine Einmalzahlung in Höhe von 255,65 Euro und in Anlehnung an den Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte eine weitere Einmalzahlung in Höhe von 2.318,06 Euro zu zahlen. Die rechnerische Richtigkeit dieser Beträge hat sie mit der Berufung nicht mehr angegriffen.
1.4 Die Ansprüche sind nicht nach § 70 BAT verfallen. Sie sind mit dem Schreiben vom 7.7.2006 rechtzeitig geltend gemacht worden. Dass dies vor Fälligkeit geschehen ist, steht einer wirksamen Geltendmachung nicht entgegen. Nach § 70 Abs. 1 BAT reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen. Mit dem Hinweis in ihrem Geltendmachungsschreiben vom 7.7.2006 auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 2.2.2004 – 1 AZR 271/01 sowie des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7.2.2006 – 62 A 7.06 – hat die Klägerin hinreichend deutlich gemacht, dass sie ihre Ansprüche auf die Vergütungsgrundsätze stützt, die in den Jahren 2005 und 2006 unverändert fortbestanden haben. Zwar war die Geltendmachung für die Ansprüche aus dem Jahr 2005 nicht mehr rechtzeitig. Das hindert aber nicht die wirksame Geltendmachung für das Jahr 2006.
2. Der Anspruch auf die Zuwendung für das Jahr 2007 in der ausgeurteilten Höhe von 1.532,15 Euro ist ebenfalls begründet. Er ist nicht auf den ausgezahlten Betrag beschränkt, der unter Abschnitt III, IIIa Abs. 10 TV – Ch. für die AVR – Beschäftigte vorgesehen ist. Diese Regelung verstößt gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist daher unwirksam, so dass der Klägerin ein weitergehender Anspruch nach den Regelungen des TV – Ch. für das Tarifgebiet West zusteht.
2.1 Tarifverträge sind daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, insbesondere das Grundgesetz verstoßen. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten (vgl. BAG Urteil vom 28.5.1996 – 3 AZR 752/95 – in AP Nr. 143 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie). Ob dies aus einer unmittelbaren oder einer nur mittelbaren Bindung an die Grundrechte folgt, ist für den Prüfungsmaßstab ohne Bedeutung (vgl. BAG Urteil vom 27.5.2004 – 6 AZR 129/03 in AP Nr. 5 zu § 1 TVG Gleichbehandlung).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn wesentlich gleich liegende Sachverhalte ohne einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden. Es kommt darauf an, ob sich aus dem von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck der Leistung Gründe herleiten lassen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitsgruppe eine Leistung vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden ist (vgl. BAG Urteil vom 28.5.1996 – 3 AZR 752/95 – a.a.O.). Das trifft auf die Regelungen für die AVR Beschäftigten unter Abschnitt III, IIIa TV-Ch. nicht zu.
2.1.1 Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz bereits im Verhältnis zu den Beschäftigten der Tarifgebiete West und Ost besteht, weil die Ansprüche der Klägerin gegenüber den Vorjahren verringert worden sind. Wie unter Ziffer 1 dargelegt, führt die Unwirksamkeit der Beschlüsse vom 16.3. und 20.4.2004 dazu, dass die bislang geltenden Vergütungsgrundsätze weiter anzuwenden waren und daher auch die AVR Beschäftigten in den Jahren 2004 bis 2006 einen Anspruch auf Einmalzahlungen in Höhe des Urlaubsgeldes und der Sonderzuwendung hatten. Der Unterschied zwischen den AVR Beschäftigten und den übrigen von TV-Ch. erfassten Arbeitnehmern bestand darin, dass diese in den Jahren 2004 bis 2006 einen aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung oder nachwirkender Tarifreglung bestehenden Anspruch auf die Einmalzahlungen besaßen, während sich der Anspruch der AVR Beschäftigten aus dem Arbeitsvertrag erst in Verbindung mit den geltenden Vergütungsgrundsätzen ergab. Der Unterschied liegt damit allein im Anspruchsgrund, nicht aber in der Leistung und ihrer Höhe. Es ist zumindest zweifelhaft, darin einen derart wesentlichen Unterschied zu sehen, dass er eine Schlechterstellung der AVR Beschäftigen nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigt, die, wie die Klägerin, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-Ch. im Arbeitsverhältnis standen. Da sie bereits einen Anspruch auf die Einmalleistungen in voller Höhen hatten, war insoweit eine Angleichung der Leistungen entsprechend dem mit den Regelungen unter IIIa TV-Ch. verfolgten Zweck der Herbeiführung einer einheitliche Vergütung nicht notwendig. Die Tatsache der knapp bemessenen finanziellen Mittel ist jedenfalls als Differenzierungskriterium nicht einleuchtend, da auch gegenüber den übrigen Arbeitnehmern eine Leistungsreduzierung möglich war. Die Frage bedurfte aber keiner abschließenden Entscheidung, weil aus anderen Gründen ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Auch die grundsätzliche Zulässigkeit von Stichtagsregelungen kann keinen sachlichen Differenzierungsgrund darstellen. Aus ihr allein erschließt sich noch nicht, weswegen im Interesse der Angleichung unterschiedlicher Vergütungssysteme die AVR – Beschäftigten gegenüber den Neueinstellungen benachteiligt werden sollen.
2.1.2 Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls deswegen verletzt, weil kein sachlicher Grund vorliegt, den AVR-Beschäftigten gegenüber den ab 1. Januar 2007 neu eingestellten Arbeitnehmern nur Ansprüche auf eine niedrigere Zuwendung einzuräumen. Dem steht nicht entgegen, dass die neu Eingestellten in dem Tarifvertrag nicht als eigene Gruppe ausgewiesen sind. Gerade die fehlende Differenzierung ihnen gegenüber führt zur unterschiedlichen Behandlung im Wesentlichen gleich gelagerter Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund. Der Ausschluss ordentlicher Kündigungen nach § 2 des Tarifvertrages zur sozialverträglichen Begleitung von Restrukturierungsmaßnahmen der Ch.-Universitätsmedizin Berlin (TV R Ch.) scheidet als Differenzierungsgrund aus. Er steht allen Arbeitnehmern zu, die unter den Geltungsbereich des TV-Ch. fallen und die von Personalanpassungsmaßnahmen betroffen sind, vorausgesetzt, dass sie zum Zeitpunkt des Wegfalls ihrer Beschäftigung seit mindestens einem Jahr bei der Ch. beschäftigt sind und in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen. Darunter können auch Neueinstellungen ab dem 1.1.2007 fallen. Die Tatsache, dass gem. Abschnitt III, IIIa Abs. 7 die AVR Beschäftigten unter Anrechnung von Vorzeiten in die Vergütungs- und Lohnsystematik des BAT/BMT – G überführt werden, während es bei Neueinstellungen diese Anrechnung nicht gibt, scheidet als Sachgrund für eine Differenzierung ebenfalls aus. Die Anrechung steht im Zusammenhang mit der Überführung in ein Vergütungssystem. Die neu Eingestellten waren nicht zu überführen, da mit ihnen im Gegensatz zu den AVR Beschäftigten ein Arbeitsverhältnis erst zu begründen war. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass mit der geringeren Sonderzuwendung die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten bei Neueinstellungen kompensiert werden sollte.
2.1.3 Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat zur Folge, dass den AVR Beschäftigten ein Anspruch auf die gleiche Leistung zu gewähren ist, wie sie den seit dem 1.1.2007 Eingestellten aufgrund des TV-Ch. zusteht. Grundsätzlich ist es Sache der Tarifvertragsparteien, eine im Tarifwerk entstandenen Regelungslücke zu schließen. Dies gilt auch unabhängig davon, dass die Tarifvertragsparteien dies im vorliegenden Fall unter § 39 Abs. 5 TV-Ch. ausdrücklich vorgesehen haben. Eine entsprechende Regelung ist aber bislang nicht getroffen worden. Die Sonderzuwendungen sind für die Jahre 2007 bis 2009 gezahlt worden. Eine Rückforderung der Leistungen von den ab dem 1.1.2007 Eingestellten ist bislang nicht erfolgt. Sie ist auch weder zu erwarten, noch für die Jahre 2007 und 2008 nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts gem. § 812 BGB aufgrund der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 37 TV-Ch. möglich. Auch durch tarifvertragliche Regelung wäre eine Rückzahlungsverpflichtung aufgrund des Vertrauensschutzes nicht möglich. Der Gleichheitsgrundsatz kann daher nur noch durch Zahlung der Zuwendung gewahrt werden, die auch die Neueingestellten erhalten haben. In einem derartige Fall ist den benachteiligten Arbeitnehmern ein Anspruch auf die versagte Leistung einzuräumen (vgl. BAG Urteil vom 28.5.1996 – 3 AZR 752/95 – a.a.O.9.
2.2. Der Anspruch ist nicht nach § 37 Abs. 1 TV – Ch. verfallen, der weitgehend § 70 BAT entspricht. Die Ausschlussfrist ist allerdings nicht schon mit dem Schreiben vom 7.7.2006 gewahrt worden. In ihm hat die Klägerin ihre Ansprüche auf die vor Inkrafttreten des TV – Ch. bestehende Vergütungsordnung gestützt. Der Anspruch auf die Sonderzuwendung für das Jahr 2007 macht sie aber nicht unter Zugrundelegung dieser Vergütungsordnung, sondern aufgrund der Bestimmungen des TV – Ch. geltend. Es handelt sich damit nicht um denselben Sachverhalt, der gemäß §§ 70 BAT und 37 TV – Ch. die einmalige Geltendmachung auch für später fällig werdende Ansprüche ausreichend sein lässt.
Die Ausschlussfrist wird jedoch durch das im Termin vom 11.8.2010 vorgelegte Schreiben vom 11.12.2007 gewahrt. Mit ihm macht die Klägerin auch die Zuwendung für 2007 geltend, die gemäß Abschnitt III, IIIa Abs. 9 TV – Ch. i.V.m § 4 Abs. 1 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 spätestens zum 1.12.2007 fällig geworden war. Die Beklagte hat in dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 24.8.2010 den Zugang des Schreibens zum 12.1.22007 eingeräumt.
Der Schriftsatz vom 24.8.2010 konnte gemäß § 283 ZPO der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Zwar hat die Beklagte eine Erklärungsfrist nicht ausdrücklich beantragt. Der Antrag ist jedoch in der Erklärung zusehen, dass sie sie sich zu dem erstmals im Termin vom 11.8.2010 vorgelegten Schreiben nicht äußern könne. Damit brachte sie sie zum Ausdruck, sich durchaus noch äußern zu wollen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Revision der Beklagten ist nach § 72 Abs. 2 Nummer 1 ArbGG zugelassen worden. Für die Klägerin lagen dagegen die Voraussetzungen der Revisionszulassung nicht vor. Insoweit handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.