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TU Berlin; außerplanmäßiger Professor; eigene Webseite auf dem Server der TU; Veröffentlichung personenbezogener Daten Dritter; amtsgerichtliches Urteil; vorübergehende Sperrung der Webseite; Allgemeines Persönlichkeitsrecht; Wissenschaftsfreiheit; Meinungsfreiheit; rechtsstaatliches Verfahren; einstweilige Anordnung; Beschwerde


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 09.10.2014
Aktenzeichen OVG 5 S 29.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 2 Abs 1 GG, Art 1 Abs 1 GG, Art 5 Abs 3 S 1 GG, Art 5 Abs 1 S 1 GG, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 2 Abs 1 HSchulG BE, § 56 Abs 3 HSchulG BE

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Juli 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Antragsgegnerin, betreibt auf deren Server eine Webseite, auf der er ein gegen ihn am 23. April 2014 ergangenes Urteil des Amtsgerichts Schöneberg wegen Räumung der von ihm bewohnten, von den dortigen Klägern auf Grund Eigenbedarfs gekündigten Wohnung unter Nennung deren vollständigen Personalien als Anhang zu einer von ihm verfassten Urteilskommentierung veröffentlichte. Nachdem sich einer der Kläger des amtsgerichtlichen Verfahrens wegen dieser Veröffentlichung mit der Bitte um Unkenntlichmachung der persönlichen Daten an die Antragsgegnerin gewandt hatte und der Antragsteller deren Aufforderung, die betreffende Datei zu entfernen, nicht nachgekommen war, sperrte die Antragsgegnerin den Zugang zur Webseite des Antragstellers.

Das Verwaltungsgericht hat das Begehren des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm den Zugang zu seiner Webseite und den allgemeinen Zugang zu einer auf dieser Webseite platzierten Datei „MietRP IIC (‚Ein anfechtbares amtsgerichtliches Räumungsurteil als Muster‘)“ wiederherzustellen, abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfende Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des angegriffenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass dem Antragsteller jedenfalls der für die begehrte einstweilige Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch fehle. Es sei nicht ersichtlich, dass ein Klagebegehren des Antragstellers mit dem Ziel, die Webseite auch dann ungehindert zur Verfügung gestellt zu bekommen, wenn er sie nutze, um personenbezogene Daten Dritter zu veröffentlichen, die darin eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts sähen, Erfolg haben könnte.

Soweit der Antragsteller bereits einen in der Veröffentlichung der persönlichen Daten liegenden Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger des amtsgerichtlichen Verfahrens gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Abrede stellt, vermag er damit nicht durchzudringen. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten aus dem Intim-, Privat- und Sozialbereich zu bestimmen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. -, juris Rdnr. 146, und Beschluss vom 9. März 1988 - 1 BvL 49/86 -, juris Rdnr. 26; Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10 -, juris Rdnr. 13). Es steht außer Frage, dass der Antragsteller mit der Einstellung des amtsgerichtlichen Urteils in seine Webseite ohne ausreichende Anonymisierung Daten aus der Sozialsphäre der Kläger gegen deren Willen veröffentlicht und damit in deren Allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen hat.

Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen einer Güterabwägung in dem Eingriff zugleich eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger erkannt, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht habe, dass die von ihm in Anspruch genommene Wissenschaftsfreiheit ihn berechtige, personenbezogene Einzelheiten aus einem gegen ihn geführten Zivilrechtsstreit im Internet allgemein zugänglich zu machen. Von daher liege es nahe anzunehmen, dass die Veröffentlichung des gegen ihn erwirkten nicht anonymisierten Urteils in erster Linie dazu dienen solle, die dortigen Kläger wegen des Vorgehens gegen ihn öffentlich anzuprangern.

Die Berufung des Antragstellers auf die Grundrechtsgewährleistung der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vermag die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Abwägung nicht zu erschüttern. Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit berechtigt den Antragsteller nicht zu einer Veröffentlichung des amtsgerichtlichen Urteils unter Nennung der persönlichen Daten der Kläger. Als Abwehrrecht sichert dieses Grundrecht jedem, der sich wissenschaftlich betätigt, Freiheit von staatlicher Beschränkung zu. Gegenstand dieser Freiheit sind vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Wiedergabe. Der grundgesetzliche Schutz umfasst auch Mindermeinungen sowie Forschungsansätze und -ergebnisse, die sich als irrig oder fehlerhaft erweisen. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich dabei um Wissenschaft handelt; darunter fällt alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Januar 1994 - 1 BvR 434/87 -, juris Rdnr. 46).

Das in Rede stehende amtsgerichtliche Urteil ist zwar auf der Webseite des Antragstellers veröffentlicht worden, die dem Antragsteller als Forum für seine wissenschaftlichen Abhandlungen dient. Daraus folgt aber nicht, dass die uneingeschränkte Veröffentlichung des Urteils den Schutz der Wissenschaftsfreiheit genießt. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich nicht zwingend auf jeden einzelnen Bestandteil selbst eines im Kern wissenschaftlichen Werkes. Die Grundrechtsgewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erfasst nicht Äußerungen, die für sich genommen nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet sind und die von den übrigen Teilen des wissenschaftlichen Werks getrennt werden können, ohne dass die wissenschaftliche Aussage als solche, also der versuchte Erkenntnisgewinn an Wahrheit, darunter erkennbar litte (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. Februar 2000 - 1 BvR 484/99 -, juris Rdnr. 4). So liegt der Fall hier. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, warum die Preisgabe der persönlichen Daten der Kläger bei der Veröffentlichung des amtsgerichtlichen Urteils der Wahrheitssuche auf wissenschaftlicher Basis dienen soll. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es dem Antragsteller insoweit vielmehr darum gehe, die Kläger des zivilgerichtlichen Verfahrens wegen ihres Vorgehens öffentlich anzuprangern, setzt der Antragsteller nichts Substanziiertes entgegen. Mit Blick auf die danach zu besorgende Prangerwirkung liegt es auf der Hand, dass ein solches Vorgehen auch nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gerechtfertigt sein kann.

Schließlich greift die Rüge des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin nicht das Recht habe, eine wissenschaftliche Webseite ohne ein vorheriges ordentliches Ermittlungs- und Entscheidungsverfahren vorübergehend zu sperren, nicht durch.

Die von der Antragsgegnerin erlassenen Ausführungsvorschriften zur Nutzung einer auf ihrem Server betriebenen Webseite (Ausführungsvorschriften zur Nutzung eines tubIT-Benutzerkontos, Stand 10.12.2012) sehen unter Absatz 5 für den Fall, dass von einer in ihrem Verantwortungsbereich befindlichen Webseite rechtswidrige Inhalte verlinkt werden oder die Webseite selbst einen rechtswidrigen Inhalt enthält, eine Unterrichtung des Nutzers verbunden mit der Aufforderung vor, die entsprechenden Referenzen oder Inhalte unverzüglich zu entfernen. Zugleich bestimmt Abs. 5, dass die Antragsgegnerin bis zur Änderung durch den Nutzer oder einer hinreichenden Klärung der Rechtslage die Webpräsenz sperren kann. Damit hat die Antragsgegnerin im Rahmen der ihr nach § 2 Abs. 1 BerlHG zustehenden Selbstverwaltung ein Verfahren festgelegt, das sowohl eine Anhörung des betroffenen Nutzers als auch eine vorübergehende Sperrung der Webseite ermöglicht und das im Übrigen in der in § 56 Abs. 3 BerlHG eingeräumten Befugnis der Hochschulleitung, rechtswidrige Maßnahmen mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden oder aufzuheben, eine ausreichende gesetzliche Grundlage hat. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin die Freischaltung der Webseite des Antragstellers von dessen vorherigen Erklärung abhängig macht, die Veröffentlichung des amtsgerichtlichen Urteils nur ohne Nennung persönlicher Daten Dritter einzustellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).