Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 29. Senat | Entscheidungsdatum | 18.12.2013 | |
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Aktenzeichen | L 29 AS 1328/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 21 Abs 5 SGB 2, § 101 SGG |
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2011 aufgehoben.
Die Klagen werden in vollem Umfang abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Kläger wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Rechtsstreite sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Im Streit sind höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung für den Kläger zu 4) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeiträume vom 1. Februar 2009 bis zum 31. Juli 2009 und vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Januar 2011.
Die 1973 geborene Klägerin zu 1) und der 1966 geborene Kläger zu 2) leben in einer Lebenspartnerschaft zusammen und sind die Eltern des 2002 geborenen Klägers zu 3) und des am 2. August 2006 geborenen Klägers zu 4). Zum 1. Oktober 1999 mieteten die Kläger zu 1) und 2) gemeinsam als Hauptmieter unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Anschrift eine Dreizimmerwohnung mit 92,50 m² Wohnfläche zu einem damaligen monatlichen Mietzins von 1190 DM. Der Kläger zu 2) steht als Staplerfahrer in einem festen Arbeitsverhältnis; die Klägerin zu 1) ist als Rechtsanwalts- und Notargehilfin tätig gewesen. Seit Juli 2006 erhält die Bedarfsgemeinschaft von dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II.
Am 13. September 2007 wurde bei dem Kläger zu 4) ein insulinpflichtiger Diabetes Mellitus (Typ 1) festgestellt. Mit Bescheid vom 5. März 2008 stellte das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin - Versorgungsamt – für den Kläger zu 4) einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und das Merkzeichen „H“ (Hilflosigkeit) fest.
Der Beklagte bewilligte den Klägern zunächst ergänzende Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines monatlichen Mehrbedarfes in Höhe von 25,56 € für den Kläger zu 4), zuletzt mit Bescheid vom 22. Juli 2008 für den Zeitraum vom 1. August 2008 bis zum 31. Januar 2009 in monatlicher Höhe von insgesamt 736,52 €.
Für den Folgezeitraum vom 1. Februar 2009 bis zum 31. Juli 2009 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2009 nur noch vorläufig monatliche Leistungen in Höhe von 603,63 €. Außerdem führte der Beklagte aus, dass für den Kläger zu 2) (richtig: für den Kläger zu 4]) nach den neuen Richtlinien kein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gewährt werden könne.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am 16. Februar 2009 mit der Begründung Widerspruch, ein Mehrbedarf für die Ernährung sei medizinisch begründet und die Kosten für die Ernährung würden die Aufwendungen überschreiten, die mit dem Regelsatz abgedeckt seien. Es werde daher ein Mehrbedarf für den Kläger zu 4) in Höhe von monatlich 51,13 €, hilfsweise 25,56 € beantragt. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 4) erst zweieinhalb Jahre alt sei.
Mit Änderungsbescheiden vom 5. März 2009, 17. April 2009 und 4. Mai 2009 änderte der Beklagte seine Bewilligung für den Zeitraum vom 1. Februar 2009 bis zum 30. April 2009 ab und bewilligte nunmehr für die Monate Februar 2009 und März 2009 jeweils 649,01 € und für den Monat April 2009 insgesamt 676,79 €.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2009 wies die Beklagte den Widerspruch gegen diese Bescheide zurück. Ein Anspruch auf einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aufgrund der Diabetes-Erkrankung bestehe nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (DV) aus dem Jahre 2008 nicht.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid haben die Kläger am 30. Juni 2009 bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Bei dem Kläger zu 4) sei in einem Alter von 13 Monaten ein insulinpflichtiger Diabetes Mellitus Typ I festgestellt worden. Der Mehrbedarf sei zu Unrecht verweigert worden. Zum einen sei im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/7b AS 64/06 R) bereits fraglich, ob den Empfehlungen des Deutschen Vereins überhaupt gefolgt werden könne. Zum anderen seien diese Empfehlungen hier schon deshalb nicht anwendbar, weil sie ausschließlich für Erwachsene gelten. In den fachlichen Hinweisen unter 2b habe der Deutsche Verein selbst darauf hingewiesen, dass für Minderjährige für Empfehlungen eine ausreichende Datenbasis fehle. Dort heiße es, es seien die in der Anlage 1 aufgeführten Beträge als Richtwerte bei Minderjährigen anzuerkennen. In der Anlage 1 seien 35 € (bis zum 30. Juni 2009) bzw. 36 € (ab dem 1. Juli 2009) genannt. Im Zweifel hätte der Beklagte ein ärztliches Gutachten durch seinen medizinischen Dienst anfordern müssen. Außerdem sei nach den Verwaltungsvorschriften des Beklagten (Punkt 2a) bei Erkrankungen mit einer gestörten Nährstoffverwertung ein Mehrbedarf anzuerkennen, wenn der Body-Maß-Index (BMI) unter 18,5 falle. Der Kläger zu 4) wiege bei einer Körpergröße von 96,5 cm derzeit 13 kg und habe damit einem BMI von 13,96. Insgesamt bestehe bei dem Kläger zu 4) ein monatlicher Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 60,45 €. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger zu 4) mehrfach über den Tag verteilt Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen müsse und die Einsichtsfähigkeit zu der Notwendigkeit einer Vollwerternährung aufgrund seines Alters bei ihm noch nicht vorhanden sei. Der Kläger zu 4) mache nur einen Mehrbedarf für Kosten von Lebensmitteln gelten, die außerhalb der Haupt- und Zwischenmahlzeiten verabreicht werden müssten. Er erhalte dann Säfte und Traubenzucker und verschiedene Milchprodukte, die ständig bereitgehalten werden müssten und monatlich 43,36 € kosten würden. Er akzeptiere viele Lebensmittel, die im Kindergarten angeboten und die von der übrigen Familie auch verzehrt würden, häufig nicht und es müssten daher immer Alternativen bereitgehalten werden. Außerdem würden Ernährungswissenschaftler bei einem gesunden Kind nicht die Verabreichung von Traubenzucker und Milchprodukten mit vollem Fettgehalt empfehlen. So solle beispielsweise nach der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (Stand: 2009) Joghurt nur mit einem Fettgehalt von max. 1,5 % verabreicht werden, Fruchtsäfte als Schorle (1 Teil Saft, 3 Teile Wasser) und Traubenzucker gar nicht. Demgegenüber benötige der Kläger zu 4) zur ausreichenden Kohlenhydratzufuhr pure Säfte und Milchprodukte mit vollem Fettgehalt. Letztere seien bekanntermaßen teurer, als Milchprodukte mit verringertem Fettgehalt. Zudem müsse er teilweise über Flaschensauger ernährt werden, die ebenfalls bereit zu halten seien und nach drei Wochen aus hygienischen Gründen entsorgt werden müssten. Allein für die Sauger würden monatliche Kosten in Höhe von 17,09 € anfallen. Im Zweifel sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R) ein medizinisches und/oder ernährungswissenschaftliches Gutachten einzuholen.
Der Klageschrift war in Ablichtung ein Diabetes-Tagebuch für den Kläger zu 4) für den Zeitraum vom 3. März 2009 bis zum 21. Juni 2009 beigefügt, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf die Anlage zur Klageschrift (Sonderheft zur Gerichtsakte Band I) verwiesen wird.
Außerdem war der Klageschrift eine Kopie einer ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Arztes des Klägers zu 4), Professor Dr. B, vom 4. Mai 2009 beigefügt, in der dieser ausgeführt hat:
„Bei L Z besteht seit 13. September 2007 ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus (Typ 1). Er befindet sich in meiner ständigen ambulanten diabetologischen Betreuung.
Die Therapie wird mit Hilfe einer Insulinpumpe durchgeführt. L benötigt eine abgewogene Ernährung sowie täglich mehrfache Stoffwechselkontrollen in Form von Blutzuckermessungen und gegebenenfalls Blutketonmessungen. Die Insulintherapie wird flexibel an die Kohlenhydrateaufnahme angepasst. Die Qualität der Stoffwechsellage ist in höchstem Maße von der Einhaltung der Ernährungsrichtlinien sowie der Durchführung und der entsprechenden Interpretation der Stoffwechselkontrollen sowie der darauf abgestimmten Insulingabe abhängig.
Aufgrund seines Alters ist L nicht in der Lage, diese Therapiemaßnahmen selbständig durchzuführen. Die Stoffwechsellage ist ausgesprochen labil, so dass Ls Mutter seit vielen Monaten nicht nur tagsüber, sondern auch nachts engmaschige Blutzuckerkontrollen durchführen muss. Durch diese lang anhaltende Belastung ist die Mutter zur Zeit körperlich und seelisch so belastet, dass sie eine regelmäßige Begleitung ihres Sohnes V zur Schule nicht jeden Tag sicherstellen kann.
Eine diesbezügliche Unterstützung erscheint ärztlicherseits empfehlenswert.“
Mit Änderungsbescheiden vom 6. Juni 2009, 30. Juni 2009 und 7. September 2009 hat der Beklagte auch die Leistungsbewilligung für die Monate Mai 2009 (auf 645,01 €), Juni 2009 (auf 561,22 €) und Juli 2009 (auf 673,63 €) geändert.
Außerdem hat der Beklagte mit Bescheid vom 25. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2010, laut Eingangsstempel am 23. März 2010 bei dem Prozessbevollmächtigten der Kläger eingegangen, vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Juli 2010 in monatlicher Höhe von 685,38 € - ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung - bewilligt. Gegen diese Bescheide haben die Kläger am 19. April 2010 ebenfalls bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben; dieses Verfahren ist unter dem Aktenzeichen S 107 AS 13153/10 registriert worden.
Ferner hat der Beklagte mit Bescheid vom 21. Juli 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. August 2010 und des Bescheides vom 6. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 über den anschließenden Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 31. Januar 2011 entschieden. Der an die Klägerin zu 1) adressierte Widerspruchsbescheid vom 5. November 2010 ist laut handschriftlicher Eintragung am 11. November 2010 („eing. 11.11.10 PIN-POST Ze“) eingegangen; hiergegen haben die Kläger am 13. Dezember 2010 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 91 AS 37570/10 registriert worden ist.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss 16. September 2010 das Verfahren S 102 AS 20141/09 und mit Beschluss vom 21. Juni 2011 das Verfahren S 91 AS 37570/10 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 113 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem hiesigen Verfahren verbunden.
Das Sozialgericht hat dem Vorbringen der Kläger den Antrag entnommen,
den Beklagten unter Abänderung
a) des Bewilligungsbescheids vom 26. Januar 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 5. März, 17. April und 4. Mai 2009, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2009
b) des Bewilligungsbescheids vom 25. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2010
c) des Bewilligungsbescheides vom 21. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2010
zu verpflichten, dem Kläger zu 4) jeweils einen Mehrbedarf in Höhe von 60,45 € monatlich zu bewilligen und auszuzahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Im Klageverfahren hat der Beklagte eine gutachterliche Äußerung des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 23. November 2009 zu den Gerichtsakten gereicht, in der dieser im Wesentlichen die Ansicht vertreten hat, die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung bestehe aus medizinischen Gründen im vorliegenden Fall nicht.
Das Gericht hat Befundberichte des behandelnden Arztes Professor Dr. B vom 19. Januar 2010 und vom 23. Februar 2010 eingeholt. Insbesondere hat es um Auskunft gebeten, ob die auffällig häufige Verabreichung von Fischstäbchen, Pommes Frites, Ketchup oder Nutella den kinderdiabetologischen Empfehlungen entspreche.
In dem Bericht vom 19. Januar 2010 hat Professor Dr. Burger u.a. ausgeführt:
„Die Therapie bei L wird mit Hilfe der Insulinpumpe durchgeführt….Aufgrund seines Alters ist L natürlich noch nicht in der Lage, dies selber durchzuführen. Er ist rund um die Uhr auf Überwachung und Hilfestellung durch eine im Umgang mit dem Diabetes erfahrene, erwachsene Person angewiesen.
…
Wie bei vielen Kindern seines Alters ist L noch nicht zuverlässig in der Aufnahme der Mahlzeiten, d.h. dass er zwischenzeitlich die Aufnahme der zubereiteten Mahlzeit verweigert und die Mutter, zur Vermeidung von Unterzuckerungszuständen, dann jeweils alternative kohlenhydrathalte Nahrungsmittel zur Verfügung haben muss. Bei Zuständen von Unterzuckerung ist L darauf angewiesen, rasch resorbierbare Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, auch diese nimmt er nicht zuverlässig auf, so dass auch diesbezüglich die Mutter jeweils verschiedene schnell wirkende Kohlenhydrate bei sich führen muss, um Leonard motivieren zu können, diese rechtzeitig einzunehmen.
Hinsichtlich seines Kalorien- und Energiebedarfs ist L sicherlich als altersentsprechend einzuschätzen, die besondere Mehrbelastung hinsichtlich der Ernährung ergibt sich daraus, dass im Unterschied zu gleichaltrigen Kindern bei L je nach aktueller Stoffwechsellage eine zuverlässige Kohlenhydrataufnahme gewährleistet werden muss, und daher bei den in diesem Alter nicht selten anzutreffenden Akzeptanzproblem einiger Nahrungsmittel immer eine größere Vielfalt von Nahrungsmitteln vorgehalten werden muss, die dann, wenn L sie nicht zu sich nimmt, natürlich irgendwann auch einmal nicht mehr verwendbar sind. Diese besonderen Umstände bei der Behandlung und Betreuung eines Kleinkindes mit Diabetes mellitus, Typ 1 rechtfertigen aus medizinischer Sicht die Anerkennung eines ernährungsmäßigen Mehrbedarfs.“
Im Befundbericht vom 23. Februar 2010 hat Professor Dr. B ferner ausgeführt, es bestehe kein Bedarf für eine höhere Kalorienzufuhr und auch keine Unverträglichkeit für bestimmte Lebensmittel oder die Notwendigkeit für eine bestimmte Ernährung. Empfohlen sei „allgemein gesunde Mischkost“. Allerdings sei bei Kindern mit Diabetes besonders in Situationen mit niedrigem Blutzucker eine hohe Variabilität des Nahrungsangebots (Kohlenhydrate) notwendig, da die Kinder in solchen Situationen dann oft sehr wählerisch seien.
Zu der Frage, ob die in den beigefügten Protokollen dokumentierte Ernährung von L, die auffällig häufig aus Fischstäbchen, Pommes Frites, Ketschup oder Nutella besteht, den kinderdiabetologischen Empfehlungen entspricht hat Professor Dr. B konkret geantwortet:
„Kinder mit Diabetes können sich bis auf wenige Ausnahmen (Nahrungsmittel mit sehr hohem….Index durch freie Zucker) wie alle anderen Kinder ernähren. Empfohlen wird eine gesunde Mischkost, die ausgewogen sein soll. Ein Übermaß an den in der Frage erwähnten Nahrungsmitteln gehört sicher nicht zu den Empfehlungen, muss aber hinsichtlich seiner eventuell dadurch verursachten negativen Wirkungen auch nicht überbewertet werden. Die Erziehung eines Kleinkindes mit Diabetes, dass vielen Restriktionen und täglichen schmerzhaften Eingriffen ausgesetzt ist zu einem selbstbewussten, selbstverantwortlichen Menschen ist eine große Aufgabe, die nicht mit einem Übermaß an Reglementierungen gefährdet werden sollte.“
Der Beklagte ist der Ansicht, nach den Feststellungen ergebe sich, dass der geltend gemachte Ernährungsmehrbedarf letztlich nicht unmittelbar aus medizinischen Gründen resultiere, sondern aus dem Erfordernis der Motivation der Nahrungsaufnahme bei Unterzuckerungszuständen folge. Damit handele es sich jedoch nicht mehr um einen Mehrbedarf „aus medizinischen Gründen“ im Sinne von § 21 Abs. 5 SGB II.
Das Sozialgericht Berlin hat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 SGG mit Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2011 den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger zu 4) jeweils einen Mehrbedarf in Höhe von 60,45 € monatlich zu bewilligen und auszuzahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage der Kläger zu 1 bis 3) sei bereits unzulässig, weil es an einer Beschwer fehle. Es werde lediglich für den Kläger zu 4) ein Mehraufwand für kostenintensive Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II geltend gemacht. Insoweit sei die Klage auch zulässig und erfolgreich. Für den Kläger zu 4) sei eine kostenaufwändige Ernährung erforderlich. Zwar übersehe die Kammer nicht, dass eine Diabeteserkrankung grundsätzlich einen solchen Mehraufwand nicht rechtfertige. Dies ergebe sich aus den Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1. Oktober 2008. Für den Kläger ergebe sich jedoch eine andere Einschätzung. Denn zum einen würden die Empfehlungen des Deutschen Vereins nur für Erwachsene gelten. Zum anderen ergebe sich aus der Bescheinigung des behandelnden Arztes Professor Dr. Bvom 4. Mai 2009 die Notwendigkeit eines ernährungsmäßigen Mehrbedarfs. Schließlich bestünden auch hinsichtlich der geltend gemachten Kostenhöhe keine Bedenken. Diese ergäben sich aus der tabellarischen Übersicht. Die monatlichen Kosten für Sauger in Höhe von 17,09 € seien nicht unangemessen.
Gegen den sowohl den Prozessbevollmächtigten der Kläger als auch dem Beklagten am 27. Juni 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 21. Juli 2011 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Der Beklagte ist der Ansicht, das Sozialgericht habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt und sie so verfahrensfehlerhaft teilweise zu Unrecht verurteilt. Der ärztliche Dienst des Beklagten habe in seiner gutachterlichen Äußerung vom 23. November 2009 eine Notwendigkeit für eine kostenaufwändige Ernährung nicht festgestellt. Demgegenüber sei das Gericht davon ausgegangen, der behandelnde Arzt Professor Dr. B habe eine solche Notwendigkeit angenommen. Diese Divergenz sei durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten zu klären gewesen. Darüber hinaus habe das Gericht sich mit der gutachterlichen Äußerung des ärztlichen Dienstes überhaupt nicht auseinandergesetzt. Schließlich hätten die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG nicht vorgelegen, weil aufgrund der sich widersprechenden ärztlichen Stellungnahmen weder von einem geklärten Sachverhalt noch von einem einfach gelagerten Rechtsstreit auszugehen sei. Außerdem habe das Gericht nicht alle streitgegenständlichen Bescheide in das Verfahren einbezogen die Änderungsbescheide vom 6. Juni, 30. Juni, 7. September 2009 und 9. August 2010 sowie der Aufhebungsbescheid vom 6. September 2000 seien in dem Gerichtsbescheid nicht genannt. Schließlich verletze die Entscheidung auch materielles Recht, weil die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch nach § 21 Abs. 5 SGB II nicht erfüllt seien. Hierzu sei ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen Erkrankung und kostenaufwändige Ernährung notwendig. Die Mehraufwendungen würden nicht aus der Krankheit resultieren, sondern aus der fehlenden Akzeptanz der geeigneten Nahrung durch den Kläger zu 4). Kosten für Sauger seien zudem überhaupt keine Ernährungskosten.
Die Kläger haben mit am 8. September 2011 bei dem Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 5. September 2011 die Kläger Anschlussberufung eingelegt. Sie sind der Ansicht, das Sozialgericht habe zutreffend für den Kläger zu 4) einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 60,45 € zugesprochen. Bei einer Unter- und Überzuckerung würden Verhaltensänderungen auftreten und er sei nicht mehr normal ansprechbar. In dieser Situation weigere er sich oftmals, die angebotenen Lebensmittel zu sich zu nehmen. Eine vernünftige Ansprache sei dann nicht mehr möglich. Die rasche Aufnahme von Kohlenhydraten sei dann aber lebensnotwendig. Deshalb müssten ihm Speisen angeboten werden, die er besonders gerne esse, wie beispielsweise Traubenzucker, verschiedene Milchprodukte und Säfte, die teilweise aber schon am Folgetag nicht mehr genießbar seien, da sie schnell verderben. Anders, als bei gesunden Kindern, könne nicht darauf gehofft werden, dass das Kind die angebotene Speise später schon noch zu sich nimmt. Wenn er nicht rasch resorbierte Kohlenhydrate zu sich nehmen, seien schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten. Der Mehrbedarf des Klägers sei allerdings „seit der ersten Klageerhebung kontinuierlich gestiegenen“ und liege derzeit bei 70,52 € ohne Sauger und Flaschen.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts sei jedoch rechtswidrig, soweit die Klage hinsichtlich der Kläger zu 1 bis 3) abgewiesen worden sei. Denn aufgrund der so genannten horizontalen Verteilung der Bedarfsanteile (vergleiche BSG, B 14 AS 55/07 R), nach der das Arbeitseinkommen des Klägers zu 2) anteilig auf den Bedarf der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angerechnet wird, würden sich bei einer Veränderung der Ansprüche des Klägers zu 4) auch die Ansprüche der übrigen Kläger gegen den Beklagten verändern.
In der nichtöffentlichen Sitzung des 29. Senats vom 25. April 2013 haben die Beteiligten einen Vergleich folgenden Inhalts geschlossen:
1. Die Beteiligten sind sich einig, dass dem Kläger zu 4) für die hier streitigen Zeiträume vom 1. Februar 2009 bis zum 31. August 2010 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II in monatlicher Höhe von 25,56 € zu berücksichtigen ist.
2. Die Beteiligten sind sich einig, dass von dieser Regelung auch die bis zum heutigen Tage noch nicht bestandskräftigen Bescheide erfasst werden sollen.
3. Die Kläger nehmen dieses Teilanerkenntnis an und ihre Klagen im hiesigen Rechtsstreit (L 29 AS 1328/11- verbundener Klagen ersten Instanz: S 107 AS 13153/10, S2 104 AS 20141/09 und S 91 AS 37570/10) im Übrigen zurück.
4. Die Beteiligten sind sich einig, dass damit dieser Rechtsstreit seine Erledigung gefunden hat und der Beklagte die außerrechtlichen Kosten der Kläger für diesen Rechtsstreit zu 1/2 erstattet.
5. Die Beteiligten sind sich ferner einig, dass der Beklagte in den anderen Verfahren Änderungsbescheide unter Berücksichtigung eines monatlichen Mehrbedarfs für den Kläger zu 4) in Höhe 25,56 € erteilen wird und die Kläger die dortigen Verfahren dann für erledigt erklären werden. Nach Beendigung der dortigen Verfahren besteht Einigkeit, dass die außergerichtlichen Kosten dort zu 1/2 von dem Beklagten erstattet werden, mit Ausnahme der Verfahren, wo auch ein Mehrbedarf für die Klägerin zu 1) geltend gemacht wird; im Letzteren Verfahren werden die Kosten von dem Beklagten zu 1/4 erstattet.
6. Die Beteiligten behalten sich den Widerruf dieses Vergleichs bis zum 7. Juni 2013 (Eingang bei Gericht) vor.
Dieser Vergleich ist ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 25. April 2013 laut diktiert, vorgespielt und von den Beteiligten genehmigt worden.
Mit am 5. Juni 2013 per Fax übersandten Schreiben vom selben Tage hat der Beklagte mitgeteilt, die Beteiligten hätten am 3. Juni 2013 telefonisch eine Verlängerung der in dem abgeschlossenen Vergleich unter Ziffer 6 enthaltenen Widerrufsfrist bis zum 5. Juli 2013 vereinbart. Hintergrund sei eine von dem Beklagten in Auftrag gegebene Begutachtung des Klägers zu 4).
Mit am 2. Juli 2013 per Fax übersandten Schreiben vom 1. Juli 2013 hat der Beklagte dann den im Erörterungstermin vom 25. April 2013 geschlossenen Vergleich widerrufen. Aufgrund des nunmehr vorliegenden Gutachtens des ärztlichen Dienstes vom 6. Juni 2013 ergebe sich, dass aus ernährungsmedizinischer Sicht auch unter Berücksichtigung der Besonderheit des vorliegenden Falles ein durch Krankheit bedingter finanzieller Mehraufwand für Ernährung objektiv nicht festgestellt werden könne.
In der ebenfalls zunächst per Fax übersandten gutachterlichen Äußerung des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Berlin Nord vom 6. Juni 2013 (Gutachter Dr. G), wegen deren Inhalt im einzelnen auf Bl. 269 bis 271 der Gerichtsakten verwiesen wird, heißt es u.a.:
„…Strittig ist bei dem noch 6-jährigen Jungen, ob wegen einer insulinbedürftigen Blutzuckerkrankheit (Diabetes Typ I) Mehrbedarf nach § 21.5 SGB II… besteht.
…
Die mitgeteilten Körpermasse sprechen bis dahin für eine schmächtige Konstitution (BMI mit 14,7 im unteren Bereich der Altersnorm, P 10).
…
Bei dieser schwerwiegenden Erkrankung bestehen unstrittig im Kindesalter besondere Verhältnisse und eine höhere Aufsichtspflicht der Eltern/ Bezugspersonen zum Vermeiden von Diätfehlern, da die Einsichtsfähigkeit in die Erkrankung und die Notwendigkeit der besonderen Ernährung (z.B. ohne höhere Zuckeranteile bzw. Süßigkeiten wie bei anderen Kindern) eingeschränkt ist. Aus diesem Grund wird im Schwerbehindertenrecht SGB IX auch das Merkzeichen für Hilflosigkeit (H) gewährt (und deshalb ein GdB von 50). Allerdings vermag ich bei der gegebenen Konstellation im Kindesalter generell nicht zu erkennen, wodurch höhere finanzielle Aufwendungen relevanten Ausmaßes entstehen sollen. In den Bescheinigungen der behandelnden Fachärzte finden sich dazu auch keine näheren Angaben, weder zur Art, noch zur Menge der Nahrungsmittel und gar nicht zu den Preisen.
…
Zusammengefasst kann die Notwendigkeit einer Kostenaufwändigeren Ernährung aus medizinischen Gründen nicht hinreichend begründet werden.
…
Ob im konkreten Fall durch besondere Aufsicht und Fürsorge der Mutter, die hierdurch an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit gekommen ist, eine Härtefallregelung möglich ist, kann vom ärztlichen Dienst nicht eingeschätzt werden….“
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2011 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
festzustellen, dass das Berufungsverfahren durch den Vergleich vom 25. April 2013 seine Erledigung gefunden hat,
hilfsweise,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragen die Kläger ferner,
der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juni 2011 aufzuheben, soweit die Klage hinsichtlich der Kläger zu 1 bis 3) abgewiesen worden ist, und den Beklagten unter Änderung
des Bewilligungsbescheides vom 26. Januar 2009, in der Fassung der Änderungsbescheide vom 5. März 2009, 17. April 2009 und 4. Mai 2009, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2009;
des Bewilligungsbescheides vom 25. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2010;
des Bewilligungsbescheides vom 21. Juli 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 9. August 2010 und 6. September 2010, jeweils in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 5. November 2010 zu verpflichten,
den Klägern zu 1) bis 4) jeweils höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für den Kläger zu 4) in Höhe von 60,45 € zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung der Kläger zurückzuweisen.
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 29. August 2013 bestätigt, dass sich beide Beteiligten in einem Telefonat am 3. Juni 2013 auf eine Verlängerung der Widerrufsfrist bis zum 5. Juli 2013 und eine Mitteilung dieser Verlängerung an das Gericht durch den Beklagten verständigt haben.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2013 haben die Kläger nochmals ergänzend vorgetragen und insbesondere die Vernehmung des behandelnden Arztes Professor Dr. B als Zeugen beantragt. Außerdem haben sie für weitere Zeiträume Aufzeichnungen über die Ernährung des Klägers zu 4) eingereicht und konkret zu den Kosten der Nahrungsmittel aufgeführt:
„Langwirksame KE für 30 Tage
Actimel 0,1 %
Vanille
1,99 €/ 6er
1x = 1,99 €
Erdbeer
1,39 €/ 4er
1x = 1,39 €
Müllermilch „die Leichte“
0,79 €/Flasche
1x = 0,79 €
Fruchtzwerge
1,49 €/ 6er
oder 4er1x = 1,49 €
Paula Pudding
1,49 €/ 4er
2x = 2,98 €
Schokokids Pudding
0,66 €/4er
3x = 1,98 €
Leckermäulchen
0,99 €/6er
3x = 2,97 €
Wikie Joghurt
0,29 €/Stück
10x=2,90 €
diverse andere
0,29 €/Stück
4x = 1,16 €
Karli Kinderquark
1,18 €/12er
1x = 1,18 €
Buttermilchdessert
0,29 €/Stück
3x = 0,87 €
Milchbreipulver
2,39 €/Packung
1x = 2,39 €
Gläschen
1,35 €/Stück
5x = 6,75 €
Früchteriegel
0,45 €/Stück
5x = 2,25 €
0,55 €/Stück
5x = 2,75 €
33,84 €
Lebensmittel ohne KE
- Putenwürstchen
0,86 €/Packung
2x = 1,72 €
- Karotten zum zwischendurch knabbern täglich frisch
(bei erhöhtem Blutzucker ist Leonard Lebensmittel ohne KE ist der Blutzucker Wert Nachkorrektur im Normbereich ist.)
€ 70,52“
Außerdem haben die Kläger mit diesem Schriftsatz eine ärztliche Bescheinigung des Prof. Dr. B vom 22. Juni 2011 eingereicht, in der dieser Folgendes ausgeführt hat:
„L wird von mir wegen eines im September 2007 aufgetretenen Diabetes mellitus, Typ 1, kontinuierlich diabetologisch betreut. Die Insulintherapie wird mit einer Insulinpumpe mit mehrfach an die aktuelle Stoffwechselsituation und Nahrungsaufnahme angepasster Insulindosierung durchgeführt. Bei dieser Insulintherapie ist kein fest vorgeschriebener Kostenplan erforderlich, das Kind kann je nach Situation und Appetit Nahrung zu sich nehmen. Im Prinzip kann sich L wie jedes andere gleichaltrige Kind mit normalen Nahrungsmitteln ernähren, wobei lediglich Nahrungsmittel mit hohem Zuckergehalt zu meiden sind.
Die Besonderheit bei der Ernährung von Kindern mit Diabetes in diesem Alter liegt darin, dass im Zustand einer Unterzuckerung schnell rasch resorbierbare Kohlenhydrate zugeführt werden müssen. Da die Kinder in diesen Zuständen häufig stimmungsgemäß beeinträchtigt sind, ist es für die Eltern mitunter nicht leicht, ein in dieser Situation vom Kind akzeptiertes Nahrungsmittel zu finden. Aus diesem Grund werden die Eltern medizinisch in dem Sinne beraten, dass sie für solche Situationen immer eine verschiedene Auswahl von schnell wirksamen Kohlenhydraten (unter anderem auch Obst) vorhalten müssen. Dies stellt eine medizinisch notwendige zusätzliche Belastung bei der Planung der Ernährung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes dar und sollte bei den gesetzlich vorgesehenen Ausgleichszuwendungen berücksichtigt werden.“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten (zwei Bände), der beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin (S 107 AS 13153/10 und S 91 AS 37570/10) sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (drei Bände - 95504 BG 0061862), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, weil wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, nämlich für den Zeitraum vom 1. Februar 2009 bis zum 31. August 2010 im Streit sind.
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet; das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. Juli 2009 ist aufzuheben.
Zunächst ist festzustellen, dass einer Sachentscheidung des Senats nicht eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache gemäß § 101 Abs. 1 SGG durch Abschluss des Vergleiches vom 25. April 2013 entgegensteht. Denn dieser Vergleich ist wirksam widerrufen worden; er hat nicht zur Erledigung des Rechtsstreits geführt.
Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können (§ 101 Abs. 1 SGG). Der gerichtliche Vergleich hat nach herrschender Meinung eine Doppelnatur und ist sowohl öffentlich-rechtlicher Vertrag, für den materielles Recht gilt, als auch Prozesshandlung der Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet und deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 101 Rn. 3, mit weiteren Nachweisen). Ein Vergleich kann unter einer Bedingung und mit Widerrufsvorbehalt abgeschlossen werden (Leitherer, a.a.O., § 101 Rn. 14, mit weiteren Nachweisen). Tritt eine auflösende Bedingung ein oder wird ein Widerruf erklärt, wird der Vergleich unwirksam (Leitherer, a.a.O., § 101 Rn. 14c).
Vorliegend ist der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 25. April 2013 nicht wirksam nach § 101 Abs. 1 SGG erledigt worden, weil dieser Vergleich gemäß Ziffer 6 unter Widerrufsvorbehalt gestanden hat und von dem Beklagten widerrufen worden ist.
Zwar ist dieser Widerruf nicht innerhalb der ursprünglich von den Beteiligten in der in Ziff. 6 des Vergleichs vom 25. April 2013 vereinbarten Frist bis zum 7. Juni 2013 (Eingang beim Gericht) erfolgt. Bis zu diesem Tage (7. Juni 2013) ist vielmehr lediglich per Telefax eine Mitteilung des Beklagten bei dem Landessozialgericht am 5. Juni 2013 des Inhalts eingegangen, dass sich die Beteiligten am 3. Juni 2013 dahingehend geeinigt hätten, die in dem Vergleich vom 25. April 2013 unter Ziffer 6 vereinbarte Widerrufsfrist bis zum 5. Juli 2013 zu verlängern. Ein Widerruf des Vergleiches kann in diesem Schreiben schon deshalb nicht gesehen werden, weil der Beklagte im Schreiben vom 5. Juni 2013 selbst ausgeführt hat, die Verlängerung der Frist sei notwendig, weil vor einer abschließenden Entscheidungsfindung das Ergebnis einer noch laufenden Begutachtung, die nicht bis zum 7. Juni 2013 abgeschlossen werden könne, abgewartet werden solle.
Ein ausdrücklicher Widerruf des Vergleichs vom 25. April 2013 ist durch den Beklagten dann jedoch mit beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 2. Juli 2013 eingegangenen Telefax erfolgt.
Dieser Widerruf ist auch noch rechtzeitig erfolgt und hat zur Unwirksamkeit des Vergleiches geführt. Denn die ursprünglich in der Ziffer 6 des Vergleiches vom 25. April 2013 bis zum 7. Juni 2013 vereinbarte Widerrufsfrist ist schon vor Ablauf dieser Frist durch die Beteiligten wirksam bis zum 5. Juli 2013 verlängert worden.
Ausgehend von einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15. November 1973 (VII ZR 56/73, zitiert nach juris, in dem dieses die Möglichkeit einer Fristverlängerung oder Wiedereinsetzung durch das Gericht negiert hat, da dieses Recht ausschließlich den Parteien zustehe) wird im Zivilrecht überwiegend die Meinung vertreten, die dortigen Parteien könnten die Frist für einen Widerruf eines gerichtlich protokollierten Vergleichs eigenmächtig formlos verlängern. Im zivilrechtlichen Verfahren wird teilweise sogar die Ansicht vertreten, es sei nicht einmal eine Anzeige an das Gericht erforderlich (vergleiche hierzu unter anderem OLG Karlsruhe, Urteil vom 21. Juli 2007, 19 U 46/05, mit weiteren Nachweisen, anderer Ansicht OLG Hamm, Urteil vom 14. November 2010, 24 U 39/00, wonach zumindest eine Mitteilung an das Gericht erforderlich ist; beide zitiert nach juris).
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17. Februar 1993 (7 L 3739/91, zitiert nach juris) zu der Möglichkeit einer Verlängerung einer Widerrufsfrist in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren folgendes ausgeführt:
„Es ist zwar richtig, dass die Widerrufsfrist zum Gegenstand des- auch- rechtsgeschäftlichen Vergleichs gehört und dass die Beteiligten- und nur sie- über den Gegenstand des Vergleichs innerhalb der durch § 106 VwGO gezogenen Grenzen frei verfügen, also auch den Inhalt eines gerichtlichen Vergleichs abändern können. Nicht der freien Disposition der Beteiligten unterliegen jedoch die prozessualen Wirkungen eines Prozessvergleichs. Diese Wirkungen bestehen zum einen in der Beendigung des Verfahrens, zum anderen im Entstehen eines vollstreckbaren Titels. Hierzu ist die Mitwirkung des Gerichts erforderlich. Dies ist unbestritten, soweit es sich um den Eintritt jener Wirkungen handelt. Unmittelbar verfahrensbeendend wirkt nur der vor Gericht geschlossene Vergleich; nur dieser Besitz die Qualität eines Vollstreckungstitels (§ 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Ein außergerichtlicher Vergleich mit dem gleichen Inhalt lässt das anhängige Verfahren unberührt, bis die Beteiligten gegenüber dem Gericht prozessbeendende Erklärungen abgegeben haben. Auch sonst können im Verwaltungsprozess ausnahmslos nur Erklärungen, die gegenüber dem Gericht abgegeben werden, verfahrensbegründende, - ändernde oder - beendende Wirkung haben….
Für Erklärungen, welche die Wirkungen einer Prozesshandlung beseitigen sollen, gilt im Grundsatz nichts anderes. Demgemäß hat der Senat entschieden, dass der vorbehaltene Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs jedenfalls im Verwaltungsprozess nur gegenüber dem Gericht erklärt werden kann (Urteil vom 15. Juni 1992- 7 L 188/92- NJW 1992, 3253). Die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs kann nicht anders betrachtet werden. Soll diese sich nicht lediglich auf das Verhältnis der Beteiligten untereinander, sondern auf den Vergleich als prozessbeendende Verfahrenshandlung Auswirkung, so muss der für alle solche Prozesshandlungen vorgeschriebene Weg beschritten werden. Dies folgt auch aus dem für alle formbedürftigen Rechtsgeschäfte geltenden Grundsatz, dass sie nur unter Einhaltung der für ihr Zustandekommen vorgeschriebenen Form geändert werden können…
Dies mag es rechtfertigen, für die Änderung eines gerichtlichen Vergleichs eine andere Form als für seinen Abschluss zuzulassen. Notwendig aber ist in jedem Fall die Beteiligung des Gerichts, sei es auch nur in der Weise, dass die Parteien ihm die Änderung des Vergleichs rechtzeitig vor Eintritt seiner prozessualen Wirkungen schriftlich anzeigen.
Die Beteiligung des Gerichtes ist auch erforderlich, um Unklarheit über die Parteien des Rechtsstreits zu vermeiden. Können die Parteien ohne Beteiligung des Gerichts wirksam die Widerrufsfrist verlängern, so müsste das Gericht möglicherweise längere Zeit gewärtigen, dass ein als beendet betrachteter Prozess sich als fortdauernd erweist.“
Diese Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu einem gerichtlichen Vergleich im Sinne von § 106 VwGO sieht der Senat auf die vergleichbare Vorschrift des § 101 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren schon aufgrund des fast gleichen Wortlauts von § 106 S. 1 VwGO und § 101 Abs. 1 SGG sowie des § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO und des § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG als übertragbar an.
Inhaltlich schließt sich der Senat nach eigener Prüfung den Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in der oben genannten Entscheidung an.
Danach geht der Senat auch in einem sozialgerichtlichen Verfahren von der grundsätzlichen Möglichkeit einer einvernehmlichen Änderung eines gerichtlichen Vergleiches im Sinne von § 101 Abs. 1 SGG durch die Beteiligten aus, weil bei ihnen hierzu die Verfügungsbefugnis liegt. Auch den Eintritt der prozessualen Wirkungen eines Vergleichs können die Beteiligten jedenfalls bis zu dem Eintritt der Wirkungen (beispielsweise durch Ablauf der Widerrufsfrist) beeinflussen. Dies kann beispielsweise einseitig erfolgen durch die rechtzeitige Ausübung eines eingeräumten Widerrufsrechts. Es kann nach Ansicht des Senats aber auch im gegenseitigen Einvernehmen der Beteiligten erfolgen, beispielsweise durch eine Verlängerung der Widerrufsfrist.
Wie das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht geht auch der Senat allerdings wegen der prozessualen Wirkungen davon aus, dass hier regelmäßig eine Beteiligung des Gerichts erfolgen muss; zumindest durch eine rechtzeitige entsprechende Information. Nur wenn das Gericht rechtzeitig die notwendigen Prozesserklärungen beispielsweise über eine Verlängerung der Widerrufsfrist erhält, ist gewährleistet, dass diese Prozesserklärungen einem Wirksamwerden des Vergleiches entgegenstehen und den Eintritt der prozessualen Wirkungen (unter anderem der Erledigung des Verfahrens) verhindern.
Vorliegend ist dies geschehen. Der Beklagte hat dem Gericht schriftlich mit Telefax vom 5. Juni 2013 am selben Tage und damit vor Ablauf der Widerrufsfrist am 7. Juni 2013 die zwischen den Beteiligten am 3. Juni 2013 telefonisch vereinbarte Verlängerung der Widerrufsfrist bis zum 5. Juli 2013 mitgeteilt. Dass innerhalb der ursprünglichen Widerrufsfrist dem Gericht nicht alle Beteiligte, sondern lediglich der Beklagte die einvernehmliche Verlängerung der Widerrufsfrist mitteilte, ist insofern unschädlich. Denn nach der Auskunft der Kläger vom 28. August 2013 erfolgte diese Vorgehensweise im gegenseitigen Einvernehmen; eine entsprechende Mitteilung an das Gericht nur durch den Beklagten hatten die Beteiligten im Telefonat vom 3. Juni 2013 vereinbart. Damit handelte der Beklagte bei seiner Mitteilung vom 5. Juni 2013 letztlich auch als Vertreter im Sinne von § 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für die Kläger und verschaffte somit dem Gericht rechtzeitig vor Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist Kenntnis von der entsprechenden teilweisen Änderung des Vergleichs durch die Beteiligten. Seit dem Eingang der Mitteilung von der einvernehmlichen Verlängerung der Widerrufsfrist am 5. Juni 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg konnten weder die Beteiligten noch das Gericht darauf vertrauen, dass der gerichtliche Vergleich mit Ablauf der ursprünglich vereinbarten Widerrufsfrist wirksam werden würde.
Da das Berufungsverfahren nicht durch den Vergleich gemäß § 101 Abs. 1 SGG erledigt worden ist, hat der Senat in der Sache zu entscheiden.
Danach ist auf die Berufung des Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufzuheben. Das Sozialgericht Berlin hat den Beklagten für die streitigen Zeiträume zu Unrecht zur Leistung eines monatlichen Mehrbedarfes in Höhe von 60,45 € an den Kläger zu 4) verurteilt. Der Kläger zu 4) hat keinen Anspruch auf einen entsprechenden Mehrbedarf.
Nach § 19 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) in der in den streitigen Zeiträumen maßgeblichen bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (Nach § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II.Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung [§ 19 Abs. 1 S. 3 SGB III in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung]).
Neben der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (§ 21 Abs. 5 SGB II - Fassung ab 1. Januar 2011: Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt).
Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben (§ 28 Abs. 1 S. 1 SGB II; ab 1. Januar 2011 § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II: Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben).
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfassen die sich aus § 19 S. 1 SGB II ergebenden Leistungen und damit grundsätzlich auch einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II.
Vorliegend hat der Kläger zu 4) zwar einen Anspruch auf Sozialgeld (bis zum 31. Dezember 2010 nach § 28 SGB II; ab 1. Januar 2011 nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II). Er ist am 2. August 2006 geboren, damit in den hier streitigen Zeiträumen vom 1. Februar 2009 bis zum 31. Juli 2009 und vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Januar 2011 zweieinhalb bis viereinhalb Jahre alt und somit nicht erwerbsfähig im Sinne von § 7 und 8 SGB II. Außerdem lebte er mit seinen erwerbsfähigen Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft und hatte keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), weil er weder zu den älteren, noch zu den dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen im Sinne von § 41 SGB XII gehörte.
Der Kläger zu 4) hat jedoch für die streitigen Zeiträume keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf auf kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen.
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat in einem Urteil vom 24. Februar 2011 (B 14 AS 49/10 R, zitiert nach juris) zu einem Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung insbesondere folgendes ausgeführt:
„Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwändiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Voraussetzung ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (vgl. Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand November 2010, § 21 SGB II RdNr. 31; O. Loose in GK-SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr. 34 f; Münder in ders., SGB II, 3. Aufl. 2009, § 21 RdNr. 25). Ein solches besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis führt zu einem Anspruch auf einen Mehrbedarf in angemessener Höhe (zum Ganzen bereits BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr.6, jeweils RdNr. 39 und BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 2 RdNr. 24).“
Konkret zu einem eventuellen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei Vorliegen einer Diabetes-mellitus-Erkrankung hat anschließend der 4. Senat des Bundes Sozialgerichts in seinem Urteil vom 10. Mai 2011 (B 4 AS 100/10 R, zitiert nach juris) Folgendes ausgeführt:
„Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten nach § 21 Abs. 5 SGB II einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Dieser ergänzt die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 21 SGB II i. d. F. des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl. I 2954). Er umfasst Bedarfe, die nicht durch die Regelleistung abgedeckt sind (§ 21 Abs. 1 SGB II).
Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung ist kein abtrennbarer Teil der Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Gewährung des Mehrbedarfs allein kann damit nicht zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 19). Es muss also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen kostenaufwändigen Ernährung vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor.
Mit "medizinischen Gründen" sind nur krankheitsbedingte Gründe gemeint. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 21 Abs. 5 SGB II bewusst an den Rechtszustand des § 23 Abs. 4 BSHG angeknüpft. …
Wie in der früheren Sozialhilfe, dem Referenzsystem für das SGB II (BT-Drucks 15/1514 S 1), wollte der Gesetzgeber auch im Rahmen des Alg II einen Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung vorsehen. In der Gesetzesbegründung ist unter Bezugnahme auf den Rechtszustand des BSHG zum Tatbestandsmerkmal "aus medizinischen Gründen" ausgeführt worden: "Wie in der Sozialhilfe ist auch im Rahmen des Arbeitslosengeldes II ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung vorgesehen. Hierbei ist eine Präzisierung dahin gehend vorgenommen worden, dass der Mehrbedarf nur bei Nachweis des Bedarfs aus medizinischen Gründen anzuerkennen ist. Zur Angemessenheit des Mehrbedarfs können die hierzu vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden." (BT-Drucks 15/1516, S 57).
…
Folglich hat der Gesetzgeber inhaltliche Unterschiede zwischen § 21 Abs. 5 SGB II und § 30 Abs. 5 SGB XII nicht beabsichtigt. Sinn und Zweck der Leistungen ist es in beiden Fällen, durch die krankheitsbedingte besondere Ernährung drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abzuwenden oder zu verhindern (Lang/ Knickrehm in: Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 RdNr 49 f; Düring in Gagel, SGB III mit SGB II, § 21 RdNr. 31; O. Loose in GK-SGB II § 21 RdNr. 32, 34; Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 21 RdNr. 25; Simon in: jurisPK-SGB XII, § 30 RdNr. 92; vgl. auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 21 RdNr. 43). Anspruchsvoraussetzung bei § 21 Abs. 5 SGB II ist daher immer das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung. Dementsprechend hat auch das BSG bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II bislang stets von "Krankenernährung" oder "krankheitsbedingtem Mehrbedarf" gesprochen (BSG vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R) und ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm nur vorliegen, wenn eine oder mehrere Erkrankungen eine kostenaufwändige Ernährung bedingen (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr. 5; vgl. auch BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).
…
Da nur für eine krankheitsbedingt erforderliche kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II ein Mehrbedarf zu gewähren ist, hat das LSG zu Recht davon abgesehen, den individuell angemessenen Ernährungsbedarf bzw. den tatsächlichen individuellen Grundumsatz und Kalorienbedarf der Klägerin zu ermitteln. Auf die Gewährung eines individuell angemessenen Bedarfs für Ernährung besteht kein Anspruch. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlich zulässigen System der Gewährung einer statistisch ermittelten Regelleistung als Festbetrag. Maßgeblich für die Bestimmung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II sind in diesem System stets die im Einzelfall medizinisch begründeten tatsächlichen Kosten für eine besondere Ernährung, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist. Für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, ist § 21 Abs. 5 SGB II jedoch kein Auffangtatbestand (Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 21 RdNr. 24).
…
Die Ernährung mit einer sog "Vollkost" bei Diabetes mellitus I/II unterfällt nicht § 21 Abs. 5 SGB II, da es sich nicht um eine Krankenkost handelt, auf die die Vorschrift abzielt, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt. Die Vollkost ist jedoch aus der Regelleistung zu bestreiten. Auch insoweit gilt, dass für die allgemeine Kritik, eine ausgewogene Ernährung sei aus dem Regelsatz nicht zu finanzieren, § 21 Abs. 5 SGB II kein Auffangtatbestand ist.“
Zusammengefasst ist danach festzustellen, dass ein solcher Mehrbedarf helfen soll, drohende oder bestehende Gesundheitsschäden abzuwenden oder zu verhindern (siehe auch Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage, 2013, § 21 Rn. 52). Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten aufwändiger sind als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist; erforderlich ist daher ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer drohenden oder bestehenden Erkrankung und der Notwendigkeit einer kostenaufwändigeren Ernährung (Knickrehm/Hahn, a.a.O., § 21 Rn. 54, mit weiteren Nachweisen). Außerdem ist die Leistung auf den Ausgleich der Kosten für Ernährung (so genannte Krankenkost) beschränkt; eine Erweiterung auf andere medizinisch bedingte Bedarfe ist ausgeschlossen. Dieses gilt sowohl für Arzneimittel, Hygieneartikel, als auch Appetitzügler oder Abführmittel (Knickrehm/Hahn, a.a.O., § 21 Rn. 53, mit weiteren Nachweisen).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen der Senat nach eigener Prüfung folgt, ist ein höherer Leistungsanspruch des Klägers zu 4) unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung nicht ersichtlich.
Vorliegend ist schon nicht einmal ersichtlich, dass überhaupt eine kostenaufwändigere Ernährung erfolgt.
Wie bereits dargestellt, wird mit § 21 Abs. 5 SGB II der Zweck verfolgt, einen Ausgleich für höhere Ernährungskosten, als den ohnehin anfallenden, zu schaffen, wenn diese höheren Ernährungskosten krankheitsbedingt verursacht werden.
Daraus folgt zum einen, dass die erstinstanzlich zugesprochenen Kosten für Sauger von monatlich 17,09 € schon deshalb keine Kosten im Sinne von § 21 Abs. 5 SGB II sein können, weil es sich bei den Saugern nicht um Ernährung, sondern allenfalls um einen anderen medizinisch bedingten Bedarf handeln kann.
Aber auch was die Ausgaben für die Nahrungsmittel angeht, sind deren - im Vergleich zu den üblichen Ausgaben - höhere Kosten nicht einmal glaubhaft gemacht noch gar nachgewiesen.
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Angaben der Kläger schon in sich widersprüchlich sind. Während sie im Widerspruchsverfahren als solche Kosten monatlich 51,13 €, hilfsweise 25,56 € geltend machten, begehrten sie dann in der ersten Instanz (nur für Nahrung - ohne Sauger) monatlich 43,36 € und schließlich in der Berufungsinstanz 70,52 €, wobei aus der vorgelegten Liste der verabreichten Nahrungsmittel für 30 Tage sich selbst nach der Berechnung der Kläger rechnerisch nur ein Betrag von 33,83 € ergibt. Außerdem vertraten die Kläger zumindest zunächst selbst die Ansicht, entsprechend der ursprünglichen Empfehlungen des Deutschen Vereins seien Kosten in Höhe von monatlich 35 € bzw. 36 € pauschal zu übernehmen.
Zu den konkreten Kosten haben die Kläger zunächst auch nur unter Hinweis auf ein selbst geführtes und in Kopie eingereichtes Diabetestagebuch für den Zeitraum vom 3. März 2009 bis zum 21. Juni 2009 ausgeführt, es würden nur Kosten für Lebensmittel geltend gemacht, die außerhalb der Haupt- und Zwischenmahlzeiten verabreicht werden müssten. Dabei handele es sich im Wesentlichen um Säfte, Traubenzucker und Milchprodukte mit vollem Fettgehalt. Anders, als andere Kinder, benötige der Kläger zu 4) Milchprodukte mit vollem Fettgehalt.
Diese Angaben stehen jedoch im Widerspruch zu der mit dem Schriftsatz vom 11. Dezember 2013 eingereichten Liste für 30 Tage. Denn in dieser Liste sind weder Säfte noch Traubenzucker enthalten und auch keine Milchprodukte mit vollem Fettgehalt. Im Gegenteil werden nach dieser Liste gerade einige Nahrungsmittel mit reduziertem Fettgehalt (unter anderem „Actimel 0,1 %“ und „Müllermilch die Leichte“) verabreicht.
Was tatsächlich finanziell zusätzlich für diese Lebensmittel aufgewendet wurde, ist von den Klägern nicht beziffert oder gar (durch entsprechende Rechnungen/ Belege) nachgewiesen worden. Ob daher tatsächlich konkret höhere Kosten als die üblichen angefallen sind, ist nicht ansatzweise nachprüfbar.
Auch der Hinweis, dass die Ernährung des Klägers zu 4) von den Empfehlungen der Ernährungswissenschaftler für gesunde Kinder abweicht, führt nicht notwendigerweise zu nachvollziehbaren höheren Ernährungskosten. Selbst wenn dem Kläger zu 4) oft Traubenzucker, Säfte und Milchprodukte mit vollem Fettgehalt außerhalb der regulären Mahlzeiten verabreicht werden, ist damit allein nicht zwangsläufig ein höherer Kostenaufwand verbunden. Denn, einen „normalen“ Energiebedarf unterstellt, wie ihn der behandelnde Arzt Prof. Dr. B ausdrücklich im Befundbericht vom 23. Februar 2010 bestätigt, führt das Verabreichen bestimmter Lebensmittel zur Einsparung anderer Lebensmittel. Anders ausgedrückt dürfte eine häufige Nahrungsaufnahme außerhalb der regulären Mahlzeiten dazu führen, dass bei den regulären Mahlzeiten weniger verzehrt wird, weil der Energiebedarf bereits gedeckt ist. Dass Traubenzucker, Säfte oder Milchprodukte mit vollem Fettgehalt aber erheblich teurer als von Kindern üblicherweise konsumierte vergleichbare Lebensmittel sind, ist von den Klägern zudem nicht dargelegt worden und für den Senat auch sonst nicht ersichtlich.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die verabreichte Ernährung aus medizinischen Gründen notwendig wäre.
Zwar ergibt sich dies nicht bereits aus den geänderten Empfehlungen des Deutschen Vereins bei einer Diabetes mellitus Erkrankung. Bei einer solchen Erkrankung geht der Deutsche Verein bei seinen im Jahr 2008 überarbeiteten Empfehlungen (Stand: 1. Oktober 2008) zwar nicht mehr von einem medizinisch begründeten Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aus. Allerdings gilt diese Empfehlung nach der Ziffer 3 der Empfehlungen des Deutschen Vereins ausdrücklich nur für Erwachsene, weil für Kinder die Datenlage für Empfehlungen als unzureichend angesehen wurde. Für den in den streitigen Zeiträumen im Kleinkindalter befindlichen Kläger zu 4) sind die Empfehlungen daher unergiebig. Danach kann dahinstehen, welcher Beweiswert diesen Empfehlungen des Deutschen Vereins grundsätzlich beizumessen ist (vergleiche zum Sachstand und zu den Auswirkungen das bereits oben erwähnte Urteil des 4. Senats Bundessozialgericht vom 10. Mai 2011, mit weiteren Nachweisen), wobei sie jedenfalls grundsätzlich als Orientierungshilfe dienen dürften und weitere Ermittlungen im Einzelfall nur dann erforderlich machen würden, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe, substantiiert geltend gemacht werden.
Unabhängig von den Empfehlungen des Deutschen Vereins ist im vorliegenden Fall nach den erfolgten Ermittlungen eine medizinische Begründung für einen Mehrbedarf an kostenaufwändigere Ernährung nicht gegeben.
Dies folgt zum einen aus den von den Beklagten eingeholten Gutachten, die sämtlich eine kostenaufwändigere Ernährung nicht für geboten halten. So hat beispielsweise der Arzt Dr. G in seinem Gutachten vom 6. Juni 2013 noch während des Berufungsverfahrens ausgeführt, der Kalorien- und Energiebedarf sei nach den ärztlichen Feststellungen während des streitigen Zeitraums altersentsprechend gewesen und eine andere Begründung für eine kostenaufwändigere Ernährung sei insgesamt nicht erfolgt.
Zu einer anderen Einschätzung führen letztlich auch nicht die Befundberichte des behandelnden Arztes Professor Dr. B. Auch wenn dieser im Ergebnis zwar letztlich eine höhere Leistung befürwortet, stärken aber seine medizinischen Ausführungen im Gegenteil die Feststellungen der medizinischen Sachverständigen des Beklagten.
In seinem Ambulanzbrief vom 19. Januar 2010 hat Herr Professor Dr. B wörtlich ausgeführt, „hinsichtlich seines Kalorien- und Energiebedarfs (sei der Kläger zu 4]) sicherlich als altersentsprechend einzuschätzen“. Die „besondere Mehrbelastung hinsichtlich der Ernährung“ ergebe sich aus einem „in diesem Alter nicht selten anzutreffenden Akzeptanzproblem einiger Nahrungsmittel“, so dass immer eine größere Vielfalt von Nahrungsmitteln vorgehalten werden müsse, die dann „auch einmal nicht mehr verwendbar“ seien. In seinem Befundbericht vom 23. Februar 2010 hat dieser behandelnde Arzt zudem ergänzend klargestellt, dass keine besonders hohe Kalorienzufuhr erforderlich ist und keine Unverträglichkeit bestimmter Lebensmittel bestehe. Empfohlen sei allgemein eine gesunde Mischkost und eine einseitige Ernährung sei generell nicht zu empfehlen. Schließlich hat er in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 22. Juni 2011 nochmals klargestellt, der Kläger zu 4) könne sich wie jedes andere gleichaltrige Kind mit normalen Nahrungsmitteln ernähren, wobei lediglich Nahrungsmittel mit hohem Zuckergehalt zu meiden seien.
Nach diesen Feststellungen des behandelnden Arztes sind medizinische Gründe für eine besonders kostenaufwändige Ernährung nicht erkennbar. Weder benötigte der Kläger zu 4) in den streitigen Zeiträumen eine besondere Energiezufuhr noch eine besondere Ernährungsart; er litt auch nicht an einer Nahrungsmittelunverträglichkeit, die eine besondere Ernährung erfordert hätte.
Soweit der behandelnde Arzt schließlich „Akzeptanzprobleme“ und die Schwierigkeiten bei der Erziehung zur gesundheitsbewussten Ernährung anführt und deshalb eine höhere Leistung anregt, ist dies nicht auf medizinische Gründe zurückzuführen, sondern auf soziologische bzw. pädagogische. Entsprechend weist auch der behandelnde Arzt zutreffend darauf hin, dass diese Probleme „in diesem Alter nicht selten anzutreffen“ sind. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Kinder im Alter von 2 1/2 bis 4 1/2 Jahren sich grundsätzlich am liebsten vorrangig von den genannten Lebensmitteln (u.a. Nudeln, Eis und anderen Süßigkeiten) ernähren würden und Akzeptanzprobleme hinsichtlich einer gesunden Mischkost haben. Folglich sind die Folgeprobleme (größere Auswahl bei den Nahrungsmitteln und nur kurze Verwertbarkeit schnell verderblicher Nahrungsmitteln) auch nicht auf medizinische Gründe zurückzuführen, sondern betreffen die wohl weit überwiegende Anzahl der Leistungsbezieher dieser Altersgruppe.
Allerdings ist auch hierzu anzumerken, dass nicht einmal das Entstehen zusätzlicher Kosten durch eine größere Auswahl an Nahrungsmitteln und deren nur begrenzter Haltbarkeit dargetan ist. Traubenzucker und Säfte, die angeblich im Wesentlichen die zusätzlichen Kosten hervorrufen, sind im ungeöffneten Zustand über einen sehr langen Zeitraum haltbar. Selbst im geöffneten Zustand ist Saft, ebenso wie die von den Klägern angeführten Milchprodukte mit vollem Fettgehalt im Kühlschrank, über mehrere Tage haltbar. Dies gilt auch für die anderen aufgeführten Milchprodukte mit niedrigem Fettgehalt. Weshalb dem Kläger zu 4) ein Verzehr dieser Lebensmittel innerhalb dieses Zeitraums nicht möglich sein sollte, wurde nicht einmal vorgetragen. Im Übrigen betrifft auch hier das Problem der begrenzten Haltbarkeit alle Hilfebedürftigen dieser Altersgruppe. Auch gesunde Kinder müssen motiviert werden, angebrochene oder leicht verderbliche Lebensmittel innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes zu verzehren, weil sonst die Lebensmittel ungenießbar werden, durch andere ersetzt werden müssen und dies zu höheren Kosten führt.
In der ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Arztes Professor Dr. B vom 4. Mai 2009 genannte eventuelle gesundheitliche Probleme der Mutter des Klägers zu 4) und Klägerin zu 1) vermögen ebenfalls einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II nicht zu begründen. Dies folgt zum einen schon daraus, dass die medizinischen Gründe im Sinne der Regelung bei dem Hilfebedürftigen/Leistungsberechtigten, hier also dem Kläger zu 4), vorliegen müssten. Zum anderen hat der behandelnde Arzt nicht ausgeführt, dass durch diese gesundheitlichen Probleme der Mutter eine bestimmte Ernährung des Klägers zu 4) geboten sei. Anders ausgedrückt ist eine häufige Gabe von Traubenzucker, Säften und Milchprodukten (wie von den Klägern behauptet) oder beispielsweise Nudeln und Eis (wie aus dem eingereichten Diätplan ersichtlich) an den Kläger zu 4) nicht durch eine eventuelle Erkrankung der Mutter begründbar.
Der Senat hat sich im Hinblick auf die letztlich hinsichtlich der gesundheitlichen Situation des Klägers zu 4) übereinstimmenden Einschätzungen der medizinischen Sachverständigen und des behandelnden Arztes schließlich nicht gedrängt gesehen, weiteren Beweis zu erheben. Nach diesen übereinstimmenden Einschätzungen liegen in der Person des Klägers zu 4) keine medizinischen Gründe vor, die eine spezielle Krankenkost oder gar besondere kostenaufwändigere Ernährung als erforderlich erscheinen lassen würden. Er leidet zwar an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1. Für die Ernährung ist aber eine ausgewogene Mischkost ausreichend und geboten. Ein erhöhter Kalorienbedarf besteht selbst nach den Angaben des behandelnden Arztes ebenso wenig, wie ein besonderer Ernährungsbedarf.
Auch hinsichtlich der behaupteten zusätzlichen/höheren Kosten der tatsächlich verabreichten Nahrung sah sich der Senat mangels konkreter Anhaltspunkte nicht gedrängt, weiter Beweis zu erheben. Nachdem die Kläger selbst zu diesen Kosten keine substantiierten Angaben gemacht haben, würde eine solche Beweiserhebung vielmehr zu einem unzulässigen so genannten Ausforschungsbeweis führen (vergleiche Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 103 Rn. 8a, mit weiteren Nachweisen).
Danach bleibt insgesamt festzustellen, dass ein Anspruch des Klägers zu 4) auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II für die streitigen Zeiträume nicht gegeben ist.
Soweit schließlich das Begehren des Klägers zu 4) letztlich darauf gerichtet ist, ihm für seinen geltend gemachten individuellen Ernährungsbedarf ein höheres Sozialgeld zu gewähren, hat dieses Begehren gleichfalls keinen Erfolg.
In den streitgegenständlichen Zeiträumen bestand lediglich ein Anspruch auf das bewilligte Sozialgeld. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Vorschriften über die Höhe der Regelleistung und des Sozialgeldes mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Nach dieser Entscheidung galten die Regelungen aber in der jeweils anzuwendenden Fassung während der hier streitigen Zeiträume bis zum 31. Dezember 2010 fort. Der Gesetzgeber wurde lediglich verpflichtet, die Regelleistung für die Zukunft neu festzusetzen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u. a., zitiert nach juris; zur Verfassungsmäßigkeit der für die Zeit ab 1. Januar 2011 neu ermittelten Regelbedarfe vergl. u.a. BSG - Urteile vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 153/11 R, vom 28. März 2013 - B 4 AS 12/12 R, zitiert nach juris).
Auch eine abweichende Bedarfsermittlung kommt nicht in Betracht, weil nach dem Leistungssystem des SGB II eine individuelle Bedarfsermittlung bzw. abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung und damit auch des Sozialgeldes nicht vorgesehen ist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, siehe unter anderem das bereits erwähnte Urteil des 4. Senat BSG vom 10. Mai 2011, B 4 AS 100/10 R).
Hierzu hat der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 10. Mai 2011 (B 4 AS 100/10 R) weiter ausgeführt, dies gelte sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des Grundsicherungsempfängers. Bei der Ernährung handele es sich um einen Grundbedarf, der von der Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II gedeckt werden solle. Es sei konstitutiver Bestandteil des Systems des SGB II, eine abweichende Festsetzung der Bedarfe, wie sie § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zulässt, gerade nicht vorzusehen. Folglich gestatte es das SGB II nicht, außerhalb von § 21 Abs. 5 SGB II einen individuellen Ernährungsbedarf bedarfserhöhend geltend zu machen. Es sei nicht individuell zu ermitteln, ob eine bestimmte Ernährungsweise, die nicht von § 21 Abs. 5 SGB II umfasst wird, sondern aus der Regelleistung zu bestreiten ist, im Einzelnen von der entsprechenden Bedarfsposition gedeckt wird. Denn es sei Sache des Hilfebedürftigen selbst, über die Verwendung des bewilligten Festbetrages im Einzelnen zu bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen. Auch diesen Ausführungen des Bundessozialgerichts schließt sich der Senat nach eigener Prüfung als ihn überzeugend an.
Insgesamt ist daher ein Anspruch gegen den Beklagten auf höhere Leistungen des Klägers zu 4) die streitigen Zeiträume nicht gegeben.
Die Anschlussberufung der Kläger ist unbegründet.
Sofern die Kläger zur Begründung ihrer höheren Forderung im Schriftsatz vom 5. September 2011 ausführen, der Mehrbedarf sei „seit der ersten Klageerhebung“ kontinuierlich gestiegen und liege „derzeit“ bei 70,52 € erschließt sich dem Senat nicht die Relevanz dieses Vortrages für den hier im Streit befindlichen Zeitraum.
Die Anschlussberufung ist schließlich auch unbegründet, soweit mit ihr unter Berücksichtigung des begehrten Mehrbedarfs für den Kläger zu 4) auch für die weiteren Kläger eine höhere Leistung begehrt wird.
Es mag sein, dass jeder von ihnen einen eigenen Anspruch hat und sich dieser aufgrund der so genannten horizontalen Bedarfsanteilsmethode bei der Anrechnung vorhandener Einkünfte auch erhöhen kann, wenn nur für einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft eine höhere Leistung gewährt wird. Wie bereits dargestellt, besteht aber kein Anspruch auf eine höhere Leistung für den Kläger zu 4) die zu einer anderen Verteilung des vorhandenen Einkommens und dadurch zu höheren Leistungsansprüchen der Kläger zu 1 bis 3) gegen den Beklagten führen könnte. Andere Ansprüche sind von den Klägern weder geltend gemacht, noch sonst für das Gericht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.