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Entscheidung 7 TaBV 576/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer Entscheidungsdatum 29.05.2012
Aktenzeichen 7 TaBV 576/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 40 Abs 1 BetrVG, § 80 Abs 3 BetrVG

Leitsatz

1. Zur Abgrenzung der Kostentragungspflicht für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Betriebsrat nach § 80 Abs. 3 BetrVG oder § 40 BetrVG.

2. Für die Beantwortung der Frage, ob dem Betriebsrat aufgrund eines bestimmten Sachverhalts Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG zustehen und wie er diese ausüben kann, ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes als Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG in der Regel nicht erforderlich. Solche Fragen sind Gegenstand von Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG, die nach den gesetzlichen Regelungen das primäre Instrument des Betriebsrats zur Erlangung der Kenntnisse, die seine ureigenen Funktionen betreffen, darstellen.

Tenor

I.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 23.02.2012 – 33 BV 17740/11 – teilweise abgeändert und die Anträge des Betriebsrats insgesamt zurückgewiesen.

II.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Betriebsrats auf Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Frage, ob ihm für bestimmte Sachverhalte ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG zusteht.

Die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt in Berlin ein Altenheim und beschäftigt 65 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 1 ist der dort gebildete Betriebsrat mit 5 Mitgliedern (im Folgenden Betriebsrat). Er besteht in seiner jetzigen Zusammensetzung seit 2011. Zwei seiner Mitglieder, so auch die Vorsitzende, gehörten bereits in früheren Wahlperioden dem Betriebsrat an.

Die Arbeitgeberin zahlte von August 2010 bis April 2011 den 20 bei ihr beschäftigten Pflegehelfern monatlich neben einem vereinbarten „Festlohn Pflege“ ein auf den Gehaltsabrechnungen mit „Leistungszulage Pflege“ ausgewiesenen Vergütungsbestandteil, dessen Höhe sich auf die jeweilige Differenz zwischen dem individuellen Festlohn des Mitarbeiters und einem Gesamtbetrag in Höhe von 1.475,00 € belief. Ab Mai 2011 stellte die Arbeitgeberin diese Zahlung auf einen einheitlichen „Festlohn Pflege“ in Höhe von 1.475,00 € brutto um (Bl. 47 d.A.). Eine Beteiligung des Betriebsrats erfolgte hier nicht. In Zahlungsklagen von Arbeitnehmern berief sich die Arbeitgeberin darauf, sie habe mit der Zulage den Anforderungen der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungen VO) genügen wollen. Mit Urteil vom 10. November 2011 (14 Sa 1448/11) wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Berufungsverfahren eine entsprechende Zahlungsklage mit der Begründung ab, der als „Leistungslohn Pflege“ bezeichnete Betrag von 75,-- € sei als mindestlohnwirksame Leistung zu berücksichtigen. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des Urteils (Bl. 149-162 d.A.) Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin gewährte außerdem den examinierten Pflegekräften, den Pflegehelfern und den Mitarbeitern im Servicebereich Nacht-, Feiertags- und Sonntagszuschläge, die sie zunächst auf der Basis des Grundgehalts berechnete. Zu einem zwischen den Beteiligten streitigen Zeitpunkt führte die Arbeitgeberin ohne Beteiligung des Betriebesrats zur Berechnung der Zuschläge für die Pflegehelfer unterschiedliche Faktoren ein, so z.B. den Faktor 1,02 € für Nachtzuschläge, den Faktor 2,02 € (Kopie der Abrechnungen Bl. 78, 80 u.81 d.A.) und 2,09 € (Bl. 73 d.A.) für den Sonntagszuschlag und 2,83 € für den Feiertagszuschlag. Der Bitte des Betriebsrats, die Abrechnungen der Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge nach Faktoren zu erläutern und aufzuschlüsseln, kam die Arbeitgeberin nicht nach.

In seiner Sitzung vom 25. August 2011 beschloss der Betriebsrat den hiesigen Verfahrensbevollmächtigten als Sachverständigen gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG zur Beantwortung der Fragen, welche Rechte ihm „in Bezug auf die vom Arbeitgeber eingeführte „Leistungszulage“ für die Pflegehelfer“ sowie „in Bezug auf die einseitige Kürzung von Nacht- Sonn-, und Feiertagszuschläge durch die Arbeitgeberin sowie die Einführung einer neuen Art der Abrechnung nach Faktoren“ zustehen und wie er diese gegenüber der Arbeitgeberin durchsetzen könne. Für die Beschlüsse im Einzelnen wird auf Bl. 95 und 96 d.A. Bezug genommen.

Mit zwei Schreiben vom 26. August 2011 (Bl. 99 u. 100 d.A.) bat der Betriebsrat die Arbeitgeberin unter Hinweis auf die voraussichtlich erforderliche Stundenzahl um Zustimmung zur Beauftragung der hiesigen Verfahrensbevollmächtigten als Sachverständige. Dies lehnte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 7. September 2011 (Bl. 93 f. d.A.) mit der Begründung ab, Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG seien bei den vorliegenden Sachverhalten nicht berührt. Hinsichtlich der Zuschläge habe sich nichts geändert, diese würden anhand der vertraglich vereinbarten Stundenlöhne berechnet, und bei der Leistungszulage handele es sich um eine reine Gehaltserhöhung, nicht aber um eine betriebliche Lohngestaltung.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 23. Februar 2012 – soweit für die Beschwerde relevant - der Arbeitgeberin aufgegeben, die Zustimmung zu der Hinzuziehung der H. & von M., Partnerschaft von Rechtsanwälten, ..., ... Berlin als sachverständige Beraterin des Betriebsrats zu einem Stundensatz von 250,00 € zzgl. Auslagen gemäß Nr. 7000 ff. VV RVG zzgl. Umsatzsteuer in der jeweils geltenden gesetzlichen Höhe für eine Beratung, die auch eine gutachterliche Stellungnahme umfasst, zu folgenden Fragen zu erteilen:

1. Welche Rechte stehen dem Antragsteller in Bezug auf die von der Arbeitgeberin im August 2010 eingeführte „Leistungszulage“ für die Pflegehelfer zu und wie kann er diese umsetzen?

2. Welche Rechte stehen dem Antragsteller in Bezug auf die Einführung einer neuen Art der Abrechnung von Nacht-, Sonn-, und Feiertagszuschlägen nach Faktoren und einer damit zusammenhängenden einseitigen Kürzung dieser Zuschläge durch die Arbeitgeberin zu und wie kann er diese durchsetzen?

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Betriebsrat habe zu den genannten Fragestellungen einen Anspruch aus § 80 Abs. 3 BetrVG auf Hinzuziehung der Rechtsanwälte H. & von M. als Sachverständige. Die Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG sei hier nicht einschlägig, da der Rechtsanwalt nach der Beschlussfassung des Betriebsrats außerhalb eines Einigungsstellen- oder gerichtlichen Verfahrens tätig werden solle. Die Heranziehung des Sachverständigen sei in der konkreten Situation, in der der Betriebsrat seine Aufgaben zu erfüllen habe, als erforderlich anzusehen. Der Sachverständige solle ihm die erforderlichen Kenntnisse vermitteln, die der Betriebsrat zur Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe nach dem Betriebsverfassungsgesetz benötige. Für dessen Hinzuziehung reiche es aus, wenn nicht völlig ausgeschlossen werden könne, dass angesichts des festgestellten Sachverhalts ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Betracht komme. Dies sei hier der Fall, da die Einführung oder Einstellung der Leistungszulage sowie die Einführung von sog. Faktoren bei der Berechnung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge und eine damit zusammenhängende einseitige Kürzung dieser Zuschläge das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats betreffe. Der Betriebsrat könne sich die fehlende Sachkunde auch nicht kostengünstiger als durch die Beauftragung eines Sachverständigen verschaffen. Insbesondere sei die Rechtsfrage bezogen auf den konkreten Fall auch noch nicht gerichtlich entschieden. Auch habe die Arbeitgeberin selbst einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Die vorgesehene Vergütung sei der Höhe nach angemessen und halte sich im Rahmen dessen, was bei einer auf Honorarbasis durchgeführten Beratung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht angesetzt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diesen der Arbeitgeberin am 9. März 2012 zugestellten Beschluss richtet sich ihre Beschwerde, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 23. März 2012 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und zugleich begründet hat.

Die Arbeitgeberin hält bereits die herangezogene Rechtsgrundlage nach § 80 Abs. 3 BetrVG für die vorliegende Fallkonstellation nicht einschlägig und vertritt die Auffassung, die Kostentragungspflicht richte sich ausschließlich nach § 40 BetrVG. Denn es gehe dem Betriebsrat vorrangig um eine „gutachterliche“ Prüfung darüber, ob ihm Mitbestimmungsrechte zustehen würden, die er dann gegenüber der Arbeitgeberin durchsetzen könne. Damit liege das Hauptgewicht der anwaltlichen Tätigkeit in der Wahrnehmung der Rechte des Betriebsrats. Ein Beschlussverfahren stehe in Aussicht. Ein solches sei auch dann unvermeidlich, wenn die sachverständige Prüfung das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bejahe, da sie selbst bereits das Bestehen von Mitbestimmungsrechten bestritten habe. Die im Streit stehenden Fragestellungen seien auch kostengünstiger zu beantworten, da zu den jeweiligen Themenkreisen bereits gerichtliche Entscheidungen vorliegen würden, die unmittelbaren Einfluss auf etwaige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hätten. Weiterhin bestreitet die Arbeitgeberin die vom Betriebsrat vorgetragenen Versuche, sich anderweitig wie z.B. bei der Gewerkschaft und dem Hauptzollamt über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten zu erkundigen und meint, der Betriebsrat habe es auch bei der Auskunft der Gewerkschaft belassen können. Hinsichtlich der Höhe der Vergütung sei allein eine Vergütung nach RVG erforderlich. Soweit die Verfahrensbevollmächtigten nicht bereit seien auf dieser Grundlage für den Betriebsrat tätig zu werden, gebe es ausreichend qualifizierte Rechtsanwälte in der Stadt, die auf dieser Basis abrechnen würden.

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. Februar 2012 – 33 BV 17740/11 – den Antrag des Beteiligten zu 1) insgesamt zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Betriebsrat verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens zur Erforderlichkeit der Beauftragung eines Sachverständigen und verweist für die Abgrenzung der Kostentragung nach § 80 Abs. 3 und § 40 Abs. 1 BetrVG auf seine Beschlüsse, aus denen sich der konkrete Mandatsauftrag und damit der Schwerpunkt der Tätigkeit ergebe. Soweit die Arbeitgeberin die Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens unabhängig vom Ausgang der gutachterlichen Stellungnahme für erforderlich halte, verstoße sie gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die Beauftragung sei auch erforderlich. Die Frage der Mitbestimmungsrechte sei durch die gerichtlichen Entscheidungen gerade nicht geklärt, da sich diese Entscheidungen damit gar nicht befassen würden. Auch gebe es zu diesem Themenkomplex keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Betriebsrat habe auch alle ihm zur Verfügung stehenden Quellen wie die Kommentarliteratur, Internetrecherchen und Schulungsveranstaltungen ausgeschöpft. Der Arbeitgeber habe zu den Themenbereichen keine weitergehenden Auskünfte erteilt. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen sei auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit erforderlich, da die Arbeitgeberin stets ihre „Sachverständigen“ antworten lassen, wie ihren Unternehmensberater oder ihren Verfahrensbevollmächtigten. Die Höhe der Vergütung sei angemessen. Sie bewege sich im Rahmen dessen, was bei einer auf Honorarbasis durchgeführten Beratung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht angesetzt werde. Die sachverständige Beraterin genieße das Vertrauen in die besondere Sachkunde von Arbeitnehmer- und Betriebsratsinteressen und sei nur auf dieser Grundlage bereit, beratend tätig zu werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Arbeitgeberin vom 23. März 2012 (Bl. 210 217 d.A.) sowie vom 25. Mai 2012 (Bl. 247 – 248 d.A) sowie auf denjenigen des Betriebsrats vom 21. Mai 2012 (Bl. 238 – 246 d.A.) Bezug genommen.

2. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde der Arbeitgeberin hat in der Sache Erfolg. Der Antrag des Betriebsrats auf Zustimmung zur Hinziehung eines Sachverständigen ist zwar zulässig, aber unbegründet.

2.1 Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin kann, wenn dem Antrag stattgegeben wird, ohne weiteres erkennen, wozu sie verpflichtet ist. Der Antrag enthält Angaben zum Thema, zu dessen Klärung der Sachverständige hinzugezogen werden soll und bezeichnet die Person des Sachverständigen. Auch enthält er Angaben über die Höhe der Stundenvergütung. Der Angabe einer betragsmäßigen Obergrenze bedurfte es nicht (BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 – NZA 2006, 553 ff.).

2.2 Der Antrag ist indes unbegründet. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Zustimmung der Arbeitgeberin zur Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes als Sachverständigen für die Beantwortung der Fragen, ob ihm in den benannten Fallkonstellationen ein Mitbestimmungsrecht zusteht und wie er dieses durchsetzen kann.

2.2.1 § 80 Abs. 3 BetrVG gibt dem Betriebsrat einen solchen Anspruch nicht. Nach dieser Vorschrift kann der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Verweigert der Arbeitgeber eine solche Vereinbarung trotz der Erforderlichkeit der Hinzuziehung des Sachverständigen, so kann der Betriebsrat die fehlende Zustimmung durch eine arbeitsgerichtliche Entscheidung ersetzen lassen (BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 a.a.O.).

Als Sachverständiger im Sinne dieser Vorschrift kommen Personen in Betracht, die dem Betriebsrat fehlende Fachkenntnisse zur Beantwortung konkreter, aktueller Fragen vermitteln, damit er die ihm obliegende betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe im Einzelfall sachgerecht erfüllen kann (BAG v. 19.04.1989 – 7 ABR 87/87 – BAGE 61,333). Dabei ist im Grundsatz anerkannt, dass auch ein Rechtsanwalt als Sachverständiger im Sinne von § 80 Abs. 3 BetrVG für den Betriebsrat tätig werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass der Rechtsanwalt dem Betriebsrat spezielle Rechtskenntnisse vermitteln soll, die dieser – unabhängig von einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber - zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben benötigt (BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 – a.a.O.). Wird der Rechtsanwalt hingegen vom Betriebsrat zumindest auch zur Vorbereitung eines Rechtsstreits oder zur Vertretung in einem Einigungsstellenverfahren beauftragt, findet § 80 Abs. 3 BetrVG demgegenüber keine Anwendung. In diesen Fällen richtet sich die Kostentragungspflicht ausschließlich nach § 40 Abs. 1 BetrVG. § 40 BetrVG ist auch dann einschlägig, wenn es um die außergerichtliche Geltendmachung eines konkreten Mitbestimmungsrecht gegenüber dem Arbeitgeber mit dem Ziel geht, die bereits beschlossene Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens entbehrlich zu machen (BAG v. 15.11.2000 – 7 ABR 24/00 – EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 92).

Die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat setzt voraus, dass dieser dem Betriebsrat fehlende Kenntnisse vermitteln soll, die er zur Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe nach dem Betriebsverfassungsgesetz benötigt. Aufgabe des Sachverständigen ist es nicht, dem Betriebsrat fehlende Kenntnisse in bestimmten Angelegenheiten generell oder auf Vorrat zu vermitteln. Dem Erwerb solcher grundsätzlich erforderlicher oder geeigneter Kenntnisse für die Tätigkeit des Betriebsrats dienen die Schulungsansprüche des Betriebsrats und der Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG (BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05 a.a.O.). Nach diesen Vorschriften hat der Betriebsrat einen Anspruch darauf, dass seine Mitglieder an Schulungen teilnehmen können, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann (std. Rspr. vgl. BAG v. 18.01.2012 – 7 ABR 73/10 – in juris). Darunter fallen nicht nur Schulungsveranstaltungen zu Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung, mit denen das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden soll, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Auch weitergehende Schulungsveranstaltungen können erforderlich sein, wenn ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme besteht, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (BAG v. 18.01.2012 – 7 ABR 73/10 in juris).

2.2.2 Unter Berücksichtigung und in Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Frage, welche Rechte dem Betriebsrat in Bezug auf die beiden Sachverhaltskomplexe zustehen (könnten) und wie er sie durchsetzen kann, als nicht erforderlich im Sinne von § 80 Abs. 3 BetrVG. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben steht dem Betriebsrat nämlich vorrangig der Schulungsanspruch nach § 37 Abs. 6 BetrVG zu.

2.2.2.1 Die Kostentragungspflicht für die vom Betriebsrat beabsichtigte Hinzuziehung seiner Verfahrensbevollmächtigten richtet sich – entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin – nach § 80 Abs. 3 BetrVG und nicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG. Diese sollen nämlich als Sachverständige im Sinne dieser Vorschrift für den Betriebsrat tätig werden.

Wie ein Rechtsanwalt für den Betriebsrat tätig werden soll, ob bspw. in Vorbereitung eines Beschlussverfahrens, zur Wahrung oder Verteidigung von Rechten des Betriebsrats oder aber allein zur Vermittlung notwendiger Rechtskenntnisse bestimmt sich nach dem Mandat, das der Betriebsrat ihm erteilt. Der Inhalt des Mandates ist wiederum vom Betriebsrat als Gremium vorab in einem Beschluss festzulegen. Nach den hier gefassten jeweiligen Beschlüssen des Betriebsrates soll aber der jetzige Verfahrensbevollmächtigte damit beauftragt werden, den Betriebsrat außerhalb eines Beschlussverfahrens oder eines Verfahrens vor der Einigungsstelle zunächst darüber zu beraten, ob ihm in Bezug auf die beiden Sachverhalte überhaupt Rechte aus dem Betriebsverfassungsrecht zukommen. Auch soll der jetzige Verfahrensbevollmächtigte nicht etwa gegenüber der Arbeitgeberin außergerichtlich ein Mitbestimmungsrecht für den Betriebsrat geltend machen. Er soll vielmehr nach der Beschlusslage erst für den Betriebsrat prüfen, ob ein solches Mitbestimmungsrecht besteht. Für eine etwaige Geltendmachung eines Mitbestimmungsrechts gegenüber der Arbeitgeberin bedarf es eines erneuten Beschlusses des Betriebsrats. Auch wenn als Ergebnis dieser beabsichtigten Informationsbeschaffung und Entscheidung des Betriebsrats am Ende die Einleitung eines Beschlussverfahrens stehen sollte, steht die Beratung des Betriebsrats über mögliche Rechte und Durchsetzungsmöglichkeiten zunächst im Vordergrund.

2.2.2.2 Die Beauftragung eines Sachverständigen für die hier anstehenden Fragestellungen ist jedoch nicht zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich im Sinne von § 80 Abs. 3 BetrVG.

Mit der hier streitgegenständlichen Hinzuziehung des Sachverständigen, will der Betriebsrat in erster Linie klären lassen, ob und wenn ja, welche Rechte ihm überhaupt aus den beiden hier in Rede stehenden Sachverhalten erwachsen könnten. In zweiter Linie möchte er erfahren, wie er solche Rechte dann durchsetzen könnte.

Die aufgeworfenen Fragen betreffen Aufgaben des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz und die hierfür erforderlichen Kenntnisse des Betriebsrats. Sie betreffen konkret die Frage des etwaigen Bestehens von Mitbestimmungsrechten in den genannten Angelegenheiten. Fragen des Mitbestimmungsrechts in bestimmten den Betrieb betreffenden Angelegenheiten gehören zu den originären Aufgaben des Betriebsrats im Rahmen der Betriebsverfassung.

Solche Fragen der originären Aufgaben des Betriebsrats im Rahmen der Betriebsverfassung sind Gegenstand der Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG. Die Schulungsveranstaltungen nach dieser Vorschrift und der Anspruch des Betriebsrats auf Teilnahme seiner Mitglieder an diesen Schulungen sind darauf abgestellt, dem Betriebsrat diejenigen Kenntnisse zu vermitteln, die für seine Arbeit erforderlich sind. Für den Erwerb dieser Kenntnisse werden die Betriebsratsmitglieder unter Vergütungsfortzahlung von ihrer Arbeit freigestellt; gemäß § 40 BetrVG ist der Arbeitgeber zudem verpflichtet, die Schulungskosten zu tragen. Dabei ist anerkannt, dass auch die Teilnahme an Spezialseminaren in gleicher Weise ermöglicht und die Kosten vom Arbeitgeber getragen werden, wenn diese Kenntnisse vermitteln, die für einen konkreten Anlass in einem konkreten Betrieb erforderlich sind.

§ 37 Abs. 6 BetrVG mit der dort festgelegten Freistellungspflicht und § 40 BetrVG mit der dort dem Arbeitgeber zugewiesenen Kostentragung stellen den Grundsatz für den Erwerb erforderlicher Kenntnisse des Betriebsrats dar. In diesen Schulungsveranstaltungen sollen den Betriebsratsmitgliedern gerade diejenigen Kenntnisse vermittelt werden, die sie in die Lage versetzen, den ihnen im Rahmen der Betriebsverfassung zukommenden Aufgaben gerecht werden zu können. Es sollen umfängliche Kenntnisse des Betriebsverfassungsrechts als Ganzem und insbesondere seinem Kernstück, den Beteiligungsrechten des Betriebsrats vermittelt werden. Nur so kann der Betriebsrat auch bei komplexen Sachverhalten seine Aufgaben kompetent wahrnehmen. Dementsprechend wird von der Rechtsprechung die Erforderlichkeit der Teilnahme bejaht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Betriebsratsmitglieder die zu vermittelnden Kenntnisse für ihre konkrete Arbeit benötigen und sie in ihrer konkreten Arbeit umsetzen können.

Damit ist davon auszugehen, dass die Schulungsveranstaltungen das primäre Instrument für die Kenntniserlangung der Betriebsratsmitglieder im Zusammenhang jedenfalls mit denjenigen Rechtspositionen darstellen, die deren ureigene Funktion im Rahmen der Betriebsverfassung betreffen. Dies muss insbesondere für die Frage gelten, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in einer bestimmten Angelegenheit zusteht oder nicht. Ist für eine solche Kenntniserlangung die Erforderlichkeit im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG zu bejahen, so kann eine Erforderlichkeit im Sinne von § 80 Abs. 3 BetrVG im Regelfall nicht zugleich gegeben sein. Denn ansonsten würde sich – umgekehrt – bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Rahmen von § 37 Abs. 6 BetrVG die Frage stellen, ob nicht eine Erforderlichkeit im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG zu bejahen sei und letzteres vorgehe. Dies aber würde nicht dem System des BetrVG entsprechen, welches von einer Priorität der Schulungsveranstaltung ausgeht.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Betriebsrat sich die für die Beurteilung der hier streitigen Sachverhalte erforderlichen Kenntnisse durch die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen verschaffen muss. Dem steht der Hinweis des Betriebsrats, es habe keine Schulung zu den konkreten Sachverhalten gegeben, nicht entgegen. Die gängigen Veranstalter für Betriebsräteschulungen führen ausweislich ihrer Darstellungen im Internet mehrmals im Jahr Schulungen zu den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten in Berlin oder aber Berlinnahen Veranstaltungsorten durch. Mit diesen Schulungsveranstaltungen erhält der Betriebsrat das „Rüstzeug“ für die Wahrnehmung seiner Aufgaben und damit auch die Kenntnisse, die erforderlich sind, um entscheiden zu können, welche Position der Betriebsrat im konkreten Fall einnehmen könnte. Soweit der Betriebsrat auf fehlende gerichtliche Entscheidungen zu diesen Sachverhalten verweist, ist dies betriebsverfassungsrechtlichen Konflikten wegen der zahlreichen denkbaren Konstellationen immanent. Dem Umgang damit dient ja gerade der Schulungsanspruch. Zwar kann eine Schulungsveranstaltung nicht verbindlich klären, ob dem Betriebsrat im konkreten Fall ein Mitbestimmungsrecht zusteht oder nicht. Das beabsichtigte Sachverständigengutachten geht indes nicht weiter. Dieses mag dem Betriebsrat mehr Argumente für seine Position an die Hand geben, eine verbindliche Klärung der Streitfrage kann es aber ebenfalls nicht herbeiführen. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Betriebsrat in seiner konkreten Zusammensetzung erst seit Juli 2011 im Amt ist. In seinem Gremium verfügt der Betriebsrat über zwei Mitglieder, die bereits eine längere Erfahrung im Amt nachweisen können.

2.2.3 Erweist sich die Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG schon aus diesen Gründen als nicht erforderlich, kam es auf die Frage nicht an, ob die Vorschrift des § 80 Abs. 3 BetrVG das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts voraussetzt, um davon ausgehen zu können, der Betriebsrat führe eine gesetzliche Aufgabe durch, für die er die Hinzuziehung eines Sachverständigen benötige. Wäre dies der Fall, bedürfte die Klärung, ob ein Mitbestimmungsrecht besteht, ohnehin nicht der Begutachtung durch einen Sachverständigen, da diese Frage dann bereits in einem gerichtlichen Verfahren für die Beteiligten verbindlich beantwortet werden müsste.

3. Aus diesen Gründen war auf die Beschwerde der Arbeitgeberin der Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen. Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.