Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Straßenrecht; Umstufung; Abstufung; Ankündigung; Kreisstraße; Gemeindestraße;...

Straßenrecht; Umstufung; Abstufung; Ankündigung; Kreisstraße; Gemeindestraße; Gemeindeverbindungsstraße; Verkehrsbedeutung; Änderung auf Dauer; Gemeindeneubildung; Ortsumgehung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 23.07.2010
Aktenzeichen OVG 1 N 108.08 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 3 Abs 3 Nr 1 StrG BB, § 3 Abs 4 Nr 1 StrG BB, § 7 Abs 2 StrG BB, § 7 Abs 5 StrG BB

Leitsatz

s. a. OVG 1 N 146.05

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2008 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Darlegungen der Klägerin, auf die sich die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts beschränkt (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigen eine Zulassung der Berufung nicht.

Die Klägerin, eine zum 31. Dezember 2001 aus den vormals selbständigen Gemeinden Zichow, Fredersdorf und Golm neu gebildete Gemeinde, wendet sich gegen zwei Umstufungsverfügungen, mit denen der Beklagte ein zwischen Zichow und Fredersdorf verlaufendes, etwa zwei Kilometer langes Teilstück der Kreisstraße K 7312 mit Wirkung zum 1. Januar 2002 zu einer Gemeindestraße abgestuft hat. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass sich die Verkehrsbedeutung des abgestuften Straßenabschnitts geändert habe. Die Straße, die bis zur Entstehung der klagenden Gemeinde zu Recht in eine höhere Klasse als eine Gemeindestraße eingestuft gewesen sei, habe infolge der Gemeindegebietsneugliederung ihre überörtliche Verkehrsbedeutung verloren und seither nur noch die Verkehrsbedeutung einer Gemeindestraße, nämlich einer Gemeindeverbindungsstraße im Sinne von § 3 Abs. 4 Nr. 1 BbgStrG. Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts geltend gemachten Zulassungsgründe der Klägerin sind nicht gegeben.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

a) Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe die Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 BbgStrG (in der hier maßgeblichen Neufassung vom 10. Juni 1999, vgl. GVBl. I S. 211) außer Acht gelassen, bleibt ohne Erfolg. Nach dieser Vorschrift soll eine Umstufung, die nach der Änderung von Gemeindegrenzen oder der Bildung von neuen Gemeinden durch Änderung der Verkehrsbedeutung von Straßen erforderlich geworden ist, nur zum Beginn des dritten Haushaltsjahres nach dem Jahr der Gebietsänderung ausgesprochen und dem neuen Träger der Straßenbaulast ein Jahr vorher angekündigt werden. Sie dient dem Zweck, dem zukünftigen Träger der Straßenbaulast die Gelegenheit zu geben, seinen Haushalt und seine Verwaltung rechtzeitig auf die Übernahme der Straße einzurichten; sie soll zudem verhindern, dass die politisch geförderten Zusammenschlüsse von Gemeinden durch finanzielle Belastungen behindert werden (vgl. Jupe, Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht in Brandenburg, Stand: Februar 2010, Kennzahl 11.00 Erl. 2.2.1). Diese verfahrensrechtliche Regelung, die einen Sonderfall der Umstufung betrifft, ist jedoch vorliegend nicht einschlägig. Abgesehen davon, dass es sich bei der Pflicht zur Ankündigung um eine Soll-Vorschrift handelt (anders die allgemeine Ankündigungsvorschrift nach § 7 Abs. 5 Satz 1 BbgStrG: „ist…anzukündigen“), findet die Vorschrift nur Anwendung, wenn die Umstufung nach der Bildung von neuen Gemeinden durch Änderung der Verkehrsbedeutung von Straßen erforderlich geworden ist. Der Begriff „nach“ bildet eine zeitliche Grenze, nach der zu bestimmen ist, ob die Sonderregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 BbgStrG anwendbar ist; andernfalls greifen die allgemeinen zeitlichen Vorgaben für Ankündigung und Wirksamwerden der Umstufung des Satzes 1 der Vorschrift ein.

Ein Fall des § 7 Abs. 5 Satz 2 BbgStrG ist hier nicht gegeben. Im Vorfeld der Umstufung hat der Beklagte dem seinerzeit für die beiden noch selbständigen Gemeinden Zichow und Fredersdorf zuständigen Amtsdirektor des Amtes Oder-Welse mit Schreiben vom 26. September 2001 jeweils eine Ankündigung der geplanten Umstufungen, die auf den im jeweiligen Gemeindegebiet belegenen Straßenabschnitt der Kreisstraße K 7312 bezogen waren, am 28. September 2001 zugestellt. In dem Begleitschreiben vom 26. September 2001 werden die geplanten Umstufungen als Folge der Indienststellung der Ortsumgehung Gramzow/ Zichow der Bundesstraße B 166 dargestellt; die erst später vollzogene Gemeindeneubildung wird hingegen nicht erwähnt. Das steht im Einklang mit den sonstigen aktenkundigen Vorgängen. So führt der Beklagte in einem Schreiben an die oberste Landesplanungsbehörde vom 13. November 2001 zur Herstellung des nach § 7 Abs. 4 BbgStrG erforderlichen Benehmens ebenfalls (nur) aus, dass die Umstufung im Zusammenhang mit der Verkehrsfreigabe der Ortsumgehung Zichow/Gramzow (Bundesstraße 166) stehe. Auch das Protokoll vom 14. November 2001 über die Erörterung der angekündigten Umstufung vom 12. November 2001 enthält den Hinweis, dass ein Mitarbeiter des Beklagten die angekündigte Umstufung mit der geänderten Verkehrsbedeutung aufgrund der Indienststellung der Ortsumgehung Gramzow/Zichow der Bundesstraße 166 begründet habe. Dagegen war zum Zeitpunkt der Ankündigung der Umstufung die Gemeindeneubildung weder nach außen erkennbar in die Wege geleitet noch gar vollzogen. Dies geschah erst im Dezember 2001 (Vertrag vom 8. Dezember 2001, Genehmigungsantrag vom 11. Dezember 2001, Genehmigung des Ministeriums des Innern vom 13. Dezember 2001) und fand seinen Abschluss durch Bildung der neuen Gemeinde Zichow, der Klägerin, aus den vormaligen Gemeinden Fredersdorf, Golm und Zichow mit Wirkung vom 31. Dezember 2001 (vgl. Amtsblatt für Brandenburg vom 27. Dezember 2001, Seite 898). Die streitgegenständlichen Umstufungsverfügungen vom 15. November 2001 wurden hingegen bereits im Amtsblatt für den Landkreis Uckermark vom 27. November 2001 bekannt gemacht; sie sind zum 1. Januar 2002 wirksam geworden. Bei dieser Sachlage ist die Umstufung nicht nach, sondern bereits vor der Gemeindeneubildung erforderlich geworden, so dass sie nicht an § 7 Abs. 5 Satz 2 BbgStrG zu messen ist. Dass im Laufe des Widerspruchsverfahrens eine Gebietsänderung eingetreten ist, die sich ebenfalls auf die Verkehrsbedeutung der Kreisstraße K 7312 auswirken konnte, ändert daran nichts. Auch der Widerspruchsbescheid vom 28. März 2002, der erst nach der Gemeindeneubildung erlassen worden ist, begründet die Umstufung allein mit der infolge der Indienststellung der Ortsumgehung Gramzow/Zichow im Juli 2001 eingetretenen Änderung der Verkehrsbedeutung der Kreisstraße. Daher kommt hier die allgemeine Bestimmung des § 7 Abs. 5 Satz 1 BbgStrG zur Anwendung, deren Anforderungen (Umstufung zum Ende des Haushaltsjahres, Ankündigung drei Monate vorher) erfüllt sind.

Nur ergänzend sei angemerkt, dass auch im Übrigen gegen die beiden Umstufungsverfügungen keine formellen Bedenken bestehen. Insbesondere lässt sich den beiden Ankündigungen der Zeitpunkt des Übergangs der Straßenbaulast auf den neuen Träger zweifelsfrei entnehmen (zu diesem Erfordernis für die entsprechende Ankündigung nach § 2 Abs. 5 Satz 3 FStrG vgl. VGH Kassel, Urteil vom 21. Juni 1988 - 2 UE 2651/84 -, NVwZ-RR 1989, 338, 339).

Abgesehen davon geht der Beklagte nach seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 9. Februar 2009 davon aus, dass die Klägerin für die Haushaltsjahre 2002 und 2003 nicht mit entsprechenden Instandsetzungs- und Erhaltungskosten belastet werden kann, so dass der Klägerin die mit § 7 Abs. 5 Satz 2 BbgStrG verbundenen Vergünstigungen - ungeachtet der Rechtslage - ohnehin zugute kommen dürften.

b) Die Klägerin kann auch mit dem Einwand, das Verwaltungsgericht habe die Vorgaben des § 7 Abs. 2 BbgStrG verkannt, nicht durchdringen. In diesem Zusammenhang macht sie geltend, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, allein die Verschmelzung der Gemeinden Zichow, Fredersdorf und Golm zur Gemeinde Zichow rechtfertige die Umstufung, ohne dass es auf eine tatsächliche Änderung der Verkehrsbedeutung sowie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ankomme. Andersfalls hätte es prüfen müssen, ob sich aus den von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen trotz der Gemeindegebietsänderung immer noch eine überörtliche Bedeutung der streitbefangenen Straßenabschnitte ergebe. Dieses Vorbringen trifft in der Sache nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat für die Frage, ob sich nach § 7 Abs. 2 BbgStrG die Verkehrsbedeutung der Straße auf Dauer geändert hat, an die Gemeindeneubildung angeknüpft und auf dieser Grundlage eingehend geprüft, ob die Straße überwiegend dem Verkehr zwischen benachbarten Gemeinden oder Gemeindeteilen (dann Gemeindeverbindungsstraße nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 BbgStrG) oder überwiegend überörtlichem Verkehr (dann Kreisstraße nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BbgStrG) dient oder zu dienen bestimmt ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts gerade nicht die Annahme zugrunde, dass allein die Gemeindeneugliederung die Umstufung rechtfertige. Im Übrigen hat sich das Verwaltungsgericht auch mit dem Vortrag der Klägerin zum sog. Langsamfahrverkehr und der Verbindung von Polßen nach Passow (und von dort weiter Richtung Schwedt) ausdrücklich befasst (vgl. Seite 4 f. des Urteilsabdrucks).

c) Soweit die Klägerin ernstliche Richtigkeitszweifel mit der Rechtsanwendung des § 3 Abs. 4 Nr. 1 BbgStrG durch das Verwaltungsgericht begründet, überzeugt auch das nicht. Die Klägerin vertritt die Auffassung, der abgestufte Straßenabschnitt könne nicht als Gemeindeverbindungsstraße qualifiziert werden, denn ihm komme nicht zuvörderst Zubringer- oder Erschließungsfunktion, sondern eine Funktion für den überörtlichen Verkehr zu, weil er gemeinsam mit der K 7313 und der B 166 alt mehr als zwei Gemeinden miteinander verbinde; damit werden die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts (vgl. Seite 5 des Urteilsabdrucks) indes nicht durchgreifend in Frage gestellt. Soweit die Klägerin eine überörtliche Bedeutung des Straßenabschnitts aus den auf Seite 4 der Zulassungsbegründung genannten Umständen ableiten will, setzt sie sich entweder mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts schon nicht hinreichend auseinander (so in Bezug auf den behaupteten weiträumigen Langsamfahrverkehr, vgl. Seite 4 f. des Urteilsabdrucks) oder lässt unberücksichtigt, dass es für die Annahme einer Gemeindeverbindungsstraße nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 BbgStrG genügt, wenn die Straße überwiegend dem Verkehr zwischen benachbarten Gemeinden oder Gemeindeteilen dient (so in Bezug auf die Erreichbarkeit landwirtschaftlicher Nutzflächen östlich von Zichow aus dem Raum Angermünde und der behauptete Streckenführung von Polßen nach Passow über den abgestuften Straßenabschnitt).

d) Schließlich vermag auch der Hinweis der Klägerin auf das die Umstufung eines Teils der Bundesstraße B 166 zur Gemeindestraße betreffende Klageverfahren (VG Potsdam 10 K 585/02; OVG Berlin-Brandenburg OVG 1 N 146.05) ernstliche Richtigkeitszweifel nicht zu begründen. Soweit die Klägerin geltend macht, das Verwaltungsgericht habe den Zusammenhang mit diesem Verfahren verkannt, und hierzu auf die Ausführungen des beschließenden Senats im Verfahren OVG 1 N 146.05 (Seite 11 des Beschlusses vom 14. Dezember 2005) Bezug nimmt, lassen sich hieraus die von der Klägerin gezogenen Schlussfolgerungen nicht ziehen. Der vorgenannte Beschluss betrifft die Umstufung eines im Gemeindegebiet der Klägerin gelegenen Abschnitts der B 166 alt zu einer Gemeindestraße. Die Betrachtung der Zulassungsbegründung, wonach der betroffene Abschnitt der B 166 alt „gemeinsam und in funktioneller Einheit“ mit dem hier streitgegenständlichen Straßenabschnitt der K 7312 und ihrem weiteren Verlauf von Fredersdorf über Golm und Briest nach Passow dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises diene, rechtfertigt keine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Würdigung. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar und eingehend ausgeführt, weshalb das abgestufte Teilstück der K 7312 keine überörtliche Bedeutung (mehr) hat, sondern nur noch der Verknüpfung der Ortsteile der Klägerin untereinander sowie mit den unmittelbar benachbarten Ortschaften dient (vgl. Seite 5 des Urteilsabdrucks). Diese Erwägungen werden durch den Vortrag in der Zulassungsbegründung, die sich damit schon nicht in der erforderlichen Weise auseinandersetzt, nicht erfolgreich in Frage gestellt. Das gilt auch für die weitere Überlegung der Klägerin, dass über die Strecke B 166 alt und das abgestufte Teilstück der K 7312 mehr als zwei selbständige Gemeinden verbunden würden, nämlich die Gemeinden Gramzow, Zichow und Passow; abgesehen davon, dass diese drei Gemeinden bereits direkt über die B 166 alt ohne Einschluss der hier streitgegenständlichen Kreisstraße miteinander verbunden sind, ist auch dieser Vortrag nicht geeignet, die Qualifizierung des streitgegenständlichen Straßenabschnitts als Gemeindeverbindungsstraße im Sinne von § 3 Abs. 4 Nr. 1 BbgStrG vor dem Hintergrund der Überlegungen des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen.

2. Ebenso wenig ist der Zulassungsgrund besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gegeben. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin genügt schon nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen, weil es die Klägerin unterlassen hat, die behauptete erheblich über dem Durchschnitt liegende Komplexität der Rechtssache hinreichend darzulegen.

3. Schließlich kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht zu. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob allein eine Änderung des Gemeindegebiets die Umstufung tragen könne, ist nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit der Umstufung am Maßstab des § 7 Abs. 2 BbgStrG gemessen, wonach die Umstufung eine Änderung der Verkehrsbedeutung der Straße auf Dauer voraussetzt. In diesem Rahmen hatte es auch zu berücksichtigen, inwiefern sich die Verkehrsbedeutung des Straßenabschnitts infolge des Zusammenschlusses der betroffenen Gemeinden verändert hat. Davon, dass das Verwaltungsgericht die Umstufung, etwa im Sinne eines „Automatismus“, allein auf die Änderung des Gemeindegebiets gestützt hätte, kann - wie unter 1 b) dargelegt - mithin nicht die Rede sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).