Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 23. Kammer | Entscheidungsdatum | 11.08.2010 | |
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Aktenzeichen | 23 TaBV 660/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG |
1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.02.2010 - 26 BV 23163/09 - wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde durch die Arbeitgeberin wird zugelassen.
I.
Die Beteiligten streiten über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Streichung einer Sonderzuwendung für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe.
Der Beteiligte zu 1) ist der Betriebsrat einer von der beteiligten Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2)) betriebenen Senioreneinrichtung. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der P.S. Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG, die am 24.9.2004 mit der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) einen Manteltarifvertrag (MTV), den Vergütungstarifvertrag Nr. 1 zum MTV und einen Tarifvertrag über eine Zuwendung (TVZ) abgeschlossen hatte. Zu den in der Anlage A des MTV aufgeführten Einrichtungen, auf deren Arbeitnehmer der TVZ gemäß seinem § 1 Anwendung findet, gehört auch die Beteiligte zu 2). Der TVZ trat am 1.10.2004 in Kraft. Zwischenzeitlich ist er zum 31.12. 2006 gekündigt worden.
Nach § 3 TVZ beträgt die Höhe der Zuwendung einen bestimmten Prozentsatz, der davon abhängig ist, ob für den betroffenen Beschäftigten § 13 Abs. 2 oder § 13 Abs. 3 MTV einschlägig ist. § 13 Abs. 2 MTV sieht vor, dass die Arbeitnehmer der dort aufgeführten alten Länder einschließlich Berlin nach der Anlage 1 bzw. 2 des Vergütungstarifvertrages vergütet werden. § 13 Abs. 3 MTV sieht für die Arbeitnehmer der dort genannten neuen Länder die Vergütung nach der Anlage 1 a bzw. 2 a vor. Bei den Anlagen handelt es sich um die Vergütungstabellen zu den in der Anlage B des Mantelltarifvertrages aufgeführten Vergütungsgruppen. In den Vergütungsgruppen ist die Tätigkeit von Krankenschwestern, Krankenpflegern, Krankenpflegehelferinnen und -helfern nicht aufgeführt. Ab November 2004 zahlte die Arbeitgeberin ihren Beschäftigten entsprechend dem TVZ eine jährliche Sonderzuwendung. Die Auszahlung erfolgte in zwölf gleichen monatlichen Beträgen. Ab November 2005 nahm sie in die Verdienstabrechnungen der Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpflegehelferinnen und -helfer folgenden Zusatz auf:
„Bezüglich der Sonderzuwendung gilt zukünftig folgende Regelung: Die Zahlung erfolgt freiwillig. Die Zahlung der ersten Rate(n) begründet keinen Anspruch auf die weiteren Raten.“
Nachdem in den Abrechnungen für Oktober 2007 der Zusatz wie folgt lautete:
„Sie erhalten in diesem Monat die letzte Rate der freiwillig gezahlten Sonderzuwendung. Im Rahmen eines neuen Arbeitsvertragsabschlusses bieten wir an, die Sonderzuwendung zukünftig als festen Gehaltsbestandteil zu beziehen“,
hatte er ab November 2007 den Inhalt:
„Die Zahlung der Sonderzuwendung erfolgt unter dem Vorbehalt des noch zu überprüfenden Rechtsanspruchs. Bei fehlendem Rechtsanspruch wird eine Rückforderung innerhalb der nächsten 6 Monate erfolgen.“
Mit Urteil vom 25.2.2009 - 4 AZR 964/97 - hat das Bundesarbeitsgericht erkannt, dass die Tätigkeit eines Krankenpflegers von der Anlage B des MTV nicht erfasst wird und insoweit eine bewusste Tariflücke vorliegt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien eine vollständige und ausnahmslos sämtliche Tätigkeiten umfassende Vergütungsordnung schaffen wollten. Daraufhin stellte die Arbeitgeberin im November 2009 die Zahlung der Sonderzuwendung an die Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpflegehelferinnen und -helfer ein. Den Altenpflegehelferinnen und -helfern sowie Pflegehelferinnen und -helfern wird sie weiterhin gewährt. Die Einstellung erfolgte ohne Beteiligung des Betriebsrates. Nach Beschlussfassung vom 29.11.2009 über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens begehrt er mit dem am 30.12.2009 bei Gericht eingegangenen Antrag die Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs.1 Nr. 10 BetrVG.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass die Einstellung der Zuwendungszahlung sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt. Sie stelle eine Änderung der bestehenden Vergütungsstruktur dar. Die Zahlung sei ohne tatsächliche Eingruppierung nach dem Entgelttarifvertrag und unabhängig von der ausgeübten Funktion und Organisationszugehörigkeit der Arbeitnehmer erfolgt. Künftig würden sich die einzelnen Elemente der gesamten Vergütung anders zusammensetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. der Beteiligten zu 2) aufzugeben, es zu unterlassen, die im Betrieb tätigen Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpfleghelferinnen und -helfer so zu vergüten, dass deren Vergütung nicht auch die Zahlung einer Sonderzuwendung von 82 % der Septembervergütung in zwölf gleich bleibenden monatlichen Teilen umfasst, ohne dass der Beteiligte zu 1) seine Zustimmung hierzu erteilt hat oder diese Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;
2. der Beteiligten zu 2) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat behauptet, die Sonderzuwendung an die genannte Arbeitnehmergruppe zunächst in der irrtümlichen Annahme eines entsprechenden tarifvertraglichen Anspruchs gezahlt zu haben. Der Vergütungstarifvertrag sei zu einem späteren Zeitpunkt als der TVZ in Kraft getreten. Die Zuwendung sei daher zunächst ohne Eingruppierung gezahlt worden. In der Folgezeit habe sie nicht nur die Auffassung vertreten, dass der Manteltarifvertrag und der Vergütungstarifvertrag nicht in Kraft getreten seien. Ihr seien auch Zweifel gekommen, ob die Vergütungsstruktur des Manteltarifvertrages auf die genannte Arbeitnehmergruppe Anwendung findet. Die Zahlung sei daher ab November 2005 unter die jeweiligen Vorbehalte gestellt worden. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.2.2009 habe festgestanden, dass die genannte Arbeitnehmergruppe nicht unter die Vergütungsstruktur des Manteltarifvertrages fällt und daher auch keinen Anspruch nach dem TVZ habe. Sie sei daher berechtigt gewesen, die Zahlung einzustellen. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates seien nicht verletzt. Die Sonderzuwendung an diese Arbeitnehmer stelle eine freiwillige Leistung dar. Ob und in welchem Umfange sie Mittel für freiwillige Leistungen einsetzen will, sei mitbestimmungsfrei. Dies gelte ebenso für deren Kürzung oder Einstellung. Ein Mitbestimmungsrecht bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Lohngestaltung. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts bestünden bei ihr zwei unterschiedliche Entgeltsysteme, die durch unterschiedliche Tätigkeiten bedingt seien. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates erstrecke sich nicht auf das Verhältnis der Entgeltsysteme zueinander. Am Lohngefüge der genannten Mitarbeitergruppe ändere sich nichts. Der relative Abstand der Gesamtvergütungen in dieser Mitarbeitergruppe untereinander bleibe unverändert.
Das Arbeitsgericht hat die Arbeitgeberin entsprechend den Anträgen des Betriebsrates zur Unterlassung verpflichtet. Es hat ausgeführt, dass die Einstellung der Sonderzuwendung eine Änderung der betrieblichen Vergütungsstruktur darstellt und somit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt. Bisher habe sie ausnahmslos eine Vergütungsordnung angewandt, welche die Zahlung einer Sonderzuwendung nach dem TVZ vorgesehen habe. Die sei auch noch im Nachwirkungszeitraum des TVZ unabhängig von einer Tarifbindung der Arbeitnehmer und unabhängig von der Funktion der jeweiligen Mitarbeiter geschehen. Die Absenkung der Gesamtvergütung für einen Teil der Arbeitnehmer sei nunmehr nicht mehr mitbestimmungsfrei gewesen. Dem stehe weder eine Freiwilligkeit der Leistung noch das Vorhandensein unterschiedlicher Entgeltsysteme entgegen. Dies folge bereits aus dem mit § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verfolgten Ziel der Verteilungsgerechtigkeit. Zudem werde für einen Teil der Belegschaft ein neues Entgeltsystem eingeführt.
Gegen den ihr am 15.3.2010 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 25.3.2010 Beschwerde eingelegt und sie am 12.5.2010 begründet.
Sie bleibt dabei, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nicht verletzt zu haben. Ein Mitbestimmungsrecht bestehe nicht, wenn eine übertarifliche Leistung gänzlich einstellt werde. Weil damit kein Vergütungsvolumen mehr zur Verteilung anstehe, gelte dies auch dann, wenn dadurch die relativen Abstände der einzelnen Gesamtvergütungen zueinander und damit die bisherigen Entlohnungsgrundsätze verändert werden. Da sie die Belegschaft nicht beliebig in Gruppen von Arbeitnehmern aufgespalten habe, könne sie sich durchaus darauf berufen, dass für Teile der Belegschaft unterschiedliche Entgeltsysteme bestehen. Die Strukturunterschiede zwischen den Arbeitnehmergruppen seien zulässig. Die weitere Entwicklung der Systeme im Verhältnis zueinander könne daher kein Gegenstand der Überprüfung nach Maßgabe der innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit sein. Durch die Streichung der Sonderzuwendung für die genannte Arbeitnehmergruppe werde kein neues Entgeltsystem eingeführt. Es werde nur das System angewandt, das vor Abschluss der Tarifverträge bestanden habe.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.2.2010 - 26 BV 23163/09 - abzuändern und die Anträge des Betriebsrates zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.
Er sieht nach wie vor sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt. Es bestehe unabhängig von der rechtlichen Grundlage der Entlohnungsgrundsätze. Durch Streichung der Sonderzuwendung habe die Arbeitgeberin die vorher geschaffene einheitliche Vergütungsstruktur geändert. Dies sei insgesamt und nicht nur für einen Teil der Belegschaft geschehen. Selbst wenn die Zuwendung irrtümlich an die genannte Arbeitnehmergruppe gezahlt worden sei, ändere dies nichts an der Tatsache, dass alle Arbeitnehmer einheitlich vergütet worden seien. Wegen Änderung des einheitlichen Verteilungsschlüssels könne auch bei Freiwilligkeit der Leistung das Mitbestimmungsrecht nicht entfallen. Das Vorhandensein unterschiedlicher Entgeltsysteme sei unerheblich, weil die Sonderzuwendung unabhängig davon an alle Arbeitnehmer gezahlt worden sei und durch die Zahlungseinstellung neue Entlohnungsgrundsätze eingeführt würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Arbeitgeberin zu Recht zur Unterlassung der Änderung ihrer Vergütungsgrundsätze ohne Beteiligung des Betriebsrates verpflichtet. Ihre Beschwerde gibt keinen Grund für eine abweichende Entscheidung.
1. Der Betriebsrat hatte bei der Streichung der Sonderzuwendung an die im Tenor des angegriffenen Beschlusses genannte Personengruppe mitzubestimmen. Durch die Einstellung dieser Leistung sind die Entlohnungsgrundsätze im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG geändert worden.
1.1 Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen sowie deren Änderung mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht soll die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientierten Lohngestaltung schützen. Zugleich soll die Einbeziehung des Betriebsrates zur Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie zur Sicherung der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des Lohngefüges beitragen. Mitbestimmungspflichtig sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer nähren Vollzugsform (vgl. BAG Urteil vom 22.6.2010 - 1 AZR 853/08 - in juris).
1.2 Entlohnungsgrundsätze sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. also die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebes in abstrakter Weise ergibt (vg. BAG Urteil vom 22.6.2010 - 1 AZR 853/08 - a.a.O.)
1.3 Die Arbeitgeberin hat sich bei der Entlohnung ihrer Mitarbeiter an tarifvertraglichen Regelungen orientiert. Entsprechend dem TVZ hat sie ihren Beschäftigten neben der Grundvergütung, dem Ortszuschlag und weiteren Zulagen eine Sonderzuwendung gezahlt. Die Zahlung erfolgte unstreitig unabhängig von der Funktion der jeweiligen Mitarbeiter und unabhängig von ihrer gewerkschaftlichen Organisation. In diese Struktur hat die Arbeitgeberin einseitig eingegriffen und den Grundsatz, die Zuwendung an die Beschäftigten unabhängig von ihrer Funktion zu zahlen, durch Streichung der Leistung an die Gruppe der Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpflegehelferinnen und -helfer geändert.
1.4 Die Streichung war nicht deswegen mitbestimmungsfrei, weil mit dem TVZ eine tarifliche Regelung über die Leistung der Zuwendung vorliegt. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 das Mitbestimmungsrecht nur, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung vorliegt. Nur eine zwingende tarifliche Regelung schließt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus (vgl. BAG Beschluss vom 10.2.1988 - 1 ABR 56/86 - in AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung). Der TVZ wirkte gem. § 4 Abs. 5 TVG aufgrund seiner Kündigung zum 31.12.2006 nur noch nach. Eine unmittelbare und zwingende Bindungswirkung ging von ihm seither nicht mehr aus. Nur noch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates konnte den Schutz der Arbeitnehmer vor einer einseitig orientierten Lohngestaltung bewirken.
1.5 Die Arbeitgeberin kann dem Mitbestimmungsrecht nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie lediglich eine freiwillige Leistung gestrichen habe. Es kommt nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Vergütungsgrundsätze bisher angewandt worden sind. Auch die Änderung einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung ist mitbestimmungspflichtig (vgl. BAG Urteil vom 22.6.2010 - 1 AZR 853/08 - a.a.O.). Das Mitbestimmungsrecht entfällt daher nicht allein deshalb, weil es sich um eine freiwillige Leistung handelt, die der Arbeitgeber gestrichen hat (vgl. BAG Beschluss vom 28.2.2006 -1 ABR 4/05 - in AP Nr. 127 zu § 87 BetrVG 1972).
1.6 Entscheidet sich der Arbeitgeber eine bisher freiwillig erbrachte Leistung gänzlich einzustellen, bedarf er dafür keiner Zustimmung des Betriebsrates. Es steht kein Vergütungsvolumen mehr zur Verfügung, das zu verteilen wäre. Ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber Mittel für Leistungen zur Verfügung stellt, zu denen er tariflich nicht verpflichtet ist, unterliegt nicht dem Mitbestimmungsrecht (vgl. BAG Beschluss vom 22.8.2006 - 1 ABR 4/05 - a.a.O.). Die Arbeitgeberin hat jedoch die Zuwendung nicht gänzlich eingestellt. Mit Ausnahme der Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpflegehelferinnen und -helfer wird sie den übrigen Arbeitnehmern weitergezahlt und zwar unabhängig davon, ob sie aufgrund ihrer Organisationszugehörigkeit überhaupt einen Anspruch auf die Leistung hatten. Die Arbeitgeberin hat damit lediglich eine Kürzung der zur Verfügung gestellten Mittel vorgenommen und durch die Herausnahme einer bestimmten Personengruppe die Grundsätze ihrer Verteilung geändert. Das ist nicht mitbestimmungsfrei.
1.7 Das Mitbestimmungsrecht kann dem Betriebsrates nicht deswegen abgestritten werden, weil die Arbeitgeberin die Zuwendung an die Gruppe der Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpflegehelferinnen und -helfer in der irrtümlichen Annahme eines Rechtsgrundes gezahlt haben will. Leistungen, die ohne Rechtsgrund gezahlt worden sind, können auch eingestellt werden. Dazu bedarf es nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates (vgl. BAG Urteil vom 29.1.1986 - 4 AZR 279/84 - in AP Nr. 17 zu § 75 BPersVG).
Es kann dahinstehen, ob die Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpflegehelferinnen und -helfer tatsächlich nicht unter den Geltungsbereich des TVZ fallen, weil sie entsprechend dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.2.2009 von der Anlage B des MTV nicht erfasst werden und damit von vornherein keinen tariflichen Anspruch auf die Zuwendung hatten. Ebenso kann dahinstehen, ob die Arbeitgeberin zunächst in der irrtümlichen Annahme eines derartigen Anspruchs die Zuwendung an sie gezahlt hat. Der ab November 2005 in den Verdienstabrechungen dieser Mitarbeiter aufgenommene Zusatz, dass die Zahlung freiwillig erfolgt, zeigt, dass sie ab diesem Zeitpunkt die Zahlungen nicht mehr aufgrund eines angenommenen tariflichen Anspruchs leistete. Grundlage der Leistung war allein ihre Freiwilligkeit. Sie hat damit ab diesem Zeitpunkt den Grundsatz, die Zuwendung an alle Arbeitnehmer zu leisten, bewusst und freiwillig fortgesetzt. Eine Änderung des Grundsatzes unter Berufen einer irrtümlich angenommenen Zahlungspflicht war daher ohne Mitbestimmung des Betriebsrates nicht mehr möglich.
1.8. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.2.2009 ist die Gruppe der Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpflegehelferinnen und -helfer von der Vergütungsordnung des MTV mit seinen Anlage A und B ausgenommen. Für sie gilt damit ein anderes Entgeltsystem als für die übrigen Beschäftigten. Bestehen jedoch für Teile der Belegschaft verschiedene Entgeltsysteme, die durch Unterschiede der Tätigkeit bedingt sind, so erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht nicht auf das Verhältnis der einzelnen Systeme zueinander. Vielmehr ist die weitere Entwicklung der Systeme im Verhältnis zueinander, z.B. durch Anrechnungen oder sonstige Gehaltsveränderungen, kein Gegenstand der Überprüfung nach den Maßstäben der innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit (vgl. BAG Beschluss vom 19.9.1995 - 1 ABR 20/95 - in AP Nr. 81 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).
Im vorliegenden Fall hat sich die Vergütung der Gruppe der Krankenschwestern, Krankenpfleger, Krankenpflegehelferinnen und -helfer der Entwicklung nicht der jeweiligen Entgeltsysteme folgend geändert. Die Zulage ist unterschiedslos an die Arbeitnehmer beider Systeme gezahlt worden. Nicht die Leistung an sich, sondern allenfalls ihre Höhe konnte von den unterschiedlichen Entgeltsystemen abhängig sein. Sie wurde nicht etwa durch eine Erhöhung der Arbeitsvergütung aufgezehrt und ist auch nicht in einer anderweitigen Leistung aufgegangen. Vielmehr wurde durch ihre Streichung eine bestimmte Arbeitnehmergruppe von einer bisher einheitlich gewährten Leistung ersatzlos ausgenommen. Damit wurde ein für beide Entgeltsysteme gleichermaßen geltender Vergütungsgrundsatz geändert.
2. Der Betriebsrat kann verlangen, dass der Arbeitgeber die Anwendung der Änderung der Vergütungsordnung unterlässt, solange diese nicht in einem Mitbestimmungsverfahren nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG festgelegt worden ist. Es handelt sich um einen allgemeinen, von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG unabhängigen Unterlassungsanspruch (vgl. BAG Beschluss vom 13.3.2001 - 1 ABR 7/00 - in ZTR 2002, 94).
3. Die Rechtsbeschwerde ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen worden.