Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 27.01.2014 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | OVG 7 M 74.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 166 VwGO, § 114 ZPO, § 118 Abs 2 S 4 ZPO, § 28 Abs 1 Nr 1 AufenthG, § 5 Abs 2 S 2 AufenthG |
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 3. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Beschwerde des Klägers gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag im Ergebnis zutreffend abgelehnt.
Zwar lässt sich die Ablehnung nicht mehr mit dem Verwaltungsgericht darauf stützen, dass der Kläger ungeachtet eigener Ankündigung und trotz wiederholter Aufforderung die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt habe. Denn der Kläger hat mit Schriftsatz vom 31. Juli 2013 die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgesehenen Formular beim Oberverwaltungsgericht eingereicht. Dass diese erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurde, ist unschädlich. Neues Vorbringen ist in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich möglich (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 150 Rn. 6, Vorb § 124 Rn. 57). Ob dies auch in Fällen gilt, in denen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abgelehnt wurde, kann offen bleiben (vgl. zum Meinungsstreit: Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl. 2014, Rn. 897; OLG Celle, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 W 212.12 - juris Rn. 3; OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. November 2013 – 13 PA 185.13 – juris Rn. 3 und OVG Hamburg, Beschluss vom 22. Dezember 2008 – 1 S 97.09 - juris Rn. 4). Denn das Verwaltungsgericht hat vorliegend dem Kläger keine Frist im Sinne von § 118 Abs. 2 Satz 4 VwGO gesetzt, wozu es der Zustellung einer entsprechenden gerichtlichen Anordnung bedurft hätte (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 56 Rn. 2). Der Kläger wurde lediglich mit einfachem Schreiben des Vorsitzenden vom 24. Oktober 2012 aufgefordert, binnen einer Frist von einem Monat nach Zugang der Verfügung die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse nachzureichen.
Die auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, hilfsweise auf Neubescheidung seines Antrages gerichtete Klage hat jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 ZPO. Nach der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung des Akteninhalts sowie unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens ist der Erfolg der Klage zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, jedoch besteht nur eine entfernte Erfolgschance (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG, Beschluss vom 21. März 2013 – 1 BvR 68/12 u.a. - juris Rn. 16).
Der Beklagte hat die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraussichtlich jedenfalls insoweit zu Recht abgelehnt, als die Entscheidung u.a. darauf gestützt wird, dass der Kläger nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Es ist derzeit nicht erkennbar, dass die Entscheidung des Beklagten, von der Voraussetzung der Einhaltung des Visumverfahrens nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzusehen, rechtlich zu beanstanden wäre. Unabhängig davon, ob der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG hat oder ob dem entgegensteht, dass der Kläger mit dem von der Libanesischen Botschaft ausgestellten „Document de Voyage pour les Réfugiés Palestiniens“ die Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) nicht erfüllt, ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für ein Absehen von dem Erfordernis der Nachholung des Visumverfahrens nicht erfüllt sein dürften. Zu Recht stellt der Beklagte darauf ab, dass es sich bei § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt, da die Durchführung des Visumverfahrens auch bei Vorliegen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels die Regel bleiben soll (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Juli 2009 – OVG 2 B 19.08 - juris Rn. 32, bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 16. November 2010 – 1 C 17.09 – juris). Sowohl nach der ersten als auch der zweiten Tatbestandsalternative der Vorschrift sind die legitimen Interessen des Ausländers gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen. Für das öffentliche Interesse streitet insbesondere die Erwägung, dass das Visumverfahren ein wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung ist, von der nur ausnahmsweise abgewichen werden soll (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 19). Außerdem soll dem Eindruck bei anderen Ausländern entgegengewirkt werden, man könne stets durch Einreise ohne das erforderliche Visum vollendete Tatsachen schaffen. Demgegenüber sind überwiegende Interessen des Klägers, der erstmals im Jahr 2006 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und am 10. März 2011 im Libanon die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossen hat, nicht erkennbar. Dass es ihm aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls unzumutbar wäre, das Visumverfahren nachzuholen, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte hat seiner Entscheidung zutreffend zu Grunde gelegt, dass die vorübergehende Trennung der Ehegatten zumutbar wäre. Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 22). Soweit der Kläger geltend macht, Probleme zu haben, in den Libanon einzureisen, überzeugt dies nicht, denn es ist nicht ersichtlich, dass das Document de Voyage nicht zur Rückkehr in den Libanon berechtigt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Mai 2012 – OVG 3 M 67.11 - BA S. 2). Hierfür spricht auch, dass es dem Kläger möglich war, zur Eheschließung am 10. März 2011 in den Libanon einzureisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).