Gericht | LG Cottbus 2. Strafkammer | Entscheidungsdatum | 03.05.2010 | |
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Aktenzeichen | 22 Qs 44/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 26. März 2010 wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 1. März 2010 (70 Gs 6/10) aufgehoben.
Es wird die Durchsuchung der Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume sowie der Person und der ihnen gehörenden Kraftfahrzeuge der Beschuldigten
…,
und
…,
angeordnet, da zu vermuten ist, dass die Durchsuchungen zur Auffindung von Beweismitteln führen werden und zwar Unterlagen, Schriftsätze, Offerten über die Veröffentlichung von Unternehmensdaten und Überweisungsträger der Firma …, und Kundendaten, Handelsregisterauszüge, Mahnungen sowie Schriftverkehr betreffend die … in … und die … in …
Die bei der Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel werden gemäß §§ 94, 98 StPO beschlagnahmt.
Die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Cottbus hat mit Beschluss vom 1. März 2010 die durch die Staatsanwaltschaft Cottbus beantragte Anordnung der Durchsuchungen bei den Beschuldigten abgelehnt.
Die hiergegen eingelegte, gemäß § 304 StPO statthafte und zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und gemäß § 309 Abs. 2 StPO zur Anordnung der Durchsuchungen durch die Kammer.
Nach den bisherigen Ermittlungen besteht gegen die Beschuldigten der Anfangsverdacht des Betruges in zwei Fällen.
Die Beschuldigten sind danach verdächtig, die „Offerten über die Veröffentlichung von Unternehmensdaten“ der „…“ vom 21. März 2009 an die … (Bl. 12 d.A.) und vom 11. März 2009 an die … Bl. 76 d.A.), denen jeweils ein Überweisungsschein über einen Betrag von 350,- Euro beigefügt war, übersandt zu haben. Es besteht ferner der Verdacht, dass die Geschädigten den Betrag auf das in dem Überweisungsträger angegebene Konto (Konto-Nr. …, Bankleitzahl …) bei der …, überwiesen haben.
Der Anfangsverdacht, dass es sich um Betrugstaten handelt, ergibt sich - unabhängig von der rechtlichen Beurteilung der „Offerten“ durch das Amtsgericht in dem angegriffenen Beschluss - bereits daraus, dass die in den „Offerten“ als Leistungsanbieter auftretende „…“ nach dem bisherigen Ermittlungsstand (Bl. 28, 85 d.A.) offensichtlich an der in den Schreiben angegebenen Anschrift in … nicht ansässig und auch bei dem Gewerbeamt nicht gemeldet ist. Es ist nach Mitteilung der … auch nicht die in dem beigefügten Überweisungsträger aufgeführte … Kontoinhaberin, sondern der Beschuldigte … ... . Die Geschädigten sind mithin schon durch diese Angaben in den Schreiben getäuscht worden und irrtümlich davon ausgegangen, auf ein Konto eines an der angegebenen Anschrift existierenden Unternehmen zu leisten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die „…“ die in den Schreiben offerierten Leistungen nach der Bezahlung durchgeführt hat. Das spricht dafür, dass ein ernstlicher Leistungswille nicht vorlag und es den Beschuldigten allein um die Verursachung eines Irrtums bei den Geschädigten und die Überweisung des Betrages gegangen ist, ohne dass eine Gegenleistung erbracht werden sollte.
Es besteht darüber hinaus auch der Verdacht, dass bei den Geschädigten durch die äußerliche Gestaltung der „Offerten“ ein Irrtum dahingehend hervorgerufen werden sollte, dass es um die Bezahlung einer bereits erfolgten Leistung oder einer amtlichen Rechnung geht.
Zwar werden die Schreiben jeweils ausdrücklich als „Offerte über die Veröffentlichung von Unternehmensdaten“ bezeichnet. In einem kleingedruckten Blockabsatz wird ferner dargestellt, dass den Adressaten die Veröffentlichung ihrer Angaben in der Publikation der „…“ zu gewerblichen Zwecken angeboten werde. Die Offerte soll danach erst durch die Überweisung des Betrages zu einem verbindlichen Auftrag werden. Die Schreiben enthalten danach (isoliert betrachtet) keine falschen Tatsachenbehauptungen.
Jedoch wird ein Verhalten auch dann zur tatbestandlichen Täuschung, wenn der Täter die Eignung der inhaltlich richtigen Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit unter dem Anschein „äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens“ gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt, wenn also die Irrtumserregung nicht die bloße Folge sondern der Zweck der Handlung ist (BGH, 5. Senat, Urteil vom 4. Dezember 2003, 5 StR 308/03, BeckRS 2004 00469). Insbesondere kann derjenige, der Angebotsschreiben übersendet, in denen durch die Verwendung typischer Rechnungsmerkmale der Eindruck einer Zahlungspflicht verweckt wird, eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB begehen.
Die hier gegenständlichen Offerten ähneln bereits nach ihrer äußerlichen Gestaltung bezogen auf die einige Tage zuvor erfolgte Eintragung der Adressaten in das öffentliche Handelsregister einer Rechnung. Auf den ersten Blick ähneln sie auch einer amtlichen Rechnung des Handelsregisters. Das zeigt sich bereits an der Überschrift des Gesamtschreibens mit „Handelsregisterveröffentlichungen – Hinterlegungsbekanntmachungen“, die deutlich hervorgehoben und fettgedruckt ist. Es wird ferner Bezug genommen auf die den Unternehmen gerade erteilte Handelsregisternummer und den Tag der Veröffentlichung. Es werden des Weiteren eine Bearbeitungsnummer und die Art der Veröffentlichung genannt. Es folgt die Aufstellung der Eintragungskosten, wobei ein Mehrwertsteuersatz von 0 % ausgewiesen wird, was ebenfalls auf eine amtliche Handlung hindeutet. Wiederum fettgedruckt wird darunter eine Annahmefrist genannt, darunter ebenfalls fettgedruckt unter der fettgedruckten Überschrift „Zahlung und Folgen verspäteter Zahlung“ darauf hingewiesen, dass die Daten aus dem beigefügten EU-Standard-Überweisungsträger zu verwenden und die Nichteinhaltung der Annahmefrist dazu führe, dass die Daten nicht veröffentlicht werden. Die Aufmerksamkeit des Adressaten wird durch diese Gestaltung und die verwendeten fettgedruckten Begriffe ersichtlich systematisch von dem kleingedruckten Blockabsatz abgelenkt, zumal der erste Satz des Absatzes darauf hinweist, dass die „Veröffentlichung des Handelsregistereintrages durch Ihr zuständiges Amtsgericht in dessen öffentlichen Organ“ erfolge. Dadurch soll der Adressat offensichtlich von einer näheren Befassung mit dem weiteren erläuternden Zusatz, dass die Offerte erst durch die Überweisung zu einem Auftrag werde, abgebracht werden.
Die Angabe des … in Strafanzeige (Bl. 4 d.A.), dass er die Rechnungen versehentlich bezahlt habe, spricht - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - nicht gegen die Annahme einer irrtumsbedingten Überweisung. Vielmehr will der Zeuge gerade deutlich machen, dass er die Überweisung aufgrund der irreführenden Gestaltung des Schreibens überwiesen habe. Auf eine derartige irrtumsbedingte Überweisung hatten es die Absender des Schreibens auch abgesehen.
Die Kammer folgt im Übrigen nicht der erweiternden Interpretation der Angabe des Zeugen durch das Amtsgericht in dem angegriffenen Beschluss dahingehend, dass der Zeuge sich aufgrund des Schreibens nicht zu einer Zahlung verpflichtet gesehen habe. Ersichtlich bezieht sich die Bezeichnung „versehentliche Zahlung“ auf die nachträgliche Erkenntnis des Zeugen, zu einer Zahlung nicht verpflichtet gewesen zu sein. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht die „versehentliche“ Zahlung gerade dem Tatbestandsmerkmal der irrtumsbedingten Vermögensverfügung.
Im Übrigen kann diese Begründung des Amtsgerichts nicht für die weitere Geschädigte … gelten, deren Fall ebenfalls von dem Durchsuchungsantrag erfasst ist.
Der Anfangsverdacht des Betruges scheidet auch nicht deshalb aus, weil für den Empfänger bei einigermaßen sorgfältiger Sicht des Schreibens ohne Weiteres erkennbar wird, dass es sich doch nicht um eine bereits erbrachte Leistung oder eine amtliche Rechnung, sondern um die beschriebene Offerte der Absenderin handelt. Leichtgläubigkeit oder Erkennbarkeit der Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung schließen die Schutzbedürftigkeit des potentiellen Opfers und die damit gegebene Täuschung nicht aus (BGH a.a.O.). Dabei ist – wie der BGH im zitierten Urteil ausführlich beschrieben hat – zu berücksichtigen, dass die Schreiben speziell auf die Adressaten ausgerichtet waren. Sie wurden nicht wahllos an einen zufällig ausgewählten Adressatenkreis versendet, sondern gezielt an die geschädigten Unternehmen, für die kurz zuvor Eintragungen in das öffentliche Handelsregister vorgenommen waren. Hier wurde durch die äußere Gestaltung der Rechnungen ausgenutzt, dass die Unternehmen mit einer Kostenforderung des Handelsregisters rechnen mussten; ein auf Unaufmerksamkeit beruhender Routineirrtum lag bei den speziell ausgewählten Empfängern für die Absenderin nahe. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich um Unternehmen handelte. Es lag auch nicht fern, dass die Erledigung der Überweisung durch Büropersonal zu erwarten war. Eine Täuschung ist in diesen Fällen im Übrigen auch bei Kaufleuten nicht zu verneinen.
Der Verdacht gegen den Beschuldigten … im Hinblick auf eine Beteiligung an den Betrugshandlungen ergibt sich daraus, dass er Geschäftsführer der unter der Anschrift …, gemeldeten … und … ist. Die Absenderin der hier gegenständlichen Offerten der … residiert nach der Adressenbeschreibung in den „Offerten“ ebenfalls unter dieser Anschrift. Die Firmierungen der Unternehmen, bei denen der Beschuldigte … Geschäftsführer ist, deuten darauf hin, dass er auch mit den hier gegenständlichen „Offerten“ befasst war. Der Anfangsverdacht gegen den Mitbeschuldigten … ergibt sich daraus, dass er Inhaber des in den Offerten und auf dem Überweisungsträger genannten Kontos bei der … ist.
Die Anordnung der Durchsuchungen ist dem Grade des Tatverdachtes auch angemessen und insgesamt verhältnismäßig.
Von einer vorherigen Anhörung der Beschwerdegegner hat die Kammer gemäß § 33 Abs. 4 S. 1 StPO abgesehen, da diese den Zweck der Anordnung gefährden würde. Die Beschuldigten werden darauf hingewiesen, dass Ihnen insoweit das Recht nachträglichen Gehörs gemäß § 33a StPO zusteht.