Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat | Entscheidungsdatum | 04.11.2010 | |
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Aktenzeichen | L 13 SB 239/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 159 SGG |
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2010 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens „G“ bei dem Kläger streitig.
Auf den Antrag des Klägers vom 21. Mai 2008 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. November 2008 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest, verneinte aber die Voraussetzungen des Merkzeichens „G“. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Dem daraufhin veranlassten Gutachten der Ärztin W vom 28. Januar 2009 folgend wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2009 zurück.
Mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ begehrt. Soweit die Klage sich ursprünglich auch auf die Festsetzung eines GdB von mindestens 50 bezogen hat, ist das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt worden, nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 2010 einen GdB in dieser Höhe festgestellt hatte. Nach Einholung von Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 31. August 2010 abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er insbesondere rügt, die Frage, ob seine Leiden sich gegenseitig mobilitätseinschränkend auswirkten, hätte das Sozialgericht durch einen Gutachter klären lassen müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2010 aufzuheben und
die Sache an das Sozialgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen,
hilfsweise,
den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 24. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2009 zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens „G“ ab Mai 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für zutreffend. Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Über die Berufung kann durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden werden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind (§ 124 Abs. 2 in Verbindung mit § 153; § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die zulässige Berufung des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Denn das Verfahren vor dem Sozialgericht leidet an einem wesentlichen Mangel (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft gegen seine Aufklärungspflicht aus § 103 SGG verstoßen, da es sich zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Für die Entscheidung kam es auch aus eigener Sicht des Sozialgerichts wesentlich auf die bei dem Kläger bestehenden und sich auf dessen Gehvermögen auswirkenden Funktionsbehinderungen an. Mangels eigener medizinischer Kenntnis durfte es nicht eine Einschränkung der Gehfähigkeit mit der Begründung verneinen, es sei anzunehmen, dass die verschiedenen Leiden des Klägers sich nicht gegenseitig verstärkten. Vielmehr war es gehalten, den Sachverhalt durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens aufzuklären. Der Verfahrensmangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Sozialgericht nach gebotener Aufklärung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
Im Rahmen der nach § 159 SGG auszuübenden Ermessenentscheidung, bei der das Interesse des Klägers an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreites gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abzuwägen sind, hat sich das Gericht angesichts der erheblichen Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens und des Umstandes, dass der Kläger es ausdrücklich beantragt hat, für eine Zurückverweisung entschieden. Hierbei hat es berücksichtigt, dass der Rechtsstreit weitere tatsächliche Ermittlungen erfordert, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz, wie er wegen der vom Sozialgericht unterlassenen Aufklärung praktisch eingetreten ist, besonders ins Gewicht fiele. Die Zurückverweisung stellt die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her.
Das Sozialgericht wird in seiner Kostenentscheidung auch über die Kosten der Berufung zu befinden haben.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.