Gericht | FG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 12.08.2014 | |
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Aktenzeichen | 9 K 9267/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Übertragung der bislang dem Kindesvater zugeordneten Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Bezug auf ihre beiden Kinder hinsichtlich des Streitjahres 2008 auf sich hat.
Die Klägerin ist die leibliche Mutter des am 22. April 1991 geborenen Sohnes namens B… sowie des am 27. Dezember 1992 geborenen Sohnes namens C… . Sie ist seit 2003 von dem Vater der beiden Kinder (D…) geschieden. Dieser bewohnte im Streitjahr 2008 eine Wohnung im Gebäude E…-straße, F…. Die Klägerin bewohnte im selben Jahr eine Wohnung im Gebäude G…-straße, F… .
Für das Streitjahr 2008 wurde die Klägerin vom Beklagten einzeln zur Einkommensteuerveranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung gab sie in den Anlagen „Kind“ als Adresse der Kinder ihre eigene Wohnadresse an.
Am 20. Dezember 2012 erließ der Beklagte einen ersten Einkommensteuerbescheid für die Klägerin betr. das Jahr 2008, in welchem er für beide Kinder Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf steuermindernd berücksichtigte. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen fristgerecht Einspruch ein.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2013 drohte der Beklagte eine Streichung der o. g. Freibeträge in einem noch zu erlassenden Änderungsbescheid mit der Begründung an, der Vater der beiden Kinder habe ausgesagt, dass diese bereits seit dem 15. Dezember 2000 unter seiner Wohnanschrift beim Einwohnermeldeamt gemeldet seien. Mangels Reaktion der Klägerin hierauf erließ der Beklagte am 29. April 2013 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 (Berücksichtigung von Freibeträgen in Höhe von insgesamt 5 808,00 EUR für beide Kinder zusammen), gegen den die Klägerin wiederum fristgerecht Einspruch einlegte.
Zur Begründung ihres Einspruchs machte sie geltend, dass sie mit der unrechtmäßigen Anmeldung eines Zweitwohnsitzes der Kinder bei deren Vater zu keinem Zeitpunkt einverstanden gewesen sei. Das Sorgerecht hätten beide Elternteile inne. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht sei ihr, der Klägerin, vom Familiengericht zugesprochen worden.
Ausweislich von Melderegisterauskünften des Landesamtes für Bürgerangelegenheiten F… vom 11. Januar 2013 waren beide Söhne seit dem 15. Dezember 2000 mit der Adresse „E…-straße, F…“ als Nebenwohnsitz und seit dem 13. November 2003 mit der Adresse der Wohnung der Klägerin als Hauptwohnsitz gemeldet.
Am 18. November 2003 schrieb das Bezirksamt H… von F…, Bürgerbüro I… Folgendes an die Klägerin:
„Betr.: Abmeldung der Nebenwohnung für Ihre Kinder in F…, E…-straße beim Vater Herrn D…
Sehr geehrte Frau A… !
Wie mir heute durch Mitteilung des Vaters Herrn D… bekannt wurde, haben Sie am 24.1.2003 bei mir im Bürgeramt die Abmeldung für den Nebenwohnsitz Ihrer Kinder vorgenommen.
Sie gaben an, dass beide Kinder aus der väterlichen Wohnung am 1.1.2003 ausgezogen seien. Dieser Sachverhalt ist jedoch nach den uns vorliegenden Erkenntnissen falsch.
Ferner hätte die Abmeldung am Tag Ihrer Vorsprache nicht ohne Zustimmung des Vaters durchgeführt werden dürfen, weil die Anzeige eines Auszuges nach dem F… Meldegesetz vom 26.2.1985 – GVBl. S. 507 dem Wohnungsgeber obliegt. In Ihrem Fall also dem Vater.
Ich habe heute das Melderegister für ihre beiden Kinder dahingehend geändert, dass sie wieder seit 5.12.2002 in F…, E…-straße beim Vater gemeldet sind. Ich bitte bei zukünftigen Anträgen, die eine Änderung des Melderegisters Ihrer Kinder hinsichtlich der Nebenwohnung zur Folge haben, die Mitwirkungspflicht des Vaters zu beachten.“
Mit Einspruchsentscheidung vom 19. August 2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass eine Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf die Klägerin nicht möglich sei, weil die Kinder seit dem 15. Dezember 2000 ununterbrochen mit Nebenwohnsitz in der Wohnung des Vaters gemeldet gewesen seien.
Im Rahmen ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Anmeldung eines Nebenwohnsitzes „E…-straße, F…“ durch den Vater der beiden Söhne rechtswidrig gewesen sei. Sie habe deshalb unstreitig bereits am 24. Januar 2003 die Abmeldung des Nebenwohnsitzes veranlasst. Sie habe mit Schreiben vom 31. Juli 2014 rückwirkend zum 14. November 2003 den Nebenwohnsitz der Kinder bei deren Vater abgemeldet. Wegen der Einzelheiten der Ausführungen der Klägerseite wird auf die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. und 27. September sowie vom 10. März und vom 31. Juli 2014 verwiesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Einkommensteuer 2008 unter Änderung des Bescheids vom 29. April 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. August 2013 dahin gehend festzusetzen, dass weitere 2 160,00 EUR aufgrund Übertragung der Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf sie für ihre beiden Söhne B… und C… steuermindernd berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung ein Band Lohnsteuer-Arbeitnehmerakten des Beklagten (StNr.: …) vorgelegen, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 29. April 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. August 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht eine Übertragung der Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibeträge) betreffend die Söhne B… und C… auf die Klägerin für das Streitjahr 2008 abgelehnt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende BEA-Freibetrag auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen (§ 32 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 EStG). Die Anknüpfung an die Eintragung im Melderegister ist nach mittlerweile ständiger BFH-Rechtsprechung sachlich zu rechtfertigen und damit verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. dazu BFH-Urteile vom 27. Okto- ber 2011 III R 42/07, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2013,194 und vom 18. Mai 2006 III R 71/04, BStBl II 2008, 352 sowie Selder, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 32 Rz. 154).
Da die beiden Söhne im Kalenderjahr 2008 unstreitig durchgehend mit Nebenwohnsitz beim Vater gemeldet waren (ob zu Recht oder zu Unrecht, ist vom Finanzamt und vom FG nicht zu überprüfen, vgl. die o. g. BFH-Rechtsprechung), scheidet eine Übertragung der BEA-Freibeträge auf die Klägerin aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.