Gericht | FG Berlin-Brandenburg 4. Senat | Entscheidungsdatum | 20.02.2014 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 4 K 4197/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die Voraussetzungen für eine Änderung formell bestandskräftiger Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2004 bis 2008 (Streitjahre) wegen neuer Tatsachen zu Gunsten der Kläger nach Maßgabe von § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung -AO- gegeben sind.
Die Kläger sind miteinander verheiratet und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der am 26. Januar 1944 geborene Kläger war als Beamter im gehobenen Dienst nichtselbständig tätig. Die Klägerin erzielte als Finanzbeamtin des Landes Berlin gleichfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Antragsgemäß bewilligte die (frühere) Oberfinanzdirektion -OFD- Berlin mit Schreiben vom 21. April 1999 dem Kläger aufgrund Senatsbeschlusses des Landes Berlin Nr. 459/96 vom 5. November 1996 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 der Verordnung über den Urlaub der Beamten und Richter aus besonderen Anlässen für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis zum Beginn seines Ruhestands unter Fortzahlung von 75 % seiner letzten Dienstbezüge unwiderruflich Sonderurlaub (sog. 55er-Regelung). Die Regelung des Landes Berlin sah vor, dass die Beurlaubung frühestens von Beginn des 55. Lebensjahres bis zur Pensionierung des Beamten erfolgen kann, sofern der betreffende Beamte einen Ruhegehaltssatz von 75 % erreicht hatte.
Der Arbeitgeber behandelte die während der Beurlaubungsphase einschließlich der Streitjahre an den Kläger ausgezahlten Bezüge in Höhe von (jeweils brutto) 36.658 € für 2004, jährlich 36.920 € für 2005 bis 2007 und 37.105 € für 2008 ausweislich der erstellten jährlichen Lohnsteuerkarten bzw. Lohnsteuerbescheinigungen (ab 2004) gemäß Zeile 3 als Bezüge aus gegenwärtigem Dienstverhältnis und unterwarf diese mit ihrem Bruttowert entsprechend der Steuerklasse IV dem normalen Lohnsteuerabzug, während die für „Versorgungsbezüge“ vorgesehene Zeile 8 der Lohnsteuerbescheinigungen keine Eintragungen aufwies.
Die Kläger übernahmen die diesbezüglichen Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten und Lohnsteuerbescheinigungen unverändert in die dafür vorgesehenen Zeilen der Anlage N des Klägers ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärungen. Auch sonst enthalten die dem Gericht vorliegenden Einkommensteuererklärungen seit 2000 keine Hinweise darauf, dass der Kläger in den Streitjahren unter Fortzahlung von Teilbezügen vom aktiven Dienst beurlaubt war.
In den für die Streitjahre erfolgten bestandskräftigen Einkommensteuerveranlagungen vom 12. Juli 2005 für 2004, 13. April 2006 für 2005, 25. Juni 2007 für 2006, 8. Juli 2008 für 2007 sowie 6. Juli 2009 für 2008 übernahm der Beklagte die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten- bzw. Lohnsteuerbescheinigungen und versteuerte die dem Kläger zugeflossenen Teilbezüge als Bezüge aus gegenwärtigem (laufendem) Dienstverhältnis.
Mit dem beim Beklagten am 4. November 2009 eingegangenen Antrag vom 1. November 2009 beantragte (zunächst nur) der Kläger die bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen u.a. der Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wegen neuer Tatsachen zu seinen Gunsten mit der Maßgabe zu ändern, dass dessen Bezüge als steuerbegünstige Versorgungsbezüge bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit behandelt werden.
Zur Begründung verwies der Kläger auf ein Schreiben der Senatsverwaltung an das für die Auszahlung der Bezüge zuständige Landesverwaltungsamt (VB V 62) vom 22. September 2009, in dem ausgeführt wird, dass die auf der Grundlage der 55er-Regelung geleisteten Bezüge entgegen bisheriger Handhabung bei den Betroffenen im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens als steuerbegünstigte Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung eines Versorgungsfreibetrages bzw. Zuschlages zum Versorgungsfreibetrag zu berücksichtigen seien. Zur Begründung wurde auf ein im Bundessteuerblatt (BStBl. II 2009, 460) veröffentlichtes Urteil des Bundesfinanzhofes -BFH- vom 12. Februar 2009 - VI R 50/07 - verwiesen, in welchem der BFH für eine vergleichbare Fallkonstellationen zu dem Ergebnis gelangt war, dass es sich bei den Bezügen nach der sogenannten 58er-Regelung um steuerbegünstigte Versorgungsbezüge handele. Der Kläger sah die Voraussetzungen für eine Änderung der bestandskräftigen Veranlagungen der Streitjahre nach Maßgabe des Korrekturtatbestandes des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO für gegeben an und führte zur Begründung aus:
Dass ihm auf der Grundlage der 55er-Regelung Bezüge zugeflossen seien, sei dem Beklagten bei Erlass der ursprünglichen Einkommensteuerveranlagungen der Streitjahre nicht bekannt gewesen und begründe eine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO. Am nachträglichen Bekanntwerden dieses Umstands treffe ihn - den Kläger - kein Verschulden. Es handele sich um die Beurteilung einer „äußerst schwierigen Rechtsfrage“. Er - der Kläger - habe annehmen dürfen, es handele sich um laufende Dienstbezüge aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis. Für fehlendes verschulden spreche, ferner, dass auch sein Arbeitgeber seinerzeit von laufenden Dienstbezügen ausgegangen sei.
Der begehrten Änderung stehe nicht entgegen, dass erst die Entscheidung des BFH vom 12. Februar 2009 (a. a. O.) zur Frage der steuerlichen Behandlung von Bezügen, die den Begünstigten aufgrund einer vergleichbaren Sonderurlaubsregelung mit Vollendung des 58. Lebensjahres gezahlt wurde, zu einer anderen Erkenntnis geführt habe. Die Unkenntnis des Beklagten über die Inanspruchnahme von Sonderurlaub unter Fortzahlung von Teilbezügen stelle keine bloße für den Korrekturtatbestand des § 173 AO unbeachtliche Schlussfolgerung, sondern eine rechtserhebliche Tatsache im Sinne dieser Vorschrift dar. Bei der BFH-Entscheidung vom 12. Februar 2009 (a. a. O.) handele es sich nicht um eine die Anwendung des § 173 AO ausschließende Rechtsprechungsänderung. Dies folge daraus, dass der BFH in seiner Entscheidung auf frühere Rechtsprechungsgrundsätze verwiesen habe, die für die Qualifikation von Leistungen als „gleichartiger Bezug“ maßgeblich seien. Es sei anzunehmen, dass der Beklagte bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Teilbezüge in den Ursprungsbescheiden unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsgrundsätze zutreffend als steuerbegünstigte Versorgungsbezüge behandelt hätte. Die in den Ursprungsbescheiden erfolgte fehlerhafte Qualifizierung der Teilbezüge als laufende Dienstbezüge beruhe deshalb maßgeblich auf der Unkenntnis des Beklagten über die in Anspruch genommene Sonderbeurlaubung.
Mit Verwaltungsakt vom 6. November 2009 lehnte der Beklagte die beantragte Änderung ab. Zur Begründung führte er aus, der Umstand, dass der Kläger Sonderurlaub unter Fortzahlung von 75 % seiner letzten Dienstbezüge erhalten habe, stelle keine neue steuererhebliche Tatsache dar. Es sei anzunehmen, dass die Ursprungsbescheide bei Kenntnis dieses Sachverhalts zu keiner abweichenden Steuer geführt hätten.
Hiergegen legten beide Kläger am 24. November 2009 Einsprüche ein und machten geltend, der Beklagte habe eine Änderung der streitbefangenen bestandskräftigen Bescheide zu Unrecht abgelehnt. Zur Begründung führten sie aus:
Bei Kenntnis des wahren Sachverhalts im Zeitpunkt des Erlasses der Ursprungsbescheide wären die strittigen Beträge vom Beklagten zutreffend als Versorgungsbezüge behandelt worden. Die Rechtslage sei schon durch das Urteil des BFH vom 19. Juni 1974 (VI R 37/70, BStBl. II 1975, 23) als geklärt anzusehen gewesen. Anderslautende - den Beklagten bindende - Verwaltungsanweisungen hätten seinerzeit nicht existiert. Dass sie - die Kläger - in den jeweiligen Anlage N des amtlichen Erklärungsvordrucks keine Angaben zu Versorgungsbezügen gemacht hätten, begründe kein den Anwendungsbereich des § 173 AO ausschließendes grobes Verschulden. Dafür spreche, dass sie - die Kläger - die Eintragungen des Arbeitgebers des Klägers in den Lohnsteuerkarten der Streitjahre übernommen und auch sonst die Erklärungsvordrucke vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllt hätten.
Der Einspruch blieb erfolglos. Mit einer an beide Kläger adressierten Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2010 wies der Beklagte deren Einsprüche als unbegründet zurück. Er hielt daran fest, dass die Voraussetzungen für die begehrten Änderungen wegen neuer Tatsachen gem. § 173 AO nicht erfüllt seien, weil es an der Rechtserheblichkeit der Sonderbeurlaubung des Klägers als nachträgliche Tatsache mangele. Der Auffassung des Klägers, dass die Sonderurlaubsbezüge in den Ursprungsbescheiden mit hoher Wahrscheinlichkeit als begünstige Versorgungsbezüge versteuert worden wären, wenn die Sonderbeurlaubung des Klägers aufgrund der 55er-Regelung bei Erlass der Ursprungsbescheide bekannt gewesen wäre, könne nicht gefolgt werden. Die Frage - wie eine nachträglich bekanntgewordene Tatsache vom Finanzamt gewürdigt worden wäre - richte sich danach, wie das einschlägige Gesetz nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt worden sei sowie danach, welche die Finanzverwaltung bindenden Verwaltungsanweisungen existiert hätten. Liege zu der umstrittenen Rechtslage - wie im vorliegenden Fall anzunehmen sei - weder Rechtsprechung des BFH noch bindende Verwaltungsvorschriften zur fraglichen Problematik vor (weder die Lohnsteuer-Richtlinien noch die entsprechenden Lohnsteuer-Hinweise seien einschlägig), müsse aufgrund anderer Umstände abgeschätzt werden, wie das Finanzamt bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entschieden hätte (Hinweis auf BFH, Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08, BStBl. II 2010, 951). Im Streitfall sei zwar anzunehmen, dass die Ursprungsbescheide fehlerhaft seien, weil die fraglichen Bezüge richtigerweise als Versorgungsbezüge, nämlich als gleichartiger Bezug i. S. d. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz -EStG- hätten berücksichtigt werden müssen. Gleichwohl sei aber bedeutsam, dass die steuerliche Behandlung und Einordnung als gleichartiger Bezug stets einzelfallabhängig sei. Bis zur Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12. Februar 2009 (a. a. O.) zu einer gleichgelagerten Streitproblematik für Bezüge zur 58er-Regelung habe keine Klarheit über die zutreffende rechtliche Einordnung der Sonderurlaubsbezüge als begünstigter gleichartiger Bezug oder als laufende Dienstbezüge geherrscht. Für diese Würdigung spreche, dass die erste Instanz (Finanzgericht -FG- Münster, Urteil vom 25. September 2007 15 K 767/04 E, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2008, 51) hinsichtlich der zu beurteilenden Bezüge aufgrund der 58er-Regelung noch von laufenden Bezügen ausgegangen sei und wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage die Revision zum BFH zugelassen habe. Der Hinweis der Kläger auf die vom BFH im Jahr 1974 aufgestellten Abgrenzungsgrundsätze führe nicht weiter, weil dieser Entscheidung ein gänzlich anders gelagerter Sachverhalt zugrunde gelegen habe und eine Vergleichbarkeit mit den Bezügen der 55er-Regelung nicht gegeben sei. Wäre die rechtliche Beurteilung tatsächlich so eindeutig - wie die Kläger behaupteten -, wäre die Frage von Bedeutung, ob die fachkundigen Kläger ein Verschulden i. S. d. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO am nachträglichen Bekanntwerden der Sonderbeurlaubung treffe.
Hiergegen haben die Kläger am 13. August 2010 Klage erhoben. Sie halten an ihrer Auffassung fest, dass die Voraussetzungen für die begehrten Änderungen nach § 173 AO gegeben seien und führen, ihren vorinstanzlichen Vortrag wiederholend und vertiefend, aus:
Entgegen der Auffassung des Beklagten handele es sich bei der Sonderbeurlaubung um eine rechtserhebliche neue Tatsache im Sinne des § 173 AO.
Es komme nicht darauf an, ob die Finanzbehörde schon vor der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12. Februar 2009 (a. a. O.) aufgrund des rechtlichen Schwierigkeitsgrades des zu beurteilenden Sachverhalts eine rechtliche zutreffende Entscheidung getroffen hätte, weil dies auf eine Wertung der mutmaßlichen Verhaltensweise und Rechtskenntnisse des mit der Bearbeitung des Steuerfalls betrauten Sachbearbeiters hinauslaufen würde. Hierauf könne es aber nicht ankommen, da subjektive Fehler des einzelnen Bearbeiters des Finanzamtes im Rahmen des § 173 AO nicht von Belang seien (BFH, Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08 a. a. O. unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 11. Mai 1998 I R 216/85, BStBl. II 1988, 715).
Die mangelnde Rechtserheblichkeit der Sonderbeurlaubung folge auch nicht aus dem der BFH-Entscheidung vom 12. Februar 2009 (VI R 50/07, BStBl. II 2009, 460) vorangegangenen erstinstanzlichen Urteil des FG Münster vom 25. September 2007 (15 K 767/04 E, EFG 2008, 51), wonach die Bezüge nach der 58er-Regelung als Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung des aktiven Dienstes anzusehen seien und keine steuerbegünstigten Versorgungsbezüge darstellten. Das FG sei nicht Teil der Verwaltung und könne nicht deren Verwaltungsauffassung zum Ausdruck bringen. Überdies sei der dem Revisionsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar. Die vom Finanzamt in dem vorerwähnten Verfahren vertretene Rechtsansicht könne nicht mit der hier maßgeblichen Rechtsansicht der Finanzverwaltung gleichgesetzt werden.
Die Kläger weisen darauf hin, dass aus einer Rücknahme der Revision (das Revisionsverfahren VI R 59/04 wurde durch den nichtdokumentierten BFH-Beschluss vom 12. November 2004 eingestellt, juris) durch das in der Vorinstanz unterlegene Finanzamt gegen das Urteil des Niedersächsischen FG vom 31. März 2004 (7 K 393/99, EFG 2005, 299) zu schlussfolgern sei, dass die Finanzverwaltung bereits im Jahre 2004 die Auffassung vertreten habe, die Bezüge der 58er-Regelung seien steuerbegünstigte gleichartige Bezüge. Mit seiner Revisionsrücknahme habe das Finanzamt zum Ausdruck gebracht, dass es sich der vom Niedersächsischen FG vertretenen Rechtsauffassung, wonach diese Bezüge wegen der unwiderruflichen Freistellung vom Dienst als ruhegeldähnlicher Bezug zu erachten sei, angeschlossen habe. Andernfalls hätte es einer Rücknahme der Revision nicht bedurft.
Die Kläger weisen ferner darauf hin, dass eine Gesamtschau der Urteile des Niedersächsischen FG und des FG Münster erkennen ließe, dass die Finanzverwaltung vor Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12. Februar 2009 die Gewährung einer Steuerbegünstigung für Versorgungsbezüge von folgenden Sachverhaltskonstellationen abhängig gemacht habe:
Habe ein Beamter - wie im Streitfall - gekürzte Bezüge nach Ruhegehaltssätzen bezogen und nicht im aktiven Dienst gestanden, lägen nach damaliger Rechtsansicht der Finanzverwaltung begünstigte Versorgungsbezüge vor (so der vom FG Niedersachsen entschiedene Fall). Daraus erkläre sich - so die Kläger - auch die Rücknahme der Revision durch das in der Vorinstanz unterlegene Finanzamt. Demgegenüber stellten Dienstbezüge eines im aktiven Dienst befindlichen Beamten, die nicht seinem Ruhegehalt entsprächen, keine Versorgungsbezüge dar (so der vom FG Münster bzw. vom BFH entschiedene Rechtsstreit). Hieraus werde erkennbar, dass die Finanzverwaltung bei Kenntnis des vollständigen Sachverhalts (hier: Sonderbeurlaubung nach der 55er-Regelung) seinerzeit steuerbegünstigte Versorgungsbezüge angenommen hätte. Anders als der Beklagte meine, komme eine Änderung nach § 173 AO bereits in Betracht, wenn nur die Möglichkeit einer anderen (niedrigeren) Steuerfestsetzung bestanden habe.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide für 2004 vom 12. Juli 2005, für 2005 vom 13. April 2006, für 2006 vom 25. Juni 2007, für 2007 vom 8. Juli 2008 sowie für 2008 vom 6. Juli 2009, in Gestalt der zusammengefassten Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2010, mit der Maßgabe zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers ein Versorgungsfreibetrag in Höhe von 3.072 € für 2004 und für 2005 bis 2008 ein Versorgungsfreibetrag sowie ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in Höhe von insgesamt jährlich 3.900 € berücksichtigt wird sowie bei der Höchstbetragsberechnung Bezüge des Klägers in Höhe von 36.658 € für 2004, jeweils 36.920 € für 2005 bis 2007 und 37.105 € für 2008 bei der Kürzung des Vorwegabzugs außer Ansatz zu lassen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus:
Die Rücknahme der Revision durch das Finanzamt gegen das Urteil des Niedersächsischen FG lasse keine Änderung der Rechtsansicht der Finanzverwaltung erkennen. Insoweit verweist der Beklagte auf eine von ihm eingeholte Auskunft der OFD D… vom 18. April 2011 - auf die das Gericht ergänzend Bezug nimmt -, der zufolge die Rücknahme der Revision allein aus verfahrensrechtlichen Gründen erfolgt sei.
Auf die Frage des Berichterstatters im Schreiben vom 12. August 2013 - auf das wegen des weiteren Inhalts Bezug genommen wird - ob es im Hinblick auf die streitigen Bezüge des Klägers seinerzeit Anweisungen gegenüber den mit der Lohnsteuerabzugsbesteuerung betrauten Dienststellen gegeben habe, auf welche Weise bei der Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuern zu verfahren sei, hat der Beklagte mit Telefax vom 16. August 2013 eine Auskunft des Landesverwaltungsamtes Berlin (LVWA) eingeholt. Das LVWA teilte hierauf u.a. mit, dass für alle Personalangelegenheiten während der Beurlaubungsphase weiterhin die bisherige Dienststelle bzw. Personalstelle des Klägers zuständig geblieben sei. In den Rundschreiben der Senatsverwaltung für Inneres seien seinerzeit keine Anweisungen zur (lohn-)steuerrechtlichen Behandlung erfolgt. Wegen des weiteren Inhalts der Auskunft des LVWA nimmt das Gericht auf dessen E-Mail vom 2. September 2013 ergänzend Bezug.
Dem Gericht hat bei seiner Entscheidungsfindung neben einem Band -Bd.- Streitakten zum vorliegenden Verfahren der vom Beklagten zur Steuernummer … geführte Einkommensteuerband I vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.
I.
Die auf die Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide gerichtete Verpflichtungsklage (so BFH, Urteile vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324 und vom 28. März 1985 IV R 159/82, BStBl. II 1986, 120) ist zulässig, aber unbegründet.
Die Ablehnung der Änderung der angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 101 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für 2004 bis 2008 zu Gunsten der Kläger nach Maßgabe von § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegen nicht vor.
Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen.
1. Zwar sind die Ursprungsbescheide materiell-rechtlich fehlerhaft. Dies ist ersichtlich zwischen den Beteiligten unstrittig.
In Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH zur steuerrechtlichen Einordnung von Bezügen nach der 58er-Regelung (BFH, Urteil vom 12. Februar 2009 a. a. O.) geht der Senat mit den Beteiligten davon aus, dass auch die vorliegenden Bezüge des Klägers nach der 55er-Regelung in den Ursprungsbescheiden richtigerweise als steuerbegünstigte Versorgungsbezüge hätten berücksichtigt werden müssen.
Wie der BFH im vorstehend zitierten Urteil ausgeführt hat, liegt ein gleichartiger Bezug im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG dann vor, wenn die Beamten auf Dauer von ihren amtlichen Verpflichtungen entbunden, also zur Erbringung von Dienstleistungen nicht mehr verpflichtet sind. Entscheidendes Indiz für diesen Umstand gewinnt nach Ansicht des BFH die - auch hier gegebene - Unwiderruflichkeit der Antragstellung des betreffenden Beamten sowie dessen verbindliche Erklärung, die Versetzung in den Ruhestand zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beantragen. Nach neuerer Rechtsprechung des BFH zum gleichartigen Bezug (Urteil vom 21. März 2013 VI R 5/12, BStBl. II 2013, 611, welches den Fall behandelt, dass ein Beamter in der Freistellungsphase im Rahmen der Altersteilzeit nach dem sog. Blockmodell Einkünfte bezieht) ist für das Vorliegen eines gleichartigen Bezugs nach § 19 Abs. 2 EStG entscheidend, ob der Bezug ähnlich einem Ruhegehalt einem Versorgungszweck dient, ihm also die Funktion eines vorgezogenen Ruhegehalts zukommt.
Im Streitfall unterliegt es danach keinem Zweifel, dass die fraglichen Bezüge des Klägers einem solchen Versorgungszweck dienen und keine Gegenleistung für gegenwärtige Dienstleistungen darstellen. In den Ursprungsbescheiden der Streitjahre hätten deshalb richtigerweise 40 % der Bezüge (höchstens 3.072 € im Veranlagungszeitraum 2004) sowie ab Veranlagungszeitraum 2005 die nach Maßgabe der Tabelle zu § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG in der Fassung des Alterseinkünftegesetzes -AltEinkG- zu ermittelnden Beträge bzw. Zuschläge von den Bezügen des Klägers bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Abzug gebracht werden müssen. Außerdem hätte eine Kürzung des Vorwegabzuges bei der Berechnung der beschränkt abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen (Sonderausgaben) um die dem Kläger zugeflossenen Beträge unterbleiben müssen. Letzteres folgt aus § 10 Abs. 3 Satz 2 EStG (a. F. bis VZ 2004), wonach Versorgungsbezüge nicht in die Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs einbezogen werden dürfen. Ab dem Veranlagungszeitraum 2005 hängt die Kürzung des Vorwegabzugs davon ab, ob altes oder neues Recht nach Maßgabe des AltEinkG günstiger ist (so genannte Günstigerprüfung nach § 10 Abs. 4a EStG 2005). Wegen der steuerlichen Auswirkungen bei zutreffender Einordnung der Bezüge des Klägers als gleichartiger Bezug nimmt der Senat im Übrigen auf die Probeberechnungen des Beklagten Bezug.
2. Eine Änderung der Ursprungsbescheide für 2004 bis 2008 wegen dieser Fehler scheidet gleichwohl aus.
Zwar folgt der Senat dem insoweit nicht strittigen Vortrag der Kläger, dass dem Beklagten der Umstand der Sonderbeurlaubung unter Fortbezahlung von Teilbezügen bei Zeichnung der Eingabewertbögen zum Erlass der fraglichen Ursprungsbescheide durch den Mitarbeiter des Beklagten (zum maßgeblichen Zeitpunkt vgl. z. B. BFH, Beschluss vom 14. Mai 2013 X B 33/13, BStBl II 2013, 997) jeweils nicht bekannt war und insoweit das Tatbestandsmerkmal „nachträglich“ als erfüllt zu erachten ist.
Im Streitfall kann es dahinstehen, ob es sich bei dem Umstand der „Sonderbeurlaubung des Klägers unter Fortzahlung von Teilbezügen“ bei wertender Betrachtung um keine „Tatsache“ im Sinne des § 173 AO gehandelt hat.
Tatsache im Sinne der Korrekturvorschrift des § 173 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands ist (Rüsken in Klein, a. a. O., § 173 Tz. 21 mit weiteren Nachweisen -m. w. N.- zur BFH-Rechtsprechung). Nicht zu den Tatsachen gehören Schlussfolgerungen, die auf rechtlichem Gebiet oder im Tatsächlichem liegen können (Rüsken in Klein, a.a.O., § 173 Textziffer 22 m. w. N. zur BFH-Rechtsprechung).Ebenfalls keine neuen Tatsachen sind neue rechtliche Erkenntnisse, denn § 173 AO macht die Änderung oder Aufhebung eines Bescheides nicht vom Eintritt besserer Rechtserkenntnis abhängig (BFH GrS, Beschluss vom 23. November 1987 a. a. O.; Rüsken in Klein a. a. O. § 173 Tz. 36).
Im Streitfall beruht die in den Ursprungsbescheiden erfolgte fehlerhafte Qualifizierung der dem Kläger aufgrund der sog. 55er-Regelung zugeflossenen Beträge als „laufender Bezug“ bei wertender Betrachtung nicht auf fehlenden oder unvollständigen Tatsachen. Vielmehr ist der Fehler erst durch die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12. Februar 2009 zur vergleichbaren „58er-Regelung“ offenbar geworden und hat zu einer nachträglich erlangten „besseren Rechtserkenntnis“ der Finanzverwaltung geführt, die als wertender Subsumtionsakt nicht vom Anwendungsbereich des § 173 AO umfasst ist. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass der BFH - worauf die Kläger hinweisen - bereits im Jahr 1974 Ausführungen zum gesetzlichen Merkmal des „gleichartigen Bezuges“ gemacht hat (z. B. BFH, Urteil vom 1. März 1974 VI R 47/71, BFHE 111, 516, BStBl. II 1974, 490 für „Übergangsgebührnisse der Soldaten auf Zeit nach § 11 des Soldatenversorgungsgesetzes“). Denn es handelt sich - wie der Beklagte zutreffend hervorgehoben hat - um Einzelfallentscheidungen, deren Grundsätze nicht unbesehen auf andere Fallkonstellationen übertragen werden können. Bedeutsam ist insoweit, dass die rechtliche Einordnung von Bezügen als steuerbegünstigte Versorgungsbezüge i. S. d. § 19 Abs. 3 EStG nicht am Steuerrecht ausgerichtet ist. Vielmehr hat die öffentlich-rechtliche Einordnung der Zuwendung durch das insoweit vorgreifliche Dienstrecht zu erfolgen (vgl. BFH, Urteil vom 21. März 2013 VI R 5/12, BFHE 240, 563, BStBl. II 2013, 411). Je nach Status des Zuwendungsempfängers, Art des Vorteils und Ausgestaltung des Zuwendungstatbestandes bedarf es deshalb jeweils einer besonderen rechtlichen Beurteilung, ob mit der betreffenden Regelung der vom Steuergesetz privilegierte Versorgungszweck oder andere nicht privilegierte Motive verfolgt werden. Dies zeigt die hier einschlägige Regelung in besonderem Maße, denn es handelte sich um eine spezielle Berliner Regelung zum Abbau des Personalüberhangs in der Berliner Verwaltung, für die es im übrigen Bundesgebiet seinerzeit zumindest keine vollständig deckungsgleichen Parallelvorschriften gab. Der 55er-Regelung haftete die rechtliche Einordnung des Bezugs als gleichartiger Bezug nicht unmittelbar an. Die Qualifizierung der Bezüge der 55er-Regelung setzt vielmehr eine umfassende rechtliche Bewertung der Regelung voraus. Die rechtliche Beurteilung wurde zudem noch dadurch erschwert, dass die seinerzeit federführende Senatsverwaltung für Inneres in der Anlage 2 zu ihrem Rundschreiben Nr. II/1996 vom 27. November 1996 unter Ziff. 6. „Auswirkungen auf das Beamtenverhältnis“ ausdrücklich angeordnet hatte, dass das „aktive Beamtenverhältnis“ der Betroffenen während der Beurlaubungsphase bis zu deren Eintritt in den Ruhestand „weiterhin bestehen“ bleibe. Dem folgend blieben in allen Personalangelegenheiten auch die bisherigen Dienststellen der Betroffenen weiterhin zuständig und gingen die weiterzuzahlenden Teilbezüge zulasten der Personalausgaben der beurlaubenden Dienststelle und den Landeshaushalt (siehe Auskunft des LVwA vom 30. August 2013). Nach Ansicht des Senats führt der Umstand, dass die 55er-Regelung eine in das „Kleid“ eines aktiven Bezugs gekleidete verkappte Ruhestandsregelung getroffen hat, dazu, dass der Schwerpunkt des Bescheidfehlers nicht auf der Außerachtlassung einer Tatsache beruht, sondern vielmehr in der fehlerhaften Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgebenden Vorschriften. Für die im Anwendungsbereich des § 173 AO relevante Abgrenzung eines beachtlichen Tatsachenfehlers vom unbeachtlichen Subsumtionsfehler kann es keinen Unterschied machen, ob die Aufdeckung des Fehlers aufgrund besserer Rechtserkenntnis auf eine geänderte (geläuterte) höchstrichterliche Rechtsprechung zurückzuführen ist oder ob der Fehler - wie hier - erst durch einen späteren erstmaligen höchstrichterlichen Rechtsspruch zu einem neuen (vergleichbaren) Gesetz zutage befördert wird. Diese Sicht zwingt den Steuerpflichtigen dazu, den Eintritt der formellen Bestandskraft eines Verwaltungsaktes durch Einlegung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs bzw. durch Klageerhebung zu verhindern. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des BFH stellt es keinen Ausnahmefall dar, dass Rechtsauffassungen und Gesetzesinterpretationen durch die Gerichte korrigiert werden (BFH-Urteil vom 11. August 1987 VII R 121/84, BStBl II 1988, 512). Denn zur verbindlichen Normauslegung ist in aller Regel die rechtsprechende Gewalt berufen (Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Beschluss vom 17. Dezember 2013 1 BvL 5/08, juris). Diese Chance, eine Korrektur zu erreichen, kann jeder Steuerpflichtige unter Übernahme des Kostenrisikos wahrnehmen. Tut er das nicht, so ist es grundsätzlich nicht unbillig, wenn ihn dann die gesetzlichen Rechtsfolgen der Unanfechtbarkeit treffen (BFH-Urteil vom 11. August 1987 VII R 121/84, BStBl II 1988, 512).
3. Abgesehen davon scheidet eine Änderung nach § 173 AO auch wegen fehlender Rechtserheblichkeit (Ursächlichkeit) der nachträglich bekanntgewordenen Sonderbeurlaubung des Klägers aus.
Zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der „Rechtserheblichkeit“ hat der BFH in seinem Urteil vom 22. April 2010 (VI R 40/08, BFHE 229, 57, BStBl. II 2010, 951) u.a. ausgeführt:
„… Seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. November 1987 GrS 1/86 (BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180) vertritt die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung die Auffassung, dass ein Steuerbescheid wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen oder Beweismittel zugunsten des Steuerpflichtigen nur aufgehoben oder geändert werden darf, wenn das FA bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C. II. am Anfang). Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet hingegen aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil das FA auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre (BFH-Beschluss in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180, unter C. II. 2. b). ..“
Entgegen der Auffassung der Kläger reicht damit die Möglichkeit einer anderen Entscheidung bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht aus (so Steinhauff a.a O. unter Hinweis auf die vorstehende Entscheidung des BFH vom 22. April 2010 a. a. O.). Wie das Finanzamt bestimmte Tatsachen in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung ausgelegt wurde, und den die Finanzämter bindenden Verwaltungsvorschriften zu beurteilen. Der Senat folgt dem Beklagten darin, dass im Zeitpunkt der Ursprungsbescheide in Bezug auf die 55er-Rgelung keine BFH-Rechtsprechung und insbesondere auch keine die Finanzverwaltung bindende Verwaltungsvorschriften existierten. Die Bezüge nach der 55er-Regelung fallen weder unter die in R 19.8 Abs. 1 LStR (Versorgungsbezüge) noch unter die in R 19.8 Abs. 2 LStR (keine Versorgungsbezüge) aufgeführten Bezüge (siehe AO-Kartei Berlin S 0351 - 1/2010). Liegen - wie hier - unmittelbar zu der umstrittenen Rechtslage weder BFH-Rechtsprechung noch bindende Verwaltungsanweisungen vor, so ist aufgrund anderer Umstände abzuschätzen wie das Finanzamt bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entschieden hätte. Der Senat schließt es nach den Gesamtumständen aus, dass der Beklagte bei Kenntnis des Umstands der Sonderbeurlaubung des Klägers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung gelangt wäre. Für diese Beurteilung spricht, dass die rechtliche Qualifizierung der ihrem Wesen nach einmaligen Berlin Bezugsregelung besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt war. Die Rechtslage erschien auch aus Sicht eines „idealtypischen“ dem Recht verpflichteten Finanzbeamten nicht klar und unzweifelhaft. Die Fehletikettierung der verkappten Versorgungsbezüge als „Sonderurlaubsbezug“ nimmt der rechtlichen Qualifizierung der Bezüge ihre Eindeutigkeit und lässt die Rechtslage zweifelhaft erscheinen. Hierfür spricht nicht nur die Tatsache, dass die Bezüge der 55er-Regelung offensichtlich jahrelang in einer Vielzahl von Fällen unbeanstandet als laufender Dienstbezug versteuert worden sind. Für die nicht geklärte Rechtslage spricht zudem, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Ursprungsbescheide das Verfahren vor dem FG Münster (15 K 767/04 E) noch anhängig war, in dem die Finanzbehörde geltend gemacht hatte, dass die Bezüge nach der 58er-Regelung keine steuerbegünstigten Versorgungsbezüge darstellen und diese Auffassung vom Finanzgericht bis zum Ergehen der BFH-Entscheidung im Jahr 2009 (a. a. O.) zunächst bestätigt worden ist.
II.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil ein Revisionsgrund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich ist. Insbesondere weicht der Senat mit seiner Entscheidung weder von der Rechtsprechung des BFH noch anderer Finanzgerichte ab. Abgesehen davon handelt es sich bei der 55er-Regelung um ausgelaufenes Recht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.