Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 11.03.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 10 S 13.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 80a Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 S 1 VwGO, § 146 Abs 4 S 1 VwGO, § 34 Abs 1 S 1 BauGB, § 10 Abs 1 DSchG BE, § 11 Abs 2 DSchG BE, § 74 Abs 1 BauO BE |
1. War ein planungsrechtlicher Vorbescheid zum Zeitpunkt der Erteilung einer Baugenehmigung einem Dritten gegenüber noch nicht bestandskräftig, so kann dieser die Baugenehmigung uneingeschränkt anfechten. Das Schicksal des Vorbescheids ist dann wegen der Zweitregelung des Inhalts in der Baugenehmigung für die Rechtstellung des Dritten ohne Bedeutung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 - BVerwG 4 C 14.85 - NVwZ 1989, 863, juris Rn. 15).
2. Dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Bauherrn, der in unmittelbarer Umgebung eines Denkmals eine bauliche Anlage errichten will, ist nach dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme nach Lage der Dinge ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme in Hinblick auf die Eigenart und das Erscheinungsbild des Denkmals zuzumuten.
Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. März 2012 werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerden tragen der Antragsgegner und die die Beigeladene jeweils zur Hälfte.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
I.
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines fünfgeschossigen Mehrfamilienhauses mit Garage.
Der Antragsteller zu 1. ist Eigentümer des Grundstückes G...21 in Berlin-Pankow in der Gemarkung Prenzlauer Berg. Das Grundstück ist straßenseitig mit einem viergeschossigen Wohnhaus und in seinem hinteren Bereich mit einer Hofbebauung aus Remisen an beiden Grundstücksgrenzen bebaut. Das rückwärtige, in einem zweiten Hinterhofbereich liegende sog. „-Haus“ ist das Wohngebäude des Antragstellers zu 1. Das Anwesen ist als Baudenkmal „Mietshaus (1859 - 1860), Werkstätten- und Remisengebäude im Hofraum (1860 - 1895)“ von J. Schroeder in die Berliner Denkmalliste eingetragen und zugleich Bestandteil des eingetragenen Ensembles G... 9-23, 25, 216-217, 219, Mietshäuser, Schule und Gewerbebauten, Am S... 75, 76/84, I... 17.
Der Antragsteller zu 2. ist Eigentümer des Grundstückes A... 82/84, das mit einem ehemaligen Funktionsgebäude für Dampf- und Kälteerzeugung der in den Jahren 1892-1893 errichteten Schneider Brauerei bebaut ist. Teile des Gebäudes werden derzeit als Tonstudio genutzt. Der Antragsteller zu 2. beabsichtigt die vollständige Widerherstellung des Brauereigebäudes und dessen Umbau in ein Musik- und Medienzentrum. Sein Grundstück ist als Teil des Denkmalbereiches G... 9-23, 25, 216-217, 219, Mietshäuser, Schule und Gewerbebauten in die Denkmalliste eingetragen.
Mit Bescheid vom 27. September 2010, geändert durch den Nachtrag vom 7. November 2011, erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die Baugenehmigung zur Errichtung eines fünfgeschossigen Mehrfamilienhauses mit Garage auf dem im Blockinnenbereich gelegenen Grundstück G... 22/23 (Flur 117, Flurstücke 473 u. 475). Die Außenwände des Mehrfamilienhauses sollen unter anderem an der Grundstücksgrenze zu dem südwestlich gelegenen Grundstück des Antragstellers zu 1. errichtet werden. Das Vorhaben hat, gerechnet von der höher gelegenen südöstlichen Geländeoberfläche des Grundstückes, eine Höhe von 18,3 m und soll mit seiner südwestlichen Giebelwand grenzständig an eine dreigeschossige Remise auf dem Grundstück des Antragstellers zu 1. angebaut werden. Die obere Dachfläche überragt den First der Remise nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts um rund 12 m. Der Vorgartenbereich mit Terrassen des Vorhabens ist zum südöstlich gelegenen Grundstück des Antragstellers zu 2. ausgerichtet. Die Distanz zwischen dem Gebäude der ehemaligen Brauerei und dem Baukörper des Vorhabens beträgt nach Feststellung des Verwaltungsgerichts rund 26 m.
Über die gegen die Baugenehmigung gerichteten Widersprüche der Antragsteller hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt bislang nicht entschieden. Auf Antrag der Antragsteller hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss (vom 15. März 2012 - VG 13 L 218.11 - juris) die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Baugenehmigung in der Fassung der Nachtragsgenehmigung angeordnet. Hiergegen wenden sich der Antragsgegner und die Beigeladene mit den vorliegenden Beschwerden.
II.
Die Beschwerden sind unbegründet. Die angefochtene Entscheidung ist nicht aus den von dem Antragsgegner und der Beigeladenen innerhalb der Begründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, zu beanstanden.
Das Verwaltungsgericht hat unter Zugrundelegung des zutreffenden Maßstabes des vorläufigen Rechtsschutzes Dritter gegen eine Baugenehmigung (§ 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, vgl. dazu näher OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 28. September 2012 - OVG 10 S 21.12 -, LKV 2012, 566, juris Rn. 4; Beschluss vom 19. Dezember 2012 - OVG 2 S 44.12 -, NVwZ-RR 2013, 400, juris Rn. 14) bei summarischer Prüfung die Erfolgsaussichten der Rechtsbehelfe der Antragsteller gegen die Baugenehmigung in der Hauptsache zumindest als offen angesehen und eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz der Regelung des § 212a Abs. 1 BauGB hier das Suspensivinteresse der Antragsteller das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit und der Beigeladenen überwiegt. Das Interesse an einem vorübergehenden ‘‘Baustopp“ zur Abwendung einer möglicherweise erheblichen Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit ihrer Anwesen wiege schwerer als das öffentliche Interesse sowie das private Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Verwirklichung des Bauvorhabens. Gründe, die für eine besondere Eilbedürftigkeit der Baumaßnahme gerade an dem Standort sprächen, seien nicht erkennbar. Im Lichte dessen, dass die Errichtung baulicher Anlagen in der unmittelbaren Umgebung eines Denkmals bzw. eines Denkmalbereiches Beschränkungen dahingehend unterliegt, dass sie nicht so gestaltet sein dürfen, dass das Erscheinungsbild des Denkmals bzw. des Denkmalbereiches wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 2 DSchG Bln), und dass der Schutz von Denkmälern ein legitimes gesetzgeberisches Anliegen ist - die Denkmalpflege ist eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 -1 BVL 7/19 -, BVerfGE 100, 226, juris Rn 81) -, rechtfertigen die vom Antragsgegner und der Beigeladenen dargelegten Gründe im Ergebnis keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.
1. Ohne Erfolg wenden sich der Antragsgegner und die Beigeladene gegen die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs des Antragstellers zu 1. in der Hauptsache zumindest offen seien, weil das nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Vorhaben der Beigeladenen an der Grundstücksgrenze zu den denkmalgeschützten Remisengebäuden nach dem Maß und der überbaubaren Grundstücksfläche gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoße.
a. Das Vorbringen der Beigeladenen im Schriftsatz vom 19. Dezember 2012, wonach ihr gegenüber ein Vorbescheid zum Neubau des Mehrfamilienhauses auf dem Grundstück G... 22/23 vom 21. April 2010 ergangen sei, von dem die Antragsteller seit dem 25. November 2011 Kenntnis gehabt, aber keinen Widerspruch eingereicht hätten, weshalb ihre Widerspruchsmöglichkeit seit dem 25. November 2012 verwirkt sei, rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt einer Bindungswirkung des Vorbescheids keine Abänderung der angegriffenen Entscheidung. Es handelt sich bei dem Vorbringen vom 19. Dezember 2012 um neue Gesichtspunkte (und nicht lediglich die Erläuterung oder Verdeutlichung bereits fristgerecht geltend gemachter Beschwerdegründe), die grundsätzlich schon deshalb keine Berücksichtigung finden dürfen, weil sie nicht innerhalb der am 10. Mai 2012 abgelaufenen Beschwerdebegründungsfrist (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegt worden sind (vgl. zuletzt OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 28. Februar 2014 - OVG 2 S 57.13 -). Ob ausnahmsweise nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingetretene entscheidungserhebliche Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, wenn sie offensichtlich oder zwischen den Beteiligten unstreitig sind (vgl. dazu u.a. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 30. März 2012 - OVG 4 S 53.11 -; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 146 Rn. 43), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls kommt dem Vorbescheid vom 21. April 2010 den Antragsstellern gegenüber in der Sache keine Bindungswirkung dahingehend zu, dass deren Einwände zur (Un-) Zulässigkeit des Bauvorhabens “präkludiert“ wären. Einem Dritten gegenüber besteht die Bindung eines Vorbescheides (§ 74 Abs. 1 BauO Bln) nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur, soweit er ihm gegenüber bei der Erteilung der Baugenehmigung bestandskräftig war. War jedoch der Vorbescheid bei der Erteilung der Baugenehmigung ihm gegenüber noch nicht bestandskräftig, so kann der Dritte die Baugenehmigung uneingeschränkt anfechten. Das weitere Schicksal des Vorbescheids ist dann wegen der Zweitregelung des Inhalts in der Baugenehmigung für die Rechtsstellung des Dritten ohne Bedeutung (BVerwG, Urteil vom 17. März 1989 – BVerwG 4 C 14.85 –, NVwZ 1989, 863, juris Rn. 15; Jäde/Dirnberger/Förster u.a., BbgBO, § 59 Rn. 43). Dem ist zu folgen (offen gelassen in OVG Berlin, Urteil vom 11. Februar 2003 - OVG 2 B 16.99 -, ZfBR 2004, 184, juris Rn. 20, a.A. Wilke/Dageförde/ Knuth/Meyer/Broy-Bülow, BauO Bln, 6. Aufl. 2008, § 74 Rn. 23 m.w.N. zum Meinungsstand). So liegt der Fall hier. Denn der Vorbescheid vom 21. April 2010, der den Antragstellern gegenüber nicht bekannt gegeben worden war, war bei Erteilung der Baugenehmigung am 27. September 2010 noch nicht bestandskräftig, weshalb sich die Antragsteller mit ihrem Drittwiderspruch gegen die Zulässigkeit des Vorhabens unabhängig von der Regelung des Vorbescheids wenden können. Hinzu kommt, dass die Bindungswirkung eines Vorbescheides auf dessen positiven Regelungsgehalt beschränkt ist. Die Regelungen des Vorbescheides vom 21. April 2010 stünden der Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich entgegen. Denn die die Frage, ob das Bauvorhaben unter Berücksichtigung des denkmalschutzrechtlichen Umgebungsschutzes mit dem in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebot vereinbar ist, war nicht Gegenstand des Vorbescheids. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung wurde die Vorbescheidsfrage sogar negativ beschieden. Es wird dort ausgeführt, dass das Vorhaben sich nach dem Maß der baulichen Nutzung aufgrund der großen Gebäudetiefe und der geringen Staffelung des Dachgeschosses nicht gemäß § 34 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
b. Auch das Vorbringen des Antragsgegners und der Beigeladenen zum Einfügen des Bauvorhabens und zum Rücksichtnahmegebot ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht geeignet, die eingehend begründete Bewertung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen, wonach auf Grundlage der Erkenntnisse des Ortstermins viel darauf hindeutet, dass das Vorhaben der Beigeladenen insbesondere nach dem Maß der baulichen Nutzung im Sinne vom § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
Das Vorhaben des Beigeladenen ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - planungsrechtlich an § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu messen, da es insoweit an bauplanerischen Festsetzungen fehlt und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt. Das Vorhaben wäre danach zulässig, wenn es sich auch nach dem Maß der baulichen Nutzung und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Maßgebend für das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Vorrangig ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt (BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 2006 - BVerwG 4 B 55.06 -, BauR 2007, 514, juris Rn. 6). Maßstabsbildend ist die Umgebung, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 4 C 11.11 -, ZfBR 2013, 266, juris Rn. 30; OVG Bln-Bbg, Urteil vom 13. März 2013 - OVG 10 B 4.12 -, DÖV 2013, 948, juris Rn. 37). Ein Dritter, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seinem Rechtsbehelf allerdings nur durchdringen, wenn eine angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus. Er kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – BVerwG 4 C 5/12 –, juris Rn 21). Ziel des Rücksichtnahmegebots ist es, einander abträgliche bauliche Anlagen und deren Nutzungen in rücksichtsvoller Weise einander zuzuordnen sowie Spannungen und Störungen zu vermeiden. Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt namentlich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahme-verpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist (stRspr. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 4 C 11.11 -, BVerwGE 145, 290, juris Rn. 32; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – OVG 10 N 90.10 –, LKV 2014, 36, juris Rn. 16).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs des Antragsstellers zu 1. im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, weil es möglich ist, dass das geplante fünfgeschossige Mehrfamilienhaus an der Grundstücksgrenze zu den denkmalgeschützten Remisegebäuden des Antragstellers zu 1. wegen seiner Gebäudehöhe nach dem Maß der baulichen Nutzung sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und das Rücksichtnahmegebot verletzt ist. Die Rüge der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob das Vorhaben sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, sondern gehe von einer Überschreitung des Rahmens aus, greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr geprüft und näher begründet, dass das Vorhaben der Beigeladenen nach dem Maß der baulichen Nutzung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt (vgl. näher EA S. 13).
Ohne Erfolg machen die Beigeladene und der Antragsgegner geltend, das Verwaltungsgericht verknüpfe zu Unrecht denkmalschutzrechtliche Fragen mit dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme. Diese Kritik berücksichtigt nicht, dass nach den oben genannten Grundsätzen bei der Bewertung, ob das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist, zu prüfen ist, was dem Rücksichtnahme-begünstigen einerseits und dem Rücksichnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Bei der Bewertung der Zumutbarkeit kann es nach den Umständen des Einzelfalles auch darauf ankommen, ob in unmittelbarer Umgebung des Vorhabens gesteigert schutzwürdige bauliche Anlagen befindlich sind (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. August 2013, § 34 Rn. 48). Dies ist bei Baudenkmalen jedenfalls dann der Fall, wenn durch das Vorhaben die unmittelbare Umgebung des Denkmals verändert wird. Gemäß § 10 Abs. 1 DSchG Bln darf nämlich die unmittelbare Umgebung eines Denkmals, soweit sie für dessen Erscheinungsbild von prägender Bedeutung ist, durch Errichtung baulicher Anlagen nicht so verändert werden, dass die Eigenart und das Erscheinungsbild des Denkmals wesentlich beeinträchtigt werden. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Denkmalschutz Umgebungsschutz braucht, weil die Ausstrahlungswirkung eines Denkmals wesentlich von der Gestaltung seiner Umgebung abhängen kann. Die Ziele des Denkmalschutzes lassen sich deshalb nur erreichen, wenn ggf. auch das Eigentum in der Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes beschränkt wird (OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 28. September 2012 – OVG 10 S 21.12 –, LKV 2012, 566, juris Rn. 8 m.w.N.). Daher geht das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass der Antragsteller zu 1. als Eigentümer eines Baudenkmals und Rücksichtnahmebegünstigter mehr an Rücksichtnahme verlangen kann, als ein Nachbar ohne eine vergleichbare denkmalrechtliche soziale Bindung seines Eigentums, zumal er gerade aufgrund der denkmalschutzrechtlichen Beschränkungen selbst an einer stärkeren baulichen Ausnutzung seines Grundstückes gehindert ist. Dementsprechend ist nach Lage der Dinge der Beigeladenen, die in unmittelbarer Umgebung eines Denkmals eine bauliche Anlage errichten will, nach dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme gegenüber der denkmalgeschützten Bebauung in der Umgebung zuzumuten.
Unter Berücksichtigung dessen ist das Verwaltungsgericht zu der Bewertung gelangt, dass das an der Grundstücksgrenze geplante Bauvorhaben der Beigeladenen in qualifizierter Weise auf schutzwürdige Interessen der denkmalgeschützten Remisengebäude im Hof des Grundstücks des Antragstellers zu 1. keine Rücksicht nehme und so im Hinblick auf das geplante Maß der baulichen Nutzung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Dabei hat es vor allen Dingen auf den extremen Höhenunterschied zwischen den benachbarten Gebäuden abgestellt. Auf der Höhe des geplanten Anbaus sei das Grundstück des Antragstellers zu 1. durch die hoch aufragende, grenzständige Brandwand des gegenüberliegenden Quergebäudes auf dem Grundstück G...S... 20 vorbelastet. Mit der Realisierung des Vorhabens würde die Innenhofsituation des Antragstellers zu 1. durch das Hinzutreten einer zweiten Brandwand gleicher Höhe, welche die Remise um rund 12 m überrage, massiv verschlechtert. Dies ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu beanstanden. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Beigeladenen angeführten Beschluss des Senats vom 29. September 2010 (- OVG 10 S 21.10 -, LKV 2010, 524, juris), wonach ein extremer Höhenunterschied zwischen benachbarten Bauten erdrückende Wirkung haben kann, was konkret im dortigen Einzelfall aber bei einer fünfgeschossigen neben einer zweigeschossigen Bebauung verneint wurde. Hieraus kann die Beigeladene schon deshalb nichts zu ihren Gunsten ableiten, weil das Verwaltungsgericht offen gelassen hat, ob das Vorhaben “erdrückende Wirkung“ habe, sondern auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abgestellt hat, die dadurch geprägt sind, dass der erhebliche Kontrast zwischen den Bebauungen nicht auf eine freiwillige Zurückhaltung des Antragstellers zu 1. bei der baulichen Ausnutzung seines Grundstücks sondern auf die denkmalschutzrechtlichen Regelungen zurückgeht und dass die Errichtung des fünfgeschossigen Mehrfamilienhauses in unmittelbarer Umgebung des denkmalgeschützten Remisegebäudes im Hof des Antragstellers zu 1. ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme verlangt, damit das Erscheinungsbild des Baudenkmals nicht wesentlich beeinträchtig wird.
Mit dem Vorbringen des Antragsgegners und der Beigeladenen, hier liege keine „erdrückende Wirkung“ vor, die zum „Gefühl des Eingemauertseins“ und der „fehlenden Luft zum Atmen“ führe, wird nicht substantiiert dargelegt, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zutrifft, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vorliegt. Zu Recht führt das Verwaltungsgericht aus, dass die teilweise Verwendung von Schlagwörtern einer „erdrückende Wirkung“ eines Vorhabens und die bildliche Umschreibungen einer „Hinterhofsituation“, des „Gefühls des Eingemauert seins“, der „Abriegelung“ und der „fehlenden Luft zum Atmen“ (vgl. OVG Bln-Bbg vom 29. September 2010, - OVG 10 S 21.10 -, juris Rn. 11) keine Fallgruppen beschreibt, auf die sich eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme beschränken würde. Die Bewertung, ob ein Dritter durch eine Baugenehmigung nach dem Gebot der Rücksichtnahme in seinen Rechten verletzt ist, hängt vielmehr maßgeblich davon ab, ob nach den Umständen des Einzelfalles in qualifizierter und individueller Weise auf seine schutzwürdigen Interessen Rücksicht genommen wird oder nicht.
Auch das Vorbringen der Beigeladenen und des Antragsgegners, das Vorhaben mit einer Höhe von rund 18,3 m entspreche von seiner Kubatur der Umgebungsbebauung, die vielfach auf den Grundstücken der G... 1-27, insbesondere auf dem Grundstück 23 sowie auf dem Grundstück der benachbarten Schule vorhanden sei, stellt die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs des Antragstellers zu 1. in der Hauptsache zumindest offen sind, nicht durchgreifend in Frage. Bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigung geht es um die Klärung schwieriger Tatsachenfragen, insbesondere was hier die maßstäbliche Umgebung ist und welche nach außen wahrnehmbare Erscheinung die Gebäude dort insbesondere im Hinblick auf ihre Höhe haben. Diese Fragen sind trotz der von der Beigeladenen vorgelegten Animation zu den Gebäudehöhen zwischen den Beteiligten tatsächlich streitig und können im Hinblick auf den summarischen Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nach § 146 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO in diesem nicht abschließend geklärt werden, sondern sind dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
2. Die Beschwerden der Beigeladenen und des Antragsgegners bleiben auch hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers zu 2. gegen die Baugenehmigung ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs des Antragstellers zu 2. in der Hauptsache als offen angesehen hat und aufgrund seiner Abwägung der widerstreitenden Interessen auch insoweit die aufschiebende Wirkung des Widerspruches angeordnet hat, ist im Ergebnis nicht aus den von der Beigeladenen und dem Antragsgegner dargelegten Gründen zu beanstanden.
Das Verwaltungsgericht ist auf Grundlage der Erkenntnisse des Ortstermins zu der Bewertung gelangt, das gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Antragsteller zu 2. nach den Regelungen des denkmalrechtlichen Umge-bungschutzes nach § 11 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 DSchG Bln (vgl. dazu OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 28. September 2012 - OVG 10 S 21.12 -, LKV 2012, 566, juris Rn. 8) einen Abwehranspruch gegen die Baugenehmigung habe, weil die Denkmalwürdigkeit seines Anwesens als Teil der ehemaligen Schneider Brauerei durch das Vorhaben möglicherweise erheblich beeinträchtigt werde. Bei summarischer Prüfung bestünden insbesondere deutliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Vorhaben nach seinem Maß und der überbaubaren Grundstücksfläche an dem geplanten Standort einen den Aussagewert und das Erscheinungsbild des Ensembles mit dem Funktionsgebäude der ehemaligen Brauerei wesentlich beeinträchtigenden Fremdkörper darstellen würde. Hinzu komme, dass das fünfgeschossige Vorhaben abriegelnde Wirkung auf den in diesen Bereich noch offen wirkenden Innenbereich haben würde und den ehemaligen Brauereikomplex gleichsam in eine Hinterhofsituation versetzen würde.
Soweit die Beigeladene der Sache nach gegen diese Bewertung und Würdigung rügt, das Verwaltungsgericht gehe schon im Ansatz fehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben in einer „Denkmalzone“ verwirklicht werde, und dem Brauereikomplex komme keine eigenständige Bedeutung zu, und damit die Denkmaleigenschaft der baulichen Anlagen des Antragstellers zu 2. in Frage stellt, hat dies keinen Erfolg. Denkmale im Sinne des Denkmalschutzgesetzes sind nämlich neben Baudenkmalen auch Denkmalbereiche. Ein Denkmalbereich (Ensemble, Gesamtanlage) ist eine Mehrheit von baulichen Anlagen einschließlich der mit ihr verbundenen Straßen und Plätze sowie Grünanlagen und Frei- und Wasserflächen, deren Erhaltung im Interesse der Allgemeinheit liegt, und zwar auch dann, wenn nicht jeder einzelne Teil des Denkmalbereiches ein Denkmal ist (§ 2 Abs. 1, 3 DSchG Bln). Zu Recht hat daher das Verwaltungsgericht angenommen, dass das Brauereigebäude des Antragstellers zu 2. und das Vorhabengrundstück selbst Teil des Denkmalbereiches G... 9 bis 23, 25, 216 bis 217, 219 (Mietshäuser, Schulen und Gewerbebauten) ist. Bestätigt wird dies durch die Berliner Denkmalkarte, in dem beide Grundstücke als Denkmalbereich eingetragen worden sind.
Soweit der Antragsgegner und die Beigeladene vortragen, für einen denkmalrechtlichen Abwehranspruch des Antragstellers zu 2. fehle es an Anhaltspunkten, dass dem Brauereikomplex eine stadtbildprägende Bedeutung zukomme, der Komplex sei trotz des Vorhabens weiter erlebbar, das Vorhaben der Beigeladenen zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses sei in dem Denkmalbereich kein Fremdkörper oder qualifizierte Beeinträchtigung des Denkmalbereiches, insbesondere würde das Bauvorhaben die Funktionsgebäude der ehemaligen Brauerei nicht überragen, sprechen sie im Kern die Frage an, ob das Bauvorhaben in der unmittelbaren Umgebung eines Denkmalbereiches bzw. als Teil dieses Denkmalbereiches dessen Eigenart und Erscheinungsbild wesentlich beeinträchtigt (vgl. § 11 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 DSchG Bln) und ob die Denkmalwürdigkeit des Anwesens des Antragstellers zu 2. hierdurch möglicherweise erheblich beeinträchtigt wird. Nach der im Beschwerdeverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erscheint es möglich, dass derartige denkmalschutzrechtliche Verletzungen beim Bauvorhaben vorliegen. Die nähere Klärung der sich dabei stellenden schwierigen Tatsachen- und Rechtsfragen und denkmalschutzrechtlichen Fachfragen muss aber auch im Interesse des Schutzes von Denkmalbereichen als Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang der Klärung des Widerspruchs- und Hauptsacheverfahrens vorbehalten bleiben.
Sind damit die Erfolgsaussichten auch des Rechtsbehelfs des Antragstellers zu 2. offen, hängt die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung von einer Abwägung der widerstreitigen privaten und öffentlichen Interessen ab. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass die Abwägung hier zugunsten des Antragstellers zu 2. ausgeht, weil sein Suspensivinteresse an einem vorübergehenden Baustopp zur Abwendung möglicherweise erheblicher Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit seines Anwesens schwerer wiegt als das private Interesse der Beigeladenen an einer sofortigen Verwirklichung des Bauvorhabens, ist demnach nicht zu beanstanden. Bei der Interessensabwägung hat der Senat auch berücksichtigt, dass nach den Ausführungen des Senats zu 1. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers zu 1. wegen einer Verletzung des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots sich nach derzeitigem vorläufigen Erkenntnisstand als richtig erweist. In Folge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches ist die Beigeladene derzeit ohnehin gehindert, vorläufig von der Baugenehmigung Gebrauch zu machen, weshalb ihrem Interesse an der Verwirklichung des Bauvorhabens in diesem Einzelfall auch im Verhältnis zu dem Antragsteller zu 2. geringeres Gewicht zukommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2,Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für den Wert des Beschwerdegegenstandes beider Beschwerden beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5., 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei der Senat der erstinstanzlichen Wertfestsetzung folgt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).