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Entscheidung 9 UF 54/09


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 24.06.2010
Aktenzeichen 9 UF 54/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 628 ZPO

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 23. März 2009 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts Senftenberg – Az. 32 F 218/05 – aufgehoben und das Verfahren unter Wiederherstellung des Scheidungsverbundes zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 10.700,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der am … August 1954 geborene Antragsteller und die am … November 1957 geborene Antragsgegnerin, beide deutsche Staatsangehörige, haben am 20. Oktober 1983 vor dem Standesamt F… zur Heiratsregister-Nr. .../1983 die Ehe geschlossen (Bl. 4 GA). Aus der Ehe ist eine gemeinsame Tochter hervorgegangen, die bereits volljährig ist.

Die Parteien - er ist Polizeibeamter, sie als Kellnerin tätig - haben sich zunächst innerhalb des im Alleineigentum der Antragsgegnerin stehenden, mit einem Wohnhaus und einem bewohnbaren Nebengebäude bebauten Hausgrundstücks getrennt, nach Behauptung des Antragstellers im Sommer 2001, nach Behauptung der Antragsgegnerin erst seit dem 15. August 2005, „frühestens ab Januar 2005“.

Mit seinem am 19. Oktober 2005 zugestellten Antrag hat der Antragsteller die Ehescheidung begehrt. Die Antragsgegnerin ist dem Scheidungsantrag zunächst unter Hinweis auf das noch nicht abgelaufene Trennungsjahr entgegengetreten.

Unter Aufrechterhaltung der differierenden Angaben zum Trennungszeitpunkt haben die Parteien im Anhörungstermin am 25. Januar 2008 („eigentlich“) übereinstimmend Scheidungswilligkeit bekundet, allerdings weiterhin insoweit widerstreitende Anträge gestellt. Bereits seinerzeit suchte der Antragsteller eine Abtrennung der Folgesachen Zugewinnausgleich und Geschiedenenunterhalt mit dem Ziel der Vorwegscheidung zu erreichen, während die Antragsgegnerin am Scheidungsverbund festhalten wollte. Mit Beschluss vom 12. März 2008 hat das Amtsgericht die Abtrennung der Folgesachen abgelehnt, weil eine unzumutbare Härte durch Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich sei.

Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2006 hatte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf Auskunftserteilung über ihr Endvermögen in Anspruch genommen. Nach einem Anerkenntnis der Antragsgegnerin vom 30. März 2006 ist demgemäß (erst) am 12. März 2008 ein Teil-Anerkenntnisurteil ergangen. Mit Antrag vom 8. Juli 2008 hat der Antragsteller im Zwangsvollstreckungsverfahren auf Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Antragsgegnerin angetragen und hierzu ausgeführt, die Auskunftserteilung vom 29. Mai 2008 sei völlig unzureichend und mit Blick auf eine behauptete Erbschaft zudem sachlich falsch. Die Antragsgegnerin ist diesem Antrag am 15. August 2008 mit näherer Darlegung entgegengetreten und hat ihrerseits im Termin am 24. Februar 2009 einen – nicht zuvor schriftsätzlich angekündigten - Auskunftsantrag gegen den Antragsteller gestellt. Mit weiterem Teilurteil vom 6. April 2009 ist der Antragsteller antragsgemäß zur Auskunft verurteilt worden. Der Antrag des Antragstellers auf Festsetzung eines Zwangsgeldes ist mit Beschluss vom 23. März 2009 zurückgewiesen worden mit der Begründung, die Auskunft sei (ordnungsgemäß) erteilt.

Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2007 hat die Antragsgegnerin im Wege der Stufenklage vom Antragsteller Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse aus der Zeit vom 1. Mai 2006 bis zum 30. April 2007 (geändert im Termin am 25. Januar 2008 auf Zeitraum 1. Februar 2007 bis 31. Januar 2008 und erneut im Termin am 24. Februar 2009 auf den Zeitraum 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2009) mit dem Ziel der Ermittlung und Durchsetzung eines Anspruchs auf Geschiedenenunterhalt begehrt.

Die Parteien führen daneben einen Rechtsstreit wegen Trennungsunterhalts. Hier hatten sich die Parteien im Verhandlungstermin am 27. September 2009 zunächst im einstweiligen Anordnungsverfahren vergleichsweise auf eine monatliche Trennungsunterhaltszahlung des Beklagten ab Oktober 2006 in Höhe von 190,00 EUR geeinigt. In der Hauptsache hat das Amtsgericht Senftenberg sodann mit Urteil vom 21. April 2009, Az. 32 F 81/06, den Antragsteller zur Zahlung von Trennungsunterhalt von monatlich 202,00 EUR für 2006 und seit Januar 2007 – anknüpfend an den vorzitierten Unterhaltsvergleich - von monatlich 190,00 EUR für verpflichtet gehalten. Der Antragsteller zahlt laufend auf den titulierten Unterhaltsanspruch, hat allerdings – wie auch die Antragsgegnerin – gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren wird bei dem erkennenden Senat zum Az. 9 UF 73/09 geführt und bedarf einer umfangreichen ergänzenden Sachverhaltsaufklärung.

Unter dem 20. August und 23. September 2008 hat der Antragsteller erneut auf Abtrennung der Folgesachen angetragen und darauf verwiesen, dass er mit Ansprüchen der Antragsgegnerin auf Trennungsunterhalt von monatlich 418,00 EUR bzw. der Zahlungsverpflichtung aus dem Unterhaltsvergleich vom 27. September 2006 über monatlich 190,00 EUR belastet sei, während dieser aus der Abtrennung kein Nachteil erwachse.

Die Antragsgegnerin ist weiterhin sowohl dem Scheidungsantrag selbst als auch dem Abtrennungsantrag entgegengetreten.

Mit Teilurteil vom 23. März 2009 hat das Amtsgericht Senftenberg die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich (teilweise) durchgeführt und die Folgesachen Zugewinn und Geschiedenenunterhalt abgetrennt. Die Scheidung unter Abtrennung der Folgesachen sei gerechtfertigt, weil nicht erwartet werden könne, dass die Verfahren zum Zugewinnausgleich und zum Geschiedenenunterhalt alsbald entscheidungsreif seien.

Gegen dieses ihr am 3. April 2009 zugestellte Teilurteil hat die Antragsgegnerin mit einem am 30. April 2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zu diesem Tage – mit einem am 3. Juli 2009 eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie rügt, dass für die Abtrennung eine lange Verfahrensdauer nicht ausreichend sei und die einheitliche Entscheidung für den – eigene Sachanträge in den Folgesachen gestellt habenden – Antragsteller keine unzumutbare Härte darstelle. Außerdem habe das Amtsgericht widersprüchlich entschieden, wenn einerseits die lange Dauer des Geschiedenenunterhaltsverfahrens angeführt, dieses aber mit einem kurze Zeit später ergangenen Urteil tatsächlich abgeschlossen werde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung. Er betont, dass die Antragsgegnerin bisher im Zugewinnausgleichsverfahren keine vollständige Auskunft erteilt habe. Insbesondere hält er seine Verpflichtung zur Zahlung von Trennungsunterhalt über einen noch längeren Zeitraum für unzumutbar, zumal die Antragsgegnerin keineswegs der wirtschaftlich schwächere Teil der Parteien sei, der durch eine Aufrechterhaltung des Verbundes besonders zu schützen wäre. Er meint, die Antragsgegnerin werde im Zugewinnausgleichsverfahren unter Berücksichtigung von Ansprüchen nach § 40 FGB (DDR) letztlich zahlungspflichtig sein. Außerdem unterhalte er – der Antragsteller - „eine seit Jahren verfestigte Beziehung (…), die legalisiert werden soll“.

II.

Die Berufung der Antragsgegnerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel ist insbesondere auch insoweit zulässig, als die Berufungsklägerin ausschließlich die Unzulässigkeit der Abtrennung der Folgesachen Zugewinnausgleich und Geschiedenenunterhalt rügt. Der behauptete Verstoß gegen § 628 Abs. 1 ZPO kann allein im Wege des Rechtsmittels gegen das Scheidungsurteil, d.h. durch Berufung gegen dasselbe geltend gemacht werden (BGH FamRZ 2008, 2268; 1996, 1333). Wird einem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine oder mehrere Folgesachen gegen den Willen des Betroffenen stattgegeben, so liegt darin eine selbständige, durch Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch geltend zu machende Beschwer. Dies gilt auch dann, wenn – wie im Streitfall – nicht allein der Antragsteller, sondern auch die Antragsgegnerin selbst die Scheidung begehrt, wie sie im Rahmen der Anhörung vor dem Senat am 3. Juni 2010 übereinstimmend angegeben haben (vgl. dazu BGH FamRZ 1996, 1070; OLGR Saarbrücken 2004, 660).

Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil verstößt gegen das in § 623 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierte Verbundprinzip. Das mithin unzulässige Teilurteil verfällt wegen § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 301 ZPO – von dem allerdings auch ausdrücklich gestellten Antrag der Antragsgegnerin unabhängig – der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht über die übereinstimmenden Scheidungsanträge und die Folgesachen Versorgungsausgleich und Geschiedenenunterhalt.

Die Voraussetzungen des vom Amtsgericht zur Rechtfertigung der Abtrennung der Folgesachen Zugewinnausgleich und Geschiedenenunterhalt herangezogenen § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO liegen nicht vor. Eine Abtrennung nach dieser Vorschrift setzt zum einen voraus, dass die gleichzeitige Entscheidung über Folgesachen den Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögert (1) und des weiteren, dass der Aufschub des Scheidungsausspruches auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellt (2).

(1)

Im Streitfall liegt zwar die Voraussetzung einer außergewöhnlichen Verzögerung im Sinne von § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO vor, die im Allgemeinen bei einer Dauer des Scheidungsverfahrens von mehr als zwei Jahren zu bejahen ist (Zöller-Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 628 Rdnr. 5; BGH FamRZ 1991, 1043). Das Scheidungsverfahren ist im konkreten Fall seit dem 19. Oktober 2005, mithin seit inzwischen gut 4 ½ Jahren rechtshängig.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war eine Abtrennung mit Blick auf die Folgesache Zugewinnausgleich schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil tatsächlich eine solche Folgesache nicht (mehr) anhängig ist. Beide Parteien haben nämlich insoweit keine Stufenklage erhoben, sondern ausschließlich - isolierte - Auskunftsanträge gestellt, die durch („Teil-“) Anerkenntnisurteil vom 12. März 2008 und durch weiteres („Teil-“)Urteil vom 6. April 2009 abschließend beschieden sind. Ohne dass hier der Frage der Zulässigkeit solcher isolierter Auskunftsanträge im Scheidungsverbundverfahren nachzugehen wäre, bleibt jedenfalls festzuhalten, dass eine Folgesache Zugewinnausgleich jedenfalls nicht (mehr) anhängig ist und deshalb keinesfalls zur Begründung einer Abtrennung herangezogen werden kann.

Allerdings ist die Folgesache Geschiedenenunterhalt noch bzw. wieder beim Amtsgericht anhängig und die Erledigung derselben tatsächlich nicht absehbar, nachdem der hiesige Antragsteller nunmehr durch Anerkenntnis-Teilurteil des Senates vom 3. Juni 2010 – Az. 9 UF 62/09 - antragsgemäß zur Erteilung der Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verurteilt worden, also erst die Auskunftsstufe abgeschlossen ist.

(2)

Mit der hier zu konstatierenden unabsehbaren Verfahrensdauer allein ist aber – dies verkennt das Amtsgericht, das seine Abtrennungsentscheidung ausschließlich auf die Verzögerung gründet – noch kein Abtrennungsgrund nach § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO vorhanden. Die Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes mit der Folge eines Aufschubs der Ehescheidung muss sich nämlich auch als unzumutbare Härte für den auf Abtrennung drängenden Ehegatten darstellen. Unzumutbar ist die Härte nur, wenn das Interesse des die Scheidung begehrenden Ehegatten an einer alsbaldigen Scheidung den Vorrang vor dem Interesse des anderen Ehegatten an der gleichzeitigen Entscheidung über die Folgesache(n) genießt. Die bereits eingetretene Verzögerung kann allein noch keine solche Härte bedeuten, da andernfalls der letzte Halbsatz des § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO überflüssig wäre. Im Übrigen folgt schon aus dem Begriff der unzumutbaren Härte, dass strenge Maßstäbe für die ausnahmsweise Auflösung des Verfahrens- und Entscheidungsverbundes angelegt werden müssen (OLG Hamm FamRZ 2007, 651 m.w.Nw.; erkennender Senat, Urteile vom 25. März 2010, Az. 9 UF 85/09, und vom 24. Juni 2010, Az. 9 UF 127/09).

Im Streitfall lässt sich eine solche unzumutbare Härte für den die Abtrennung begehrenden Antragsteller auch unter Berücksichtigung seines weitergehenden Vorbringens im Berufungsverfahren nicht feststellen.

a)

Der erstmals im Berufungsverfahren vorgetragene Wunsch, eine seit Jahren verfestigte Beziehung zu einer neuen Lebenspartnerin „legalisieren“ zu wollen, ist für die Annahme eines Härtegrundes nicht geeignet. Als ein beachtenswertes Interesse des Scheidungswilligen im Sinne von § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO ist schon dessen Wunsch, alsbald wieder zu heiraten, nur dann zu berücksichtigen, wenn dadurch ein Kind, das die (zukünftige) Ehefrau erwartet, ehelich geboren wird. Derartiges ist hier nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich - im Gegenteil: Der Antragsteller hat auf Befragen des Senates erklärt, „ganz bestimmt nicht wieder heiraten“, allerdings eine neue Familie gründen zu wollen. Daran allerdings ist der Antragsteller auch durch ein noch bis zum Abschluss der Folgesache Geschiedenenunterhalt andauerndes Scheidungsverfahren nicht gehindert.

b)

Eine unzumutbare Härte kann allerdings dann begründet sein, wenn der Gegner Folgesachen zögerlich behandelt, indem er insbesondere durch Verweigerung von Auskünften die Entscheidung in den Folgesachen Unterhalt, Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich erschwert.

Die Folgesache Versorgungsausgleich war bei Verkündung des hier angefochtenen Urteils entscheidungsreif, eine Folgesache Zugewinnausgleichsverfahren schon gar nicht (mehr) anhängig.

Die Folgesache Geschiedenenunterhalt hat die Antragsgegnerin zwar erst mit Schriftsatz vom 3. Mai 2007, mithin rund 1 ½ Jahre nach Rechtshängigkeit der Scheidung eingeleitet. In der Folgezeit und jedenfalls bis zum Verhandlungstermin vor dem Senat am 3. Juni 2009 allerdings hat der Antragsteller die hier seit Jahren geforderten und notwendigen Auskünfte über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht erteilt. Bei dieser Sachlage kann der Antragsgegnerin jedenfalls kein größerer Beitrag als dem Antragsteller selbst an dem Umstand angelastet werden, dass diese Folgesache heute und auf absehbare Zeit nicht entscheidungsreif ist. Dann aber kann dem Interesse des Antragstellers an einer baldigen Scheidung nicht der Vorrang vor dem Interesse der Antragsgegnerin an der Aufrechterhaltung des Verbundes eingeräumt werden. Für die Annahme, dass der Antragsgegnerin mit Blick auf den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit nach § 1569 BGB oder aus Gründen grober Unbilligkeit nach § 1579 BGB überhaupt kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zustehen könnte, fehlt es bislang jedenfalls an hinreichend tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkten.

c)

Schließlich rechtfertigt auch der Umstand, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet ist und ohne die begehrte Vorwegscheidung auch noch auf längere Sicht bleiben wird, nicht die Annahme einer unzumutbaren Härte durch Aufrechterhaltung des Verbundes.

Muss ein Ehegatte, wenn die Ehe vorab nicht geschieden wird, für die Trennungszeit erheblich mehr Unterhalt zahlen als nach der Scheidung, so ist auch dies allein nicht unzumutbar hart (OLG Hamm FamRZ 2007, 651; OLG Koblenz FamRZ 1990, 769). Eine verzögerliche Behandlung der Folgesachen kann aber dann zu einer solchen Härte führen, wenn der Gegner aufgrund Vergleichs oder sonstigen Unterhaltstitels erheblich mehr Unterhalt vom Antragsteller erhält, als ihm kraft Gesetzes zustände, und wenn er die Folgesache verzögert, um möglichst lange die mit der Scheidung wegfallende Unterhaltsrente zu beziehen (OLG Hamm a.a.O.; BGH FamRZ 1991, 2491).

Im Streitfall zahlt der Beklagte aufgrund des Vergleichs aus dem einstweiligen Anordnungsverfahren vom 27. September 2006 bzw. des im Trennungsunterhaltsverfahren am 21. April 2009 ergangenen Urteils seit Oktober 2006 und fortlaufend monatlich 190,00 EUR Trennungsunterhalt an die Antragsgegnerin. Es ist allerdings mangels hinreichend substantiierten Vorbringens beider Parteien in dem – zwischenzeitlich beim Senat anhängigen - Trennungsunterhaltsverfahren schon nicht erkennbar, ob und in welcher Höhe tatsächlich ein Anspruch nach § 1361 BGB bestanden hat und noch besteht. Zu berücksichtigen war hier auch, dass selbst für den Fall eines heute in dieser Höhe etwa deutlich nicht mehr gerechtfertigten Trennungsunterhalts innerhalb des vor dem Senat laufenden Verfahrens durchaus Korrekturmöglichkeiten bestehen, die den Antragsteller vor einer übermäßigen Inanspruchnahme schützen können.Neben der Gewissheit über die Höhe des Trennungsunterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin fehlt es nach Aktenlage ferner an hinreichend greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass der derzeitige Zahlbetrag von 190,00 EUR einen etwaigen Anspruch der Antragsgegnerin auf Geschiedenenunterhalt erheblich übersteigen würde. Dies erscheint aufgrund der – allerdings sehr mageren - Erkenntnisse des Senates zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien vor und nach der Trennung zwar abstrakt durchaus denkbar, aber keinesfalls hinreichend wahrscheinlich, um insoweit eine unzumutbare Härte feststellen zu können. Für das Vorliegen von Verwirkungsgründen fehlt es an einem hinreichend tragfähigen Vorbringen des Antragstellers. Zwar sind nachhaltige ehebedingte Nachteile in dem beruflichen Fortkommen der Antragsgegnerin bisher nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Angesichts einer mit - bis zur Rechtshängigkeit der Scheidung - 22 Jahren doch recht lange Ehedauer, die durch die Betreuung einer gemeinsamen Tochter und jedenfalls in den letzten 15 Jahren gekennzeichnet war durch ein doch wohl deutliches Gefälle in den wechselseitigen Erwerbseinkommen zu Lasten der Antragsgegnerin, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass dieser auch heute noch, also 4 ½ Jahre nach Rechtshängigkeit der Scheidung, ein Anspruch auf Geschiedenenunterhalt zuzuerkennen wäre, der sich auch (noch) in dem Bereich von 190,00 EUR monatlich bewegen könnte, zumal es jedenfalls im Rahmen des § 1578 b BGB nicht allein um die Kompensation ehebedingter Nachteile geht, sondern auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 17. Februar 2010, Az. XII ZR 140/08 – zitiert nach juris).

Im Übrigen fehlt es vorliegend auch und gerade an einer hinreichend gefestigten Grundlage für die Annahme, dass die Antragsgegnerin durch eine zögerliche Mitwirkung in den Folgesachen gezielt den Abschluss des Scheidungsverbundverfahrens erschwert, um möglichst lange von den Trennungsgeldzahlungen profitieren zu können. Derzeit liegt es mit Rücksicht auf die bisherige Verweigerung der Auskünfte insoweit ganz maßgeblich am Antragsteller, dass die – einzig offene - Folgesache Geschiedenenunterhalt nicht abgeschlossen werden kann. Bei dieser Sachlage liegt allein in der Verpflichtung des Antragstellers, fortlaufend Trennungsunterhalt zahlen zu müssen, kein zureichender Härtegrund.

Insgesamt ist daher unter zusammenfassender Würdigung sämtlicher vorgenannter Umstände eine unzumutbare Härte im Sinne von § 628 Abs. 1 Nr. 4 ZPO – jedenfalls derzeit - nicht festzustellen. Da es somit an einem Rechtfertigungsgrund für die Auflösung des Scheidungsverbundes fehlt, war das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zur Wiederherstellung des Verbundes zurückzuverweisen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens wird das Familiengericht im Rahmen der Endentscheidung zu treffen haben. Da die Senatsentscheidung keinen vollstreckbaren Inhalt hat, erübrigt sich ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.

Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48 Abs. 3, 49 Nr. 1, 46 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 2 GKG a.F.