Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 17.02.2015 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 258/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 3. Juli 2013 abgeändert:
Die Urkunde des Landkreises E… vom 22. März 2005, Urkunden-Reg.-Nr. …, wird dahin abgeändert, dass der Antragsteller verpflichtet ist, an den Antragsgegner ab 1. Dezember 2011 monatlich im Voraus Kindesunterhalt in Höhe des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweils zutreffenden Altersstufe (§ 1612 a I BGB) unter Anrechnung der Hälfte des staatlichen Kindergeldes zu zahlen.
Der Antragsteller wird außerdem verpflichtet, an den Antragsgegner 585 Euro sowie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr auf Monatsbeträge von 38 Euro seit dem jeweils Zweiten der Monate Januar bis Mai 2010 und auf Monatsbeträge von 94 Euro seit dem jeweils Zweiten der Monate Juni 2010 bis November 2011 zu zahlen.
Im Übrigen werden der Antrag des Antragsgegners abgewiesen und seine Beschwerde zurückgewiesen.
Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 87 Prozent und der Antragsgegner 13 Prozent.
Dieser Beschluss ist sofort wirksam, soweit der Antragsgegner gegen den Antragsteller eine Forderung vollstreckt, die im Monat vor dem Anbringen des Vollstreckungsantrages oder später fällig geworden ist oder fällig wird.
Der Wert des Verfahrens erster Instanz und der Wert des Beschwerdeverfahrens werden auf je 5.044 Euro festgesetzt.
Die Beteiligten streiten darum, wie sich eine Ersparnis aus gemeinsamer Haushaltsführung und Wegekosten auf die Höhe des von dem Antragsteller geschuldeten Kindesunterhalts auswirken.
I.
Der Antragsgegner ist das im Juni 1998 geborene Kind des Antragstellers. Die Eltern leben getrennt voneinander. Der Antragsgegner wohnt im Haushalt seiner Mutter.
Im Jahr 2004 bezog der Antragsteller aus abhängiger Beschäftigung ein durchschnittliches monatliches Nettoentgelt von 1.283,83 Euro, im Jahr 2005 von 1.424 Euro.
Der Antragsteller verpflichtete sich im März 2005 durch eine Jugendamtsurkunde, dem Antragsgegner Kindesunterhalt in Höhe von 100 Prozent des Regelbetrages unter bedingter Anrechnung des staatlichen Kindergeldes zu zahlen. Wegen des weiteren Inhalts der Urkunde wird auf die Anlage AS 1 (Bl. 6) verwiesen.
Der Antragsteller wohnt in M…. Dort zog er innerhalb der Gemeinde 2011 um, nachdem er eine Wohnung veräußert und ein Einfamilienhaus erworben hatte. Der monatliche Mietwert des bezogenen Grundstücks beträgt 274 Euro. Der Antragsteller hat eine grundstücksbezogene Darlehensrate von monatlich 99 Euro und die Prämie einer Wohngebäudeversicherung von 266,15 Euro jährlich aufzubringen.
Der Antragsteller arbeitet seit 1995 für den selben Arbeitgeber als Fleischer. Der Betrieb wurde 2003 von H… nach D… verlegt. Die Arbeitszeit beginnt um 6 Uhr und endet um 15 Uhr.
Im Jahr 2010 bezog der Antragsteller ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.252,71 Euro und eine Steuererstattung, die sich im Monatsdurchschnitt auf 85,49 Euro belief.
Seit Januar 2010 zahlt der Antragsteller monatlich 240 Euro an den Antragsgegner.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung des Landkreises E…, Jugendamt, vom 22. März 2005, Urkundenregisternummer …, dahingehend abzuändern, dass der Antragsteller rückwirkend ab Januar 2010 lediglich noch einen monatlichen Unterhaltsbetrag von monatlich 240 Euro und beginnend ab März 2011 keinen Unterhalt mehr an den Antragsgegner zu zahlen hat.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen,
und er hat mit einem Widerantrag beantragt,
die Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung des Landkreises E…, Der Landrat, vom 22. März 2005, Urkundenregisternummer: …, beginnend ab 1. Dezember 2011 dahingehend abzuändern, dass der Antragsteller verpflichtet ist, an den Antragsgegner einen monatlichen Kindesunterhalt monatlich im Voraus bis zum 1. eines jeweiligen Monats zu Händen der gesetzlichen Vertreterin und Kindesmutter in Höhe von 334,00 Euro beginnend ab 1. Dezember 2011 zu zahlen,
den Antragsteller zu verpflichten, an den Antragsgegner aufgelaufene Unterhaltsrückstände in Höhe von 1.882,00 Euro für den Zeitraum beginnend vom 1. Januar 2010 bis 30. November 2011 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gem. den §§ 247 S. 1, 288 Abs. 2 BGB ab jeweiliger Fälligkeit aus je 38,00 Euro seit dem 2. Januar 2010, 2. Februar 2010, 2. März 2010, 2. April 2010, 2. Mai 2010, aus je 94,00 Euro seit dem 2. Juni 2010, 2. Juli 2010, 2. August 2010, 2. September 2010, 2. Oktober 2010, 2. November 2010, 2. Dezember 2010, 2. Januar 2011, 2. Februar 2011, 2. März 2011, 2. April 2011, 2. Mai 2011, 2. Juni 2011, 2. Juli 2011, 2. August 2011, 2. September 2011, 2. Oktober 2011, 2. November 2011 an den Antragsgegner zu Händen der Kindesmutter zu zahlen.
Der Antragsteller hat beantragt,
den Antrag des Antragsgegners zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat den Antragsteller für verpflichtet gehalten, eine Nebenbeschäftigung aufzunehmen und in die Nähe seines Arbeitsortes umzuziehen.
Das Amtsgericht hat zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete des von dem Antragsteller in M… genutzten Grundstückes ein Sachverständigengutachten eingeholt, auf das verwiesen wird (Bl. 131 ff.). Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag für teilweise begründet und den Widerantrag für unbegründet gehalten. Es hat die Jugendamtsurkunde auf eine Verpflichtung in Höhe von 240 Euro monatlich von Januar 2010 bis Februar 2011, in Höhe von 186 Euro monatlich von März 2011 bis Dezember 2012 und in Höhe von 136 Euro monatlich ab Januar 2013 abgeändert. Das monatliche durchschnittliche Nettoeinkommen des Antragstellers betrage 1.252,71 Euro. Hinzuzurechnen sei eine Steuererstattung in Höhe von 85,49 Euro monatlich. Da er arbeitstäglich von seinem Wohnort M… nach D… fahre, seien monatliche Fahrtkosten von 476 Euro abzusetzen. Hinzuzurechnen sei der Wohnvorteil, der mit dem sachverständig ermittelten Mietwert von 274 Euro zu veranschlagen sei. Wegen der Arbeitskräftesituation und der langjährigen Tätigkeit des Antragstellers könne ihm nicht zugemutet werden, den Wohnort zu wechseln oder eine andere Anstellung zu suchen.
Der Antragsgegner hat Beschwerde eingelegt.
Er führt seinen erstinstanzlichen Vortrag weiter aus und beantragt,
unter Abänderung des am 3. Juli 2013 verkündeten Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengerichts - Senftenberg, Geschäftsnummer: 31 F 62/11, den Antragsteller in Abänderung der Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung des Landkreises E…, Der Landrat, Jugendamt vom 22. März 2005, Urkunden-Register-Nr.: …, mit gleichzeitiger Zurückweisung der antragstellerseitigen Anträge zu verpflichten,
an den Antragsgegner beginnend am 1. Dezember 2011 einen monatlich im Voraus fälligen Unterhaltsbetrag in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe gem. § 1612 a BGB und
an den Antragsgegner aufgelaufene Unterhaltsrückstände in Höhe von 1.882,00 Euro für den Zeitraum beginnend vom 1. Januar 2010 bis 30. November 2011 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. den §§ 247 S. 1, 288 Abs. 2 BGB ab jeweiliger Fälligkeit aus je 38,00 Euro seit dem 2. Januar 2010, 2. Februar 2010, 2. März 2010, 2. April 2010, 2. Mai 2010, aus je 94,00 Euro seit dem 2. Juni 2010, 2. Juli 2010, 2. August 2010, 2. September 2010, 2. Oktober 2010, 2. November 2010, 2. Dezember 2010, 2. Januar 2011, 2. Februar 2011, 2. März 2011, 2. April 2011, 2. Mai 2011, 2. Juni 2011, 2. Juli 2011, 2. August 2011, 2. September 2011, 2. Oktober 2011, 2. November 2011 zu Händen der Kindesmutter zu zahlen.
Der Antragsteller hat sich der Beschwerde angeschlossen. Er beantragt,
den Antrag des Antragsgegners zurückzuweisen und
die Urkunde über die Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen des Landkreises E…, Jugendamt, vom 22. März 2005, Urkundenregister Nummer … dahingehend abzuändern, dass der Antragsteller rückwirkend ab Januar 2010 lediglich noch einen monatlichen Unterhaltsbetrag von monatlich 240 Euro und beginnend ab März 2011 keinen Unterhalt mehr an den Antragsgegner zu zahlen hat.
Der Antragsteller meint, sein Selbstbehalt dürfe nicht gekürzt werden, weil seine Ehefrau über keine weiteren Einkünfte als das Arbeitslosengeld verfüge. Er behauptet, er habe nicht näher an seinen Arbeitsort ziehen können, weil seine Ehefrau, die er als Zeugin benannt hat, ihm für diesen Fall die Trennung angekündigt habe. Inzwischen habe sie sich von ihm getrennt und sei aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen.
Wegen des weiteren Vortrages der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und auf die Anlagen verwiesen.
Der Senat entscheidet – wie angekündigt (Beschluss vom 31. Juli 2014, Bl. 237) – ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 III, 68 III 2 FamFG).
II.
1. Der Grund der Unterhaltspflicht (§§ 1601, 1602, 1603 BGB) ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Der Beurteilung der gegenseitigen Rechtsmittel ist eine Ermittlung der Unterhaltshöhe gemäß der Jugendamtsurkunde vorauszuschicken, deren Abänderung beide Beteiligte anstreben. So wird deutlich, wie weit die widerstreitenden Anträge reichen:
Aus der Urkunde (Bl. 6) war der Antragsteller verpflichtet, 100 Prozent des Regelbetrages (Ost) abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes zu zahlen, wobei die Anrechnung des Kindergeldes unterbleiben sollte, soweit nicht Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des Regelbetrages geleistet werden kann. Der Regelbetrag (Ost) betrug zuletzt – Ende 2007 – in der damals für den Antragsgegner geltenden zweiten Altersstufe 226 Euro, das nach § 1612 b I a.F. BGB anzurechnende halbe Kindergeld 77 Euro. Der geschuldete Unterhalt von 226 Euro blieb hinter 135 Prozent des Regelbetrages (226 - 1,35 = 305,10 Euro) um 305,10 – 226 = 79,10 Euro zurück, und damit um einen höheren Betrag als das halbe Kindergeld. Das Kindergeld war also nicht anzurechnen (§ 1612 b V a.F. BGB). Der damals geschuldete Betrag belief sich auf 226 Euro. Nach § 36 Nr. 3 Buchst. a EGZPO ist diesem Betrag das halbe Kindergeld hinzuzurechnen und die Summe ins Verhältnis zum Anfang 2008 geltenden Mindestunterhalt zu setzen, um den neuen Prozentsatz zu ermitteln. Dies ergibt – mit Begrenzung, nicht Rundung, auf eine Dezimalstelle – einen neuen Prozentsatz von (226 + 77) : 322 - 100 = 94,0. Der geschuldete Betrag ergibt sich nach Abzug des hälftigen Kindergeldes, so dass der umgerechnete Titel zu Beginn des hier fraglichen Zeitraums im Januar 2010 auf 364 - 0,94 – 92 = 251 Euro, und ab Juni 2010 in der dritten Altersstufe auf 426 - 0,94 – 92 = 309 Euro lautete.
2. Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet, soweit sie sich darauf richtet, den Antragsteller zur Zahlung des Mindestunterhalts zu verpflichten (a). Der auf die Titulierung eines Rückstandsbetrages gerichtete Antrag ist allerdings teilweise unzulässig und die Beschwerde insoweit unbegründet (b).
a) Der Antragsteller ist dem Antragsgegner zur Zahlung des Mindestunterhalts (§ 1612 a I BGB) verpflichtet. Seine Leistungsfähigkeit ist gegenüber dem minderjährigen unverheirateten Antragsgegner anhand seiner gesteigerten Obliegenheit zu bemessen, für einen Erwerb zu sorgen, der zum Bestreiten des Mindestunterhalts jedenfalls ausreicht (§ 1603 II 1 BGB).
aa) Dieser gesteigerten Erwerbsobliegenheit wird der Antragsteller durch die Erwerbstätigkeit in seinem gegenwärtigen Arbeitsverhältnis gerecht. Er ist nicht verpflichtet, eine andere Arbeitsstelle zu suchen.
Der Antragsteller arbeitet seit ungefähr 20 Jahren beim selben Arbeitgeber vollschichtig als Fleischer. Dass diese Tätigkeit seiner Qualifikation entspricht, hat der Antragsgegner nicht bestritten. Die grundsätzliche Obliegenheit, zum Bestreiten des Mindestunterhalts eine andere, besser bezahlte Anstellung zu suchen, wird durch das Risiko begrenzt, das mit dem Wechsel aus einer gesicherten in eine neue und entsprechend unsichere Anstellung verbunden ist. Der Antragsteller darf nach der langen Zeit beim selben Arbeitgeber seine Anstellung für so gesichert halten, dass er sie selbst dann nicht aufgeben müsste, wenn ein anderer, besser bezahlter Arbeitsplatz zur Verfügung stünde. Der Antragsgegner, der die Höhe sowohl des erzielten als auch des erzielbaren Gehalts vorzutragen hat, hat nicht versucht, dem Antragsteller vorzuhalten, er könne in seinem Beruf oder in einer anderen mit seiner Qualifikation erreichbaren Tätigkeit ein so viel höheres Gehalt erzielen, dass dafür das Risiko der Kündigung einer gesicherten Stellung hinzunehmen wäre.
bb) Der Antragsteller hat aber seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit in ihrer Ausprägung als Obliegenheit zur Minderung des Aufwandes verletzt. Er hat nicht schlüssig dargelegt, weshalb er gezwungen sein sollte, die beträchtlichen Wegekosten aufzuwenden. Er hat vorgetragen, sein Arbeitgeber habe den Betrieb vor zwölf Jahren nach D… verlegt. Er hätte sich bemühen müssen, näher an seinen Arbeitsort zu ziehen. Statt dieser Obliegenheit nachzukommen, ist er 2011 in M… umgezogen. Es lässt sich der Ersparnis geringerer Wegekosten daher nicht der Aufwand der Umzugskosten entgegenhalten, denn diese Kosten hat der Antragsteller aufbringen können – allerdings ohne dadurch den Vorteil eines kürzeren Arbeitsweges zu erreichen.
Der Antragsteller hat eingewandt, er habe nicht umziehen können, weil seine Ehefrau ihm für diesen Fall die Trennung angekündigt habe. Sie habe auf keinen Fall umziehen wollen. Dieser Behauptung braucht der Senat nicht nachzugehen, weil sie nicht mit der nötigen Substanz vorgetragen ist. Auf das Bestreiten des Antragsgegners hätte der Antragsteller das Entstehen und die Unüberwindbarkeit der behaupteten Weigerung seiner Ehefrau näher darlegen müssen. Gerade bei einem vielschichtigen, komplizierten Sachverhalt, in dem viele einzelne, kleinere Gesichtspunkte zusammenwirken, besteht schon ohnehin eine gesteigerte Substantiierungslast, und sie verschärft sich mit dem Bestreiten der Gegenseite. Wenn es darauf ankommt, den bestrittenen Vortrag auf Widerspruchsfreiheit und ein Mindestmaß an Plausibilität zu prüfen und angetretene Beweise zu erheben, reicht es nicht aus, einen Wirkungszusammenhang nur durch grobes Schildern einer Ursache und eines Ergebnisses zu beschreiben, um es etwa genügen zu lassen, dass ein benannter Zeuge dies in dieser Allgemeinheit wiederholt oder sogar nur eine pauschale Bestätigung bekundet. Es bedarf dann des Behauptens einzelner Bestandteile des Gesamtsachverhalts, die je für sich geprüft werden können.
So hätte der Antragsteller vortragen müssen, wann und wie oft er die Frage eines Umzuges in die Nähe seines Arbeitsortes mit seiner Ehefrau erörtert hat, welche Argumente von wem dafür und dagegen zur Sprache gebracht wurden. Eine so gewichtige Ankündigung wie das Aufkündigen einer Ehe wegen der Unstimmigkeit über einen Wohnortwechsel muss in einer Vielzahl überprüfbarer Einzelheiten geschildert werden können, die über die bloße, kurze, pauschale Behauptung des Antragstellers weit hinausreicht.
Der Verstoß gegen die Obliegenheit, die Wegekosten durch einen Umzug herabzusetzen, führt dazu, dass einerseits die angesetzten Fahrtkosten nicht vom Einkommen des Antragstellers abgezogen werden können, dass aber andererseits die Steuererstattung nicht hinzugerechnet wird, weil Überwiegendes dafür spricht, dass hohe Werbungskosten, nämlich die Wegekosten, zur Erstattung der gezahlten Lohnsteuer geführt hat.
cc) Der Wohnvorteil ist dem Einkommen des Antragstellers hinzuzurechnen. Dies beruht auf der Annahme (§§ 113 I FamFG, 287 II ZPO), dass der Antragsteller seine bei Wegfall der Wegekosten noch gesteigerte wirtschaftliche Leistungskraft auch bei einem Umzug in die Nähe seiner Arbeitsstelle zum Erwerb eines Eigenheimes genutzt hätte.
Der Wohnvorteil bildet wirtschaftlichen Vorteil des Eigentümers gegenüber einem Mieter ab. Unterhaltsrelevant bestimmt dieser Vorteil zugleich den Bedarf des Kindes, der den wirtschaftlichen Verhältnissen des unterhaltspflichtigen Elternteils entspricht, und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Zum Wohnvorteil gehören daher nur die Beträge, um die der Eigentümer billiger wohnt als der Mieter (Wendl/Dose-Gerhardt, UnterhR, 8. Aufl. 2011, § 1 Rdnr. 499 f.). Die Gebäudeversicherungsprämien sind deshalb nicht abzuziehen, weil sie über die umgelegten Betriebskosten (§§ 556 I BGB, 2 Nr. 13 BetrKV) den Mieter ebenso belasten wie den Eigentümer.
Als Wohnvorteil dem Einkommen hinzuzurechnen ist mithin allein der um den Darlehensaufwand (99 Euro) gekürzte Wohnwert (274 Euro), also 175 Euro.
dd) So ergibt sich anhand der nicht angegriffenen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung aus einem Nettoeinkommen von 1.252 Euro und einem Wohnvorteil von 175 Euro ein unterhaltsrelevantes Einkommen von 1.427 Euro. Dieses Einkommen reicht selbst bei Berücksichtigung des inzwischen – seit Jahresbeginn 2015 – auf 1.080 Euro angehobenen notwendigen Selbstbehalts (Nr. 21.2 UL) aus, um den Mindestunterhalt (derzeit ein Zahlbetrag von 334 Euro) aufzubringen. Es braucht deshalb nicht erörtert zu werden, ob während des Zusammenlebens mit der Ehefrau eine Kürzung des Selbstbehalts angemessen war, und ebenso kann ungeklärt bleiben, ob dieses Zusammenleben inzwischen beendet ist.
b) Für die Zeit von Januar 2010 bis November 2011 hat der Antragsgegner nicht die Abänderung der Jugendamtsurkunde in einen auf den Mindestunterhalt lautenden dynamischen Titel verlangt, sondern die Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung des Geldbetrages, um den der von dem Antragsteller gezahlte Betrag von monatlich 240 Euro hinter dem Mindestunterhalt zurückbleibt.
Diesem Antrag kann nicht stattgegeben werden, soweit sich die Zahlungspflicht des Antragstellers bereits aus der – nicht abgeänderten – Jugendamtsurkunde ergibt. In Höhe des dort – nach Umrechnung – ausgewiesenen Betrages steht dem Antragsgegner ein Titel zur Verfügung, aus dem er gegen den Antragsteller vollstrecken kann. Eine erneute, doppelte Titulierung ist nicht zulässig.
Zulässig und begründet ist der Antrag nur, soweit der von dem Antragsteller geschuldete Mindestunterhaltsbetrag über den in der Urkunde bereits titulierten Betrag hinausreicht. Für die Monate Januar bis Mai 2010 beläuft sich dieser Betrag auf (278 – 251) - 5 = 135 Euro und nach dem Aufrücken in die nächste Altersstufe für die Monate Juni 2010 bis November 2011 auf (334 – 309) - 18 = 450 Euro.
Ein über die Urkunde hinausreichendes Titulierungsinteresse steht dem Antragsgegner auch in Bezug auf die geltend gemachten Verzugszinsen (§§ 286 I, II Nr. 1, 288 I BGB) zu, weil sich diese Pflicht nicht aus der Urkunde ergibt.
3. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers ist unbegründet, weil sein Abänderungsantrag unzulässig ist.
Wer die Abänderung eines Titels begehrt, hat die Umstände und Verhältnisse darzulegen, die zu seiner Errichtung geführt haben. Dieser aus der Handhabung des Anpassungsanspruches bekannte allgemeine Grundsatz (vgl. BGH, NJW 1991, 1478, 1479 – Salome I) gilt auch im Verfahren zur Abänderung einer Jugendamtsurkunde (§ 239 FamFG) (BGH, NJW-RR 2007, 779, 780; OLG München, FamRZ 2002, 1271). Der Unterhaltspflichtige kann sich von einem einseitigen Anerkenntnis seiner laufenden Unterhaltspflicht nur dann lösen, wenn sich eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Umstände, des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die Höhe seiner Unterhaltspflicht auswirkt (BGHZ 189, 284, Abs. 26). Der Antragsteller hat, um einen zulässigen Antrag zu stellen, vollständig darzulegen, welche Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu dem Inhalt der Urkunde geführt haben, deren Abänderung er begehrt (Wendl/Dose, § 6 Rdnr. 746; Wendl/Dose-Schmitz, § 10 Rdnr. 242; Keidel-Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 239 Rdnr. 24).
Ein abhängig Beschäftigter hat dazu den Jahresdurchschnitt seines Gehalts zur Zeit der Errichtung der Urkunde und alle weiteren Umstände vorzutragen, die damals aus seiner Sicht für die Beurteilung seiner Unterhaltspflicht maßgeblich waren. Gerade wenn in Betracht kommt, dass der Selbstbehalt bei der Bemessung der Unterhaltshöhe eine Rolle spielen kann, muss sich aus den Darlegungen ergeben, ob der Unterhaltsschuldner schon bei der Errichtung der Urkunde eine Unterschreitung des Selbstbehalts in Kauf genommen hat und weshalb er meint, sich aus dieser damals übernommenen Bindung lösen zu können.
Der Antragsteller meint, eine solche Bindung bestehe nicht. Er nimmt dafür Meyer-Holz in Anspruch (Schriftsatz vom 15. Oktober 2014, S. 2 = Bl. 273), der allerdings an der vom Antragsteller angeführten Stelle (Keidel-Meyer-Holz, § 239 Rdnr. 34) die fehlende Bindung des Unterhaltsberechtigten an die einseitige Erklärung des Unterhaltspflichtigen erläutert, während er die Bindung des Unterhaltspflichtigen an seine Erklärung an der oben genannten Stelle (§ 239 Rdnr. 24 f.) ausführlich darlegt.
Der Antragsteller hat für die Zeit der Errichtung der Urkunde im März 2005 maßgebliche Umstände auch nach dem Hinweis des Senats (Verfügung vom 8. September 2014, Bl. 256) nicht vollständig dargelegt. Er hat das bezogene durchschnittliche monatliche Nettoentgelt für 2004 mit 1.283,83 Euro und für 2005 mit 1.424 Euro angegeben. Setzt man – obwohl dies nicht vorgetragen ist – gleiche Wegekosten (monatlich 476 Euro) wie in dem hier umstrittenen Zeitraum ab 2010 voraus, so fehlt dennoch ein maßgeblicher Umstand zur Bemessung der damaligen unterhaltsrelevanten Leistungsfähigkeit des Antragstellers, nämlich die Höhe des Wohnvorteils. Die Urkunde ist vor dem Umzug von der Eigentumswohnung in das Einfamilienhaus errichtet worden. Es kann deshalb nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass damals der Mietwert und die anzurechnenden Beträge, die Kreditbelastung und die Gebäudeversicherungsprämie, so anzusetzen sind wie nach dem Umzug.
Den Anforderungen an die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags genügt der Antragsteller nicht, indem er darlegt, ihm verbleibe heute ein Betrag unterhalb des Selbstbehalts, weil sich die Selbstbehaltsbeträge seit der Errichtung der Urkunde erhöht hätten. Daraus kann ohne weitere Erläuterungen weder auf die zur Zeit der Errichtung maßgeblichen Verhältnisse noch auf deren Änderung geschlossen werden. Es kommt in Betracht, dass der Antragsteller schon damals, im Jahre 2005, in Kauf nahm, dass der notwendige Selbstbehalt von damals 890 Euro durch die Unterhaltszahlung von zunächst 222 Euro, dann von 100 Prozent des Regelbetrages (Ost) (Bl. 6), berührt werde. Setzt man Steuererstattung, Fahrtkosten – die der Antragsteller damals ebenso wie heute für abzugsfähig hielt – und Wohnvorteil mit den heute maßgeblichen Werten an, dann standen dem Antragsteller damals 1.284 + 80 – 476 + (274 – 99) = 1.063 Euro zur Unterhaltsleistung zur Verfügung. Die Zahlung von 222 Euro berührte danach den notwendigen Selbstbehalt. Es kann in dieser Lage nicht auf eine vollständige Darlegung der 2005 maßgeblichen Verhältnisse verzichtet werden. Ein großzügiges Übergehen der Darlegungsobliegenheiten könnte den Antragsteller nicht zum Erfolg seines Abänderungsantrages führen, weil er sich an der damals eingegangenen Bindung festhalten lassen müsste, nach der es auf ein Unterschreiten des Selbstbehalts durch die Unterhaltszahlung nicht ankommen sollte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG, die Wertfestsetzung auf den §§ 55 II, III 1 Nr. 2, 51 I, II FamGKG und die Entscheidung zur sofortigen Wirksamkeit auf § 116 III FamFG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 II FamFG), besteht nicht.