Gericht | VG Potsdam 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 23.04.2012 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | VG 8 K 1143/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Gerichtsbescheid | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Dem Kläger gehört eine Souterrainwohnung in einem Mehrfamilienhaus unter der postalischen Anschrift ... 22 in ... ..., Ortsteil ... . Die weiteren im Mehrfamilienhaus befindlichen vier Wohn- und zwei Gewerbeeinheiten sind an die öffentliche zentrale Entwässerungsanlage des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „... “ angeschlossen. Lediglich die im Sondereigentum des Klägers stehende Wohnung entwässert in eine abflusslose Sammelgrube, welche letztmalig im Jahr 2010 abgefahren worden ist. Nach Angaben des Klägers sind in den Jahren 2008 bis 2010 ca. 2 m³ Schmutzwasser angefallen.
Mit Bescheid vom 12. April 2010 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger fest, dass sein Grundstück ... 22 in ... ..., Ortsteil ... dem Anschluss- und Benutzungszwang bezüglich der leitungsgebundenen öffentlichen Entwässerungsanlage unterliegt (Ziffer 1 der Verfügung). Es wurde ihm aufgegeben, das Grundstück bis zum 10. Mai 2010 an die Kanalisation anzuschließen (Ziffer 2 der Verfügung). Unter Ziffer 4 drohte ihm der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 Euro für den Fall an, dass er nicht fristgerecht der Anschlussverfügung nachkomme.
Unter dem 4. Mai 2010 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die abflusslose Sammelgrube habe stets beanstandungsfrei gearbeitet. Für die Jahre 2005 bis 2009 könne lediglich ein Wasserverbrauch von 12,987 m³ festgestellt werden. Zugleich bat er um Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für die öffentliche Entwässerungsanlage des Zweckverbands.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 2. Juni 2010 zurück und lehnte den Antrag auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang ab.
Der Kläger hat am 28. Juni 2010 die vorliegende Klage erhoben. Er wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Verfügung des Beklagten vom 12. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2010 aufzuheben, soweit der Beklagte den Anschluss- und Benutzungszwang für seine Souterrainwohnung …. 22 in ... festgestellt und ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- € angedroht hat;
hilfsweise
den Beklagten zu verpflichten, den Kläger entsprechend seinem Antrag vom 4. Mai 2010 zu verpflichten, ihn vom Anschluss- und Benutzungszwang an die öffentliche Entwässerungsanlage zu befreien.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, dass der Kläger dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliege, wie er in § 5 Abs. 1 der Satzung für die Entwässerung von Schmutzwasser mittels leitungsgebundener Entwässerungsanlagen des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „... “ vom 2. September 2009 - Entwässerungssatzung - i. F. EWS - vorgeschrieben sei. Die Voraussetzungen des Anschluss- und Benutzungszwanges lägen vor, da das Grundstück des Klägers mit einem Mehrfamilienwohnhaus bebaut sei und seine Wohnung zwei bis dreimal pro Jahr genutzt werde. Die Überlassungspflicht bestehe für alle Abwasserbeseitigungspflichtigen. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 68 Brandenburgisches Wassergesetz sei der Beklagte zur Beseitigung des auf seinem Gebiete anfallenden Abwassers verpflichtet. Ein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang liege nicht vor, denn dem Kläger sei der Anschluss seiner Wohnung und die Benutzung der Kanalisation zumutbar. Die voraussichtliche Höhe der Anschlusskosten von 5.000,- € stelle keine unzumutbare Belastung dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang des Beklagten (1 Hefter Bl. 1-32) hat vorgelegen und ist zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden.
Der Berichterstatter kann den Rechtsstreit als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Zum einen ist ihm nach vorheriger Anhörung der Beteiligten der Rechtsstreit durch Beschluss vom 27. Oktober 2010 nach § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zur Entscheidung übertragen worden. Zum andern kann der Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist. Die Beteiligten sind hierzu nach § 84 Abs. 1 Satz 2 gehört worden (Bl. 37-46 der Gerichtsakte).
Das Begehren des Klägers ist nach Maßgabe seiner Klageschrift vom 26. Juni 2010 in der obigen Weise nach § 88 VwGO auszulegen. Der Kläger verfolgt erkennbar das Rechtschutzziel, von dem Anschluss- und Benutzungszwang auf welchem Weg auch immer verschont zu bleiben. Diesem Ziel dient der Hauptantrag, der in der Form eines Anfechtungsantrags auf das Nichtbestehen eines Anschluss- und Benutzungszwangs abstellt und zugleich die Androhung eines Zwangsgeldes zu beseitigen sucht. Ferner begehrt der Kläger, wie aus dem Vorverfahren deutlich wird, für den Fall, dass seine Wohnung dem Anschluss- und Benutzungszwang grundsätzlich unterliegt, hiervon befreit zu werden.
Beide Anträge bleiben ohne Erfolg, denn die Verfügung des Beklagten vom 12. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2010 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -; ein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss und Benutzungszwang von der zentralen Entwässerungsanlage des Beklagten besteht nicht, § 113 Abs. 5 VwGO.
1.
Die Klage ist bezüglich beider Anträge zulässig. Insbesondere ist die Durchführung eines weiteren Vorverfahrens bezüglich des abgelehnten Befreiungsantrags vom 4. Mai 2010 entbehrlich gewesen. Der Beklagte hat sich nämlich auf das darauf bezogene Vorbringen im Prozess rügelos eingelassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.1980 - 2 A 4/78 -, DVBl. 1981, 503 m. w. N.) und damit den Weg für eine unmittelbare gerichtliche Geltendmachung des Befreiungsbegehrens eröffnet.
2.
Das Sondereigentum des Klägers unter der postalischen Anschrift ... 22 in ... unterliegt dem Anschluss- und Benutzungszwang nach § 5 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 der Entwässerungssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „... “ vom 2. September 2009. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EWS ist ein Grundstück bebaut, wenn auf ihm dauerhaft oder vorübergehend bauliche Anlagen vorhanden sind, bei deren Benutzung Schmutzwasser anfallen kann. Dies ist im Falle der Souterrainwohnung des Klägers offenkundig der Fall, wenn auch in geringem Umfang. Ein Anschlusszwang besteht nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EWS nur dann nicht, wenn der Anschluss rechtlich, tatsächlich oder wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwands nicht möglich ist. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, denn die Entsorgung des Schmutzwassers, selbst wenn in den vergangenen Jahren nur geringfügige Mengen angefallen sind, ist nicht schon deshalb unverhältnismäßig. Der zeitweilig geringe Umfang des Schmutzwasseranfalls spielt bei der grundsätzlichen Erwägung, ob ein Grundstück anzuschließen ist, keine erhebliche Rolle, weil sich das Nutzungsverhalten rasch, gleichsam von einem Tag auf den anderen Tag ändern kann und auch für diesen Fall die ordnungsgemäße Entsorgung des Abwasser gewährleistet sein muss. Ob die ordnungsgemäße Entsorgung im Sinne eines umfassenden Grundwasserschutzes zur Zeit überhaupt gewährleistet ist, ist offen, denn die Sammelgrube ist noch nie einer Dichtigkeitsprüfung unterzogen worden.
Hiergegen kann nicht eingewandt werden, dass der Einbau einer Hebeanlage und die sonstigen Tiefbaumaßnahmen zur Weiterbeförderung des Schmutzwassers in die Kanalisation mit vom Kläger geschätzten Kosten von 5000,- Euro unverhältnismäßig teuer wäre. Hierzu hat die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam bereits mit Urteil vom 30. Januar 2002 in grundsätzlicher Weise ausgeführt, dass die finanzielle Folgebelastung des Grundstückseigentümers aus seiner Verpflichtung zur Herstellung des Haus- und Grundstücksanschlusses bzw. zum Kostenersatz grundsätzlich keinen Befreiungsanspruch begründen kann. Denn die aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgende Zumutbarkeitsgrenze sei im Hinblick auf die überragende Bedeutung, die dem Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen und dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zukommt, hoch anzusetzen, so dass einem Grundstückseigentümer auch erhebliche finanzielle Lasten auferlegt werden können. Dementsprechend werde bei einem Wohngrundstück das zumutbare Maß nicht überschritten, wenn die Kosten für die Anschließung des Grundstückes einschließlich Anschlussbeitrags einen Betrag von 50.000,- DM nicht erreichen (Aktenzeichen: 8 K 2477/01, zitiert nach juris, Rn. 74, 75 m. w. N. zur Rechtsprechung u. a. OVG Münster, Urteil vom 13. November 1990 - 22 A 433/90 -). Diese Entscheidung ist durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. Juli 2003 (Aktenzeichen: 2 A 316/02 - zit. nach juris) bestätigt worden. Diese für die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang geltenden Kriterien sind bei Auslegung der Voraussetzungen des Anschluss- und Benutzungszwangs nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EWS gleichfalls zu berücksichtigen.
3.
Die Androhung des Zwangsgeldes unter Ziffer 4 der Verfügung ist rechtmäßig, denn sie beruht auf §§ 15 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 23 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg - VwVG Bbg. Zum einen liegt ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt vor, der auf die Vornahme einer Handlung abzielt und infolge der unter Ziffer 3 der Verfügung angeordneten Sofortvollzugs vollziehbar nach § 15 Abs. 1 VwVG Bbg ist. Zum anderen ist die Zwangsgeldandrohung nach §§ 20 Abs.1, 23 Abs. 1 Satz 1 VwVG Bbg ordnungsgemäß schriftlich angedroht, in zulässiger Weise mit der Anschluss- und Benutzungsverfügung nach § 23 Abs. 2 VwVG Bbg verbunden und nach § 23 Abs. 6 Satz 1 VwVG Bbg zugestellt worden. Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 18 VwVG Bbg sind nicht ersichtlich.
4.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang nach § 6 EWS. Nach § 6 Abs. 1 EWS kann der Zweckverband den Verpflichteten auf Antrag ganz oder zum Teil befreien, wenn dem Verpflichteten der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung des Erfordernisses des Gemeinwohls nicht zumutbar ist. Insoweit wird auf die obigen Feststellungen zum Anschluss- und Benutzungszwang nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EWS Bezug genommen. Ferner ist auf die die überzeugende Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder), welche nunmehr auch vom OVG Berlin-Brandenburg fortgeführt worden ist (Beschluss vom 20. Oktober 2009 - OVG 9 S 16.09 -, zitiert nach juris, Rz. 8) zu verweisen. Es müssten danach atypische Umstände vorliegen, die im Einzelfall zur Unzumutbarkeit der Befolgung des Anschluss- und Benutzungszwangs führen müssten. Solche Umstände hat der Kläger nicht dargelegt. Entgegen seiner Ansicht steht es nicht schlicht „im Ermessen“ des Wasser- und Abwasserzweckverbandes „... “, ihn vom Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien. Erst wenn atypische Umstände hinreichend substantiiert dargelegt worden sind, kann einem solchen Befreiungsantrag entsprochen werden. Die Situation, in der sich der Kläger befindet, unterscheidet sich nicht in erheblicher Weise von der anderer Anschlussverpflichteter, welche zuvor ihr Abwasser über eine abflusslose Sammelgrube gesammelt und anschließend dezentral entsorgen ließen. Die mögliche Weiterbenutzung einer Sammelgrube stellt keinen Umstand dar, der zu einer Befreiung führen könnte, dergleichen folgt auch nicht aus dem Alter des Klägers und der geringfügigen Benutzung seiner Ferienwohnung, welche angesichts der vielen Wochenendgrundstücke im Umland von Berlin keinen atypischen Einzelfall darstellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 8.000,- € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes, wonach das Interesse des Klägers am Ausgang des Rechtsstreits in der Weise maßgeblich ist, dass er zum einen die Anschlusskosten als auch die nachfolgenden Benutzungskosten vermeiden will. Da der Kläger die Anschlusskosten nachvollziehbar mit 5.000,- € beziffert hat, war von diesem Betrag auszugehen und mangels anderweitiger Anhaltspunkte ein hälftiger Auffangwert für die Kosten der weiteren Benutzung der leitungsgebundenen Entwässerungsanlage des Zweckverbandes hinzuzufügen. Das Interesse des Klägers an der Beseitigung der Zwangsgeldandrohung ist mit der Hälfte des angedrohten Zwangsgeldes, also 500,- Euro, gesondert berücksichtigt worden.