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Statusfeststellung - abhängige Beschäftigung - Arzt im Gesundheitsamt - Sozialversicherungspflicht - Honorartätigkeit - Einschulungsuntersuchung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 28. Senat Entscheidungsdatum 22.12.2020
Aktenzeichen L 28 BA 83/18 ECLI ECLI:DE:LSGBEBB:2020:1222.L28BA83.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2018 aufgehoben.

Die Klagen werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Ärztin für das ebenfalls klagende Land in der Zeit vom 15. Oktober 2013 bis 31. Januar 2014 sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Die 1965 geborene Klägerin ist Fachärztin für Pädiatrie. Sie schloss am 26. Juni 2013 mit dem Kläger einen Dienst-Vertrag als „Honorarkraft“ für die Zeit vom 15. Oktober 2013 bis 31. Januar 2014 über die Durchführung von Einschulungsuntersuchungen gemäß § 55a des Schulgesetzes für das Land Berlin (§ 1 des Vertrages). Als Honorar für die Dienstleistung wurde pro geleisteter Einschulungsuntersuchung die Zahlung von 60 € einschließlich der gesetzlichen Umsatzsteuer vereinbart (§ 2 des Vertrages). Hiermit sollten sämtliche der Honorarkraft entstehenden Nebenkosten und Nebenarbeiten wie z.B. Vorbereitungen und Arbeitsbesprechungen abgegolten sein (§ 4 des Vertrages). Die Klägerin sei als Honorarkraft verpflichtet, die Dienstleistung persönlich zu erbringen (§ 5 des Vertrages) und die für den öffentlichen Dienst geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen und die ärztliche Schweigepflicht zu wahren (§ 7 des Vertrages).

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 17. Februar 2014 die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Hierzu erklärte sie mit Schreiben vom 17. März 2014, die Tätigkeit sei von ihr an zuvor ihrerseits festgelegten Tagen und Stunden durchgeführt worden. Sie habe pro Einschulungsuntersuchung zwischen 30 Minuten und 2 Stunden benötigt. Sie habe mit einer Helferin zusammengearbeitet, die ihr die Akten zur Verfügung gesellt und auf ihren Wunsch Kinder einbestellt habe. Die Vergütung sei pauschal pro untersuchtem Kind erfolgt. Sie habe über eine eigene Privathaftversicherung verfügt. Sie habe keine Urlaubstage gehabt und sei nicht in das Team eingebunden gewesen. Seit dem 1. Februar 2014 sei sie im Rahmen einer regulären Teilzeitstelle im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Klägers tätig und damit Mitglied des Teams; die Tätigkeit sei nunmehr viel weitreichender, sie habe jetzt feste Arbeitszeiten und Urlaubstage. Der Kläger beantragte bei der Beklagten festzustellen, dass keine Beschäftigung vorliege, und hat insofern ausgeführt, es gebe im Fachgebiet weitere Kinderärzte, aber keine, die nur Einschulungsuntersuchungen machten. Die Klägerin habe Gutachten gefertigt und sei dafür selbst verantwortlich (Schreiben vom 10. Juni 2014).

Nach Anhörung der Kläger – insofern ergänzte die Klägerin u.a., sie habe ihre Tätigkeit völlig frei gestaltet und in eigener Regie durchgeführt (Schreiben vom 30. Juni 2014) – stellte die Beklagte fest, die Klägerin habe ihre Tätigkeit als Ärztin beim Bezirksamt von B im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Insofern bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 15. Oktober 2013 (Bescheid vom 11. Juli 2014). Die Widersprüche des Klägers – dieser hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Tätigkeit der Klägerin sei in einer der 4 regionalen Einrichtungen des Kinder- und Jugenddienstes, zuständig für 31 Grundschulen, für die vom Gesundheitsamt regelmäßig durchzuführenden Untersuchungen von Vorschulkindern zu leisten gewesen, aufgrund des gesetzlichen Auftrags habe sie die Untersuchungen nicht im eigenen Namen durchführen dürfen, sondern sei im Verhältnis zu Einschulungskindern im Namen des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes aufgetreten, ihre unbefristete Teilzeittätigkeit seit dem 1. Februar 2014 umfasse neben der bisherigen Aufgabe der Durchführung der Einschulungsuntersuchungen auch die Beratung von Schulen, Jugendschutzgesetzuntersuchungen und Untersuchungen in Kindertagesstätten – und der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2015 zurück. Die Klägerin habe in der Zeit vom 15. Oktober 2013 bis 31. Januar 2014 für das Bezirksamt von B Einschulungsuntersuchungen durchgeführt. Die Tätigkeit sei in die vom Gesundheitsamt regelmäßig durchzuführenden Untersuchungen von Vorschulkindern eingebettet gewesen. Die Klägerin habe das Gesundheitsamt um ihre Arbeitskraft ergänzt und unterscheide sich nicht von den dort angestellten Ärzten. Sie habe ausschließlich am Betriebssitz des Klägers gearbeitet und sei insofern funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig gewesen. Sie sei als Ärztin des Gesundheitsamtes wahrgenommen worden. Ein unternehmerisches Risiko habe sie nicht eingegangen.

Die nachfolgend am 13. Mai 2015 vor dem Sozialgericht Berlin erhobene Klage der Klägerin – S 111 KR 1323/15 – hat das Sozialgericht zu der ebenfalls am 13. April 2015 erhobenen Klage des Klägers verbunden (Beschluss vom 9. Juli 2015). Nach Beiladung der weiteren Sozialversicherungsträger hat das Sozialgericht mit Urteil vom 14. Juni 2018 den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2015 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für den Kläger im Zeitraum vom 15. Oktober 2013 bis zum 31. Januar 2014 nicht der Sozialversicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin habe nicht die Letztentscheidungsbefugnis über die Schultauglichkeit der von ihr untersuchten Kinder zugestanden, sondern ihr sei lediglich eine beratende Funktion zugekommen. Nach der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sei die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass vorliegend die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände überwögen. Die vertragliche Regelung spreche zweifelsfrei für den Willen der Beteiligten, keine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung zu begründen. Der Vertragsinhalt enthalte allerdings Merkmale auch für eine abhängige Beschäftigung im Hinblick auf die Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistungserbringung. Maßgeblich gegen die Eingliederung der Klägerin in eine fremde Betriebsorganisation spreche deren völlige zeitliche Weisungsfreiheit. Sie habe zwar einen bereitgestellten Computer genutzt und mit einer Arzthelferin zusammengearbeitet. Sie sei aber nicht zur Teilnahme an Dienstbesprechungen oder Durchführung von Fortbildungen verpflichtet gewesen. Unabhängig von der Dauer der jeweiligen Untersuchung sei ihr stets dasselbe Honorar gezahlt worden.

Gegen das ihr am 9. Juli 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. August 2018 Berufung eingelegt und ihr bisheriges Vorbringen vertieft. Nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung überwögen hier entgegen der Würdigung des Sozialgerichts die für ein Beschäftigungsverhältnis sprechenden Merkmale. Im Rahmen der jeweiligen Einzelaufträge habe die Klägerin dieselben Tätigkeiten ausgeübt wie die festangestellten Mitarbeiter des Klägers sowie sie selbst im Anschluss an den streitbefangenen Zeitraum. Im Übrigen sei die Tätigkeit der festangestellten Ärzte nicht mit denen der Klägerin im gegenständlichen Zeitraum vergleichbar gewesen. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht getragen worden. Ein fehlender Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bei Urlaub sei kein Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Schließlich sei die Durchführung einer Einschulungsuntersuchung gemäß § 55a des Schulgesetzes des Landes Berlin vorgeschrieben, welches eine Eingliederung in die Betriebsorganisation des Klägers erfordere.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend und tragen unter Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens im Wesentlichen vor: Nach der tatsächlich gelebten schriftlichen Vereinbarung sei von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen. Die Klägerin sei völlig weisungsfrei und nicht in die betriebliche Organisation des Klägers eingegliedert gewesen. Lediglich die Art der zu erbringenden Dienstleistung, nämlich die Durchführung der jeweiligen Einschulungsuntersuchungen, sei vertraglich vorgegeben gewesen. Der inhaltliche und fachliche Umfang der Tätigkeit der Klägerin sei nicht gleichzusetzen mit der der angestellten Ärztinnen und Ärzte. Sie habe sich in der Durchführung der Schuleingangsuntersuchung erschöpft. Die Vergütung sei nur für geleistete Untersuchungen gezahlt worden, woraus ein unternehmerisches Risiko folge. Die gesetzliche Verpflichtung für die Durchführung von Einschulungsuntersuchungen erfordere nicht, dass die Tätigkeiten nur in abhängiger Beschäftigung durchgeführt werden könnten.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer schriftlichen Entscheidung der Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 27. November 2020 erörtert. Auf die Niederschrift Blatt 222 f. der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, die vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) Berufung der Beklagten, über die die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung entsprechend den vorliegenden Einverständnissen der Beteiligten entscheiden konnte (vgl. §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) ist begründet. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 11. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2015, mit dem die Beklagte gegenüber den Klägern festgestellt hat, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Ärztin für das Gesundheitsamt des Klägers in der Zeit vom 15. Oktober 2013 bis 31. Januar 2014 im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe und dementsprechend Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Das Sozialgericht hat den gegenständlichen und mit der statthaften Anfechtungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 12 R 8/18 R – juris) angefochtenen Bescheid der Beklagten (mit Doppelwirkung; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Juli 2020 – L 4 BA 3646/18 – juris Rn. 64), der rechtmäßig ist, zu Unrecht aufgehoben.

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV hier zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet nach Maßgabe der Absätze 3 bis 5 der Vorschrift aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). § 7a Abs. 6 SGB IV regelt den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2).

Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art wie der gegenständlichen – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr., vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris Rn. 15; vom 30. März 2015 – B 12 KR 17/13 R – juris Rn. 15 – jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien vorzunehmenden Abgrenzung Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – juris Rn. 6 ff.). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – a.a.O. m.w.N.).

Das Gesamtbild der Arbeitsleistung bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist insofern regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu ist zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel“ handelt, der u.U. als Scheingeschäft i.S. des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, mit der Folge, dass ggf. der Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen ist. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – juris Rn. 17 m.w.N.). Zusammenfassend ist auf die tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen des rechtlich Zulässigen abzustellen, wenn sie von den getroffenen Vereinbarung abweichen. Insofern gelten auch für die Beurteilung der Tätigkeit von sogenannten Honorarärzten keine abweichenden Maßstäbe. In seinen Entscheidungen vom 4. Juni 2019 (vgl. BSG, Urteile vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R – juris Rn. 19 f.; – B 12 KR 14/18 R – juris Rn. 24 f.; – B 12 R 22/18 R – juris Rn. 17 f.) hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass die Bezeichnung als Honorararzt kein besonderes ärztliches Tätigkeitsbild im sozialversicherungsrechtlichen Sinn kennzeichnet und auch die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder erfolgt. Maßgeblich sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts. Ein vollständiger Gleichklang des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs mit dem Beschäftigungsbegriff nach § 7 SGB IV besteht nicht.

Ausgehend von diesen Grundsätzen und nach entsprechender Gewichtung der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkte war die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit im Gesundheitsamt des Klägers im gegenständlichen Zeitraum abhängig beschäftigt.

Für die Beurteilung insofern ist auf die jeweiligen Einzeleinsätze der Klägerin, mithin die durchgeführten Einschulungsuntersuchungen abzustellen. Der dieser Tätigkeit zugrunde liegende „Dienst-Vertrag“ zwischen den Klägern vom 26. Juni 2013 weist zwar darauf hin, dass formal nicht die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses gewollt war, wenn etwa vereinbart wurde, dass pro geleisteter Einschulungsuntersuchung ein pauschales Honorar von 60 € zu zahlen war, mit dem sämtliche Nebenkosten abgegolten sein sollten. Auch ist davon auszugehen, dass Ärzte bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich handeln, woraus indes nicht ohne weiteres auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden kann. Umgekehrt kann nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln, etwa des Krankenhauses, zwingend auf eine abhängige Beschäftigung der Ärztin bzw. des Arztes geschlossen werden (vgl. BSG, Urteile vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R – a.a.O. Rn. 26; – B 12 KR 14/18 R – a.a.O. Rn. 31; – B 12 R 22/18 R – a.a.O. Rn. 26). Für die Klägerin, der als Pädiaterin im Rahmen der gegenständlichen Tätigkeit beim Kläger keine originär medizinische oder therapeutische Behandlung der vorgestellten Kinder oblag, sondern die anhand standardisierter Testes Einschulungsuntersuchungen durchzuführen hatte, gilt grundsätzlich nichts Abweichendes. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung kommt der der Tätigkeit zugrunde liegenden Vereinbarung – hier dem Vertrag vom 26. Juni 2013 – aber keine überragende Bedeutung zu, wenn die übrigen Indizien tatsächlich für eine abhängige Beschäftigung sprechen. So liegt es hier.

Die Verpflichtung für den Kläger zur Durchführung von Einschulungsuntersuchungen ergibt sich aus § 55a Abs. 5 Schulgesetz für das Land Berlin (SchulG), wonach die Erziehungsberechtigten verpflichtet sind, ihre Kinder vor Aufnahme in die Schule schulärztlich untersuchen zu lassen. Die weitere Ausgestaltung dieser Einschulungsvoraussetzung ergibt sich hieraus nicht. Im Hinblick darauf war und ist die Klägerin noch aufgrund ihrer jetzigen Tätigkeit als entsprechend qualifizierte Ärztin frei in der Bewertung der Schulreife der nach Maßgabe der Grundschulanmeldungen nach Listen der Schulen bzw. des Senats einzubestellenden Kinder in Bezug auf deren Entwicklungsstand in geistig, körperlicher und sozialer Hinsicht. Sie untersuchte – und untersucht vergleichbar noch heute im Rahmen ihrer Teilzeitbeschäftigung – die Kinder körperlich und hinsichtlich ihrer geistigen Reife, wohingegen der vorgesehene Hör- und Sehtest von der ihr zuarbeitenden Helferin durchgeführt wurde und wird. Dementsprechend war sie nach § 7 des Vertrages verpflichtet, die für den öffentlichen Dienst geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen und die ärztliche Schweigepflicht zu wahren, wobei „B“ erwartete, über besondere Vorkommnisse unterrichtet zu werden, die sich während der Tätigkeit ergeben. Abgesehen davon jedoch, dass im Rahmen der verpflichtend vor eine Einschulung in die Grundschule durchzuführenden Einschulungsuntersuchungen sowohl von der Klägerin als auch von den daneben beim Kläger bereits seinerzeit angestellten Pädiaterinnen und Pädiatern standardisierte Tests zu nutzen waren, und zwar zur Sprachfähigkeit, Motorik und allgemein zum Wissensstand des Kindes, war sie während ihrer Dienste auch tatsächlich weisungsabhängig und in „ein fremdes Unternehmen“ eingegliedert, ohne dass sie selbst ein erhebliches Unternehmerrisiko zu tragen hatte.

Die Klägerin unterlag – entsprechend ihrer Qualifikation – dem Weisungsrecht des Klägers. Bereits nach § 6 des Vertrages war sie verpflichtet, die Dienstleistung persönlich zu erbringen; die Beauftragung eines Dritten hätte der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Vertreters B bedurft. Sie war nach ihrem Bekunden verpflichtet, die standardisierten Tests zu nutzen und war nicht frei in der Wahl ihrer „Patienten“, sondern hatte diese – wie sie aufgrund der Listen vorgegeben waren – zu den regelmäßig von der Helferin nach vorheriger Absprache mit ihr einbestellten und insofern zwecks Einschulungsuntersuchung zugewiesenen Kinder im Hinblick auf die Schulreife zu testen. Sie war im Rahmen dieser ärztlichen Tätigkeit in ein fremdes Unternehmen – das Gesundheitsamt – eingegliedert und nicht berechtigt, die Untersuchungen an einem anderen Ort durchzuführen. Unschädlich ist, dass kein umfassendes Weisungsrecht bestand, sondern dieses vielmehr „zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert“ war (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 2/18 R – a.a.O. Rn. 24). Denn mit der Einbestellung der Kinder in die Räumlichkeiten des Gesundheitsamts zum Zweck der Einschulungsuntersuchung erfolgte die Tätigkeit vollständig fremdbestimmt innerhalb des vom Gesundheitsamt vorgegebenen organisatorischen Betriebsablaufs entsprechend den auch von den angestellten Ärztinnen und Ärzten durchgeführten Einschulungsuntersuchungen. Die Klägerin nutzte, wie jene, die vorhandene Infrastruktur und gab dem nichtärztlichen Personal, bzw. der jeweiligen Helferin, im Rahmen ihrer Tätigkeit Anweisungen. Sie nutze die Räumlichkeiten, das Telefon und den bereitgestellten sowie aus datenschutzrechtlichen Gründen auch zu verwendenden Computer. Dass sie daneben eigenes Anschauungsmaterial für die Kinder, Schreibutensilien, ihren Arztkittel und ihr Stethoskop mitbrachte, steht dem nicht entgegen und fällt daneben nicht erheblich ins Gewicht. Auch unterscheidet sich insofern ihre jetzige Tätigkeit in Bezug auf die Durchführung der Einschulungsuntersuchungen als Teilzeitbeschäftigte nicht erkennbar von der seinerzeitigen, wie die Kläger im Erörterungstermin vor der Berichterstatterin selbst eingeräumt haben; allein ihr sonstiger Tätigkeitsbereich sei seither weiter.

Ein erhebliches unternehmerisches Risiko bestand für die Klägerin nicht. Sie erhielt je durchgeführter Einschulungsuntersuchung ein feststehendes Entgelt von 60 € und unterlag nicht dem Risiko des Zahlungsausfalls trotz erbrachter Leistung. Sie testete die ins Gesundheitsamt einbestellten Kinder auf ihre Schulreife und hatte keine Möglichkeit, durch unternehmerisches Geschick ihren Verdienst zu erhöhen. Das Risiko, keine Kinder für weitere Einschulungsuntersuchungen zugeteilt zu erhalten, oder ein gelegentlich vorkommender Ausfall einzelner Kinder oder ihrer selbst ist im Hinblick darauf, dass es allein auf die konkret für den Kläger – in dessen Namen sie auch nach außen auftrat – nicht von Bedeutung (vgl. BSG, a.a.O. Rn. 27). Sie war schließlich nicht an laufenden Kosten hinsichtlich der Einrichtung beteiligt, die im Sinne von Vorhaltekosten trotz gegebenenfalls ausbleibender Aufträge zu tragen gewesen wären.

Es ist bereits nicht geltend gemacht, dass die Honorarhöhe erheblich über dem Gehalt gelegen hätte, welches sie später im Angestelltenverhältnis erzielte. Solches ist in Anbetracht der im Verwaltungsverfahren vorgelegten, monatsweise von ihr gestellten Rechnungen auch nicht ersichtlich. Im Übrigen wäre dies nur ein weiteres Kriterium der Gewichtung, welches in die Gesamtwürdigung einzustellen ist und angesichts der übrigen, zur vollen Überzeugung des Gerichts für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin sprechenden Indizien nicht so erheblich ins Gewicht fiele, dass stattdessen nach ihrem Gesamtbild von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen wäre. Dies gilt auch, soweit die Honorartätigkeit der Klägerin allein wegen eines akuten Personalmangels beim Kläger für kurze Zeit erfolgt sein sollte. Denn insofern obliegt es der Organisationsgewalt des Klägers, die Voraussetzungen für die gesetzlich gemäß § 55a SchulG verpflichtend durchzuführende Einschulungsuntersuchung zu schaffen; für die sozialversicherungsrechtliche Einordnung der Tätigkeit ist die Motivation der Beteiligten für die im Einzelfall gewählte Vertragsform dagegen nicht von Bedeutung (vgl. BSG, a.a.O. Rn. 30f.).

Folge des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung der Klägerin ist die Versicherungspflicht im streitgegenständlichen Zeitraum, ohne dass eine Ausnahme- oder Befreiungsvorschrift eingreifen würde. Die Klägerin hat neben der gegenständlichen Beschäftigung im Streitzeitraum keine weitere Tätigkeit ausgeübt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).