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Beschwerde; Rechtsweg; privatrechtliche Streitigkeit; Eigentum; Abwehr- und Beseitigungsansprüche; Straßenbäume; Baumwurzeln; Hausanschlusskanal


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 14.10.2010
Aktenzeichen OVG 1 L 82.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 VwGO, § 40 VwGO, § 13 GVG, § 17a GVG

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die gemäß §§ 146, 173 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 und 4 Satz 3 GVG zulässige Beschwerde gegen den Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin - Zivilsachen - verwiesen hat, ist unbegründet.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Kostenersatz für eine von ihr selbst in Auftrag gegebene Beseitigung der durch Baumwurzeln verursachten Beschädigung ihres Schmutzwasser-Hausanschlusskanals. Die Bäume befinden sich auf einer vor ihrem Grundstück liegenden Grünfläche, die im Eigentum des Beklagten steht, über deren Zugehörigkeit zum öffentlichen Straßenland zwischen den Beteiligten jedoch Streit besteht.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 26. Juli 2010 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen. Zur Begründung hat das Gericht angeführt, selbst wenn die Fläche vor dem Haus öffentliches Straßenland sei und die schädigenden Bäume hoheitlich gepflanzte Straßenbäume seien, wäre die Beseitigung störender Baumwurzeln keine Aufhebung oder Änderung früheren hoheitlichen Handelns, da die Bäume als solche nicht beseitigt oder umgesetzt werden müssten. Für die Frage der Rechtswegzuständigkeit sei auch nicht entscheidend, wer Eigentümer des Hausanschlusskanals sei.

Mit seiner Beschwerde macht der Beklagte geltend, es läge eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei, weil die Natur des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei. Die von der Klägerin geltend gemachten Abwehr- und Beseitigungsansprüche bezögen sich auf in öffentlichem Straßenland befindliche Straßenbäume und deren Wurzeln. Die Bepflanzung von Straßen sei aber nach § 16 Abs. 3 Satz 1 des Berliner Straßengesetzes eine dem Gemeinwohl dienende Aufgabe, die Erfüllung dieser Aufgabe erfolge hoheitlich, daher sei auch die Beseitigung von Teilen der Bäume als schlichthoheitliches Handeln einzuordnen. Die Pflege der Bäume diene auch dem Aufrechterhalten der Verkehrssicherheit. Ziel der Klägerin sei daher, einem Träger öffentlicher Verwaltung durch das Gericht ein schlichthoheitliches Handeln zu gebieten. Da die Klägerin für ihr Abwasserrohr öffentliches Straßenland im Wege der Sondernutzung in Anspruch nehme, spreche auch die Sachnähe für eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine Änderung der angegriffenen Entscheidung nicht. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs verneint.

Maßgeblich für die Bestimmung des gemäß §§ 13 GVG, 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzuschlagenden Rechtsweges ist, wenn - wie hier - keine spezialgesetzliche Rechtswegzuweisung gegeben ist, die Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses, aus der der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB, BGHZ 97, 312 [313 f.] = BVerwGE 74, 368 [370]). Dies ist auf der Grundlage des Klagebegehrens und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Öffentlich-rechtlich ist danach eine Streitigkeit, deren Begehren sich als Folge eines Sachverhalts darstellt, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Das ist der Fall, wenn der entscheidungserhebliche Streitstoff einem Sonderrecht des Staates unterworfen ist, das im Interesse der Erfüllung öffentlicher Aufgaben das allgemeine, bürgerliche Recht abändert (OVG Berlin, Beschluss vom 31. Oktober 2001 - 8 L 29.98 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2005, § 40 Rn. 6 und 11 m. w. N.). Danach ist die Klage der Klägerin als privatrechtliche Streitigkeit anzusehen, für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht eröffnet ist.

Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren auf das ihrer Auffassung nach bestehende Eigentumsrecht am Hausanschlusskanal und macht eigentumsrechtliche Abwehr- und Beseitigungsansprüche gemäß § 1004 BGB bzw. Kostenersatz gemäß § 812 BGB gegen den Beklagten geltend. Entgegen der Ansicht des Beklagten bestimmt dieses die Natur des Rechtsverhältnisses, nicht hingegen die öffentlich-rechtlich ausgestaltete Duldungspflicht von Straßenbäumen durch Eigentümer und Besitzer von Grundstücken an öffentlichem Straßenland. Auch in den Fällen, in denen die Eigentumsstörung nicht oder nicht nur im Bereich des Privatgrundstücks, sondern im öffentlichen Straßenland erfolgt, sind Abwehr- und Beseitigungsansprüche im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1991 – V ZR 346/89 -, juris Rn. 8; s. a. BayObLG, Urteil vom 26. März 1968 – RReg 1a Z 77/67 -, juris Rn. 33; OLG Celle, Urteil vom 21. Oktober 2004 – 4 U 78/04 -, juris Rn. 9; KG, Urteil vom 26. September 1989 - 9 U 4069/88 -, S. 9 des Entscheidungsabdrucks; a. A. OVG Lüneburg, Urteil vom 31. Mai 1990 – 9 L 93/89 -, juris Rn. 2). Ob durch einen Eingriff in das Eigentum ein privatrechtlicher oder ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch ausgelöst wird, bestimmt sich danach, ob der Eingriff nach seiner Rechtsqualität dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zugerechnet werden muss und ob mit dem Beseitigungsanspruch die Aufhebung oder Änderung einer hoheitlichen Maßnahme begehrt wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1986 – V ZR 92/85 -, juris Rn. 10). Selbst wenn vorliegend die Anpflanzung der Bäume als schlichthoheitliches Handeln erfolgte, führte die Beseitigung der in den Schmutzwasser-Hausanschlusskanal eingedrungenen Wurzeln - wie die von der Klägerin zwischenzeitlich selbst veranlasste Instandsetzung des Hausanschlusskanals zeigte - nicht zu einer Aufhebung oder Änderung dieser Maßnahme, da die Bäume weder gefällt werden mussten noch ihr Standort verändert worden ist; das Einwachsen bzw. Eindringen von Wurzeln ist keine hoheitliche Maßnahme, sondern Folge des natürlichen Wachstums (vgl. OLG Celle, a. a. O.). Ob der von der Klägerin mit ihrer Klage geltend gemachte Kostenersatzanspruch aufgrund von Einwendungen, die ihren Grund in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Berliner Straßengesetzes haben, gegebenenfalls ohne Erfolg bleiben wird, ist, ebenso wie die Eigentümerstellung am Hausanschlusskanal, eine Frage der Begründetheit der Klage, führt aber deshalb noch nicht zur Bejahung des Verwaltungsrechtswegs, denn auch die Gerichte des ordentlichen Rechtswegs müssen einen Anspruch unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte prüfen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG) und ebenso anspruchshindernde oder –vernichtende Tatsachen mit berücksichtigen, unabhängig ob sie im Privatrecht oder im öffentlichen Recht gründen. Dies wird letztlich durch das vom Beklagten selbst angeführte Urteil des Kammergerichts vom 10. Dezember 2002 – 9 U 57/02 – bestätigt. Den prägenden Charakter erhält das hier streitige Rechtsverhältnis hingegen durch die privatrechtlichen Eigentumsabwehransprüche, auf die im vorgerichtlichen Schriftverkehr auch der Beklagte allein abgestellt hat.

Die weitere Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht ist mangels grundsätzlicher Bedeutung der durch den Fall aufgeworfenen Rechtsfrage nicht zuzulassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es wegen der insoweit gesetzlich bestimmten Festgebühr (KV Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG).