Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 27.01.2012 | |
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Aktenzeichen | VG 6 L 272/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 163 AO, § 8 KAG BB, § 12 KAG BB, § 80 Abs 5 VwGO |
Die Gemeinde hat persönliche Billigkeitsgründe bei der Abgabenfestsetzung nur auf entsprechenden Antrag hin zu beachten. Ob sie sachliche Billigkeitsgründe bereits im Heranziehungsverfahren von Amts wegen zu beachten hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn bei dieser Berücksichtigungspflicht - eine solche unterstellt - handelte es sich nicht um eine materiell-rechtliche, sondern lediglich um eine verfahrensrechtliche Pflicht. Eine Entscheidung nach § 163 AO ist insoweit gegenüber der Abgabenfestsetzung ein selbständiger Verwaltungsakt, mit dem sie zwar äußerlich verbunden werden kann, aber nicht muss. Hat eine Gemeinde im Veranlagungsverfahren nicht über den (teilweisen) Billigkeitserlass entschieden, liegt einzig ein Bescheid vor, der die nach Maßgabe der landes- und ortsrechtlichen Bestimmungen entstandene Abgabe der Höhe nach festsetzt und ggf. zur Zahlung auffordert, nicht aber ein den Gegenstand der Billigkeit regelnder Verwaltungsakt. Der allein die Abgabenfestsetzung (und das Leistungsgebeot) enthaltene Bescheid ist als solcher rechtmäßig, und zwar selbst dann, wenn es sich bei dem von der Gemeinde unberücksichtigten Billigkeitsgrund und einen solchen sachlicher Art handelt, der möglicherweise von Amts wegen hätte berücksichtigt werden müssen. Aus diesem Grund ist im Fall einer Verletzung dieser (verfahrensrechtlichen) Berücksichtigungsplficht ein ergangener Abgabenbescheid nicht im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig und unterliegt nicht der Aufhebung. Ein Abgabenpflichtiger hat vielmehr sein Interesse an einem (teilweisen) Billigkeitserlass gemäß § 163 AO nicht mit einer Anfechtungsklage gegen den Abgabenbescheid, sondern nur (nach entsprechendem Vorverfahren) mit einer auf den Ausspruch der Billigkeitsmaßnahme gerichteten Verplfichtungsklage zu verfolgen. Dies ist auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu beachten, so dass die Verletzung einer etwaigen (verfahrensrechtlichen) Berücksichtigungspflicht nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage gegen den Abgabenbescheid führt.
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 843,63 Euro festgesetzt.
Der (sinngemäße) Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 16. August 2011 gegen den Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 10. August 2011 anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Der gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt., 80 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Abgabenerhebung unterliegt weder ernstlichen Zweifeln noch kann dem Vorbringen der Antragstellerin entnommen werden, dass die Vollziehung des angefochtenen Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheides für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (analog).
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (analog) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abgabenbescheides bestehen erst und nur dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg, wobei die Rechtmäßigkeit in einem im Vergleich zum Hauptsacheverfahren lediglich beschränkten Umfang zu prüfen ist. Regelmäßig ist von der Gültigkeit der der Abgabenerhebung zugrundeliegenden Satzungsvorschriften auszugehen, es sei denn, diese sind offensichtlich nichtig. Das Gericht hat sich auf die (summarische) Kontrolle der äußeren Gültigkeit der Normen und sich ersichtlich aufdringender materieller Satzungsfehler sowie auf die Prüfung substantiierter Einwände des Antragstellers gegen das Satzungsrecht und die sonstigen Voraussetzungen der Abgabenerhebung zu beschränken, wobei die Prüfung der Einwendungen des Antragstellers dort ihre Grenze findet, wo es um die Prüfung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen geht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. September 2005 – 9 S 33.05 -, S. 3. d. E.A.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein Erfolg des Widerspruchs bei summarischer Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Heranziehung der Antragstellerin zu einem Kanalanschlussbeitrag für die Möglichkeit des Anschlusses ihres Grundstückes Flur X, Flurstück x, M-Straße in B., Gemarkung M. an die zentrale öffentliche Kanalisation mit Bescheid vom 10. August 2011 erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Der Beitragsbescheid findet nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens in der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Satzung der Stadt B. über die Erhebung eines Beitrages für die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Stadt B.– Kanalanschlussbeitragssatzung vom 26. November 2008 (KABS 2008) eine i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Kommunalabgabengsetzes (KAG) hinreichende Rechtsgrundlage. Die Kammer hat mit Urteilen vom 8. Juni 2011 im Verfahren 6 K 1033/09 (veröff. in juris) und vom 3. November 2011 im Verfahren 6 K 15/11 (veröff. in juris) die genannte Beitragssatzung für rechtmäßig befunden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird daher Bezug genommen.
Darüber hinaus bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der konkreten Heranziehung der Antragstellerin zu einem Kanalanschlussbeitrag.
Die Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 erfasst bei summarischer Prüfung in zeitlicher Hinsicht die gegenständliche Beitragserhebung. Nach dem im vorliegenden summarischen Verfahren eingeschränkten Prüfungsumfang spricht weiterhin vieles dafür, dass es einer weitergehenden Rückwirkungsanordnung in der Schmutzwasserbeitragssatzung zur zeitlichen Erfassung des Zeitpunkts der erstmaligen Inanspruchnahmemöglichkeit nicht bedurfte.
Hinsichtlich der Frage der zeitlichen Erfassung des Zeitpunkts der erstmaligen Inanspruchnahmemöglichkeit durch die Beitragssatzung gilt, dass diese auf der Grundlage des neu gefassten Kommunalabgabengesetzes nicht erforderlich sein dürfte. Dem dürfte auch nicht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg bzw. des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg entgegen stehen, wonach der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht zeitlich fixiert wird durch die erstmalige Anschlussmöglichkeit an die zentrale Schmutzwasserentsorgungseinrichtung – frühestens mit dem (beabsichtigten) Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung – und sich eine nach diesem Zeitpunkt erlassene Beitragssatzung Rückwirkung auf diesen Zeitraum messen muss, um den Sachverhalt in abgabenrechtlicher Hinsicht zu erfassen (vgl. statt vieler OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007 – 9 B 44.06 und 9 B 45/06 –, LKV 2008, 369). Diese Rechtsprechung beruht nämlich auf der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Neuregelung des Kommunalabgabengesetzes aufgrund des 2. Gesetzes zur Entlastung der Kommune von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294ff.) zum 1. Februar 2004. Nach dieser entstand die Beitragspflicht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F., sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden konnte, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Nach dem im vorliegenden summarischen Verfahren eingeschränkten Prüfungsumfang dürfte hier indes die Neuregelung des Kommunalabgabengesetzes aufgrund des vorgenannten Gesetzes Anwendung finden, weil der Antragsgegner – wie in den zitierten Urteilen der Kammer ausgeführt, worauf Bezug genommen wird – bei summarischer Prüfung vor dem 1. Januar 2009 nicht über eine rechtswirksame Schmutzwasseranschlussbeitragssatzung verfügte – die sachliche Beitragspflicht vor diesem Zeitpunkt dementsprechend nicht entstehen konnte -, sich die Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 als erste wirksame Beitragssatzung keine Rückwirkung auf einen Zeitpunkt vor dem 1. Februar 2004 beimisst und auch die konkrete Beitragsveranlagung des Antragstellers erst nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen war (vgl. zu diesen Voraussetzungen OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007, a.a.O., jeweils Seite 13 f d. E.A. m.w.N.). Nach dieser KAG- Neuregelung entsteht die sachliche Beitragspflicht gemäß § 8 Abs.7 Satz 2 KAG n.F. nunmehr frühestens mit dem Inkrafttreten einer rechtswirksamen Beitragssatzung. Daher spricht einiges dafür, dass die sachliche Beitragspflicht hier aufgrund des Inkrafttretens der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 (erst) am 1. Januar 2009 entstanden ist.
Unter Beachtung des im vorliegenden summarischen Verfahren eingeschränkten Prüfungsumfangs dürfte der Beitragserhebung nach vorstehenden Ausführungen sodann ein Eintritt der Festsetzungsverjährung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i.V.m. § 169 f. der Abgabenordnung (AO) nicht entgegen stehen. Insoweit dürfte sich als maßgebend erweisen, dass die Verjährungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) und Abs. 3 a KAG nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, beginnt, diese jedoch – nach den Erkenntnissen des Eilverfahrens – mangels vorheriger rechtswirksamer Beitragssatzung nicht vor dem Inkrafttreten der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 entstehen konnte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007 a.a.O., jeweils S. 17 d.E.A.; Antrag auf Zulassung der Revision zurückgewiesen durch BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008 – 9 B 22.08 -, zit. nach juris). Der durch Artikel 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 2. Oktober 2008 (GVBl. 2008 S. 218) eingeführte § 12 Abs. 3 a KAG bestimmt sodann, dass – soweit hier von Interesse - bei der Erhebung eines Beitrags für den Anschluss an eine leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage im Bereich der Abwasserbeseitigung nach § 8 Abs. 7 KAG oder die Möglichkeit eines solchen Anschlusses die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2011 endet (Satz 1), sofern nicht die Festsetzungsverjährung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des genannten Gesetzes (am 7. Oktober 2008, vgl. Art. 2 des Gesetzes) bereits eingetreten ist (Satz 2). Ist die sachliche Beitragspflicht damit unter Berücksichtigung des eingeschränkten Prüfungsumfangs im vorliegenden summarischen Verfahren frühestens am 1. Januar 2009 entstanden, war die Festsetzungsverjährungsfrist zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides wie auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg vom 2. Oktober 2008 erkennbar nicht verstrichen.
Es spricht bei summarischer Prüfung auch alles dafür, dass die Frage, ob die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung im Falle der Rückwirkungserstreckung der aktuellen Beitragssatzung zumindest auf den Zeitpunkt des beabsichtigten Inkrafttretens der 1. Beitragssatzung vertrauen durften, dergestalt zu beantworten sein dürfte, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vorliegend nicht anzunehmen ist.
Die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n.F. auf den vorliegenden Sachverhalt stellt zunächst keinen Fall der echten Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen dar. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn der Gesetzgeber nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift oder Rechtsfolgen für einen vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt eintreten sollen, bei Abgabengesetzen, wenn im Zeitpunkt der Verkündung die Abgabenschuld bereits entstanden ist. So liegt der Fall hier nicht. Die durch die Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG bewirkte Rechtsfolge tritt erst nach der Gesetzesänderung ein, nämlich mit dem Inkrafttreten der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 als erster rechtswirksamer Beitragssatzung zum 1. Januar 2009, die ihrerseits erstmals eine Beitragspflicht für das Grundstück des Antragstellers begründet. Hierin liegt auch kein „rückwirkender“ Eingriff in einen der Vergangenheit angehörenden („abgeschlossenen“) Tatbestand, vielmehr werden lediglich für die Zukunft neue abgabenrechtliche Folgerungen an die andauernde Vorteilslage geknüpft (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12.12.2007, a.a.O.; Antrag auf Zulassung der Revision zurückgewiesen durch BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008, a.a.O.; ferner jüngst OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2011 – 9 N 58.09 -, zit. nach juris). Ein Eingriff in einen abgeschlossenen Sachverhalt liegt insbesondere deshalb nicht vor, weil § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n.F. Wirkung nur für Fallkonstellationen entfaltet, in denen vor Inkrafttreten der Neuregelung keine rechtswirksame Beitragssatzung erlassen worden war. Ohne rechtswirksame Satzung konnte indessen noch keine sachliche Beitragspflicht entstehen und daher auch keine Festsetzungsverjährung eintreten (vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 8. September 2004 - 2 B 112/04 -, MittStGB Bbg 2004, 356; ferner jüngst OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2011, a.a.O.). Die Antragstellerin konnte lediglich die Erwartung hegen, dass es dem Antragsgegner bei unveränderter Gesetzeslage nach deren Auslegung durch die (ober-)verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung nicht mehr möglich sein werde, in Anknüpfung an die bestehende Vorteilslage die sachliche Beitragspflicht für ihre Grundstücke zu begründen und die Beitragsforderung durch Bescheid geltend zu machen. Eine geschützte Rechtsposition war damit aber nicht begründet (vgl. OVG Berlin Brandenburg, Beschlüsse vom 15.11.2006 - 9 S 64.06 - und vom 14.12.2006 - 9 S 54.06 -; Urteil vom 12.12.2007, a.a.O.; Antrag auf Zulassung der Revision zurückgewiesen durch BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008, a.a.O.; ferner jüngst OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2011 – 9 N 58.09 -, zit. nach juris); es gibt nämlich keine schutzwürdige Rechtsposition des Inhalts, dass es bei einer Rechtslage, nach der Abgaben nicht erhoben werden (können), verbleibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, 483, 484).
Eine unechte Rückwirkung ist – wie ausgeführt - (nur) ausnahmsweise unzulässig, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985 - 1 BvL 5/80 u.a. -, BVerfGE 69, 272, 309; Beschluss vom 13. Mai 1986 - 1 BvR 99, 461/85 - BVerfGE 72, 175, 196). Zudem muss das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger sein als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen. Beides dürfte hier nicht gegeben sein. Zwar ist ein Vertrauensschutz nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Erwartung der Antragstellerin, nicht mehr zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen zu werden, auf der Auslegung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg basierte, Entscheidungen der Rechtsprechung aber keine dem Gesetzesrecht vergleichbare Rechtsbindung erzeugen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 -, BVerfGE 84, 212, 227). Dies gilt jedenfalls deshalb, weil die Heranziehung der Antragstellerin vorliegend nicht durch eine Änderung der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, sondern durch eine Gesetzesänderung ermöglicht wurde. Mit einer solchen Gesetzesänderung musste die Antragstellerin aber rechnen, so dass ein überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen in die Beibehaltung der früheren Rechtslage unabhängig davon zu verneinen ist, dass vorliegend nicht ersichtlich ist, welche wirtschaftlichen Dispositionen die Antragstellerin im Hinblick auf die vermeintlich nicht mehr zu erwartende Heranziehung zu einem Herstellungsbeitrag getroffen haben sollte, die durch die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG entwertet worden wären (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12.12.2007, a.a.O.; Beschluss vom 14.12.2006 - 9 S 54.06 -). Für den Bereich des Abgabenrechts gilt insoweit, dass die bloße Erwartung, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, grundsätzlich nicht geschützt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, 483, 484; BVerfG, Urteil vom 28. November 1984 - 1 BvR 1157/82 -, BVerfGE 68, 287, 307). Danach müssten auf Seiten des Antragstellers weitere gewichtige Interessen angeführt werden, die dem öffentlichen Interesse, Beitragsausfälle zu vermeiden, vorgehen würden. Daran dürfte es hier fehlen. Nach dem dem Kommunalabgabengesetz zu Grunde liegenden Konzept der Gesamtfinanzierung durch spezielle Entgelte sollen kommunale öffentliche Einrichtungen, die - wie die vorliegende der Schmutzwasserentsorgung - überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen dienen (vgl. §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KAG), nicht aus dem allgemeinen Haushalt, sondern durch den bevorteilten Personenkreis finanziert werden (vgl. OVG Brandenburg, Urteil vom 3. Dezember 2003 - 2 A 417/01 -, S. 16). Daher kann derjenige, dem - wie der Antragstellerin - ein solcher wirtschaftlicher Vorteil geboten wird, grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen darauf entwickeln, diese öffentliche Leistung auf Dauer ohne Gegenleistung zu bekommen. Unerheblich ist schließlich auch, ob die Antragstellerin auf die Gültigkeit der früheren Beitragssatzungen des Antragsgegners vertraut haben mag (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Dezember 2007 a.a.O.; ferner zum Ganzen jüngst OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2011 – 9 N 58.09 -, zit. nach juris).
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen ist ein schutzwürdiges Vertrauen der Antragstellerin, nicht (mehr) zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen zu werden, jedenfalls nach der vorliegend allein möglichen und gebotenen summarischen Betrachtung nicht erkennbar. Insbesondere sind keine gewichtigen Interessen der Antragstellerin vorgetragen noch sonst ersichtlich, welche dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Beitragsausfällen vorgingen. Im Übrigen hat die Antragstellerin auch nicht dargetan, ob und welche schützenswerten wirtschaftlichen Dispositionen sie in der Erwartung auf eine nicht mehr erfolgende Heranziehung zum Herstellungsbeitrag getroffen habe. Auch die Annahme einer von der Antragstellerin sinngemäß wohl behaupteten Verwirkung verbietet sich vor diesem Hintergrund. Da der Antragsgegner bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nicht über eine wirksame Beitragssatzung verfügte, verstößt die Beitragserhebung nicht gegen Treu und Glauben.
Soweit die Antragstellerin bemängelt, dass in dem angefochtenen Bescheid nicht angegeben werde, ob der Beitrag für einen bereits bestehenden Anschluss oder für die Möglichkeit der Herstellung eines solchen erhoben werde, ist dies für die Rechtmäßigkeit des Bescheides ohne Belang. § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG lässt die bloße Möglichkeit eines Anschlusses für die Beitragserhebung ausreichen. Weder unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit des Bescheides gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 Lit. b) und Nr. 4 lit. b) KAG i.V.m §§ 119, 157 AO noch unter jenem seiner (hinreichenden) Begründung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 Lit. b) KAG i.V.m. § 121 AO bedarf es insoweit einer näheren Spezifizierung. Ebenso wenig tragfähig ist, wenn die Antragstellerin meint, in dem angefochtenen Bescheid fehle es an der Angabe einer konkreten Rechtsgrundlage für die Heranziehung ihres Grundstücks. Die erforderliche Rechtsgrundlage ist insoweit mit § 8 KAG und der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 (zutreffend) und ausreichend angegeben. Die Begründungspflicht verlangt nämlich nicht, dass der Verwaltungsakt sämtliche Angaben enthält, die für eine vollständige Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit in jeder tatsächlichen und rechtlichen Hinsicht nötig wären. Eine ausdrückliche Angabe der Ermächtigungsgrundlage ist hiernach nicht geboten, soweit die tragenden Gründe für die Entscheidung der Behörde aus dem Bescheid ersichtlich sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. November 2009 – 9 S 25.07 -).
Soweit die Antragstellerin bemängelt, aus dem angefochtenen Bescheid sei nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i.V.m. § 163 AO geprüft habe, führt dies gleichfalls nicht zur Annahme ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung. Die Gemeinde hat persönliche Billigkeitsgründe grundsätzlich nur auf entsprechenden Antrag hin zu beachten, der hier trotz der unter dem 15. Juni 2011 erfolgten Anhörung nicht gestellt wurde. Ob sie sachliche Billigkeitsgründe bereits im Heranziehungsverfahren von Amts wegen zu beachten hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn bei dieser Berücksichtigungspflicht – eine solche unterstellt – handelt es sich nicht um eine materiell- rechtliche, sondern lediglich um eine verfahrensrechtliche Pflicht. Eine Entscheidung nach § 163 AO ist insoweit gegenüber der Abgabenfestsetzung ein selbständiger Verwaltungsakt, mit dem sie zwar äußerlich verbunden werden kann, aber nicht muss. Hat eine Gemeinde im Veranlagungsverfahren nicht über den (teilweisen) Billigkeitserlass entschieden, liegt einzig ein Bescheid vor, der die nach Maßgabe der landes- und ortsrechtlichen Bestimmungen entstandene Abgabe der Höhe nach festsetzt und – wie hier – ggf. zur Zahlung auffordert, nicht aber ein den Gegenstand der Billigkeit regelnder Verwaltungsakt. Der allein die Abgabenfestsetzung (und das Leistungsgebot) enthaltene Bescheid ist als solcher rechtmäßig, und zwar selbst dann, wenn es sich bei dem von der Gemeinde unberücksichtigten Billigkeitsgrund und einen solchen sachlicher Art handelt, der möglicherweise von Amts wegen hätte berücksichtigt werden müssen. Aus diesem Grund ist im Fall einer Verletzung dieser (verfahrensrechtlichen) Berücksichtigungspflicht ein ergangener Abgabenbescheid nicht im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig und unterliegt nicht der Aufhebung. Ein Abgabenpflichtiger kann vielmehr sein Interesse an einem (teilweisen) Billigkeitserlass gemäß § 163 AO nicht mit einer Anfechtungsklage gegen den Abgabenbescheid, sondern nur (nach entsprechendem Vorverfahren) mit einer auf den Ausspruch der Billigkeitsmaßnahme gerichteten Verpflichtungsklage verfolgen (wie hier BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1982 – 8 C 90.81 -, NJW 1982, 2682; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18. Januar 2006 – 9 ME 299/04 -, zit. nach juris; VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 11. April 1986 – 2 S 2061/85 -, VBlBW 1987, 141; OVG Sachsen- Anhalt, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 2 M 48/00 -, zit. nach juris; Beschluss vom 19. Februar 2004 – 2 M 333/03 -, zit. nach juris; Hessischer VGH, Urteil vom 27. Juni 1984 – V OE 56/82 -, zit. nach juris; OVG Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 15 A 5566/99 -, zit. nach juris; VG Magdeburg, Urteil vom 24. Februar 2004 – 4 A 38/03 -, zit. nach juris; VG München, Urteil vom 24. September 2009 – M 10 K 08.6067 -, zit. nach juris). Dies ist auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu beachten, so dass die Verletzung einer etwaigen (verfahrensrechtlichen) Berücksichtigungspflicht nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage gegen den Abgabenbescheid führt (vgl. OVG Sachsen- Anhalt, Beschluss vom 19. Februar 2004, a.a.O.). Unabhängig von vorstehenden Erwägungen hat die Antragstellerin weder persönliche noch sachliche Billigkeitsgründe gemäß § 163 AO substantiiert geltend gemacht.
Die Annahme ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragerhebung ebenfalls nicht zu rechtfertigen vermag der (sinngemäße) Vortrag der Antragstellerin, ihrem Grundstück werde durch die Herstellung der öffentlichen Einrichtung deshalb kein Vorteil im Sinne des § 8 Abs. 2 KAG vermittelt, weil eine Abwasserentsorgung über das an die öffentliche Einrichtung angeschlossene Grundstück M.-Straße 44 erfolge, was auch durch die Eintragung einer Baulast entsprechend gesichert sei, so dass vorliegend ein Ausnahmetatbestand gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 der Satzung der Stadt B. über die Abwasserbeseitigung und den Anschluss an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung und ihre Benutzung im Gebiet der Stadt B. – Abwassersatzung vom 26. November 2008 (AWS 2008) gegeben sei. Den geschilderten Umständen kommt entgegen der Auffassung der Antragstellerin für die Frage, ob der Antragstellerin hinsichtlich des veranlagten Grundstücks ein für die Vorteilsvermittlung nach § 8 Abs. 2 KAG – neben dem Bestehen einer tatsächlichen Anschlussmöglichkeit allein maßgebliches Anschlussrecht vermittelt wird, keine Bedeutung zu. Ausweislich der Begründung ihres Widerspruchs wie auch der Antragsbegründung geht vielmehr die Antragstellerin selbst davon aus, dass ein solches Anschlussrecht gemäß § 5 AWS 2008 besteht und insoweit der Anschluss über das Grundstück M.- Straße 44 auch – u.a. über eine Baulast - rechtlich gesichert ist. An diesem Vortrag muss sich die Antragstellerin nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung festhalten lassen; eine nähere Prüfung und Aufklärung muss ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dort mag auch näher geprüft werden, ob dem Grundstück der Antragstellerin die Anschlussmöglichkeit nicht – wie der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 4. Januar 2012, dem die Antragstellerin nicht entgegengetreten ist, überzeugend ausführt hat – seit dem 31. Juli 2002 (auch) über die F.-Straße vermittelt wird. Soweit demgegenüber die Antragstellerin zu meinen scheint, die Frage des Bestehens eines tatsächlichen Anschlusses oder eines Anschluss- und Benutzungszwangs spiele für die Beitragspflichtigkeit des Grundstücks eine Rolle, trifft dies nicht zu. Die Frage der Deckung des durch die Herstellung einer öffentlichen Einrichtung verursachten Finanzbedarfs durch Beiträge gemäß § 8 KAG ist von derjenigen des Anschluss- und Benutzungszwangs streng zu unterscheiden. Der Eigentümer eines Grundstücks kann zu Anschlussbeiträgen schon dann herangezogen werden, wenn das Grundstück durch die Möglichkeit des Anschlusses an eine öffentliche Einrichtung oder Anlage zur Abwasserent- bzw. Trinkwasserversorgung eine Steigerung seines Gebrauchswertes erfährt. Dazu gehört insbesondere die Berechtigung, sich an die öffentliche Einrichtung anzuschließen. Die satzungsmäßige Verpflichtung, sich an die Einrichtung anzuschließen, betrifft aber nicht die Beteiligung an der Finanzierung des Herstellungsaufwandes, sondern die konkrete Ausgestaltung, wie die hoheitliche Aufgabe der Abwasserent- bzw. Trinkwasserversorgung durch die Gemeinde oder den an ihre Stelle getretenen Zweckverband technisch und wirtschaftlich wahrgenommen und erfüllt werden soll. Sie löst vorbehaltlich entgegenstehender Bestimmungen des Satzungsgebers eine Pflicht zur Erstattung der Anschlusskosten nach § 10 KAG und im weiteren als Folge der Anordnung eines Benutzungszwangs die solidarische Beteiligung am laufenden Betriebs- und Unterhaltungsaufwand der öffentlichen Einrichtungen oder Anlagen durch für ihre Inanspruchnahme zu entrichtende Benutzungsgebühren aus, berührt aber nicht die Beitragslast eines schon durch die bloße Anschlussmöglichkeit bevorteilten Grundstücks (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: OVG für das Land Brandenburg, Beschlüsse vom 18. September 2003 – 2 B 247/03 -, S. des E.A. m.w.N. und vom 6. Februar 2004 - 2 D 36/02.NE -, S. 3 des E.A. sowie jüngst Urteil der Kammer vom 27. Oktober 2011 – 6 K 952/11 -, S. 31 f. des E.A.). Es kommt daher nicht darauf an, ob die Anschlussmöglichkeit für das Grundstück der Antragstellerin über die F.-Straße oder die M.-Straße vermittelt wird. Dem mag ggf. im Hauptsacheverfahren weiter nachgegangen werden.
Schließlich lassen sich Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben könnte, ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Eine unbillige Härte liegt (nur) dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung für den Betroffenen über die eigentliche Zahlung hinausgehende Nachteile entstehen, die nicht oder nur schwer (wieder) gut zu machen sind. Dass der Antragstellerin derartige Nachteile im Falle der Vollziehung des Beitragsbescheides drohen könnten, wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Die Kammer legt in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327, Ziffer 1.5) in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes in Abgabensachen regelmäßig ¼ des Abgabenbetrages zugrunde, dessen Beitreibung vorläufig verhindert werden soll.