Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Recht der Landesbeamten

Recht der Landesbeamten


Metadaten

Gericht VG Cottbus 5. Kammer Entscheidungsdatum 21.03.2013
Aktenzeichen VG 5 K 1130/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 7 EGRL 88/2003

Tenor

Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung seines Bescheides vom 24. Februar 2011 verpflichtet, der Klägerin für 6,16 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage des Jahres 2011 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor dem Eintritt der Klägerin in den Ruhestand zu gewähren, die ihr zugestanden hätte, wenn sie vollzeitbeschäftigt gewesen wäre. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu ¾ und der Beklagte zu ¼.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die finanzielle Abgeltung von Urlaub.

Die Klägerin stand als Steuersekretärin im Dienst des Beklagten. Seit September 2008 war sie mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit teilzeitbeschäftigt. Im Jahr 2010 nahm sie 16 Tage und im Jahr 2011 3 Tage Erholungsurlaub. Seit Ende März 2011 war die Klägerin krankgeschrieben. Zum 30. November 2011 wurde sie in den Ruhestand versetzt.

Unter dem 25. Januar 2012 bat die Klägerin um Auskunft, wie viel Resturlaub ihr noch zustehe und wie eine Abgeltung erfolgen solle. Mit Bescheid vom 24. Februar 2012 erklärte der Beklagte, dass Urlaubsansprüche aufgrund der Erholungsurlaubsverordnung verfallen seien, nachdem die Klägerin in den Ruhestand versetzt worden sei.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Diesen beschied der Beklagte nicht.

Die Klägerin hat am 8. November 2012 Klage erhoben. Sie stützt sich auf Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Aufhebung seines Bescheides 24. Februar 2012 zu verpflichten, ihr 8 Urlaubstage für das Urlaubsjahr 2010 und 15 Urlaubstage für das Urlaubsjahr 2011 finanziell abzugelten sowie

die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er tritt der Klage unter Vertiefung und Ergänzung seiner Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtliche Akten wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

Die Untätigkeitsklage ist nach Maßgabe des Tenors begründet bzw. unbegründet.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Urlaubsabgeltung ist Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 - Arbeitszeitrichtlinie - (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 -).

Danach hat ein Beamter bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf finanzielle Abgeltung für den bezahlten Jahresmindesturlaub, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst geleistet hat (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – Rs. C-337/10 -, NVwZ 2012, 688 ff.).

Das ist bei der Klägerin – bezogen auf den Bezugszeitraum 2010 – nicht der Fall. Bezogen auf diesen Bezugszeitraum war die zum 30. November 2011 in den Ruhestand getretene Klägerin – soweit ersichtlich – nicht aus Krankheitsgründen gehindert, Dienst zu leisten und den bezahlten Mindestjahresurlaub zu nehmen. Über Krankschreibungen der Klägerin in diesem Bezugszeitraum ist nichts bekannt und von ihr auch nichts vorgetragen. Nach Lage der Dinge beruht der Umstand, dass die Klägerin bezahlten Mindestjahresurlaub nicht genommen hat, damit auf ihrem eigenen Willensentschluss und nicht auf Krankheitsgründen. In einem solchen Fall besteht ein Abgeltungsanspruch nicht (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2012 – 2 C 10.12 -). Zudem hat die Klägerin – wie noch zu zeigen sein wird – den bezahlten Mindestjahresurlaub für den Bezugszeitraum 2010 aber auch bereits genommen. Auch deshalb steht ihr ein Abgeltungsanspruch für diesen Bezugszeitraum nicht zu.

Bezogen auf den Bezugszeitraum 2011 war die Klägerin dagegen aus Krankheitsgründen gehindert, Dienst zu leisten und den bezahlten Mindestjahresurlaub zu nehmen. Denn sie war ab Ende März 2011 bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand zum 30. November 2011 arbeitsunfähig krank.

Dem Abgeltungsanspruch für den Bezugszeitraum 2011 steht - entgegen der Ansicht des Beklagten – nicht Art. 15 Arbeitszeitrichtlinie entgegen. Art. 15 Arbeitszeitrichtlinie ist eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber eine strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 –). Soweit es Art. 15 Arbeitszeitrichtlinie den Mitgliedsstaaten also vorbehält, günstigere Vorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer anzuwenden oder zu erlassen, hat dies auf den Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß Art. 7 Abs. 2 Arbeitszeitrichtlinie keinen (hindernden) Einfluss.

Der Urlaubsanspruch ist auch nicht verfallen, wodurch der Anspruch auf finanzielle Abgeltung unterginge. Der unionsrechtlich garantierte Mindesturlaubsanspruch verfällt erst, wenn – entweder – das nationale Recht einen Übertragungszeitraum vorsieht, welcher die Dauer des Bezugszeitraums deutlich überschreitet, und dieser Übertragungszeitraum verstrichen ist (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – Rs. C–337/10 – a.a.O.) oder wenn – ansonsten - eine Frist von 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres überschritten ist (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 -).

Beides ist hier nicht der Fall. Ein nationaler Übertragungszeitraum, welcher ein Urlaubsjahr, also die Dauer des Bezugszeitraums deutlich überschreitet, fehlt. § 10 Satz 2 EUrlDbV ordnet einen Verfall des Urlaubs innerhalb von 9 Monaten nach dem Ende des Bezugszeitraums an. Dieser Übertragungszeitraum ist jedoch nicht deutlich länger, sondern deutlich kürzer als der Bezugszeitraum, der ein Jahr beträgt. § 10 Satz 5 EUrlDbV lässt Resturlaub unmittelbar mit der Beendigung des Beamtenverhältnisses entfallen. Er enthält überhaupt keinen Übertragungszeitraum. Auch die Frist von 18 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres, mit deren Ablauf Urlaub in Ermangelung sonstiger wirksamer Übertragungs- bzw. Verfallsregelungen spätestens verfällt, ist hier nicht verstrichen. Die Frist ist – hinsichtlich des Bezugszeitraums 2011 - noch nicht einmal in Lauf gesetzt worden. Denn die Klägerin ist noch innerhalb des Bezugszeitraums selbst in den Ruhestand getreten. Das Ende des Bezugszeitraums, das den Fristlauf auslöst, ist also gar nicht erreicht worden. Vielmehr hat sich der Urlaubsanspruch mit der Versetzung der Klägerin in den Ruhestand – und also noch während des Bezugszeitraums 2011 - in den Abgeltungsanspruch gewandelt. Der so entstandene Abgeltungsanspruch unterliegt nicht dem Verfall, sondern der Verjährung.

Kommt es nach dem Vorgenannten auf die nationalen Übertragungs-bzw. Verfallregelungen der EUrlDbV nicht an, ist es unerheblich, ob sie – wie die Klägerin es in der mündlichen Verhandlung vertreten hat – gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

Abzugelten ist (nur) der europarechtliche Mindestjahresurlaubsanspruchs gem. Art. 7 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – Rs. C–337/10 – a.a.O.). Dieser beträgt grundsätzlich 4 Wochen (=20 Tage). Im Fall der Klägerin besteht der Mindestjahresurlaubsanspruch jedoch nur pro-rata-temporis, nämlich soweit die Klägerin mit Blick auf ihre Teilzeitbeschäftigung tatsächlich Dienst verrichtet hat (EuGH, Urteil vom 8. November 2012 – Rs. C-229/11 und C-239/11 –, ZIP 2012, 2522 ff.; vgl. auch Art. 4 Paragraph 4 Nr. 2 Richtlinie 87/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997). Diese Minderung gegenüber Vollzeitbeschäftigten ist angemessen und aus sachlichen Gründen gerechtfertigt (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 2012 – Rs. C-229/11 und C-239/11 – a.a.O.). Zu berechnen ist der pro-rata-temporis-Anspruch „im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während des Jahres“. Dies findet seinen normativen Anhalt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 203 – 2 C 10.12 -). Den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation trägt die Arbeitszeitrichtlinie in ihrem sechsten Erwägungsgrund Rechnung. Der Begriff der Dienstzeit ist durch die Arbeitszeitrichtlinie vorgeprägt. Nach deren Art. 2 ist Arbeitszeit (=Dienstzeit) jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften arbeitet. Das ist nach der hier in den Blick zu nehmenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnung eine Zeitspanne, die sich in Stunden (§ 4 EUrlDbV) bemisst. Dies entspricht im übrigen der Regelung zur Höchstarbeitszeit in Art. 6 Arbeitszeitrichtlinie. Eine Berechnung auf der Grundlage der EUrlDbV, die der Beklagte in der Klageerwiderung wohl angewandt hat, kommt dagegen nicht in Betracht. Das gilt schon deshalb, weil der Berechnungsmodus – wie ausgeführt – supranational bzw. europarechtlich vorgegeben ist. Zudem widerspricht § 2 Abs. 5 Satz 2 EUrlDbV diesem vorgegeben Berechnungsmodus. Denn die Vorschrift sieht vor, dass die Urlaubstage nicht im Verhältnis nach geleisteten Arbeitsstunden, sondern im Verhältnis nach geleisteten Arbeitstagen errechnet werden, was – je nach Fallgestaltung (etwa bei fünf halben Arbeitstagen im Vergleich zu zweieinhalb vollen Arbeitstagen) – eine Privilegierung der Arbeitnehmer über den europarechtlichen Mindesturlaubsanspruch hinaus mit sich bringen kann. Im Ergebnis steht der Klägerin der Mindestjahresurlaubsanspruch gemäß Art. 7 Abs. 1 Arbeitszeitrichtline damit anteilig nach dem Verhältnis zu, in dem sie gegenüber Vollzeitbeschäftigten weniger Arbeitsstunden geleistet hat. Das ist angesichts dessen, dass die Klägerin mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit teilzeitbeschäftigt war, ein anteiliges Verhältnis von 50 %. Dies entspricht 10 Urlaubstagen.

Von diesen 10 Urlaubstagen sind weiterhin die Urlaubstage abzuziehen, die anteilig auf den Monat Dezember 2011 entfallen. Denn in diesem Monat war die Klägerin bereits in den Ruhestand getreten und hatte insoweit keinen Anspruch mehr auf den bezahlten Mindestjahresurlaub; § 2 Abs. 2 Satz 2 EUrlDbV ist nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 -).

Außerdem sind noch die Urlaubstage in Abzug zu bringen, die die Klägerin im Bezugszeitraum 2011 bereits genommen hat. Das sind 3 Urlaubstage. Dabei findet eine Unterscheidung zwischen neuem und altem Urlaub oder europarechtlichem Mindesturlaub und nationalem Urlaub nicht statt. Es kommt allein darauf an, wie viel Urlaub der Betreffende in dem Bezugszeitraum genommen hat (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 -).

Im Ergebnis steht der Klägerin für den Bezugszeitraum 2011 damit ein abzugeltender Mindestjahresurlaub von 6,16 Tagen (10 Tage x 11/12 Monate – 3 Tage) zu.

Hinsichtlich des Bezugszeitraums 2010 hat die Klägerin den ihr zustehenden Mindestjahresurlaub von 10 Tagen (20 Tage reduziert um 50% wegen Teilzeitbeschäftigung) bereits genommen.

Der Höhe nach besteht der Abgeltungsanspruch anknüpfend an das gewöhnliche Arbeitsentgelt, bei Beamten also anknüpfend an die Besoldung. Dabei ist ein Durchschnittswert zu bilden, der sich an der Besoldung der letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand misst (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 -). Im Fall der Klägerin besteht allerdings die Besonderheit, dass bei ihr der Durchschnittswert nicht anhand der ihr zustehenden Teilzeitbesoldung zu bilden ist, sondern anhand der Besoldung, die ihr bei Vollzeitbeschäftigung zugestanden hätte. Anderenfalls würde nämlich die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin doppelt zu ihren Lasten berücksichtigt werden, da bereits – wie ausgeführt - der Anspruch auf Mindestjahresurlaub wegen der Teilzeitbeschäftigung reduziert ist.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sowie § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.