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Tätigkeit als Vorsitzender einer PGH; PGH Funkberater, Abgrenzung zum volkseigenen Produktionsbetrieb; kein gleichgestellter Betrieb; Geltungsbereich der Anordnung über die zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einreichungen der Landwirtschaft; Ermessensentscheidung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 01.07.2011
Aktenzeichen L 3 R 908/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 AAÜG, § 5 AAÜG, § 8 AAÜG, VO-AVItech

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. August 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den Zeitraum vom 01. September 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes <AAÜG> - AVItech -) bzw. als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 3 des AAÜG) und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellen muss.

Der 1947 Kläger ist Ingenieur (Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik B vom 16. Juli 1971 sowie der Ingenieurschule für Elektrotechnik und Maschinenbau E vom 29. Juli 1981). Ab dem 01. September 1971 war er bei der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) Fernseh-Radio als Forschungs- und Entwicklungsingenieur beschäftigt. Ab dem 01. Januar 1974 wechselte der dann zur Funkberater PGH, wo er zunächst als Leiter der Abteilung Produktion und schließlich vom 01. Januar 1989 bis zum 30. Juni 1990 als Vorsitzender beschäftigt war. Ab dem 01. Januar 1975 entrichtete er Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR. In ein Zusatzversorgungssystem ist der Kläger in der DDR nicht einbezogen worden.

Mit Bescheid vom 27. November 2007 lehnte die Beklagte die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab, weil der Kläger die Voraussetzungen des § 1 AAÜG nicht erfülle. Es habe weder eine positive Versorgungszusage vorgelegen noch habe er am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt, die dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Die am 30. Juni 1990 in der Funkberater PGH ausgeübte Beschäftigung sei nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden. Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger die Auffassung vertrat, ihm stünden Ansprüche auf Zusatzversorgung wegen seiner Funktion als PGH-Vorsitzender gemäß dem Zusatzversorgungssystem Nr. 3 der Anlage 1 zum AAÜG zu, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2008 zurück. Ergänzend wurde zur Begründung ausgeführt, das Zusatzversorgungssystem Nr. 3 der Anlage 1 zum AAÜG (zusätzliche Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft) habe zu den Systemen gehört, die in der DDR eine positive Ermessensentscheidung für die Einbeziehung erfordert hätten. Sei der Zugang jedoch nur aufgrund einer Ermessensentscheidung möglich gewesen, könne eine solche nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach dem Ende der DDR nicht mehr nachgeholt werden.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) hat der Kläger sein Begehren auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 zum AAÜG weiter verfolgt. Er hat u. a. darauf verwiesen, dass er als PGH-Vorsitzender wie ein Betriebsleiter eines VEBs in die Planwirtschaft der DDR einbezogen gewesen sei. Im Übrigen verstehe er den Einigungsvertrag (EV) dahingehend, dass alle Rentenanspruchsteller in ihren persönlichen Voraussetzungen gleich behandelt werden sollten. Eine „Herunterstufung“ seiner Person sei ihm unverständlich und erscheine rechtsungleich.

Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. August 2010 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe am Stichtag 30. Juni 1990 nicht die betriebliche Voraussetzung gemäß § 1 VO-AVItech i. V. m. § 1 Abs. 1 und 2 2. DB erfüllt, denn zwar habe er zu diesem Zeitpunkt die Berechtigung gehabt, eine bestimmte Berufsbezeichnung (Ingenieur) zu führen (persönliche Voraussetzung), jedoch habe er am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung) ausgeübt. Bei den Produktionsgenossenschaften des Handwerks habe es sich gerade nicht um volkseigene Betriebe gehandelt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren fortführt.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. August 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01. September 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz bzw. als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Durch Beschluss des Senats vom 20. Januar 2011 ist der Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2008 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Zeitraum vom 01. September 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit entweder zur AVItech oder zur zusätzlichen Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt.

In dem Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ähnlich und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (BSG, Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 -, in juris), ist die Beklagte nur dann zu den von dem Kläger begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nach § 1 Abs. 1 unterfällt. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist in einem weiteren Schritt festzustellen, ob er Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungssystem, hier der AVItech oder der zusätzlichen Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft, zuzuordnen sind (§ 5 AAÜG).

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG).

Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt; er hätte vorausgesetzt, dass der Kläger in der DDR zunächst durch einen staatlichen Akt in ein Versorgungssystem einbezogen und dann zu einem späteren Zeitpunkt entsprechend den Regelungen des Systems ausgeschieden wäre. Er war aber zu keinem Zeitpunkt auf Grund eines staatlichen Akts oder einer einzelvertraglichen Zusage in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Dem Anwendungsbereich des AAÜG konnte der Kläger daher nur unterfallen, wenn er eine fiktive Versorgungsanwartschaft i. S. der vom BSG vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG gehabt hätte. Auch diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.

Für die Anwendbarkeit des AAÜG kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 10. Februar 2005 - B 4 RA 48/04 R -, m. w. N., in juris) auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage mit Blick auf die bundesrechtliche Rechtslage am 01. August 1991, dem Inkrafttreten des AAÜG, an. Dies folge aus den primär- und sekundärrechtlichen Neueinbeziehungsverboten des Einigungsvertrags (EV). So untersage der EV primärrechtlich in der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a Neueinbeziehungen ab dem 03. Oktober 1990. Darüber hinaus ordne der EV in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 - wenn auch mit Modifikationen - die sekundärrechtliche Weitergeltung des Rentenangleichungsgesetzes der DDR (RAnglG-DDR) an, das Neueinbeziehungen ab dem 01. Juli 1990 untersagt habe (§ 22 Abs. 1 S. 1 RAnglG-DDR). Da letztlich auf Grund dieser Regelungen Neueinbeziehungen in ein Zusatzversorgungssystem ab dem 01. Juli 1990 nicht mehr zulässig gewesen seien, sei darauf abzustellen, ob der Betroffene nach den tatsächlichen Gegebenheiten bei Schließung der Zusatzversorgungssysteme (30. Juni 1990) einen „Anspruch“ auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte und diese nicht von einer Ermessensentscheidung einer dazu berufenen Stelle der DDR abhängig gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2003 - B 4 RA 50/02 -, in juris). Bei dieser Bewertung sei auf die Regelungen der Versorgungssysteme abzustellen.

Der Kläger gehörte indes am 30. Juni 1990 nicht zur Gruppe derjenigen, die in ein Zusatzversorgungssystem – hier: der AVItech oder der zusätzlichen Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft – einzubeziehen gewesen wären.

Nach § 1 VO-AVItech i. V. m. § 1 Abs. 1 und 2 der 2. DB hängt ein solcher Anspruch von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Generell ist gemäß § 1 der VO-AVItech und der 2. DB erforderlich

1.die Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
2.die Ausführung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und zwar
3.in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1 Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Maßgeblich ist hierbei das Sprachverständnis der DDR am 02. Oktober 1990 (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R -, in juris).

Zwar erfüllt der Kläger als Diplom-Ingenieur die persönliche Voraussetzung. Darüber hinaus kann dahin stehen, ob er tatsächlich über den ganzen Zeitraum ingenieurtechnisch beschäftigt war. Sein Anspruch scheitert jedenfalls daran, dass er am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens, aber auch nicht in einem nach § 1 Abs. 1 und 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb beschäftigt war.

Bei der PGH Funkberater handelte sich – wie das SG zutreffend ausgeführt hat - unzweifelhaft nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Sie war aber auch nicht als ein gleichgestellter Betrieb anzusehen (vgl. hierzu etwa das Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 22. März 2007 – L 17 RA 6/03 -, in www.sozialgerichtsbarkeit.de sowie den Beschluss des LSG Berlin vom 10. Februar 2004 – L 6 RA 46/03 – in juris). Hiernach waren den volkseigenen Betrieben gleichgestellt: Wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute, Versuchsstationen, Laboratorien, Konstruktionsbüros, technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergschulen; Schule, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen, Ministerien.

Gemäß Abschnitt I § 1 Abs. 1 des der Verordnung vom 21. Februar 1973 über die PGH (GBl. I 121) beigefügten Musterstatuts handelt es sich bei ihnen um sozialistische Genossenschaften, die sich durch einen „freiwilligen Zusammenschluss“ von Handwerkern bildeten und sich auf der Grundlage des genossenschaftlichen Eigentums werktätiger Kollektive und der genossenschaftlichen Arbeit entwickelten. Die Bildung von PGH bzw. der Beitritt zu PGH erfolgte mit dem Ziel, durch eine wirksamere Nutzung der Kapazitäten die dem Handwerk gestellten Aufgaben auf dem Gebiet der Dienst- und Reparaturleistungen für die Bevölkerung besser und mit einer höheren Effektivität zu erfüllen. Die PGH waren jedoch keine volkseigenen Produktionsbetriebe der Industrie oder des Bauwesens. Sie hatten zwar gemäß Abschnitt I § 2 Abs. 1 des genannten Musterstatuts u. a. die Aufgabe, Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten insbesondere an Wohngebäuden sowie Gebäuden und baulichen Anlagen von gesellschaftlichen Einrichtungen und Versorgungseinrichtungen in den Wohngebieten sowie andere Reparaturarbeiten für die genannten Einrichtungen durchzuführen (Satz 1), auch hatten sie Erzeugnisse nach den individuellen Wünschen der Bevölkerung herzustellen (Satz 2). Ferner hatten sie ihre Aufgaben auf der Grundlage der ihnen von den übergeordneten Staatsorganen erteilten staatlichen Planauflagen zu erledigen (Abschnitt I § 2 Abs. 2 und 3 des Musterstatuts) und arbeiteten nach einem Betriebsplan, der auf die Erfüllung der staatlichen Planaufgaben gerichtet war (Abschnitt I § 3 Abs. 1 des Musterstatuts). All dies machte aber PGH nicht zu volkseigenen Betrieben der Industrie oder des Bauwesens. Denn zum einen waren sie unbeschadet ihrer Betriebseigenschaft (vgl. § 11 Abs. 2 Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975, GBl. I 465) organisatorisch nicht dem produzierenden Sektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet, sondern den „anderen Bereichen der Volkswirtschaft“ (§ 49 Abs. 2 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebs vom 9. Februar 1967, GBl. II 121); PGH waren also keine Produktionsbetriebe. Zum anderen arbeiteten PGH nicht auf der Grundlage des gesamtgesellschaftlichen Volkseigentums, sondern des genossenschaftlichen Gemeineigentums (§ 18 Abs. 2 Zivilgesetzbuch der DDR). Es fehlte somit am Merkmal „volkseigen“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB (BSG in SozR 3-8570 § 1 Nr. 6). Dementsprechend bestimmte Abschnitt I § 4 Abs. 1 des bezeichneten Musterstatuts, dass PGH bei der Lösung ihrer Aufgaben in den Versorgungs- und Erzeugnisgruppen oder anderen Formen sozialistischen Eigentums unter Leitung volkseigener Betriebe aktiv mitzuarbeiten hatten. Damit wurden PGH durch die genannten Rechtsgrundlagen den volkseigenen Produktionsbetrieben gerade nicht gleich-, sondern ihnen gegenübergestellt. Die PGH Funkberater war auch nicht durch § 1 Abs. 2 2. DB den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellt, da diese Vorschrift eine abschließende Aufzählung der gleichzustellenden Betriebe enthält.

Darüber hinaus kann auch keine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft erfolgen. Denn nach den bundesrechtskonform auszulegenden Regeln des Versorgungssystems für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft bestand am 01. August 1991 aus bundesrechtlicher Sicht am 30. Juni 1990 kein Recht, das die Beklagte im Sinne einer gebundenen Verwaltung verpflichtet hätte, den Kläger durch Einzelfallregelung in ein Versorgungssystem einzubeziehen.

Auszugehen ist insoweit von der nicht veröffentlichten und erst zum 01. Januar 1988 in Kraft getretenen Anordnung über die zusätzliche Versorgung für verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften und Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft vom 31. Dezember 1987 (abgedruckt in Aichberger II - Sozialgesetze, Ergänzungsband für die neuen Bundesländer unter Nr. 206). Gemäß § 1 der Anordnung galt diese lediglich für „verdienstvolle Vorsitzende der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, gärtnerischen Produktionsgenossenschaften, Produktionsgenossenschaften der Binnenfischer und anderer Produktionsgenossenschaften der Landwirtschaft, Leiter kooperativer Einrichtungen der Landwirtschaft sowie Leiter von Agrar-Industrie-Vereinigungen (nachfolgend Vorsitzende und Leiter genannt).“ Danach unterfiel der Kläger als Vorsitzender einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks von vornherein nicht dem Geltungsbereich dieser Anordnung und konnte bzw. kann schon allein deswegen nicht einbezogen werden; ganz abgesehen davon, dass die Anordnung eine Einbeziehung frühestens ab dem 01. Januar 1988 und nicht bereits ab dem 01. September 1971 ermöglicht hätte (§ 21 Abs. 1 der Anordnung).

Darüber hinaus hatte nach den in der Anordnung getroffenen Regelungen der Vorsitzende des zuständigen Rates des Bezirks das Recht, auf Vorschlag des Vorsitzenden des zuständigen Rates des Kreises Vorsitzende und Leiter einzubeziehen, die durch ihre Tätigkeit einen hohen persönlichen Beitrag für die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung der Landwirtschaft leisteten, der FZR angehörten und für die tatsächlichen Bruttoeinkünfte über 7.200 Mark jährlich bzw. 600 Mark monatlich Beiträge zur FZR zahlten (§ 3 der Anordnung). Eine Verpflichtung zur Einbeziehung bestand mithin nicht. Bestimmte konkrete Auswahlkriterien, bei deren Vorliegen der Vorsitzende/Leiter einen Rechtsanspruch auf Einbeziehung hatte, waren nicht vorgegeben. Damit wird deutlich, dass nach bundesrechtlichem Maßstab eine gesetzlichen Anforderungen entsprechende willkürfreie Entscheidung nach den Regelungen dieses Systems nicht gewährleistet war. U. a. fehlten auch Kriterien zur Ausfüllung des Begriffs „hoher persönlicher Beitrag". Es stand somit letztlich im freien Ermessen des mit der Gewährung der zusätzlichen Altersversorgung befassten Personenkreises, wem er im Einzelfall die Wohltat einer zusätzlichen Altersversorgung zukommen lassen wollte. Dementsprechend hat das BSG in derartigen Fällen bereits entschieden, dass alle Regelungen der Versorgungssysteme kein Bundesrecht wurden, die eine bewertende Entscheidung („verdienstvoll") und/oder eine Ermessensentscheidung eines Betriebes, eines Direktors oder einer staatlichen Stelle der DDR vorsahen (vgl. u. a. BSG in SozR 3-8570 § 1 Nr. 2; Urteil des BSG vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 50/02 R -, in juris). Denn derartige Entscheidungen konnten nur auf der Grundlage des von der SED-Ideologie geprägten Systems getroffen werden. Bereits das von dem Einzelnen nicht beeinflussbare Antragsverfahren war ein Machtmittel zur Förderung von Wohlverhalten eines totalitären Staates und ermöglichte diesem eine willkürliche Zuteilung. Da eine derartige (Ermessens-)Entscheidung mithin allein aus der Sicht der DDR und nach deren Maßstab hätte getroffen werden können, darf sie mangels sachlicher, objektivierbarer bundesrechtlich nachvollziehbarer Grundlage nicht rückschauend „ersetzt" werden (vgl. BSG in SozR 3-8570 § 1 Nr. 3). Denn insoweit müsste auf eine ggf. gleichheitswidrige willkürliche Verwaltungspraxis der DDR zurückgegriffen werden (vgl. BSG in SozR 3-8570 § 1 Nr. 9).

Soweit die Auffassung vertreten werden könnte, es sei mit dem GG unvereinbar, dass Personen mit gleichwertiger beruflicher Qualifikation und gleichwertiger beruflicher Tätigkeit im Gegensatz zu anderen, die in der DDR in das Versorgungssystem einbezogen waren, keine Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem erlangen könnten, so ist dem entgegenzuhalten, dass bei einer einmal unterstellten Ungleichbehandlung der EV-Gesetzgeber nicht gehalten war, solche in den einzelnen Versorgungsordnungen (möglicherweise) angelegten Ungleichbehandlungen zu korrigieren. Er durfte im Rahmen der Rentenüberleitung an die insoweit vorgefundenen Versorgungsordnungen, wie sie am 02. Oktober 1990 vorgelegen haben, anknüpfen (vgl. BSG, Urteile vom 09. April 2002 - B 4 RA 25/01 R, sowie vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 4/04 R -, m. w. N., vgl. hierzu auch BVerfG, Beschlüsse vom 04. August 2004, 1 BvR 1557/01, und 26. Oktober 2005, 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05, jeweils in juris).

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.