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Prozesskostenhilfe; Zulässigkeit der Beschwerde; keine entsprechende Anwendung von § 127 Abs 2 S 2 ZPO; hinreichende Erfolgsaussicht; Erlass einer einstweiligen Anordnung; Anordnungsgrund; keine Leistungen für Vergangenheit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 25. Senat Entscheidungsdatum 12.03.2010
Aktenzeichen L 25 B 1612/08 AS PKH ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 86b Abs 2 S 2 SGG, § 172 Abs 3 SGG, § 127 Abs 2 S 2 ZPO

Tenor

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des bei dem Sozialgericht Berlin anhängig gewesenen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens – S 157 AS 17448/08 ER –, in dem es um die vorläufige Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis 31. März 2008 ging.

Der Antragsteller ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 und stand seit dem 1. November 2007 im Leistungsbezug des Antragsgegners. Vom 1. Oktober 2007 war er - nach eigenen Angaben - bis zum 31. März 2008 Mieter einer etwa 29,44 qm großen Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners zu einer monatlichen Bruttowarmmiete in Höhe von 255 €. Mit Bescheid vom 5. November 2007, geändert durch Bescheide vom 6. und 28. Dezember 2007, bewilligte der Antragsgegner (u. a.) Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 in Höhe von 248,47 € monatlich. Die monatliche Miete in Höhe von 255 € überwies der Antragsgegner bis einschließlich Februar 2008 direkt an den Vermieter.

Am 4. Dezember 2007 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner die „Zustimmung zum Umzug“ in eine Wohnung in unmittelbarer Nähe seines Arbeitsplatzes unter Hinweis auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Verkäufer zum 1. Dezember 2007. Mit Bescheid vom 12. Dezember 2007 lehnte der Antragsgegner den „Antrag auf Umzug“ ab. Hiergegen legte der Antragsteller am 17. Dezember 2007 Widerspruch ein. Am 31. Januar 2008 schloss der Antragsteller mit der C GmbH mit Wirkung zum 1. Februar 2008 einen Mietvertrag über die Anmietung einer etwa 55 qm großen 2-Zimmer-Wohnung in der Dstraße B zu einer monatlichen Bruttowarmmiete in Höhe von 416,45 €. Mit Bescheid vom 22. Februar 2008 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 12. Dezember 2007 auf und erklärte, dass für den Antragsteller Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360 € anerkannt würden. Mit Änderungsbescheid vom 29. Februar 2008 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. März 2008 bis 31. März 2008 (u. a.) Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 360 €. Diesen Betrag überwies der Antragsgegner direkt an die Hausverwaltung der neuen Vermieterin.

Für den Zeitraum ab 1. April 2008 erhielt der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom JobCenter P. Dieses bewilligte dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis 30. September 2008 (u. a.) Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung ebenfalls in Höhe von monatlich 360 €.

Am 3. Juni 2008 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin vorläufigen Rechtsschutz und unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von PKH für die Durchführung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens beantragt. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat er die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweisen Zahlung von 428,90 € im Wege einstweiliger Anordnung begehrt. Dieser Betrag setzte sich aus noch offenen Mietforderungen für die Wohnung Dstraße B, in Höhe von 369,45 € für Februar 2008 und in Höhe von 56,45 € für März 2008 und einer Mahngebühr in Höhe von 3 € zusammen. Zur Begründung hat der Antragsteller vorgetragen, der Vermieter habe angedroht, die ausstehenden Mietschulden mit allen Mitteln beizutreiben.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2008 hat das Sozialgericht die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Umzug in die neue Unterkunft sei nicht erforderlich gewesen. Denn die Kosten für die neue Unterkunft seien nicht angemessen. Die Entscheidung über die Bewilligung der PKH folge der Entscheidung in der Hauptsache.

Gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Antragsteller am 25. Juli 2008 Beschwerde eingelegt, mit der er das Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht weiterverfolgt und (u. a.) ergänzend zur Angemessenheit der Kosten für die neue Unterkunft vorträgt, ihm stehe aufgrund einer Vielzahl von Schufa-Eintragungen nicht der vollständige Berliner Wohnungsmarkt zur Verfügung. Zahlreiche Bemühungen um den Abschluss eines Mietvertrages seien deshalb gescheitert.

II.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH für das vorläufige Rechtsschutzverfahren bei dem Sozialgericht Berlin ist zulässig, insbesondere nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.

Die vorliegende Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 SGG in der hier maßgeblichen ab 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 28. März 2008 (BGBl. I S. 444) ausgeschlossen. Ein Fall der Nrn. 1 bis 4 der vorstehenden Norm liegt hier nicht vor; insbesondere sind die Voraussetzungen von § 172 Abs. 3 Nrn. 1, 2 SGG nicht gegeben; denn weder handelt es sich um ein einstweiliges Anordnungsverfahren, noch hat das Sozialgericht die Bewilligung von PKH mit dem Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH begründet, sondern mit dem Fehlen der hinreichenden Erfolgsaussichten der beabsichtigen Rechtsverfolgung i. S. d. §§ 73 a SGG, 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) .

Die Beschwerde ist auch nicht nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen. Eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wonach eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe, die nicht allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers gestützt wurde, ausgeschlossen ist, wenn der Streitwert in der Hauptsache – hier 428,90 € - den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, kommt nach der Neufassung des § 172 SGG zum 1. April 2008 nicht in Betracht. Denn mit der Vorschrift des § 172 Abs. 3 SGG hat der Gesetzgeber eine klare und eigenständige Regelung dazu geschaffen, in welchen Fällen die grundsätzlich zulässige Beschwerde gegen Entscheidungen der Sozialgerichte ausgeschlossen ist – einschließlich besonderer Regelungen zum Beschwerdewert. Danach ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausdrücklich ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, während die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH nur dann ausgeschlossen ist, wenn diese ausschließlich mit dem Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen begründet wird. Hieraus ist im Umkehrschluss zu folgern, dass - unabhängig vom Beschwerdewert der Hauptsache - die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH nach § 172 Abs. 1 SGG dann statthaft ist, wenn das Sozialgericht – wie hier – die hinreichenden Erfolgsaussichten der beabsichtigen Rechtsverfolgung verneint hat. § 172 Abs. 3 SGG enthält insoweit eine spezielle und abschließende Regelung, die für eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO keinen Raum mehr lässt (so u. a. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli 2009 – L 28 B 1379/08 AS PKH –; LSG Hamburg, Beschluss vom 31. März 2009 – L 5 B 187/08 PKH – m. w. N., jeweils zitiert nach juris). Hierfür spricht insbesondere auch die Entstehungsgeschichte des § 172 Abs. 3 SGG und das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der Rechtsschutzgleichheit (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli 2008 – L 29 B 1004/08 AS PKH –; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. Mai 2008 – L 6 B 48/08 AS – a. a. O.), welches der Gesetzgeber ausdrücklich in Bezug genommen hat, wenn er in seiner Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drucksache 16/7716, S. 12) ausführt, Ziel sei „eine nachhaltige Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit durch Vereinfachung und Straffung des sozialgerichtlichen Verfahrens bei gleichzeitigem Erhalt der besonderen Klägerzentriertheit des Verfahrens, die dem Versicherten gewährleistet, bei niedriger Zugangsschwelle und größtmöglicher Waffengleichheit in Lebensbereichen, die seine materielle Existenz häufig unmittelbar betreffen, Rechtsschutz gegen eine hochspezialisierte Verwaltung zu erhalten“.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nach den hierfür einschlägigen §§ 73a SGG, 114 ff. ZPO nicht vor.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht gegebenenfalls von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG - Kommentar, 9. Auflage 2008, § 73 a Rn. 7a).

Dies zugrunde gelegt, hat das Sozialgericht eine hinreichende Erfolgsaussicht des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens jedenfalls im Ergebnis zu Recht verneint. Denn der vorläufige Rechtsschutzantrag des Antragstellers hatte zu keinem Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung).

Hiervon ausgehend hatte der Antragsteller jedenfalls einen Anordnungsgrund zu keinem Zeitpunkt glaubhaft gemacht. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich kein Raum, wenn – wie vorliegend – nur Leistungen für in der Vergangenheit liegende Zeiträume geltend gemacht werden. Insoweit fehlt es regelmäßig an einer spezifischen, dem vorliegenden Verfahren innewohnenden Dringlichkeit, deretwegen es zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, einer einstweiligen Regelung bedarf. Dass dem Antragsteller hier ausnahmsweise schwere und unzumutbare Nachteile gedroht hätten, zu deren Abwendung es der von ihm begehrten einstweiligen Anordnung bedurfte, kann seinem Vorbringen nicht entnommen werden; dafür ist auch sonst nichts ersichtlich.

Ein solcher Anordnungsgrund ergibt sich vorliegend insbesondere nicht aus dem Schreiben der Hausverwaltung der Vermieterin, der G GmbH, vom 29. Mai 2008. Soweit die Hausverwaltung den Antragsteller mit diesem Schreiben zur Zahlung rückständiger Beträge für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis 30. April 2008 in Höhe von 845,35 € aufforderte und eine Meldung an die, die Beauftragung eines Inkassounternehmens mit der Beitreibung des genannten Betrages und gleichzeitig (unter Hinweis darauf, dass ein weiterer Zahlungsverzug dazu führen könne, dass eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben werden müsse und der Antragsteller in das öffentliche Schuldnerverzeichnis eingetragen werde) die Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens sowie das Betreiben der Zwangsvollstreckung ankündigte, kann offen bleiben, ob die Androhung solcher Maßnahmen den Erlass einer einstweiligen Anordnung für einen vergangenen Zeitraum ausnahmsweise gebieten kann. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die von dem Antragsteller begehrte Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von 428,90 € diese Maßnahmen hätten abwenden können. Denn wie sich aus dem Schreiben der G GmbH weiter ergibt, war die Hausverwaltung nur bereit, von den angekündigten Maßnahmen Abstand zu nehmen, wenn der Antragsteller den geforderten Gesamtbetrag in Höhe von 845,35 € bis zum 6. Juni 2008 zahlen würde. Dem Vorbringen des Antragstellers ist jedoch nicht zu entnehmen, dass er den darüber hinaus zu zahlenden Betrag in Höhe von 416,45 € (Miete für April 2008) hätte aufbringen können.

Der Antragsteller war schließlich nicht akut von Obdachlosigkeit bedroht. Denn die Hausverwaltung hat mit Schreiben vom 29. Mai 2008 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses nur für den Fall angedroht, dass der Antragsteller zukünftig die jeweils fälligen Mieten nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung entrichten würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).