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Entscheidung 3 Ca 1374/13


Metadaten

Gericht ArbG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 17.06.2014
Aktenzeichen 3 Ca 1374/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Finden nach einer arbeitsvertraglichen Regelung die "für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung", fallen hierunter auch später abgeschlossene Haustarifverträge.

2. Kommt es aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel zu einer Tarifkonkurrenz zwischen einem Verbandstarifvertrag und einem Haustarifvertrag, ist dieser Konflikt nach den allgemeinen Regeln der Tarifkonkurrenz zu lösen. Hierbei geht der spezielle Haustarifvertrag dem allgemeinen Verbandstarifvertrag vor.

3. Das Problem der Tarifkonkurrenz führt nicht zur Intransparenz oder Unklarheit der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, sondern ist nach den allgemeinen Regeln der Tarifkonkurrenz zu lösen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) oder die Haustarifverträge der Beklagten Anwendung finden.

Die Beklagte betrieb u.a. eine Klinik in T.xxx. Die Klinik hatte die Beklagte im Wege eines Betriebsübergangs vom Land Brandenburg übernommen. Das Land Brandenburg war Mitglied der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder (TdL).

Das Land Brandenburg hatte die Klägerin mit Wirkung zum 01.03.2005 auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 07.02.2005 eingestellt. Der § 2 des Arbeitsvertrages enthielt folgende Regelung:

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts-Manteltarifliche Vorschriften (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Die gekündigten Tarifverträge über eine Zuwendung bzw. über ein Urlaubsgeld keine Anwendung.“

Mit Schreiben vom 13.01.2011 machte die Klägerin die Anwendbarkeit des TV-L gegenüber der Beklagten geltend, die die Klinik inzwischen übernommen hatte. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 03.03.2011 mit, dass die Klägerin einen Anspruch auf Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder habe. Die Parteien wendeten in der Folgezeit den TV-L auf das Arbeitsverhältnis an.

Am 05.03.2013 schloss die Beklagte mit ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg Haustarifverträge ab. Es handelte sich um einen Manteltarifvertrag, einen Entgelttarifvertrag, einen Tarifvertrag über eine Jahressonderzahlung, einen Tarifvertrag für Auszubildende und einen Tarifvertrag Altersteilzeit sowie einen Überleitungstarifvertrag.

Mit Schreiben vom 18.07.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es gelte seit dem 01.07.2012 der neue Mantel- und ab dem 01.01.2013 der neue Vergütungstarifvertrag. Die Klägerin würde zum 01.01.2013 in die Vergütungsgruppe P4, Stufe 8 eingruppiert. Aufgrund von Besitzstandszulagen änderte sich die Vergütung der Klägerin zunächst nicht.

Mit Schreiben vom 09.09.2013 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend, es sei weiterhin der TV-L auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden. Mit Schreiben vom 09.09.2013 erklärte die Beklagte, dass nunmehr die neu abgeschlossenen Haustarifverträge gelten.

Mit der am 24.10.2013 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Anwendung der Haustarifverträge. Die Klägerin vertritt die Auffassung, auf das Arbeitsverhältnis sei weiterhin der TV-L abzuwenden. Die Anwendung des Haustarifvertrages scheide aus, da die Klägerin nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft sei. Die Haustarifverträge fänden auch nicht über die Bezugnahmeklausel Anwendung. Aus der Bezugnahmeklausel ergäbe sich nicht, dass auch später abgeschlossene Haustarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollen. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt ihres Vertragsschlusses auch nicht damit rechnen müssen, dass wegen ihr völlig unbekannter Vertragsabsprachen hin zu Privatisierung zukünftig mit arbeitsvertraglichen Veränderungen zu rechnen gewesen wäre. Die Bezugnahmeklausel sei insoweit unklar und unwirksam. Der bisher auf das Arbeitsverhältnis angewendete TV-L sei zudem für die Klägerin günstiger als die Regelungen der Haustarifverträge.

Die Klägerin stellt folgende Anträge:

1.Es wird festgestellt, dass auch über den 30.06.2012 hinaus auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung findet und deswegen die Klägerin nach der Entgeltgruppe 7 a, Stufe 6 des TV-L vergütet wird.

Hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu 1. unzulässig sein sollte, beantragt die Klägerin

2.die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin auch über den 30.06.2012 hinaus als examinierte Krankenschwester zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages, d.h. insbesondere zu den Bedingungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) weiterzubeschäftigen und nach der Entgeltgruppe 7 a, Stufe 6 zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, mit Inkrafttreten der Haustarifverträge fände der TV-L auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Die Beklagte gehe von einer Tarifmitgliedschaft der Klägerin aus. Aber auch bei fehlender Tarifmitgliedschaft fänden die Haustarifverträge über die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel Anwendung. Der Haustarifvertrag gehe als speziellerer Tarifvertrag dem TV-L vor. Das Günstigkeitsprinzip gilt nicht im Verhältnis zweier Tarifverträge. Zudem enthalte der TV-L keine günstigeren Regelungen als die Haustarifverträge.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Der Klageantrag zu 1. ist unbegründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen des TV-L keine Anwendung mehr. Mit Inkrafttreten der Haustarifverträge sind die Haustarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Klägerin Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft war. Die Anwendbarkeit der Haustarifverträge ergibt sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Die Auslegung der Bezugnahmeklausel ergibt, dass von ihr auch später abgeschlossene Haustarifverträge erfasst werden. Die Haustarifverträge gehen als speziellere Tarifverträge der Anwendung des TV-L vor. Die Bezugnahmeklausel ist insoweit weder unklar noch unwirksam.

1.

Die Haustarifverträge der Beklagten werden durch den 2. Satz der Bezugnahmeklausel erfasst, der lautet:

„Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.“

a)

Gemäß §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind aber auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vorformulierte Arbeitsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie die von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen ist (BAG vom 04. Juni 2008 – 4 AZR 308/07, juris Rn. 30).

b)

Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt sich für die Kammer zweifelsfrei, dass auch Haustarifverträge von der Bezugnahmeklausel erfasst werden. Der Wortlaut der Bezugnahmeklausel ist eindeutig. Neben den in § 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages genannten Tarifverträgen finden die „... für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung“. Unter dem Begriff „sonstigen einschlägigen Tarifverträge“ fallen auch Haustarifverträge. Nur in dieser Weise konnte die streitige Vertragsklausel von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Mit der Klausel hat der Verwender unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass auf das Arbeitsverhältnis nicht nur die in § 2 Satz 1 genannten Tarifverträge Anwendung finden sollen, sondern alle für den Arbeitgeber jeweils geltenden Tarifverträge mit Ausnahme der in § 2 Satz 3 ausdrücklich bezeichneten Tarifverträge.

2.

Dahinstehen kann, ob die abgeschlossenen Haustarifverträge den TV-L im Sinne von § 2 Satz 1 ergänzt, geändert oder ersetzt haben. Die zwischen dem TV-L und den neu abgeschlossenen Haustarifverträgen bestehende Tarifkonkurrenz ist nämlich nach dem Grundsatz der Tarifspezialität zu lösen. Nach dem Grundsatz der Tarifspezialität verdrängt der sachnähere Tarifvertrag den konkurrierenden Tarifvertrag. Ein Haustarifvertrag geht dabei einem Verbandstarifvertrag aufgrund der großen räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Nähe zum Betrieb vor (BAG vom 15.04.2008 – 9 AZR 159/07, juris Rn. 36). Für den vorliegenden Fall ergeben sich keine Anhaltspunkte von diesem Grundsatz abzuweichen. Die Haustarifverträge sind speziell für die Klinik der Beklagten abgeschlossen worden und gehen damit dem für das ganze Land Brandenburg abgeschlossenen TV-L als speziellerer Tarifvertrag vor. Ziel der tarifvertragsschließenden Parteien war es offensichtlich, durch den Abschluss eines speziellen Haustarifvertrages mit der Beklagten, spezielle auf den Betrieb der Beklagten zugeschnittene Regelungen, abweichend vom TV-L zu schaffen.

3.

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerseite ist die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag weder intransparent noch unklar. Alle für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge sollten auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Allein das Problem der auftretenden Tarifkonkurrenz zwischen dem TV-L und den sonstigen Haustarifverträgen führt nicht zur Unwirksamkeit einer Bezugnahmeklausel, sondern ist nach den allgemeinen Regeln zur Tarifkonkurrenz zu lösen.

II.

Über den gestellten Hilfsantrag zu 2. musste keine Entscheidung ergehen. Der Hilfsantrag wurde nur für den Fall gestellt, dass der Feststellungsantrag zu 1. als unzulässig zurückgewiesen wurde. Die Kammer hat jedoch den Antrag zu 1. nicht als unzulässig, sondern als unbegründet zurückgewiesen, so dass der im Hilfsantrag bezeichnete Fall nicht eingetreten ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Absatz 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO.

IV.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Absatz 1 ArbGG. Das Gericht hat in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung bei diesem nichtvermögensrechtlichen Gegenstand den in § 23 Absatz 3 Satz 2 RVG genannten Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 Euro zugrunde gelegt.