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Entscheidung 9 AR 4/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 17.08.2010
Aktenzeichen 9 AR 4/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Zum zuständigen Gericht wird das Amtsgericht – Familiengericht – Königs Wusterhausen bestimmt.

Gründe

1.

Der Antragsteller begehrt gegen den Antragsgegner, einen Geschäftspartner, den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, wobei er die begehrten Maßnahmen u. a. an einen behaupteten Vorfall vom 26. Juli 2010 – Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung - in der …-Straße in R… anknüpft. Der Antragsteller hat sich zum Zwecke der Rechtsverfolgung am 3. August 2010 zum Amtsgericht Strausberg begeben, dort seinen Antrag nebst Begründung zu Protokoll der Rechtsantragsstelle gegeben und dies mit dem Antrag auf „sofortige Abgabe an das zuständige Amtsgericht in Königs Wusterhausen“ geschlossen.

Die Antragsschrift wurde sodann am 4. August 2010 dem Amtsgericht Königs Wusterhausen übermittelt, das mit Beschluss vom selben Tage die Übernahme mit näherer Begründung abgelehnt hat.

Das Amtsgericht Strausberg hat sich daraufhin seinerseits mit Beschluss vom 4. August 2010 mit näherer Darlegung für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 FamFG an das Amtsgericht Königs Wusterhausen verwiesen.

Beide Beschlüsse sind nach Aktenlage dem Antragsteller zur Kenntnis gegeben worden.

Unter dem 5. August 2010 hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen dem vorzitierten Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Strausberg die Bindungswirkung abgesprochen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 FamFG vorgelegt.

2.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht – Familiensenat – ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen, weil dieses das nächst höhere gemeinsame Gericht ist und es sich bei der hier streitbefangenen Gewaltschutzsache um eine Familiensache handelt (§§ 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG in Verbindung mit §§ 111 Nr. 6, 210 FamFG).

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG liegen vor. Beide Amtsgerichte – Familiengerichte – haben sich „rechtskräftig“ für unzuständig erklärt, das Amtsgericht Strausberg durch den nach § 3 Abs. 3 Satz 1 FamFG unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 4. August 2010 und das Amtsgericht Königs Wusterhausen durch den die Übernahme ablehnenden Beschluss vom selben Tage in Verbindung mit der erneut die Zuständigkeit verneinenden (Vorlage-)Verfügung vom 5. August 2010. Dies genügt den Anforderungen an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, weil es insoweit allein darauf ankommt, dass eine den Beteiligten bekannt gemachte ausdrückliche Kompetenzleugnung vorliegt (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich – Schöpflin, FamFG, § 5 Rdnr. 11 sowie zum insoweit gleichlautenden § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO: BGHZ 102, 338; BGH NJW 2002, 3634; OLG Brandenburg OLGR 2005, 2004; Zöller-Vollkommer, 27. Aufl., § 36 Rdnr. 25). Die im Streitfall vorliegende alleinige Bekanntgabe an den Antragsteller ist mit Rücksicht darauf unschädlich, dass der Antragsgegner in dem zugrunde liegenden (Eil-)Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung selbst nicht notwendig anzuhören ist (§ 51 Abs. 2 Satz 2 FamFG).

Zuständig ist das Amtsgericht – Familiengericht – Königs Wusterhausen aufgrund § 211 Nr. 1 FamFG und aufgrund bindender Verweisung nach § 3 Abs. 1, 3 FamFG.

a)

Nach Auffassung des Senates hat der Antragsteller im Zuge der Protokollierung seines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz die ihm nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt – Tatort im Bezirk des Amtsgerichts Königs Wusterhausen (§ 211 Nr. 1 FamFG); Wohnort des Antragsgegners im Bezirk des Amtsgerichts Strausberg (§ 211 Nr. 3 FamFG) – zustehende Wahl des dann örtlich ausschließlich zuständigen Gerichts dahin getroffen, dass dieses das Amtsgericht Königs Wusterhausen sein soll. Entgegen der vom Familiengericht des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vertretenen Auffassung liegt deshalb kein Fall des § 2 Abs. 1 FamFG vor. Nach der hier unmittelbar im Zusammenhang mit der Antragstellung ausdrücklich getroffenen Wahl des Antragstellers gab es nicht mehr zwei örtlich zuständige Gerichte, sondern war das Amtsgericht Königs Wusterhausen von vornherein ausschließlich zuständig.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Königs Wusterhausen hat der Antragsteller nicht bereits dadurch das ihm nach § 211 FamFG zustehende Wahlrecht auch nicht deshalb zunächst und dann bindend zugunsten des Amtsgerichts Strausberg ausgeübt, weil er die dortige Rechtsantragsstelle aufgesucht hat, um sein Begehren aufnehmen zu lassen. Insoweit liegt – dies ergibt eine interessengerechte Auslegung seiner Antragsschrift vom 4. August 2010 - tatsächlich ein Fall des § 25 Abs. 3 FamFG vor.

Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz unterliegen als Familiensachen generell nicht dem Anwaltszwang nach § 114 FamFG, so dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 214 FamFG gemäß § 25 Abs. 1 und 2 FamFG auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts gestellt werden kann. Bei dieser Sachlage kann entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Königs Wusterhausen allein aus dem Umstand, dass der Antragsteller bei dem Amtsgericht Strausberg vorstellig geworden ist, nicht der sichere Rückschluss gezogen werden, dass der Antrag auch an dieses Gericht gerichtet werden sollte. Tatsächlich findet sich in der gesamten Niederschrift vom 4. August 2010 keinerlei Hinweis darauf, dass der Antragsteller seinen Antrag durch das Amtsgericht Strausberg beschieden wissen wollte. Vielmehr ergibt sich aus dem besonders hervorgehobenen Satz „Ich beantrage die sofortige Abgabe an das zuständige Amtsgericht in Königs Wusterhausen“, dass der Antragsteller eine Entscheidung durch dieses letztgenannte Gericht erstrebt und insoweit von vornherein und nicht etwa erst nachträglich, also nachdem er inhaltlich das Amtsgericht – Familiengericht - Strausberg mit der Angelegenheit befasst hätte, sein Wahlrecht ausgeübt hat.

Danach war das Amtsgericht Königs Wusterhausen als das Gericht der Wahl des Antragstellers von vornherein das örtlich ausschließlich zuständige Gericht.

b)

Spätestens allerdings mit dem – durchaus Bindungswirkung entfaltenden - Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 4. August 2010 wäre die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Königs Wusterhausen begründet worden.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen nämlich stellt sich der Verweisungsbeschluss gerade nicht als willkürlicher Akt dar. Allein der Umstand, dass sich das verweisende Gericht über zuvor von dem anderen Gericht erhobene Bedenken gegen dessen Zuständigkeit hinweggesetzt hat, begründet keine Willkür. Dies gilt umso mehr für den hier vorliegenden Fall, dass die Bedenken des zur Übernahme aufgerufenen Gerichtes nicht stichhaltig sind.

Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfällt vorliegend auch nicht, weil den Verfahrensbeteiligten vor Erlass des Verweisungsbeschlusses rechtliches Gehör nicht gewährt wurde. Die unterbliebene Anhörung dessen, der auch vor der begehrten Sachentscheidung nicht gehört werden muss, ist nämlich unschädlich. Zu denjenigen, deren Anspruch auf rechtliches Gehör kraft Gesetzes in zulässiger Weise eingeschränkt ist, gehört auch der Antragsgegner im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. dazu Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 281 Rdnr. 17a; MüKo-Prütting, ZPO, 3. Aufl., § 281 Rdnr. 57; Schulte-Bunert/Weinreich – Schöpflin, a.a.O., § 3 Rdnr. 7). Hier wäre eine vorherige Anhörung des Gegners über die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ohne erhebliche Nachteile für das Verfahren schlicht nicht möglich; die bereits jetzt allein durch den – immerhin dem Antragsteller bekannt gegebenen - Kompetenzstreit der Gerichte zu verzeichnenden Verzögerungen für die dringlich erbetene Sachentscheidung zeigen dies eindrücklich. Eine wiederholte Anhörung des Antragstellers wiederum war darüber hinaus wegen dessen eindeutiger Positionierung im Zuge der Antragstellung entbehrlich.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.