Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) ist gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag örtlich zuständig. Denn der Antragsteller hatte nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung im Bezirk des hiesigen Verwaltungsgerichts zu nehmen. Dies ergibt sich aus § 56 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG, der für die Fälle des § 14 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG anordnet, dass zum Beispiel Ausländer, die einen Asylantrag aus der Haft stellen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG) Aufenthalt im Bezirk der Ausländerbehörde nehmen müssen, in dem sie sich aufhalten (also inhaftiert sind). Der Antragsteller hat seinen Asylantrag aus der Haft in Eisenhüttenstadt gestellt. Eisenhüttenstadt gehört zum Bezirk der Ausländerbehörde des Landkreises Oder-Spree, der wiederum zum Gerichtsbezirk des hiesigen Verwaltungsgerichts gehört.
An der anderslautenden Rechtsauffassung zur örtlichen Zuständigkeit gemäß der Verfügung vom 01. Februar 2010 hält der Einzelrichter nach Würdigung der Stellungnahme des Antragsteller-Vertreters vom selben Tage und der damit vorgelegten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach 17 K 98.34469 vom 03. Dezember 1998 nicht fest.
Der sinngemäße Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Soweit der Antragsteller darüber hinaus die Feststellung begehrt hat, dass seine Klage 5 K 957/09.A aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 5 VwGO in entsprechender Anwendung), ist nicht ersichtlich, wogegen sich diese aufschiebende Wirkung richten sollte, da die Antragsgegnerin einen Bescheid, der in Rechte des Antragstellers eingreifen würde, bislang nicht erlassen hat. Weder hat sie den – aus der Haft in Deutschland gestellten – Asylantrag des Antragstellers abgelehnt noch Verwaltungsakte im Rahmen der Zurückschiebung erlassen.
Der begehrte vorläufige Rechtsschutz ist jedoch nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu gewähren.
Nach dieser Vorschrift kann das Gericht eine einstweilige Anordnung unter anderem dann treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der Antragsteller muss einen materiellen Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) glaubhaft machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Der Antragsteller hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber, ob die Antragsgegnerin ihm die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland ermöglicht, indem sie zu seinen Gunsten von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht, das ihr Art. 3 Abs. 2 der “Verordnung (EG) 343/2003 vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist” einräumt (nachfolgend als „Dublin-II-VO“ abgekürzt). Denn er hat in Deutschland einen Asylantrag gestellt und die Antragsgegnerin hat dennoch kein Asylverfahren durchgeführt. Der Antragsteller ist vielmehr nach § 57 AufenthG i.V.m. § 18 Abs. 2 und Abs. 3 AsylVfG nach Griechenland zurückgeschoben worden.
Diese Zurückschiebung stand nicht im Einklang mit dem geltenden Recht. Denn sie verstieß gegen Art. 19 Abs. 1 bzw. Art. 20 Abs. 1 Buchst e) Dublin-II-VO. Danach ist (vor einer Rückführung) eine Entscheidung zu treffen, wonach der Asylantrag nicht zu prüfen und der Antragsteller an den zuständigen Mitgliedsstaat zu überstellen ist (Art. 19 Abs. 1 VO). Diese Entscheidung ist zu begründen (Art. 19 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO) und dem Antragsteller mitzuteilen (Art. 19 Abs. 1 Dublin-II-VO). Im Fall der Wiederaufnahme durch den ersuchten Mitgliedstaat gemäß Art. 20 Dublin-II-VO ist dem Asylbewerber durch den ersuchenden Mitgliedstaat die Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaats über seine Wiederaufnahme mitzuteilen. Auch diese Entscheidung ist zu begründen. Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist anzugeben und gegebenenfalls der Ort und der Zeitpunkt zu nennen, an dem bzw. zu dem sich der Asylbewerber zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Die Antragsgegnerin hat eingeräumt, dass eine solche Entscheidung nicht erfolgt ist (vgl. die entsprechende Angabe auf Seite 2 des Schreibens der Antragsgegnerin vom 09. Dezember 2009, Blatt 58 der Gerichtsakte). Aufgrund dieser Unterlassung der Antragsgegnerin erfolgte die Rückführung des Antragstellers nach Griechenland bereits in formeller Hinsicht zu Unrecht.
Sie erweist sich aber auch in der Sache als rechtswidrig. Denn bei der zu treffenden Entscheidung hätte die Antragsgegnerin die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Rückführungen nach Griechenland berücksichtigen müssen, wie sie sich z.B. aus den einstweiligen Anordnungen 2 BvQ 56/09 vom 08. September 2009, 2 BvQ 68/09 vom 23. September 2009 und 2 BvQ 72/09 vom 09. Oktober 2009 entnehmen lässt. Danach besteht angesichts der tatsächlichen Behandlung von Asylverfahren in Griechenland Anlass zu der Untersuchung, ob und gegebenenfalls welche Vorgaben das Grundgesetz (GG) in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 16a Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG für die fachgerichtliche Prüfung der Grenzen des Konzepts der normativen Vergewisserung bei der Anwendung von § 34a Abs. 2 AsylVfG trifft, wenn Gegenstand des Eilrechtsschutzantrags eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der Dublin-II-VO zuständigen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerden „unter Berücksichtigung des umfassenden Vortrags des Antragstellers zur Situation von Asylantragstellern in Griechenland vor den Fachgerichten und in der Verfassungsbeschwerde“ nicht von vornherein offensichtlich verneint oder bejaht. Es hat aber einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung bejaht, dass im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache möglicherweise bereits eingetretene Rechtsbeeinträchtigungen nicht mehr verhindert oder rückgängig gemacht werden könnten. So wäre bereits die Erreichbarkeit des Antragstellers in Griechenland für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens nicht sichergestellt, „sollte, wie von ihm, gestützt auf ernstzunehmende Quellen, befürchtet, ihm in Griechenland eine Registrierung faktisch unmöglich sein und ihm die Obdachlosigkeit drohen“. Die Nachteile, die aus dem Anlass der einstweiligen Anordnung entstehen, wenn dem Antragsteller der Erfolg in der Hauptsache versagt bliebe, wögen dagegen weniger schwer.
Dass diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts nicht nur für Rückführungen aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG Geltung beanspruchen, sondern auch für Zurückschiebungen nach § 57 AufenthG i.V.m. § 18 Abs. 2 und Abs. 3 AsylVfG – wie im vorliegenden Fall durchgeführt – maßgeblich sind, ergibt sich bereits aus deren Begründung. Denn es geht letztlich um die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, über einen Asylantrag aufgrund ihres Selbsteintrittsrechtes auch dann zu entscheiden, wenn nach der Dublin-II-VO zwar ein anderes Mitgliedsland der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre, aber feststeht, dass die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens in diesem Mitgliedstaat nicht gewährleistet ist. Diese Frage stellt sich immer dann, wenn derjenige, der in Deutschland einen Asylantrag stellt, zuvor bereits in einem anderen Staat Asyl beantragt hat, in dem aber Asylverfahren nicht in der gebotenen Weise durchgeführt werden. Auf die Art der Rückführung aus Deutschland in den anderen Staat kommt es insoweit nicht an. Dies hat das Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich auch klargestellt, indem es auch die Zurückschiebung eines Asylantragstellers nach Griechenland untersagt hat (vgl. den Beschluss 2 BvQ 77/09 vom 5. November 2009).
Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind zahlreiche Verwaltungsgerichte gefolgt (vgl. die zutreffend vom Antragsteller-Vertreter auf den Seiten 5 und 6 der Antragsschrift zitierten Entscheidungen und VG Frankfurt (Oder), Beschluss 7 L 319/09.A vom 06. Januar 2010).
Der Einzelrichter schließt sich diesen Entscheidungen an.
Auch aus seiner Sicht kann erst im Hauptsacheverfahren 5 K 957/09.A geklärt werden, ob der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, dass die Antragsgegnerin ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO zu seinen Gunsten ausübt und ihm so die Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht. Zur Sicherung dieses Anspruchs, dessen Bestehen nach dem vorstehenden gleichgewichtig offen ist, war jedoch schon jetzt der Erlass der einstweiligen Anordnung mit dem tenorierten Inhalt erforderlich.
Denn bliebe dem Antragsteller der begehrte Erlass der einstweiligen Anordnung versagt, würde er aber in der Hauptsache obsiegen, könnten Rechtsbeeinträchtigungen, die im Zuge seines Aufenthalts in Griechenland bereits eingetreten sind, möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden. Denn der Antragsteller ist – nach seinen nachvollziehbaren Angaben aus dem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 22. Dezember 2009 – obdachlos und verfügt über keine ladungsfähige Anschrift. Seine Erreichbarkeit für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens ist nicht sichergestellt; sein weiterer Aufenthalt in Griechenland unsicher. Zur Sicherung seines Anspruchs auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland ist es deshalb erforderlich, ihm vorübergehend bis zur Entscheidung über seine hierauf gerichtete Klage 5 K 957/09.A den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen.
Dafür, den Aufenthalt des Antragstellers – wie von ihm beantragt –
bereits jetzt bis zum Abschluss des begehrten Asylverfahrens zu gestatten, besteht keine rechtliche Grundlage, denn es kann vor einer Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes nicht festgestellt werden, ob überhaupt ein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen ist.
Um dem Antragsteller den Aufenthalt in Deutschland im tenorierten Umfang zu ermöglichen, ist es im vorliegenden Fall auch erforderlich, die – entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte – erfolgte Rückführung nach Griechenland rückgängig zu machen (vgl. zur Folgenbeseitigung nach vollzogener Abschiebung: VG Karlsruhe, Urteil 3 K 2399/09 vom 20. Oktober 2009 und VG Frankfurt/Main, Urteil 7 K 4376/07 vom 08. Juli 2009). Die Antragsgegnerin hat deshalb unverzüglich die Rückführung des Antragstellers nach Deutschland auf ihre Kosten vorzubereiten und dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers Zeit und Treffpunkt für den Beginn der Rückführung so rechtzeitig vor dem Rückführungstermin mitzuteilen, dass der Antragsteller die Möglichkeit hat, diesen Termin auch wahrzunehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 83 b AsylVfG. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und der hinsichtlich der vorläufig zu gestattenden Aufenthaltsdauer überschießende Antrag fallen kostenrechtlich gegenüber der ergangenen einstweiligen Anordnung nicht ins Gewicht. Eine Festsetzung des "Streitwerts" war nicht erforderlich, da in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylverfahrensgesetz streitwertabhängige Gerichtskosten nicht anfallen. Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).